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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Mitteilung der wegen Übertretung des Fabrikgesetzes erlassenen Urteile.

(Vom 1. August 1893.)

Getreue, liebe Eidgenossen l Unser Bericht vom 3. Juni 1891 an die Bundesversammlung betreffend vier Beschlüsse der Räte zum Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken (Bundesbl. III, 194) hat durch Beschluß des Ständerates vom 9. Juni 1892, des Nationalrates vom 9. Juni 1893 endlich seine Erledigung gefunden.

Von jenen vier Beschlüssen ist einer übrig geblieben, bezüglich dessen unsererseits eine Anordnung noch zu treffen ist. Er lautet (Bundesbeschluß vom 24. Juni 1889): ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und darüber Bericht und Antrag zu hinterbringen, ob die Gerichte nicht angehalten werden sollen, die Urteile, welche sie wegen Übertretung des Fabrikgesetzes erlassen, dem Bundesrate in Abschrift mitzuteilen."

Die eidgenössischen Räte haben unter den erwähnten Daten bezüglich dieses Punktes beschlossen : ,,Die Bundesversammlung nimmt Akt von dem Berichte des Bundesrates, d. d. 3. Juni 1891, betreffend d. die Anordnung bezüglich Mitteilung der wegen Übertretung des Fabrikgesetzes ergangenen Entscheide an die Fabrikinspektoren zu Handen des Bundesrates."

898 Der Bundesbeschluß vom 24. Juni 1889 hat uns im Berichte vom 3. Juni 1891 unter Ziffer IV beschäftigt; wir glauben an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verweisen zu dürfen, da unsere Auffassung sich inzwischen nicht geändert hat und übrigens, wie bemerkt, von den Räten sanktioniert worden ist.

Immerhin erlauben wir uns, hier dasjenige zu wiederholen, was wir über die von uns empfohlene Ausführung des Bundesbeschlusses vom 24. Juni 1889 äußerten : ,,Wenn wir gezeigt haben, daß der durch den Bundesbeschluß, welcher uns hier beschäftigt, verfolgte Zweck schon früher nicht außer Acht gelassen wurde, geben ·wir immerhin gern zu, daß dieses Gebiet noch i n t e n s i v e r bearbeitet werden kann und soll.

Es scheint uns keineswegs erforderlich zu sein, hierfür einen Beschluß der Räte zu provozieren; wir berufen uns auf Artikel 17, Absatz 3 und 4, des Bnndesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken, lautend : ^Die Regierungen erstatten dem Bundesrate am Schlüsse jeden Jahres über ihre Thätigkeit behufs Vollziehung des Gesetzes, über die dabei zu Tage getretenen Erscheinungen, über die Wirkung des Gesetzes u. s. w., einen ausführliehen Bericht, über dessen Anordnung vom Bundesrat das Nähere festgestellt wird.

,,Ebenso geben sie ihm, beziehungsweise dem hierfür bezeichneten Departement oder andern gesetzlich aufgestellten Organen, in der Zwischenzeit jede wünschenswerte sachbezügliche Auskunft.11 Schon in unserm K r e i s s c h r e i b e n vom 19. S e p t e m b e r 1882 (Kommentar Seite 106) haben wir die Regierungen eingeladen, in ihren Berichten nähere Angaben ,,über die Zuwiderhandlungen gegen die bestehenden Vorschriften, über die vorgekommenen Unfälle und Strafurteile" zu machen, welchem Verlangen anstandslos, wenn auch mehr oder weniger vollkommen, Folge gegeben worden ist.

Wir zweifeln nicht im geringsten daran, daß ebenso, wenn wir gestützt auf Artikel 17 dort, wo sie noch nicht geschient, die Mitteilung aller (richterlichen und administrativen) Urteile und zugehörigen Akten betreffend Übertretung des Gesetzes an den Fabrikinspektor des Kreises verlangen, man uns mit großer Bereitwilligkeit entsprechen wird.

Falls Sie, wie wir gern annehmen, mit unserer Anschauungsweise einverstanden sind, würden wir' also dafür sorgen, daß jene M i t t e i l u n g e n an die Inspektoren allgemein durchg e f ü h r t und letztere den Auftrag erhalten würden, dieselben

899 möglichst a u s g i e b i g z u v e r w e r t e n , u n d i n i h r e n A m t s berichten dem Gegenstand vermehrte Aufmerksamk e i t zu widmen, in dem Sinne, daß sie, unter Weglassung der Namen, statistische Zusammenstellungen (Zahl der Urteile, der Freisprechungen, der Urteile mit dem Minimum oder nahezu dem Minimum der Strafe etc.) bringen, unbegründete Freisprechungen erörtern, die Höhe der gefällten Strafen im Verhältnis zum gesetzlichen Strafminimum und im Verhältnis zu einander besprechen, auffallende Urteile unter Umständen in extenso anführen würden etc.

Wird dieses System konsequent durchgeführt, so wird nach unserer Überzeugung wirklich ein Fortschritt erreicht.14 Gestützt auf den Beschluß der Räte vom 9. Juni 1893 möchten wir Sie nun einladen, die Mitteilung der richterlichen und administrativen Urteile und zugehörigen Akten betreffend Übertretung des Fabrikgesetzes an den zuständigen eidgenössischen Fabrikinspektor im oben bezeichneten Sinne durchführen zu wollen, soweit diese Praxis nicht schon bestand. Die Mitteilung hat sich auch auf die seit dem 9. Juni 1893 ergangenen Urteile zu erstrecken. Seitens des Fabrikinspektorats werden diese Materialien die ebenfalls schon iu uusertn Berichte vom 3. Juni 1891 vorgesehene Verwendung finden.

Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Maehtsehutz zu empfehlen.

B e r n , den 1. August 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: E. Frey.

*> Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Mitteilung der wegen Übertretung des Fabrikgesetzes erlassenen Urteile. (Vom 1. August 1893.)

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09.08.1893

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