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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend authentische Interpretation des Art. 2, litt, f, der schweizerischen Militärorganisation, vom 13. November 1874 (Dienstbefreiung des Eisenbahnpersonals).

(Vom 21. November 1893.)

Tit.

Die Militärorganisation vom 13. November 1874 regelt die Dienstpflicht der Eisenbahnangestellten durch folgende Vorschrift des Art. 2: ,,Von der Wehrpflicht sind während der Dauer ihres Amtes oder ihrer Anstellung enthoben: f. ,,Die Angestellten der Eisenbahnunternehmungen, denen der Unterhalt und die Bewachung der Bahn obliegt, die Angestellten des Bahnbetriebes, das Bahnhof- und Stationspersonal, endlich die Angestellten der konzessionierten Dampfschiffunternehmungen, denen der Fahrdienst obliegt. Wenn der Kriegsbetrieb der Eisenbahnen und Dampfschiffe angeordnet wird (Art. 207), so leisten die genannten Eisenbahn- und Dampfschiffangestellten ihren Dienst als solche und sind auch für die betreffende Zeit von jeder Ersatzsteuer befreit.

,,In Bezug auf die Eisenbahnangestellten bleiben die Bestimmungen der Artikel 29, 72 und 209 vorbehalten."

Die Fassung dieser Gesetzesstelle gab von Anbeginn an Veranlassung zu Kontroversen zwischen der Bundesverwaltung und den

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einzelnen Eisenbahnunternehmungen. Diese Meinungsverschiedenheiten bezogen sich damals auf die Frage, welche Kategorien von Beamten und Angestellten der Gesellschaften dem dienstfreien Bahnpersonal nach Maßgabe des Art. 2, litt, f, der Militärorganisation beizuzählen seien. Zur Klarstellung der Verhältnisse setzte der Bundesrat durch Schlußnahme vom 27. August 1878 diese Kategorien im einzelnen fest.

Inzwischen hat sich das Eisenbahnwesen der Schweiz, in einer Weise entwickelt, welche im Jahre 1874 unmöglich vorauszusehen war. insbesondere ist seither eine große Anzahl von Special- und Schmalspurbahnen entstanden. Dieselben beschäftigen gegenwärtig ein Betriebspersonal von über 1000 Personen, welche alle auf die Begünstigung des Art. 2, litt, f, Anspruch machen. Die meisten dieser Bahnen und vor allem aus die zahlreichen Bergbahnen und Tramways haben aber für die Landesverteidigung keinen oder doch nur einen höchst geringen Wert. Jedenfalls steht dieser Wert in keinem Verhältnis zu dem Nachteil, welcher der Landesverteidigung aus der Dienstbefreiung der betreffenden Beamten und Angestellten erwächst.

Die bundesrätliche Verordnung vom 27. August 1878, welche innerhalb der Bahngesellschaften die Kategorien der dienstfreien Bankbeamten und Angestellten bezeichnet, genügt daher zur Zeit nicht mehr, vielmehr müssen nunmehr auch noch die Bahn- resp.

Transportaustalten bezeichnet werden, welche von dem Privilegium des Art. 2, litt, f, in Zukunft ausgeschlossen sein sollen. Wir haben unterin 22. November 1892 den Art. 2, litt, f, in diesem Sinne interpretiert und am 28. Februar 1893 (Bundesbl. V, 1892, S. 290, und A mtl. Samml. n. F. XIII, 319) diese Transportanstalten bezeichnet, gleichzeitig aber auch erklärt, daß im Interesse der Betriebssicherheit gewisse Kategorien von Angestellten derselben von der Dienstpflicht befreit sein sollen. Gegen diese Beschlüsse haben die Société électrique Vevey-Montreux, die Direktion derÜtlibergbahn, die RorschachHeiden-Bergbahn, die Société genevoise de chemins de fer à voie étroite und die Präsidialverwaltung des Verbandes schweizerischer Sekundärbahnen Einsprache erhoben, mit dem Begehreu, daß die Angelegenheit in Wiedererwägung gezogen werde, in der Meinung, daß das gesamte Eisenbahnpersonal von der Wehrpflicht enthoben werde.

Nach Einsichtnahme dieser Eingaben
haben wir beschlossen, unsere Verfügungen vom 22. November 1892 und 28. Februar 1893 zu sistiereu und die Angelegenheit Ihrem Entscheide zu unterbreiten im Sinne des beiliegenden Entwurfes. Wir beantragen, Sie wollen durch eiue authentische Interpretation des Art. 2, litt, f, der Militär-

127 organisation dasjenige aussprechen, was wir auf dem Wege der Verordnung bereits normiert haben.

Unsere Auffassung ergiebt sich wohl unzweifelhaft aus dem Sinn und Geist des Art. 2, litt, f, der Militärorganisation. Es würde dem Gesetze Gewalt angethan, wenn ihm die von den genannten Specialhahnen geltend gemachte Auslegung beigelegt werden wollte. Der zweite Satz des litt, f enthält nämlich gleichsam die Begründung für die im ersten Satz ausgesprochene Dienstbefreiung, indem er bestimmt, daß nach Anordnung des Kriegsbetriebes der Eisenbahnen und Dampfschiffe die Angestellten von Eisenbahn- und Dampfschiffgesellschaften ihren Dienst als solche zu leisten haben. Wird nun im Kriegsfalle nur ein Teil der Transportanstalten in Kriegsbetrieb gesetzt, wie dies thatsächlich der Fall sein wird, so geht daraus hervor, daß auch nur die Angestelltem d i e s e r Bahnen ihren Dienst als Bahuangestellte der Kriegsbetriobsorganisation leisten können, die ändern fallen für den Kriegsbetrieb außer Betracht, sind also dea Angestellten der vielen ändern Transportgesellschaften des bürgerlichen Verkehrslebens gleich zu achten.

Wenn sodann die betreffenden Gesellschaften zur Unterstützung ihrer Anschauung geltend machen, daß sich ihre Dienstbefreiung auch noch aus dem Gesichtspunkte der Betriebssicherheit ihrer Bahnen in Friedenszeit rechtfertige, indem durch die Abwesenheit ihrer Angestellten im Militärdienst leicht schwerwiegende Störungen oder Unglücksfälle im Betriebe eintreten könnten, so wollen wir diesem Einwände eine etwelche Berechtigung nicht absprechen.

Wir sind jedoch der Ansicht, es könne dieser Gefahr in ausreichender Weise dadurch begegnet werden, daß von der Dienstpflicht gewisse Kategorien von Bediensteten, wie namentlich das Maschinenpersonal, ausgenommen werden.

Mit Bezug auf die übrigen Augestellten sind wir der Ansicht, daß ihre Heranziehung zum Militärdienst auf die Betriebssicherheit der Bahnen entweder keinen oder doch keinen größern Einfluß haben werde, als bei ändern Transportanstalten.

Unsere Vorlage hat davon Umgang genommen, ein Verzeichnis der von der authentischen Interpretation betroffenen Bahnen aufzustellen, da dasselbe allzusehr dem Wechsel unterworfen sein würde. Es wird zweckmäßiger sein, die Bezeichnung dieser ßahngesellschaften dem Bundesrate nach den Verhältnissen eines
jeden Falles zu überlassen. Ebenso möchten wir uns vorbehalten, diejenigen Kategorien von Angestellten der betreffenden Bahnen zu bezeichnen, welche mit Rücksicht auf die Betriebssicherheit vom Militärdienst zu befreien sind.

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Wir empfehlen Ihnen den beiliegenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. November 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschlnß betreffend

authentische Interpretation des Art. 2, Litt, f, der Militärorganisation vom 13. November 1874 (Dienstbefreiung des Eisenbahnpersonals).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in authentischer Interpretation des Art. 2, Litt, f, der Militärorganisation vom 13. November 1874; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. November 1893, beschließt: 1. In Zukunft sind die Angestellten der Eisenbahnunternehmungen im Sinne von Art. 2, Litt, f, der Militärorganisation nur insoweit von der Wehrpflicht zu entheben, als die betreffende Eisenbahnunternehmung für den Kriegsbetrieb in Betracht fällt, worüber der Bundesrat in jedem einzelnen Falle zu entscheiden hat.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Bnndesblatt. 45. Jahrg. Bd. V.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend authentische Interpretation des Art. 2, litt, f, der schweizerischen Militärorganisation, vom 13.

November 1874 (Dienstbefreiung des Eisenbahnpersonals). (Vom 21. November 1893.)

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29.11.1893

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