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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Abgabe von Ordonnanzschuhen an Rekruten und an eingeteilte Wehrpflichtige der Fußtruppen und des Trains.

(Vom 28. Februar 1893.)

Tit.

Durch den Bundesbeschluß vom 29. Januar 1892 betreffend die Kriegsbereitschaft der schweizerischen Armee ist der Bundesrat ermächtigt worden, die für die Sicherung der Marschfähigkeil, der Armee notwendigen Schuhvorräte zu beschaffen.

Bis zum Frühjahr 1893 wird eine Kriegsreserve von 50,000 Paar starken, dauerhaften Schuhen vorhanden sein.

Damit ist für den notwendigsten ersten Ersatz gesorgt. Der erwähnte Vorrat genügt aber nicht, um den Ersatz während der ganzen Dauer eines Feldzuges durchzuführen, wenn es nicht gelingt, den einzelnen Mann daran zu gewöhnen, daß er mit besserem Schuhwerk von Hause aus in den Militärdienst tritt.

Seit Jahren hat die Militärverwaltung versucht, dieses Ziel zu erreichen. Die Mannschaft wurde bei jedem sich ergebenden Anlasse darüber aufgeklärt, wie der Schuh beschaffen sein müsse, damit er den Anforderungen entspreche, die an einen in jedem Gelände und bei jeder Witterung brauchbaren und haltbaren Militärschuh gestellt werden müssen. Im weitem wurde der Mannschaft das Tragen der in jeder Hinsicht unzweckmäßigen Elastiquebottinen untersagt und vorgeschrieben, daß. der Mann mit Schnürschuhen in den Dienst einzurücken habe. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist indessen, trotz

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571 konsequenter Bestrafung der Fehlbaren, bis zur Stunde nur ein halber geblieben. Dabei ist nicht zu übersehen, daß Strafen dieser Art in vielen Fällen hart und ungerecht erscheinen, weil sie meist den wenig begüterten Wehrmann treffen und deshalb doppelt schwer empfunden werden.

Thatsache ist, daß es trotz der ernsthaftesten Bestrebungen bis jetzt nicht gelungen ist, eine durchgreifende Änderung in der bisherigen unzweckmäßigen Fußbekleidung unserer Truppen durchzuführen. Von verhältnismäßig vielen Wehrpflichtigen werden, besonders in Wiederholungskursen, noch immer Elastiquebottinen getragen. Diese sind für den Felddienst unbrauchbar; nach wenigen; Stunden Marsch bei schlechtem Wetter in aufgeweichtem Boden oder nassem Schnee sind sie ruiniert.

Aber auch dann, wenn die Dienstpflichtigen vorschriftsgemäß, mit Schnürschuhen einrücken, zeigen sich erhebliche Übelstände.

Diese Schnürschuhe sind meistens Fabrikschuhe, die einerseits nicht rationell gebaut sind, die anderseits aber auch aus minderwertigem Material hergestellt und überdies schlecht gearbeitet sind. Solche Schuhe entsprechen den Anforderungen, welche an eine militärische Fußbekleidung gestellt werden müssen, nur scheinbar. Diesem Übelstande könnte zwar dadurch einigermaßen begegnet werden, daß.

den Wehrpflichtigen vorgeschrieben würde, wo sie ihre Schuhe anfertigen lassen oder wo sie dieselben kaufen sollen. So weit kann und darf die Militärverwaltung jedoch nicht gehen.

Bei dem jetzt gebräuchlichen System der Schuhbeschaffung · wird unser einheimisches Gewerbe -- Gerberei und Schuhhandwerk-- schwer geschädigt, weil des anscheinend billigen Preises wegen meist ausländische Fabrikware angekauft wird. Dies mag ein Grund sein, weshalb die Schuhmachermeister gegenüber den seit Jahren fortgesetzten Bestrebungen, in den breitesten Schichten der Bevölkerung eine rationellere Fußbekleidung einzuführen, nicht in wünschenswerter Weise entgegengekommen sind.

Dem Bundesrate liegt die Pflicht ob, für die Sicherung der Marschfähigkeit der Truppen Sorge zu tragen. In dieser Beziehung genügt jedoch die Anlage einer auch noch so bedeutenden Kriegsreserve an Schuhwerk nicht. Es ist vielmehr notwendig, daß in Zukunft dem Wehrmanne auch die Fußbekleidung durch den Bund geliefert wird. Nur dann, wenn der Bund die Schuhe selbst liefert, kann er mit
Aussicht auf Erfolg vorschreiben, wie die Schuhe be-.

schaffen sein sollen. Dieses letztere ist mit Bezug auf die Marschfähigkeit der Truppen von außerordentlicher Wichtigkeit, und es gereicht uns zur besonderen Genugthuung, daß es uns nach langea Versuchen gelungen ist, eine neue Ordonnanz für den Militärschuh

572 festzustellen, welcher allen uns bekannten Anforderungen vollkommen genügt.

Die Anfertigung der Schuhe haben wir zum Teil leistungsfähigen inländischen Fabriken, zum größern Teile, etwa 2/a des Jahresbedarfs, den Sektionen des schweizerischen Schuhmachermeistervereins, d. h. dem Kleinhandwerk, übertragen. Der Schuhmachermeisterverein, der die Mehrzahl der Meister dieses Gewerbes umfaßt, hat freiwillig die Versicherung abgegeben, daß er den Bestrebungen bezüglich einer durchgreifenden Verbesserung der Fußbekleidung in ernster Weise entgegenkommen werde. Für Einheit in Form und Qualität des zu liefernden Schuhwerkes wird dadurch gesorgt, daß die eidgenössische Militärverwaltung durch die Abteilung Bekleidungswesen die Ordonnanzleisten und teilweise auch das Rohmaterial den Handwerkern zum Selbstkostenpreis abgiebt.

Die zur Ablieferung gelangenden Schuhe werden genau geprüft und kontrolliert. Bei dieser Fabrikationsweise wird das Paar Schuhe im Durchschnitt auf Fr. 17 zu stehen kommen.

Zum Zwecke der Abgabe der Schuhe an die Truppen wird der Jahresbedai-f, der sich nach der Höhe der Rekrutenaushebung richtet und der durchschnittlich 14,000 Paar betragen wird, auf die Divisionswaffenplätze verteilt, und zwar in doppelter Zahl, um die Auswahl in den Größennummern zu erleichtern.

Die Übergabe der Schuhe an die Waffenplätze erfolgt jährlich vor Beginn der Rekrutenschulen; der daherige Bedarf wird der Kriegsreserve entnommen, in der Meinung, daß derselbe im gleichen Jahre wieder ersetzt werden solle. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß die Schuhe der Kriegsreserve nicht allzulange auf Lager gehalten werden müssen.

Für die Abgabe der Schuhe an den Wehrmann selbst stehen zwei Wege offen, nämlich: 1. Einmalige unentgeltliche Abgabe von einem Paar Schuhe an die Rekruten ; 2. Abgabe von Schuhen zu reduzierten Preisen an den Wehrmann, in der Meinung, daß dieser letztere berechtigt sein solle, nach einer bestimmten Anzahl von Diensttagen wiederum neue Schuhe zu reduziertem Preise zu beziehen.

Wir haben uns für das letztere System entschieden und sind der Meinung, daß dabei folgendes Verfahren zur Durchführung gelangen sollte, wobei wir bemerken, daß es sich hier lediglich um die Fußtruppen und die Trainsoldaten handelt, da den Berittenen schon seit Jahren eine Entschädigung von Fr. 15 für ein Paar Reitstiefel ausgerichtet wird.

573 1. Jeder Rekrut ist, vom Jahre 1893 an gerechnet, zum Bezüge von einem Paar Ordonnanzschuhe zum reduzierten Preise von Fr. 10 berechtigt. Er ist hierzu verpflichtet, wenn seine Schuhe den Anforderungen nicht entsprechen, welche an die militärische Fußbekleidung gestellt werden müssen.

2. Jeder Wehrpflichtige des Rekrutenjahrganges 1893 und der folgenden Jahrgänge ist nach 80 Diensttagen, Rekrutenschule inbegriffen, zum Nachbezug eines zweiten und nach 110 Diensttagen zum Nachbezug eines dritten Paares Ordonnanzschuhe zum reduzierten Preise von Fr. 10 das Paar berechtigt.

3. Die Wehrpflichtigen des Auszuges sind berechtigt, bei ihrem nächsten Diensteintritt ein Paar Ordonnanzschuhe und nach 110 Diensttagen, Rekrutenschule Inbegriffen, ein zweites Paar zum Preise von Fr. 10 zu beziehen.

4. Wenn ein Wehrpflichtiger über die in den Art. l, 2 und 3 festgesetzte Berechtigung hinaus weitere Ordonnanzschuhe beziehen will, so hat er für jedes einzelne Paar Schuhe den vollen Tarifpreis (zur Zeit Fr. 17) zu bezahlen.

5. Die Wehrpflichtigen, welche nach Maßgabe der Art. l, 2 und 3 vom Bunde Ordonnanzschuhe zu reduziertem Preise bezogen haben, sind verpflichtet, jeweilen mit diensttauglichen Ordonnanzschuhen in den Dienst einzurücken.

Nach dem vorgeschlagenen Verfahren werden wir ohne allzu große finanzielle Opfer -- wir berechnen die jährliche Ausgabe für die nächsten Jahre durchschnittlich auf cirka Fr. 200,000 -- in der Fußbekleidung unserer Armee und unserer Bevölkerung eine durchgreifende Verbesserung herbeiführen und dadurch die Marschtüchtigkeit und die allseitige Verwendbarkeit unserer Fußtruppen in hohem Maße fördern.

Gestutzt auf die vorstehenden Auseinandersetzungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des umstehenden Bundesbeschluß-Entwurfes und benutzen im übrigen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 28. Februar

1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biiigier.

Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. L x

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(Entwurf.)

Bundesbeschlnß betreffend

die Abgabe von Ordonnanzschuhen an Rekruten und an eingeteilte Wehrpflichtige der Fußtruppen und des Trains, Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 1893, beschließt: Art. \. Jeder Rekrut der Fußtruppen und des Trains, vom Jahre 1893 an gerechnet, ist berechtigt, ein Paar Ordonnanzschuhe zum Preise von Fr. 10 vom Bunde zu beziehen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn seine Schuhe den Anforderungen nicht entsprechen, welche -an die militärische Fußbekleidung gestellt werden müssen.

Art. 2. Jeder Wehrpflichtige der Fußtruppen und des Trains des Rekrutenjahrganges 1893 und der folgenden Jahrgänge ist berechtigt, nach 80 Diensttagen, Rekrutenschule Inbegriffen, ein zweites und nach 110 Diensttagen, Rekrutenschule ebenfalls inbegriffen, ein drittes Paar Ordonnanzschuhe zum Preise von Fr. 10 das Paar vom Bunde zu beziehen.

Art. 3. Die Wehrpflichtigen der Fußtruppen und des Trains des Auszuges der Rekrutenjahrgänge 1881--1892 sind berechtigt, bei ihrem nächsten Diensteintritt ein Paar Ordonnanzschuhe und nach 110 Diensttagen, Rekrutensehule inbegriffen, ein zweites Paar zum Preise von Fr. 10 zu beziehen.

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Art. 4. Der Bezug von Ordonnanzschuhen gemäß der vorstehenden Artikel ist den Betreffenden im Dienstbüchlein einzutragen.

Art. 5. Wehrpflichtige, welche über die in den Art. i, 2 und 3 festgesetzte Berechtigung hinaus weitere Ordonnanzschuhe vom Bunde beziehen wollen, haben für jedes einzelne Paar Schuhe den vollen Tarifpreis zu bezahlen.

Art. 6. Die Wehrpflichtigen, welche nach Maßgabe der Art. l, 2 und 3 vom Bunde Ordonnanzschuhe bezogen haben, sind verpflichtet, in jeden Dienst mit wenigstens einem Paar diensttauglicher Ordonnanzschuhe einzurücken.

Art. 7. Dem Bundesrat wird behufs Vollziehung dieses Beschlusses für das Jahr 1893 ein Kredit von Fr. 200,000 erteilt.

Art. 8. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft. Der Bundesrat ist mit der weitern Vollziehung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Abgabe von Ordonnanzschuhen an Rekruten und an eingeteilte Wehrpflichtige der Fußtruppen und des Trains. (Vom 28. Februar 1893.)

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08.03.1893

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