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Bericht des

Bundesrates an die hohe Bundesversammlung, betreffend das die verfassungsmäßige Garantie des Rechts auf Arbeit postulierende Initiativbegehren.

(Vom 6. Oktober 1893.)

Tit.

Den 29. August abhin und an den nächsten darauffolgenden Tagen sind bei der Bundeskanzlei eine Anzahl durch Schweizerburger in den verschiedenen Kantonen unterzeichnete Bogen eingegangen, die übereinstimmend nachfolgendes Begehren enthalten: ,,Die unterzeichneten Schweizerbürger stellen, gemäß Art. 121 der Bundesverfassung und dem Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, das Begehren um Volksabstimmung über den Antrag, es sei folgender neuer Artikel der Bundesverfassung einzuverleiben : ,,Das Recht auf ausreichend lohnende Arbeit ist jedem Schweizerbürger gewährleistet. Die Gesetzgebung des Bundes hat diesem Grundsatz unter Mitwirkung der Kantone und der Gemeinden in jeder möglichen Weise praktische Geltung zu verschaffen.

"Insbesondere sollen Bestimmungen getroffen werden : a. Zum Zwecke genügender F ü r s o r g e f ü r A r b e i t s g e l e g e n h e i t , namentlich durch eine auf möglichst viele Gewerbe und Berufe sieh erstreckende V e r k ü r z u n g d e r A r b e i t s z e i t ; b . f ü r wirksamen und unentgeltlichen öffentlichen Arbeitsnachweis, gestützt auf die Fachorganisationen der Arbeiter ; c. für S c h u t z der Arbeiter u n d Angestellten g e g e n u n g e r e c h t f e r t i g t e E n t l a s s u n g u n d A r b e i t s e n t z i e h u n g ; d . f ü r sichere u n d ausreichende U n t e r s t ü t z u n g unverschuldet ganz oder teilweise A r b e i t s l o s e r , sei es auf dem Wege der öffentlichen Versicherung gegen die Polgen der Arbeitslosigkeit, sei es durch Unterstützung privater Versicherungsinstitute der Arbeiter aus öffent-

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lichen Mitteln; e. für praktischen Schutz der Vereinsfreiheit, insbesondere für ungehinderte Bildung von Arbeiterverbänden zur Wahrung der Interessen der Arbeiter gegenüber ihren Arbeitgebern und für ungehinderten Beitritt zu solchen Verbänden; f. für Begründung u n d Sicherung einer ö f f e n t l i c h e n R e c h t s s t e l l u n g d e r A r b e i t e r gegenüber ihren Arbeitgebern und für d e m o k r a t i s c h e O r g a n i s a t i o n d e r A r b e i t i n d e n Fabriken u n d ähnlichen Geschäften, vorab des Staates und der Gemeinden.tt Diese Unterschriftenbogen sind ohne Verzug der in Art. 3 bis 5 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 vorgesehenen Prüfung (A. S. n. F. XII, 885) unterzogen worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß das Begehren sich auf 52,387 gültige und 146 ungültige Unterschriften stützt, welche sich auf die einzelnen Kantone folgendermaßen verteilen: Gültige Ungültige Kantone.

Unterschriften.

Zürich 11,097 22 Bern 9,847 39 Luzern 2,435 2 uri 326 -- Schwyz 576 -- Obwalden 126 -- Nidwaiden -- -- Glarus 1,099 13 Zug 353 -- Freiburg 879 -- Solothurn 3,166 l Basel-Stadt 2,524 3 Basel-Land 1,028 2 Schaffhausen 1,003 5 Appenzell A.-Rh 978 5 Appenzell I.-Rh 76 -- St. Gallen 3,689 9 Graubünden 43ü 5 Aargau 2,530 8 Thurgau 596 -- Tessin 775 9 Waadt 3,129 6 Wallis .

223 5 Neuenburg 3,655 2 Genf 1,847 10 Total

52,387

146

371

Das gesetzliche Minimum der Unterschriftenzahl ist somit um 2387 überschritten.

In betreff der als ungültig erklärten Unterschriften ist folgendes zu bemerken: Das citierte Bundesgesetz schreibt unter anderm vor (Art. 5), daß diejenigen Unterschriften außer Betracht fallen, welche nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten, vom Tage des Eingangs des Revisionsbegehrens zurückgerechnet, durch die zuständige Amtsstelle bescheinigt worden sind. Das Datum des Eingangs jedes einzelnen Bogens war nicht genau festzustellen, und es hat deshalb das mit der Untersuchung der Unterschriften beauftragte statistische Bureau angenommen, es sei als maßgebendes Datum dasjenige der Versandanzeige der ersten Hauptsendung durch den Präsidenten des Initiativkomitees in Berücksichtigung zu ziehen. Dieses Datum ist der 29. A u g u s t 1893.

Somit waren alle diejenigen Bogen, deren Beglaubigung vor d e m 28. F e b r u a r 1893 beigesetzt war, als ungültig zu erklären.

Wir beehren uns, Ihnen diesen kurzen Bericht nebst sämtlichen Akten zur Amtshandlung vorzulegen.

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 6. Oktober

1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die hohe Bundesversammlung, betreffend das die verfassungsmäßige Garantie des Rechts auf Arbeit postulierende Initiativbegehren. (Vom 6. Oktober 1893.)

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11.10.1893

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369-371

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