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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Anwendung der Art. 7 und 8 des Alkoholgesetzes auf den Verkauf von Wermut.

(Vom 28. September 1893.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Unterm 27. Dezember 1890 machte das Polizeidepartement des Kantons Neuenburg bei unserm Departement des Innern die Anregung, es sei, angesichts der verschiedenartig gestalteten Interpretation der Art. 7 und 8 des Alkoholgesetzes seitens der Kantone, für eine gleichmäßige Anwendung dieser Artikel hinsichtlich des unter dem Namen W e r m u t verkauften geistigen Getränkes von Bundes wegen Sorge zu tragen.

Im Verfolg dieser Anregung erließen wir auf Antrag unseres Finanzdepartements, welchem inzwischen die Fürsorge für Beobachtung der besagten Artikel des Alkoholgesetzes übertragen worden war, am 23. Januar 1891 ein Kreisschreiben an sämtliche Stände, in welchem deren Bericht darüber erbeten wurde, ob der Wermut in ihrem Gebiete den Bestimmungen der Art. 7 und 8 des Alkoholgesetzes, beziehungsweise der zur Durchführung dieser Artikel erlassenen kantonalen Gesetze oder Verordnungen unterstellt worden sei oder nicht (Bundesbl. 1891, I, 158).

Aus den eingegangenen Antworten ergab sich folgendes: Die Kantone Bern, Luzern, Nidwaiden, Freiburg, Baselstadt, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Genf betrachten den Wermut als Wein, unterwerfen dessen Kleinverkauf also nicht den Vorschriften des eidgenössischen Alkoholgesetzes.

123 Die Kantone Zürich, Uri, Obwalden, Glarus, Solothurn, Baselland, Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., Appenzell I.-Rh., Waadt, Wallis und Neuenburg rechnen den Wermut zu den Qualitätsspirituosen und unterstellen den Kleinverkauf daher den Bestimmungen des eidgenössischen Alkoholgesetzes und der zu dessen Ausführung erlassenen Gesetze oder Verordnungen.

Schwyz und Aargau erwähnen den Wermut in ihren einschlägigen Erlassen nirgends ausdrücklich als ein der eidgenössischen Alkoholgesetzgebung unterstelltes Getränk. Die Regierung von Schwyz schlägt Gleichstellung des Wermuts mit den andern Qualitätsspirituosen vor; die Regierung von Aargau dagegen ist der Ansicht, das Produkt sei als eine Art Wein anzusehen.

In St. Gallen, wo die Kleinhandelspatente von den Bezirksämtern erteilt werden, herrschen bezüglich ' der Behandlung des Wermuts verschiedene Auffassungen ; in der Mehrzahl der Bezirke wird derselbe indessen unter die gebrannten Wasser subsumiert.

Diese Aufschlüsse der Kantonsregierungen ließen eine einheitliche Ordnung der Angelegenheit wünschbar erscheinen. Wir erachteten es indessen als zweckmäßig, mit einem bezüglichen Entscheide bis zum Abschluß der damals im Gang befindlichen Handelsvertragsunterhandlungen mit Italien, dem Vaterland des Wermuts, abzuwarten (vergi. Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1891, Kapitel XIII, Bundesbl. 1892, III, 8351.

Bei diesen Verhandlungen hielten wir in allen Stadien grundsätzlich an der Auffassung fest, daß der Wermut nicht zu den Weinen zu zählen, vielmehr als ein der Alkoholgesetzgebung unterstehendes spirituöses Getränk anzusehen sei.

In den definitiven Abmachungen wurde freilich bloß derjenige ausländische Wermut als der Monopolgebühr unterliegend erklärt, der mehr als 18x/2 Grade Alkoholgehalt hat, während der mindergrädige Wermut bloß dem Zoll von Fr. 8 per q. unterliegt.

Diese Vereinbarung stellt aber nur eine gegen anderweitige Zugeständnisse gernachte Konzession nach außen dar ; sie ist nicht maßgebend für die interne Frage, ob der Kleinhandel mit Wermut den Bestimmungen der eidgenössischen Alkoholgesetzgebung unterstellt sei oder nicht. Wir haben denn auch unseren prinzipiellen Standpunkt dadurch gewahrt, daß wir schon im Jahre 1889 von dem Zoll von Fr. 8 auf Wermut unter ISVa Graden 25 °/o, also Pr. 2 per q. der Monopolverwaltung als Monopolgebühr zusehieden und diese Zuscheidung auch nach dem Inkrafttreten des neuen italienisch-schweizerischen Handelsvertrages aufrecht erhielten.

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Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse haben wir, in Erledigung der Einfrage Neuenburgs und einer kürzlich von der Regierung des Kantons Glarus bei der Alkoholverwaltung gestellten analogen Anfrage, beschlossen: Es seien die Kantonsregierungen einzuladen, das unter der Bezeichnung Wermut verkaufte spirituöse Getränk den Vorschriften der Art. 7 und 8 des eidgenössischen Alkoholgesetzes vom 23. Dezember 1886 zu unterstellen.

Indem wir Ihnen diesen unsern Beschluß, beziehungsweise diese unsere Einladung zur gefälligen Nachachtung mitteilen, benutzen wir gerne auch diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 28. September 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Anwendung der Art. 7 und 8 des Alkoholgesetzes auf den Verkauf von Wermut. (Vom 28.

September 1893.)

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04.10.1893

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