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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrates.

(Vom 1. September 1893.)

Auf eine Beschwerde des Gemeinderates von Champvent wegen Erteilung eines Wirtschaftspatentes seitens der Behörden des Kantons Waadt ist der Bundesrat wegen Inkompetenz nicht eingetreten, da es sich in einem Falle dieser Art, wo ein Patent e r t e i l t und nicht verweigert worden ist, nicht um eine B e e i n t r ä c h t i g u n g der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Gewerbefreiheit handeln kann.

Am 4. November 1890 hat der Bundesrat beschlossen: Art. l, Ziffer 5, der Militärstrafgerichtsordnung ist nicht anwendbar auf solche Fälle, in welchen militärische Obere oder militärische Behörden sich durch Zeitungsartikel, welche außerhalb des Dienstes publiziert werden, beschimpft oder verleumdet glauben ; die Beleidigten haben vielmehr in solchen Fällen den Weg der Klage vor den bürgerlichen Gerichten zu betreten.

Bezugnehmend auf diese Schlußnahme giebt das Militärdepartement dem Bundesrat Kenntnis von einer Polemik im ,,Berner Tagblatt" und in der ,,Berner Zeitung", in welch letzterer Zeitung ein u. a. gegen Oberkriegskommissär Oberst Grenus gerichteter Artikel unterzeichnet war: ,,Schneider, Verwaltungsmajor".

Das Militärdepartement hat nun die Frage aufgeworfen, ob der oben erwähnte Beschluß des Bundesrates auf diesen Fall Anwendung finde oder ob eine militärgerichtliche Behandlung desselben angezeigt sei. Der Bundesrat hat nach Einsichtnahme eines Gutachtens des Justiz- und Polizeidepartements befunden : Durch diesen Beschluß ist erklärt worden, daß Ziffer 5 des Art. l der Militärstrafgerichtsordnung strikte zu interpretieren sei ; daß nur bei Verletzung eigentlicher Dienstpflichten eine militärpflichtige Person außerhalb des Dienstes unter die Militärgerichtsbarkeit falle; daß

39 es aber keinen der in einzelnen bürgerlichen Strafgesetzen vorgesehenen Amtsehrbeleidigung analogen Thatbestand eines auch von dem nicht im Dienste stehenden Militär verilbbaren militärischen Delikts bei uns gebe, das etwa als Verletzung des ,,respectus militarisa, des dem militärischen Vorgesetzten überall und jederzeit schuldigen Respekts, definiert werden könnte.

Wenn diese Auffassung im Fragefalle festgehalten wird, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß auch die Expektorationen des Verwaltungsmajors Schneider gegenüber dem Oberkriegskommissär sich nicht als eine Verletzung dienstlicher Pflichten darstellen, daß sie nicht eine außerhalb des Dienstes in dienstlicher Pflichtstellung begangene Handlung sind, wenngleich Herr Schneider für gut befunden hat, seinem bürgerlichen Namen die Eigenschaft des Verwaltungsmajors unterschriftlich beizusetzen. Er ist durch diese Beisetzung nicht zum Oberkriegskommissär in einen dienstlichen Verkehr getreten, wie er denn auch im Falle Blattner untersuchungsgemäß dienstlich in keiner Weise beteiligt war.

Art. l, Ziff. 5, der Militärstrafgerichtsordnung findet daher auf die dem Falle Blattner nachgefolgte Zeitungspolemik, insbesondere auf die Erklärung des Verwaltungsmajors Schneider in der ,,Berner ·Zeitung" vom 26. September 1892 nicht Anwendung, sondern es wird den Beteiligten überlassen, wegen allfälliger Verletzung eines ihnen zustehenden Rechtsgutes vor dem bürgerliehen Richter klagend aufzutreten.

Nachdem die Regierungen von Zürich und Aargau abgelehnt haben, die Strafverfolgung gegen den Aargauer L., welcher sich im Kanton Zürich aufhält, für die Deliktshandlungen zu übernehmen, deren er von den englischen Behörden angeklagt ist, hat der Bundesrat die Frage entschieden, ob einer der beiden Kantone, und welcher, zur Strafverfolgung verpflichtet sei.

In Gutheißung der vom Justiz- und Polizeidepartement entwickelten Gründe, welche im wesentlichen dahingehen, daß das Delikt nach der Auffassung der neuern Strafrechtslehrer an dem Orte als begangen zu betrachten sei, wo seine Wirkung eintrete; daß die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Delikte zum Nachteil des in England domizilierten Prinzipals stattgefunden haben, somit als in England begangen zu betrachten seien, wenn auch der Angeschuldigte in Rußland wohnte; daß somit der schweizerisch-englische
Auslieferungsvertrag zur Anwendung komme, nach welchem die Behörden des Heimatkantons die Strafverfolgung eines Delinquenten zu übernehmen haben, der wegen seiner Eigenschaft als

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Schweizer nicht ausgeliefert wird; daß nicht etwa an die Stelle des Heimatkantons gemäß dem Bundesgesetze über die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom 22. Januar 1892 der Niederlassungskanton trete, da durch dieses Gesetz der in Kraft bestehende Auslieferungsvertrag nicht abgeändert werden könne, hat der Bundesrat die Regierung von Aargau pflichtig erklärt, die Strafverfolgung einzuleiten.

Zwischen den Vertretern der Schweiz, Deutschlands, der Niederlande und von Österreich-Ungarn ist anläßlich der internationalen Konferenz betreffend Frachtrecht am 13. Juni 1893 in Bern eine Vereinbarung erleichternder Vorschriften für den wechselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbahnen der genannten Länder rücksiclitlich der nach dem internationalen Übereinkommen vom 14. Oktober 1890 (A. 8. n. P. XIII, 61) von der Beförderung ausgeschlossenen oder bedingungsweise zugelassenen Gegenstände getroffen worden..

Dieselbe entspricht inhaltlich dem Schlußprotokoll der fachmännischen Konferenz über den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr.

Der Grund, warum die Delegationen der genannten Staaten, sich zum Abschluß des Separatübereinkommens vereinigt hatten, liegt darin, daß es allseitig als wünschenswert bezeichnet wurde, dem Verkehr so bald als möglich die beabsichtigten Erleichterungen zur Verfügung zu stellen. Deshalb wurde auch als äußerster Einführungstermin für die Specialabmachungen der 1. November 1893 bezeichnet, in der Meinung, daß die Publikation der Vereinbarung wenigstens vier Wochen vorher zu erfolgen habe. Als Form, in welcher das Übereinkommen abzuschließen wäre, wird von den Delegationen übereinstimmend empfohlen, zur Erleichterung des raschen Abschlusses von der strengen Form eines Staatsvertrages abzusehen und an dessen Stelle eine einfache Erklärung der beteiligten Regierungen zu setzen.

Mit Rücksicht auf die angegebenen Gründe, sowie in Anbetracht dessen, daß es sich für die Schweiz um den Abschluß einer Vereinbarung handelt, zu welchem der Bundesrat gemäß Bundesbeschluß vom 17. April 1891 (A. S. n. F., Bd. XIII, S. 59) von der Bundesversammlung anläßlich der Genehmigung des internationalen Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr ausdrücklich und ohne Ratifikationsvorbehalt ermächtigt wurde, wird vom Bundesrat beschlossen: Es sei der am 13. Juni d. J. getroffenen Abmachung betreffend Inkraftsetzung der Anlage zum genannten Protokoll, betitelt: ,,Entwurf einer Vereinbarung erleichternder Vorschriften für den wechselseitigen Verkehr zwischen

41 den Eisenbahnen der Schweiz, Deutschlands, der Niederlande und Österreich-Ungarns rücksichtlich der nach dem internationalen Übereinkommen vom 14. Oktober 1890 von der Beförderung ausgeschlossenen oder bedingungsweise zugelassenen Gegenstände"1, die Genehmigung erteilt und davon, daß dies geschehen sei, durch Vermittlung der schweizerischen Vertreter in Berlin, Amsterdam und Wien den betreffenden Regierungen Kenntnis zu geben.

Im Anschluß an die fachmännische Konferenz über den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr vom 5. bis 12. Juni d. J. hatten die schweizerischen und die deutschen Delegationen Verhandlungen .gepflogen, um für einzelne Güter, welche infolge Widerspruchs «inzelner Delegationen bei Aufstellung des Schlußprotokolls nicht genügend berücksichtigt werden konnten, erleichternde Vorschriften au vereinbaren. Es betrifft dies die Leichentransporte, für welche mit Deutschland bereits 1888 eine sanitätspolizeiliche Abmachung über die gegenseitige Anerkennung von Leichenpässen getroffen worden war; dann die folgenden Güter: Feuerwerkskörper, Zündschnure, mit Ausnahme der Sicherheitszünder, Nitrocellulose, Schießbaumwolle, Kollodiumwolle, Pyropapier, Patronen aus gepreßter Schießbaumwolle, sprengkräftige Zündungen, Sprengkapseln und Minenzündungen, Zündbänder und Zündblättehen (amorces).

Die Vorschriften, unter welchen diese Güter zum gegenseitigen Verkehr zugelassen werden sollen, entsprechen im wesentlichen, soweit im intern-schweizerischen Verkehr schon entsprechende Bestimmungen bestanden haben, diesen ; soweit noch keine vorhanden waren, wurden die intern-deutschen Vorschriften angenommen, welche im neuen schweizerischen Transportreglement Aufnahme finden werden.

Es wurde von den Delegierten auch rücksichtlich des Specialübereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland vorgesehen, ·dasselbe einfach durch Abgabe von Erklärungen der beidseitigen Regierungen abzuschließen, wie dies rücksichtlich des Specialli bereinkommens vom 13. Juni 1893 zwischen der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden und Österreich-Ungarn vorgeschlagen wurde.

Nach Antrag des Eisenbahndepartements wird der getroffenen Vereinbarung die vorbehaltene Genehmigung erteilt und die schweizerische Gesandtschaft in Berlin ermächtigt, der k. deutschen Regierung hiervon mit der Mitteilung Kenntnis zu geben, daß schweizerischerseits die deutschen Vorschläge betreffend Inkraftsetzung der Vereinbarung gewärtigt würden.

42 Das von den eidgenössischen Räten am 29. März 1893 erlassene und am 12. April 1893 publizierte Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen (Bundesbl. 1893, II, 367), dessen Einspruchsfrist mit 11. Juli dieses Jahres unbenutzt verstrichen ist, tritt mit 1. Januar 1894 in Kraft.

Nach Art. 14, litt. a. der bundesrätlichen den Leichentransport vom 6. Oktober 1891 hat der Regierungsrat des Kantons Aargau das Bezirksamt Brugg zur Ausstellung von Irrenanstalt Königsfelden ermächtigt.

Verordnung betreffend (A. S. n. F. XII, 339) am 28. August auch Leichenpässen für die

Der Bundesrat hat den ihm vom Militärdepartement vorgelegtem Vorschriften für die Ausbildung der schweizerischen Reiterei, IL, IV.

und V. Teil, provisorisch die Genehmigung erteilt und das Exerzierreglement für die schweizerische Kavallerie vom 13. Dezember 1880 aufgehoben.

Das Landwehr-Geniebataillon 3 hat einen Ordinäreüberschuß.

von Fr. 100 dem Winkelriedfonds zugewendet.

Auf ein Gesuch des schweizerischen Eisenbahnverbandes hat der Bundesrat in Anwendung von Art. 6 des Gesetzes vom 27. Juni 1890 (A. S. n. F. XI, 713) gestattet: 1. Die Entladung von Obst, Wein, Kartoffeln und andern landwirtschaftlichen Erzeugnissen io der Zeit vom 10. September bis Ende Oktober dieses Jahres auch an Sonntag Vormittagen, den 17. September (Bettag) ausgenommen.

2. Die Ausführung eines fakultativen Güterzuges in jeder Richtung an ebendenselben Sonntagen, im Falle des Bedürfnisses, für die Abfuhr der mit Obst, Wein, Kartoffeln und andern land-.

wirtschaftlichen Erzeugnissen beladenen Wagen und für Zufuhr von Leermaterial.

Dabei ist aber verstanden, daß die den Angestellten gesetzlich zugesicherten Freisonntage keine Schmälerung erfahren dürfen.

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Auf das Gesuch der Jura-Simplon-Bahn hat der Bundesrat in Anwendung von Art. 6 des Arbeitsgesetzes beschlossen: 1. An den Sonntagen im September und Oktober dieses Jahres (dea 17. September ausgenommen) dürfen auf den Linien Brieg-Genf, Lausaune-Biel, Lausanne-Bern, Yverdon-PayerneLyß und Biel-Bern leere Wagen, sowie Wagenladungen von Trauben, Most und neuem Wein in gewöhnlicher Fracht befördert werden, zu welchem Zwecke die Führung e i n e s Güterzuges in beiden Richtungen auf den angegebenen Linien gestattet wird.

2. An den gleichen Sonntagen dürfen in den an den genannten Linien liegenden Stationen je vormittags Sendungen von Trauben, Most und neuem Wein ausgeladen werden. Dabei ist verstanden, daß infolge dieser Ausnahmeverfügungen die gesetzlichen Freisonntage des Personals nicht geschmälert werden dürfen.

3. Die Beförderung von ordinären Gütern mit den Personenzügen, sowie die Annahme und Auslieferung von ordinären Gütern an den Sonntagen bleiben untersagt.

Dem Konsul der Vereinigten Staaten Amerikas in Zürich, Herrn Eugen G e r m a i n , wird das Exequatur erteilt.

Als schweizerische Delegierte an die im Haag am 13. September beginnende Konferenz für internationales Privatrecht werden bezeichnet : 1. Herr Dr. jur. Friedrich M e i l i , ordentlicher öffentlicher Professor der Rechte an der Universität Zürich.

2. Herr Dr. jur. Ernest R o g u i n , ordentlicher öffentlicher Professor der Rechte an der Universität Lausanne.

(Vom 5. September 1893.)

Mit Rücksicht auf den Art. l des Bundesbeschlusses vom 17. April 1891 betreffend das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (A. S. n. F. XIII, 59), wonach der Bundesrat ermächtigt ist, Abänderungen an den Vollziehungs- und Ausführungsvorschriften ohne besondere Vorlage an die Bundes-

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Versammlung beizutreten, wird dem Schlußprotokoll der fachmännischen Konferenz für den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr die vorbehaltene Genehmigung erteilt und der schweizerische Abgeordnete, Herr Bundesrat L a c h e n a l , Chef des Departements des Auswärtigen, ermächtigt, an der auf den 18. September d. J. einberufenen diplomatischen Konferenz den bezüglichen Vertrag ohne weitern Vorbehalt zu unterzeichnen.

An die Münzkonferenz, welche zur Verhandlung über die Begehren der italienischen Regierung um Rückzug der italienischen Silberscheidemünzen aus dem Verkehr in den übrigen Staaten der lateinischen Münzkonvention einberufen werden soll, werden als Delegierte der Schweiz bezeichnet die Herren Dr. L a r d y , schweizerischer Gesandter in Paris, und Nationalrat C r a m e r - F r e y in Zürich.

Das Ausstellungskomitee der internationalen Ausstellung von Postwertzeichen in Zürich hat dem Bundesrate vom Reinertrage ihrer Unternehmung zu gunsten der folgenden drei gemeinnützigen Anstalten je Fr. 1000 übermittelt: 1. der Winkelriedstiftung ; 2. des schweizerischen Centralvereins vom roten Kreuz ; 3. der zu grundenden Pensions- oder Hülfskasse schweizerischer Postangestellten.

Diese Schenkung wird gebührend verdankt.

Zum Mitglied der schweizerischen Kunstkommission wird ernannt: Herr Karl V a i l l e r m e t , Maler, in Lausanne.

Herr Genielieutenant H i r s b r u n n e r , von Sumiswald, wird zur Festungsartillerie (Abteilung Beobachtungscorps) versetzt und zum Oberlieutenant befördert.

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"Wahlen.

(Vom 1. September 1893.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Eisenbahnwesen.

Kontrollingenieur für Rollmaterial : Herr Karl Straumann, Maschineningenieur, von Ölten, zur Zeit bei der Gotthardbahn in Bellinzona.

Postverwaltung.

Revisionsgehülfe bei der Oberpostdirektion: Herr Emil Scherer, von Luzern, Postaspirant in Bern.

Postcorarnis in Chiasso : ,, Angelo Carminé, von Monte Carasso, Posteommis in Basel.

(Vom 5. September 1893.)

Zollgehülfe :

Finanz- und Zolldepartement.

Zollverwaltung.

Herr Bernhard François Juat, von Buttes (Neuenburg).

Post- und Eisenbahndepartement.

Postverwaltung.

Posteommis in Bern: Herr Albert Hofmeister, von St. Antönien, Postaspirant in Bern.

Bureauchef in Basel : ,, August Kellerhals, von Basel, Posteommis in Basel.

Posteommis in Zürich: ^ Joh. Bapt. Lüthi, von Afieltrangen, Posthalter in Diken.

,, Emil Mock, von Sax, Posteommis in Winterthur.

,, Jakob Wehrli, von Muolen, Postaspirant in Altstädten.

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06.09.1893

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