347

# S T #

Ans denVerhandlungen des Schweiz, Bundesrates.

(Vom 5. Juni 1893}.

Die Bundeskanzlei wird beauftragt, die Eingabe des Centralkomitees der Sociétés vaudoises d'agriculture et de viticulture folgendermaßen zu beantworten: Sie haben dem schweizerischen Bundesrate das Protokoll der Versammlung der Sociétés viticoles vaudoises mitgeteilt, welche am 4. Februar 1893 unter Ihrem Vorsitz in Gully getagt haben, und derselbe beauftragt uns, nachdem er die Departements, die es betrifft, zur Berichterstattung über die von Ihnen gemachte Anregung aufgefordert und diese Berichterstattung entgegengenommen hat, Ihnen nachfolgende Mitteilungen zu machen : Die erste dem B u n d e s r a t e ü b e r m i t t e l t e Resolution lautet wie folgt: ,,Es sollen beim hohen Bundesrat und, wenn angängig, bei den eidgenössischen Kammern Schritte geschehen, damit keine neuen Erleichterungen für die Einfuhr fremder Weine durch eine den jetzigen Zustand ändernde Interpretation der Zolltarife bewilligt werden."

Darauf ist folgendes zu bemerken: Die Eingangszölle auf Wein sind teils gesetzlich normiert, teils vertraglich fixiert, und es steht daher, solange das Zolltarifgesetz und die Verträge mit Wein produzierenden Nationen zu Recht bestehen, oder solange es sich nicht um Abschluß neuer derartiger Verträge handelt, was zur Zeit der Fall nicht ist, eine Abänderung der da herigen Zollsätze nicht zu erwarten, und zwar weder für den Wein in Fässern, noch für den Wein in Flaschen.

Was die Bemerkung betreffend die Interpretation der bestehenden Tarife anbelangt, welche sich, nach dem Entwurfe zu schließen, der als Grundlage der Beratungen des 4. Februar diente, vorab auf den Import von Chianti bezieht, so liegt auch hier kein Grund zu

348

ernstlichen Befürchtungen vor. Tarifentscheide und Erläuterungen nämlich, welche älter sind als der neue Handelsvertrag mit Italien, haben den Import von Wein in Gefäßen, die weniger als 3 Liter halten, dem Zollsatze des Weines in Flaschen unterstellt, und diese Interpretation ist auch nach Inkrafttreten des neuen Vertrages festgehalten worden, so daß die Einfuhr des Chianti in den bekannten ,,fiaschi" genannten Gefäßen einem Zoll von Fr. 25 per 100 Kilo unterliegt. Allerdings hat Italien in neuester Zeit Versuche zur Erlangung günstigerer Bedingungen gemacht, allein der Bundesrat hat sich, solche zu gewähren, nur unter der Bedingung von Gegenleistungen geneigt erklärt, welche Italien seinerseits als nicht annehmbar betrachtet.

Infolgedessen steht nicht zu gefahren, daß der inländischen Weinproduktion aus der Einfuhr von Chianti in ,,fiaschi" eine bedrohliche Konkurrenz entstehe. Es könnte sich schlimmsten Falles auch nur um geringfügige Quantitäten handeln.

Schließlich ist die gegenwärtige Finanzlage des Bundes nicht eine derart glänzende, daß der Bundesrat sich ohne schwerwiegende Gründe veranlaßt sehen könnte, die an und für sich sehr mäßigen Weinzölle noch weiter herabsetzen zu helfen.

Die z w e i t e R e s o l u t i o n lautet wie folgt: ,,Die Bundesbehörden seien zu erhöhter Wachsamkeit einzuladen, um zu verhindern, daß unter dem Namen ,,Weine" Tresterweine (boissons de seconde cuvée) oder fabrizierte Weine eingeführt werden."

Allerdings liegt es im Interesse der Zollverwaltung, thunlichst zu verhindern, daß Kunstwein als Naturwein eingeführt werde, und es sind die diesfalls erforderlichen Einrichtungen an der Grenze getroffen. Wirksam können aber in dieser Richtung nur die kantonalen Behörden vorgehen, da ihnen ein weit konkludenteres Überführungsmaterial zu Gebote steht, als der eidgenössischen Verwaltung. Sie hätten Weine, welche von schweizerischen Käufern auffallend billig angeboten werden, chemisch auf ihre Zusammensetzung prüfen zu lassen. Ergäbe sich dann, daß es sich um Kunstwein handelt, so hätte der Eigentümer des Weines sich darüber auszuweisen, daß er denselben als Kunstwein verzollt habe. Könnte er diesen Ausweis nicht leisten, so wäre gegen ihn nach Maßgabe des eidgenössischen Fiskalstrafgesetzes wegen Zollübertretung vorzugehen, d. h. ein Protokoll über den Thatbestand
mit Angabe des Namens und Wohnortes des Angeschuldigten und des Bruttogewichtes des in Frage stehenden Weines aufzunehmen und ,dem Zoll département zu weiterer Behandlung einzusenden.

349

Auf diese mehr indirekte Weise könnte, abgesehen von der zollamtlichen Überwachung an der Grenze, die Einfuhr von zu illoyaler Konkurrenz verwendeten Weinen wohl am wirksamsten erschwert werden.

Die d r i t t e R e s o l u t i o n endlich lautet wie folgt: ,,Die eidgenössischen Behörden seien einzuladen, dafür besorgt zu sein, daß die Landesprodukte bezüglich der Transporttarife im internen Verkehr derselben Reduktionen teilhaftig werden, wie die fremden Produkte, welche von den internationalen Tarifen profitieren (Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872, Art. 35).tt In dieser Beziehung mag es genügen, auf die Ausführungen des bundesrätlichen, in der Folge von den eidgenössischen gesetzgebenden Räten gebilligten Berichtes über das Tarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen vom 23. November 1883 (Bundesbl.

1883, IV, 477 ff.) zu verweisen, welcher sich in erschöpfender Weise darüber verbreitet, wann überhaupt und unter welchen Bedingungen Differential- und Konkurrenztarife zulässig sind, und den Nachweis leistet, daß es da, wo es sich um Konkurrenzierung ausländischer Bahnen handelt, nicht nur nicht unstatthaft, sondern gegenteils volkswirtschaftlich geradezu geboten erscheint, die schweizerischen Eisenbahnen für die auf den konkurrenzierten Strecken transportierten Ausland waren billigere Frachtsätze beziehen zu lassen, als im rein internen Verkehre berechnet werden. Wollte man den schweizerischen Bahnen jene Taxreduktionen, nur unter der Bedingung gestatten, sie auch auf den internen Verkehr zu übertragen, der den betreffenden Konkurrenzverhältnissen nicht unterworfen ist, so würde das einfach dazu führen, den Verkehr von ihnen ab- und den ausländischen Bahnen zuzulenken, ohne daß der schweizerische Bezüger der Ware für deren Transport einen Centime weniger zu bezahlen hätte. Es würde also lediglich eine finanzielle Schwächung unserer Transportanstalten herbeigeführt, welche sofort auf den ganzen Betriebsdienst zurückwirken und es verunmöglichen müßte, den von Jahr zu Jahr sich mehrenden Begehren um wesentliche Mehrleistungen im Zugsverkehr in gleichem Umfange zu entsprechen, wie solches bis jetzt der Fall gewesen ist.

Sollte die Resolution speciell diejenigen Transporterleichterungen im Auge haben, welche auf Veranlassung des Biindesrates für den Verkehr aus Österreich-Ungarn und ändern Ländern nach
den westschweizeiïschen Stationen eingerichtet worden sind, um die Wirkungen des Zollkrieges mit Frankreich für die westschweizerischen Grenzgebiete abzuschwächen, so verbietet sich eine Übertragung der daherigen Taxreduktionen auf den internen Verkehr durch den

350

Wortlaut von Art. 35, Ziff. 3, des Eisenbahugesetzes vom 23. Dezember 1872. Diese Ziffer knüpft allerdings in ihrem zweiten Alinea die Gewährung von Vorzügen irgend welcher Art an die Bedingung, daß dieselben unter g l e i c h e n U m s t ä n d e n jedermann gewährt werden. Die Gleichheit der Umstände, auf welche Sie sich müßten berufen können, liegt aber hier überall nicht vor, da es sich für Sie zunächst um den Transport aus der Westschweiz nach der Central- und Ostschweiz handelt, während die besprochenen Transporterleichterungen für den Transport aus dem Ausland nach der Westschweiz, und zwar nur während der Dauer des Zollkrieges mit Frankreich, angeordnet sind.

Der Bundesrat betrachtet mit diesen Auseinandersetzungen Ihre Eingabe als erledigt.

An den XL internationalen medizinischen Kongreß, welcher vom 24. September bis 1. Oktober 1893 in Rom stattfinden wird, wird nebst zwei vom Bundesrat noch zu bezeichnenden höhern schweizerischen Militärärzten Herr Dr. F. S c h m i d , eidgenössischer Sanitätsreferent, abgeordnet.

(Vom 13. Juni 1893.)

Die Eröffnung des Betriebes der Schynigen Plattebahn wird auf den 14. Juni gestattet.

Herr Rudolf H e e r - F r e u l e r sei., Bürger des Kantons Glarus, hat der Winkelriedstiftung Fr. 25,000 vermacht. Der Bundesrat hat den Erben das Legat bestens verdanken lassen.

Es werden ernannt: . zum Kommandanten des 2. Regiments der V. Artilleriebrigade: Herr Artilleriemajor Max R o s e n m u n d , von Zürich, in Bern, bisheriger Kommandant des Divisionsparkes Nr. VII; . zum Kommandanten des Divisionsparkes Nr. V : Herr Artilleriemajor Franz Neu h a u s , von und in Thun.

351

Als ständige Feldkommissäre, beziehungsweise Stellvertreter derselben werden ernannt: a. für das I. Armeecorps: als Feldkommissär: Herr Oberst G h u a r d, Präfekt in Payerne ; als Stellvertreter : Herr Major X. B r o i 11 e t in Grivisiez ; b. für das II. Armeecorps: als Feldkommissär: Herr Major Jakob F r e i b u r g h a u s in Spengelried ; als Stellvertreter : Herr Oberstlieutenant A. F i s c h e r in Delsberg; c. für das III. Armeecorps: als Feldkommissär: Herr Major L. H e u ß e r in .Seegräben5 als Stellvertreter: Herr Oberstlieutenant A. K o c h in Frauenfeld; d. für das IV. Armeecorps: als Feldkommissär: Herr Oberstbrigadier Am R h y n in Luzern; als Feldkommissär-Stellvertreter für die Kantone Bern (IV), Luzern, Unterwaiden, Zug, Glarus, Schwyz (Vili), Uri und Wallis (VIII): Herr Major R e n o l d in Dättwyl ; Feldkommissär-Stellvertreter für den Kanton Graubünden : Herr Oberstlieutenant M. H o f f 1er in Chur ; Feldkommissär-Stellvertreter für den Kanton Tessin : Herr Benvenuto M o t t a , Regierungskommissär in Bellinzona.

Der Bundesrat hat beschlossen, auf das Gesuch der Regierungen der Kantone Tessin und Neuenburg, einer Versammlung von Landwirten in Schupfen und der Fédération des sociétés d'agriculture de la Suisse romande um Verschiebung des diesjährigen Truppenzusammenzuges nicht einzutreten.

352

#ST#

Bekanntmachungen von

Departements und ändern Verwaltungsstellen des Bundes.

Bekanntmachung.

Wir machen die kantonalen Behörden aufmerksam auf ein vor kurzem von den französischen Kammern genehmigtes Gesetz über Veröffentlichung der Urteile betreffend Interdiktion oder gerichtliche Vormundschaft (siehe Journal officiel, Chambre, Compte rendu, pag. 879).

Dieses Gesetz wird den kantonalen Behörden die Kontrolle über die Handlungsfähigkeit der Franzosen, welche sich um ein kantonales Bürgerrecht bewerben, erleichtern. Es verfügt nämlich, daß jeder, Interdiktion oder gerichtliche Bevormundung, verfügende Entscheid auszugsweise durch den Sachwalter (Avoué), welcher den Entscheid veranlaßt hat, der Gerichtskanzlei des Geburtsortes des Bevormundeten übermittelt werden soll, und zwar innerhalb Monatsfrist, vom Tage des Inkrafttretens des Entscheides an gerechnet.

Binnen 14 Tagen muß besagter Auszug vom Gerichtsschreiber in ein besonderes Register protokolliert werden und jedermann kann von diesem Protokoll Kenntnis nehmen, beziehungsweise sich eine Abschrift desselben ausstellen lassen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrates.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1893

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.06.1893

Date Data Seite

347-352

Page Pagina Ref. No

10 016 196

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.