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Schweizerisches Bundesblatt.

45. Jahrgang. IV.

Nr. 49.

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22. November 1893.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Errichtung von Maschinengewehrabteilungen und Zuteilung derselben an die Kavallerieregimenter.

(Vom 14. November 1893.)

Tit.

Der Nutzen, welchen eine rührige und kräftige Kavallerie der Gesamtheit des Heeres zu leisten im stände ist, wurde im Laufe der letzten Jahre immer mehr erkannt. Die Kavallerie ist die erste Truppe, welche an unsern Grenzen an den Feind stößt ; daß das Resultat dieser ersten Zusammenstöße von nicht geringer, ja von fast entscheidender Bedeutung für die Stimmung des ganzen Landes und für das Vertrauen ist, welches in jenen bangen Stunden das Volk in sein Heer und dieses in sich selbst setzt, ist naheliegend.

In richtiger Erkenntnis dieser Sachlage haben die Räte und das Volk kein Opfer gescheut, um die Kavallerie in den Stand zu setzen, ihrer Aufgabe zu genügen. Unsere besondern Verhältnisse bringen es aber mit sich, daß unsere Kavallerie kaum je befähigt sein wird, erfolgreich in rangierter Reitersehlacht dem Feind entgegenzutreten. Will sie deshalb, wie dies der Dienst der Aufklärung und Verschleierung verlangt und wie dies die neuen Vorschriften über die Ausbildung der schweizerischen Kavallerie in begründeter Weise fordern, dem Feinde kräftig entgegentreten, so wird sie dies hauptsächlich in jenen günstigen, in unserem Lande so zahlreichen Stellungen mit dem Gewehr in der Hand thun müssen.

Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. IY.

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Die Schützen eines Regiments und selbst diejenigen einer Brigade aber können ihrer kleinen Zahl wegen .nur eine geringe Feuerkraft entwickeln. Es mußte deshalb gesucht werden, die Feuerkraft unserer Reiterei durch irgend ein Mittel zu mehren, und dieses Mittel glaubte man in der Beigabe von Maschinengewehren an die Kavallerieregimenter gefunden zu haben.

Dieser Anschauung schlössen sich die Räte an, als sie im Jahre 1889 in das Budget einen Posten für die Beschaffung von solchen Gewehren, die man auch als Geschütze bezeichnet, einstellten und seither in allen Jahresbudgets bestehen ließen.

Die Frage der Einführung von Maschinengewehren bedurfte aber einer sehr eingehenden Prüfung und einer langen Reihe von Versuchen. Die anfänglich vorliegenden Modelle entsprachen nicht den gestellten Anforderungen. Lange und sorgfältige Untersuchungen veranlaßten endlich, für das durch den Rückstoß automatisch arbeitende Maximgewehr sich zu entscheiden.

Es ist dies dieselbe Waffe, welche für die mobile Gotthardverteidigung angeschafft wurde, und welche dort in den weit im Gebirge herum, über Eis und Schnee, Geröll und Fels sich bewegenden Übungen in Bezug auf taktische Brauchbarkeit und Kriegstüchtigkeit sowohl, als in Bezug auf Wirksamkeit sieh sehr gut bewährt hat.

Die am Gotthard gemachten Erfahrungen haben sich in den von der Kavallerie gemachten, zahlreichen, feldmäßigen Versuchen bestätigt. Es ist festgestellt worden, daß in dieser Waffe der Kavallerie ein Kampfelement zugeführt wird, dessen Nutzen sich jedem Führer geradezu aufdrängt, und welches geeignet ist, die Unternehmungslust, Leistungsfähigkeit und allgemeine Verwendbarkeit unserer Reiterei in jedem Gelände ganz bedeutend zu steigern.

Mit dieser Waffe ausgerüstet, hofft die Kavallerie befähigt zu sein, im Schütze und unter Ausnutzung unserer besondern Bodenverhältnisse mit vollem Vertrauen in sich selbst, dem Feinde entgegentreten zu können.

Das vielfach geäußerte Mißtrauen in die Solidität und Funktionssicherheit der Maximwaffe erscheint unbegrilodet, und die gefürchteten Hemmungen im Schießmechanismus treten bei den jetzt im Gebrauch befindlichen Geschützen nur sehr selten auf; ihnen wird erfolgreich begegnet durch gründliche Schulung der Bedienungsmannschaft, durch das Mitführen von sehr schnell auszuwechselnden Reservebestandteilen, und endlich durch die Bestimmung, daß wenn immer möglich stets zwei Geschütze nebeneinander in Wirksamkeit gesetzt werden sollen.

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Die Möglichkeit, daß einmal ein Geschütz versagt, darf uns angesichts der allgemein anerkannten, vernichtenden Feuerwirkung des Gewehres von dessen Anschaffung nicht zurückschrecken.

Andere Maschinengewehre von auch nur annähernd gleicher Leistungsfähigkeit und Funktionssicherheit existieren keine.

An einen Ersatz von Maschinengewehren durch leichte (3,5 cm.)

Schnellfeuergeschütze ist nicht zu denken, weil solche Geschütze sich nur in kleine, die Beweglichkeit der Reiterei schwer hindernde Batterien formieren lassen. Unter diesen Verhältnissen glauben wir Ihnen nun die Bildung von Maschinengewehr-Abteilungen und die Zuteilung von solchen an die Kavallerieregimenter beantragen zu sollen.

Zur Erläuterung und Begründung des vorliegenden Beschlussesentwurfes diene folgendes : 1. Die Organisation.

Es hat sich herausgestellt, daß es am zweckmäßigsten ist, jedem Regiment eine selbständige Abteilung Maschinengewehre zuzuteilen.

Damit wird am besten jeder Eventualität entsprochen und eine sachgemäße Führung und Instruktion gewährleistet. Die Abteilung kann dann entweder vom Regimentskommando direkt verwendet, oder als ganzes oder in einzelnen Teilen einer Schwadron oder gar eioem einzelnen Zuge zugeteilt werden. Es können schließlich auch die Abteilungen zweier Regimenter zu einer größeren Batterie vereinigt werden.

Überall da, wo man in den bisherigen Übungen sich veranlaßt sah, die Geschütze auf verschiedene Abteilungen oder Punkte zu verteilen, hat man das Bedürfnis nach einer größern Zahl nicht empfunden. 4 und mehr Geschütze lassen die Abteilung schon zu groß werden.

Die Maximgewehre sind auf soliden Dreifüßen aus Rohreisen lafettiert. Die Geschütze und die nötige Munition (2000 Patronen per Geschütz) werden auf Pferden fortgeschafft, ein Pferd trägt das Gewehr samt Dreifuß, ein anderes Pferd 2000 Patronen. Die Tragpferde werden von je einem Reiter an einer leichten Fuhrstange geführt, sie tragen je 95 Kilo.

Diese Lafettierung und Transportweise hat sich in jeder Hinsicht bewährt. Die Waffen können in jedem Gelände, in jeder Gangart und auch über Hindernisse und durch bewaldetes Gelände der Truppe anstandslos nachfolgen ; der Truppenführer braucht um das Nachkommen derselben sich durchaus nicht zu kümmern.

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Das Geschütz ist vom Augenblick seines Erscheinens an in cirka 75 Sekunden feuerbereit. Die Dreifußlaffete hat große Standfestigkeit und fördert ein präcises Schießen. Das Ziel, welches das Geschütz bietet, ist nicht größer als ein knieender Schütze, es kann überallhin getragen werden und findet überall Deckung.

Für die Zusammensetzung der Bedienungsmannschaft gelten folgende Gesichtspunkte : Ein Offizier genügt, weil bei Verteilung der Abteilung dem Wachtmeister und auch befähigten Korporalen sehr wohl Kommandos anvertraut werden dürfen ; es handelt sich dabei in der Regel nicht um ein selbständiges taktisches Auftreten, sondern nur noch um Lösung bestimmter Schießaufgaben.

Ein Wachtmeister ist als Stellvertreter schon aus oben angeführten Gründen, dann auch deswegen nötig, weil der Offizier in der Regel vorn beim Truppenkommandanten reitet, währenddem die Geschütze am Schlüsse der Colonne folgen.

Auch für den innern Dienst der Abteilung erscheint ein Wachtmeister wünschbar. Der Wachtmeister-Büchsenmacher ist der Techniker der Abteilung, er instruiert die Leute in technischer Beziehung und unter seiner Leitung werdea die nötigen kleinen Reparaturen ausgeführt.

Die Korporale sind die Geschützchefs, sie leiten die Aufstellung der Geschütze und deren Feuer nach den Befehlen des Offiziers, oder selbständig, wenn sie allein stehen, sie beobachten die Feuerwirkung, sorgen für Ziel- und Aufsatzkorrekturen und für den Munitiousersatz, sie stehen dem innern Dienste vor.

Für jedes Geschütz sind ferner .vier Reiter vorgesehen, zwei sind als Pferdeführer und Pferdehalter bestimmt, sie ersetzen auch abgehende Bedienungsmannschaften und werden, wenn nötig, durch aus den Schwadronen abkommandierte Reiter ersetzt; zwei Mann bedienen das Geschütz, einer schießt, der andere besorgt das Zutragen und Bereitstellen der Munition.

Endlich ist jeder Abteilung ein 4spänniger Munitionswagen beigegeben. Auf diesem Wagen werden Reservepatronen mitgefuhrt.

Diese Patronen dienen nicht nur dem Munitionsersatz der Maschinengewehrabteilung, sondern auch demjenigen des Regiments.

Auf dem Marsche können die Geschütze auf diesem Wagen verladen werden. Die zwei vordem Pferde sind mit Munitioastragsätteln auszurüsten, so daß sie, von abkommandierten Dragonern geführt, den Maschinengewehrabteilungen mitgegeben werden können, sie bilden dann eine sofort zur Hand befindliche Munitionsreserve von 4000 Patronen.

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2. Rekrutierung und Instruktion.

Die Errichtung der Abteilungen erfordert naturgemäß eine einmalige stärkere Rekrutierung der nötigen Cadres und Mannschaften.

Immerhin besitzen wir in den Einheiten bereits eine Anzahl Leute, welche vermöge ihres Berufes (Mechaniker u. s. w.) sich zur Versetzung in die Maschinengewehrabteilungen eignen.

Wir beabsichtigen nun für das Jahr 1894 und 1895 eine vermehrte Anzahl den Anforderungen entsprechende Leute zu rekrutieren und dann im Anschluß an eine Rekruten schule einen Kurs für Maschinengewehrschützen abzuhalten, in welchen auch geeignete, hierfür sich meldende bereits eingeteilte Kavalleristen einberufen würden.

An diesem Kurs hätten auch die für die Maschinengewehrabteilungen in Aussicht genommenen Offiziere und Unteroffiziere teilzunehmen. Später fände die Ausbildung der MaschinengewehrSchützen in besonderen Abteilungen in den gewöhnlichen Rekrutenschulen und der Cadreschule statt. Das jährliche Rekrutenkontingent betrüge cirka 15 Mann.

3. Bewaffnung und Ausrüstung, Berittenmachung.

Die Maschinengewehrschützen wären gleich auszurüsten und zu bewaffnen, wie die andern Kavalleristen. Wir gedenken diese Mannschaft in gleicher Weise beritten zu machen, wie die andern Kavalleristen. Ebenso gedenken wir Drittmannspferde als Tragpferde zu verwenden, da diese Pferde von gleicher Leistungsfähigkeit wie die Kavalleriepferde, daher besser als gewöhnliche Trainpferde sein müssen.

4. Die Kosten.

Wir werden für die Beschaffung von 27 Gewehren (24 für die 8 Abteilungen, 3 Reserve- und Schulgeschütze), sowie der nötigen Corpsausrüstung einen Gesamtkredit von Fr. 250,000 bedürfen.

Es kostet das Material für je eine Abteilung cirka Fr. 25,000 also für 8 Abteilungen Fr. 200,000 dazu das Material einer weitern Abteilung als Schulmaterial ,, 25,000 Munition und Unvorhergesehenes ,, 25,000 Total

Fr. 250,000

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Hierzu kämen dann noch die einmaligen Kosten für die Rekrutierung und Ausbildung und Berittenmachung der Abteilungen.

Die jährlich wiederkehrenden diesbezüglichen Ausgaben sind angesichts der geringen Stärke der Abteilungen nicht bedeutend.

Gestützt auf vorstehende Auseinandersetzungen erlauben wir uns, Ihnen, Tit., den nachfolgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Genehmigung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. November

1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Errichtung von Maschinengewehr-Abteilungen und Zuteilung derselben an die Kavallerieregimenter.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 14. November 1893, beschließt: Art. 1. Jedem Kavallerieregimente des Auszuges wird eine Maschinengewehr-Abteilung zugeteilt.

Art. 2. Eine Maschinengewehr-Abteilung besteht aus: l Offizier als Chef, l Wachtmeister als dessen Stellvertreter, 1 Wachtmeister, Büchsenmacher, 3 Korporalen, 12 Reitern, 2 Trainsoldaten, 3 Maschinengewehren, l vierspännigen Munitionswagen, 19 Reitpferden, 6 Tragpferden, 4 Zugpferden.

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Art. 3. Cadres und Mannschaften der MaschinengewehrAbteilungen werden als Kavalleristen ausgehoben, ausgerüstet und besoldet, sie erhalten ihren Specialunterricht in besonderen Abteilungen der Kavallerierekrutenschulen und nehmen an den Wiederholungskursen der Regimenter, denen sie zugeteilt sind, teil.

Art. 4. Die Beschaffung der Pferde für die Unteroffiziere und Mannschaften, sowie der Tragpferde geschieht nach den für die Kavallerie gültigen Bestimmungen.

Art. 5. Dem Bundesrat wird zur Bestreitung der Kosten ein einmaliger Kredit von Fr. 250,000 bewilligt.

Art. 6. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlusse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Errichtung von Maschinengewehrabteilungen und Zuteilung derselben an die Kavallerieregimenter. (Vom 14. November 1893.)

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