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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Gründung einer schweizerischen Nationalbibliothek.

(Vom 8. März 1893.)

Tit.

In dem Budgetentwurf für 1893, der der letzten Dezembersession vorgelegt wurde, war ein Posten von Fr. 23,000 für eine zu gründende II. Abteilung der eidgenössischen Centralbibliothek enthalten, der die specielle Aufgabe zufallen sollte, alle Werke und Drucksachen zu sammeln, die vom wissenschaftlichen, kulturhistorischen oder litterarischen Standpunkt aus als Beitrag zur Kenntnis der Schweiz und ihrer Bewohner zu betrachten sind. Die Budgetkommission beantragte, diesen Ansatz für einmal zu streichen und den Bundesrat einzuladen, hierüber der Bundesversammlung eine besondere Vorlage zu unterbreiten. Da der Vorschlag der Kommission von beiden Räten angenommen wurde, so beehrt sich der Bundesrat, dem im Beschluß enthaltenen Auftrage im nachfolgenden zu entsprechen.

Am 26. März 1892 beschloß die C e n t r a l k o m m i s s i o n für s c h w e i z e r i s c h e L a n d e s k u n d e , die im Auftrage zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Vereine eine Bibliographie der schweizerischen Landeskunde heraüsgiebt, in ihrer Plenarsitzung einstimmig, dem Bundesrate eine Eingabe zu unterbreiten, es möge der Bund die eidgenössische Centralbibliothek mit der Sammlung der in der Schweiz erscheinenden Druckschriften (Bücher, Broschüren, Jahresberichte, Flugschriften etc.) betrauen. Durch eine Zuschrift vom 31. März wurde der Bundesrat hiervon in Kenntnis gesetzt. Unter dem 10. Juni 1892 ging dem Bundesrat ein Schreiben der l i t t e r ar i s c h e n G e s e l l s c h a f t von B e r n zu, wonach diese einstimmig

1001 die Anregung der Centralkommission für schweizerische Landeskunde zu der ihrigen macht. An ihrer Jahresversammlung zu Basel, in der Sitzung am 7. September 1892, hat die s c h w e i z e r i s c h e n a t u r t ' o r s c h e n d e G e s e l l s c h a f t einen fast genau gleichlautenden einstimmigen Beschluß gefaßt, von dem wir durch ein Schreiben vom 21. September benachrichtigt wurden. Ferner hat die s c h w e i z e r i s c h e s t a t i s t i s c h e G e s e l l s c h a f t sich in ihrer Jahresversammlung zu Lugano am 2. September gleichfalls einstimmig dem Antrag der Centralkommission angeschlossen. Endlich ging im Dezember 1892 beim Bundesrate ein in gleichem Sinne abgefaßtes Schreiben des V e r b a n d e s der g e o g r a p h i s c h e n Gesellschaften der S c h w e i z ein, mit den Unterschriften der sämtlichen geographischen Gesellschaften.

Der Gedanke der Schaffung einer eidgenössischen Bibliothek der Helvetica ist hier nicht zum erstenmal ausgesprochen worden. Schon der weitblickende helvetische Minister P h. A. S t a p f e r hat zu Anfang dieses Jahrhunderts die gleiche Idee vertreten und ist nur durch die kurze Lebensdauer der helvetischen Eepublik an deren Ausführung gehindert worden. Das Projekt ist seitdem mehrfach von patriotischen Männern wieder angeregt worden, so noch im März 1891 in einer von Patriotismus getragenen Eingabe des Eedaktors des schweizerischen Idiotikons, Dr. F. S t a u b , bis im vergangenen Jahre die oben genannten großen schweizerischen, wissenschaftlichen Gesellschaften die Sache aufgriffen. Heute sind sie es aber schon nicht mehr allein, die die Schaffung einer Nationalbibliothek befürworten. Die Centralkommission für schweizerische Landeskunde hat im Auftrage des Departements des Innern eine Enquête veranstaltet und hierbei das Votum der sämtlichen in der Schweiz existierenden Bibliotheken über das Projekt einer Nationalbibliothek eingeholt. Mit einer auffallenden Übereinstimmung haben .sich, die Bibliothekare für den Plan ausgesprochen. Von 82 Bibliotheken, die geantwortet haben, stimmen 67 -- zum Teil sehr warm -- ohne Unterschied der Sprache und Konfession -- dem Projekt zu, 12 verhalten sich indifferent und nur 3, die Kantonsbibliothek in Frauenfeld, die Kantonsbibliothek in Lausanne und die Bibliothek in Yverdon, sind dagegen.

Begründung der
Notwendigkeit einer Nationalbibliothek. In der That fehlt es zur Zeit an einer allgemeinen Sammelstelle für Helvetica, obwohl seit jeher Gründe genug für die Schaffung einer solchen sprachen. Jahraus jahrein werden unzählige Druckschriften des verschiedensten Umfangs veröffentlicht und im Publikum zerstreut. Ein erheblicher Teil derselben geht leider verloren, ohne auch nur eine Spur zurückzulassen, weil sie nicht systematisch gesammelt werden.

Zwar haben wir in unserem Vaterland eine Eeihe trefflicher Bibliotheken; ßnndesblatt. 45. Jahrg. Bd. I.

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1002 allein dieselben können doch nur bis zu einem gewissen Grade als Sammelstellen in dem obigen Sinn angesehen werden; denn nur ein sehr kleiner Teil dessen, was in der Schweiz gedruckt wird, läuft hier wirklich zusammen, weil diese Bibliotheken den vielseitigen Wünschen des Publikums Rechnung tragen und daher auf Vollständigkeit auf einem einzigen Gebiet verzichten müssen. Über diese Verhältnisse geben die Resultate der obenerwähnten Enquête der Centralkommission -willkommenen Aufschluß. Daraus geht hervor, daß wohl eine ganze Reihe von Bibliotheken eine beschränkte Vollständigkeit, z. B. für einen Kanton oder einen Wissenszweig, zu erreichen suchen, daß aber eine Vollständigkeit für die ganze Schweiz nur von ganz wenigen Bibliotheken ernstlich angestrebt wird, nämlich von der vaterländischen Bibliothek in Basel, der Stiftsbibliothek in Einsiedeln, der Stadtbibliothek in Zürich, vor allem aber von der Bürgerbibliothek in Luzern. Sieht man von der Luzerner Bibliothek ab, von der leitler eine Antwort ausgeblieben ist, so zeigen bei zweien dieser Bibliotheken schon die geringen Mittel, welche sie jährlich für Helvetica aufwenden können (Basel Fr. 300, Zürich Fr. 720 bis 900, Einsiedeln hat die Frage nur unbestimmt beantwortet), daß von einer wirklichen Vollständigkeit nicht wohl die Rede sein kann. Eine Bibliothek, die den höchsten Ansprüchen genügen würde, fehlt noch.

Es ist nun einleuchtend; daß die wissenschaftliche Forschung eine außerordentliche Unterstützung erfahren würde, wenn es eine Anstalt gäbe, in der alle der Landes- und Volkskunde im weitesten Sinne dienenden Schriften sich vereinigt fänden. Die schweizerirche Wissenschaft hat direkt das Eecht, eine vollständige Sammlung der Helvetica zu verlangen. Heute kommt es zuweilen vor, daß schweizerische Gelehrte und Amtsstellen genötigt sind, nachdem sie in den Bibliotheken des eigenen Landes vergeblich nach einer Publikation gesucht haben, sich an das British Museum in London, die Bibliothèque nationale in Paris, das Smithsonian Institution in Washington oder an andere Bibliotheken des Auslandes zu wenden, um jene unser Land betreffende Drucksache einzusehen. Es sei hier nur an einige Thatsachen erinnert : eine der größten Sammlungen räto-romanischer Litteratur, wie sie bei uns nicht existiert, findet sich in Berlin ; die ältesten
schweizerischen Musikdrucke sind in Breslau zu suchen, obwohl sie seiner Zeit in Tausenden von Exemplaren in der Schweiz verbreitet waren. Von vielen schweizerischen Kalendern, die als Volksbücher von den großen Massen des Volkes gelesen wurden, z. B.vom bernischen Kalender des sechzehnten Jahrhunderts, sind bei uns nur Bruchstücke vorhanden, die zufällig in den Einbanddecken alter Bände gefunden worden sind; um ganze Exemplare einzusehen, muß man sich an die Bibliotheken des Auslandes wenden u. a. m.

1003 Solchen Übelständen sollte soviel wie möglich, wenigstens für die Zukunft, zur Ehre der Schweiz gesteuert werden.

Eine Sammlung aller Druckschriften aber, die ja besonders auch diejenigen Druckschriften umfassen würde, die fast in jeder Session der eidgenössischen Eäte den Mitgliedern derselben übergeben werden und nur zu leicht verloren gehen, wird nicht nur dem Gelehrten und Forscher, sondern auch dem schweizerischen Politiker von Nutzen sein.

Da es für diesen selbst fast unmöglich ist, alle derartigen Drucksachen aufzubewahren, so wird er erst durch eine solche Sammlung in den Stand gesetzt werden, beispielsweise das allmähliche Entstehen und Ausreifen eines Gesetzes nach längerer Zeit rückblickend sich wieder zu vergegenwärtigen.

Auch die Gerichte würden aus einer solchen Sammlung, die zum Teil auch die Zeitungen umfassen soll, Vorteil ziehen, sind sie doch in manchen Fällen genötigt, zur Aufhellung eines Kriminalfalles einer alten Nummer einer Zeitung sich zu bedienen. Auch wichtige Aufschlüsse privatrechtlicher Natur werden zuweilen in altern Jahrgängen gesucht und gefunden.

Aus allen diesen Gründen ist eine systematische Sammlung der vaterländischen Litteratur in einer Nationalbibliothek eine Notwendigkeit.

Inhalt der Bibliothek. Von großer Wichtigkeit für die Gestaltung der Bibliothek ist die Frage : Was soll gesammelt werden ? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten.

Die neu erscheinende Litteratur läßt sich, wie J. Francke, ein hervorragender Gelehrter auf dem Gebiete der Bibliothekwissenschaften, trefflich entwickelt, scheiden in eine solche, die unmittelbar, und eine solche, die nur unter dem Gesichtspunkt der historischen Forschung Wert für die Bibliothek besitzt. Das unmittelbar Nutzbringende wird gewöhnlich leicht erkannt und gekauft; aber das erst künftig Nützliche richtig zu würdigen, bildet eine der schwierigsten Aufgaben der Bibliothekverwaltungen. Denn die mögliche Gestaltung eines Wissenschaftsgebietes und ob eine bestimmte Schrift bei veränderten Forschungszielen noch Bedeutung erlangen kann, ist in den meisten Fällen im voraus nicht zu beurteilen. Hierher gehören die Schulbücher aller Art, die Eechen-, Lese- und Gesangbücher, die politischen Zeitungen und Flugblätter, die Volkslieder, die Tagesfragen behandelnden Broschüren, der größere Teil der Belletristik
u. s. w. Sie gehen unter, oft wenige Monate nach ihrem Auftauchen, wenn die Bibliotheken sich ihrer nicht annehmen. Sind sie dagegen in sicherer Hut der Bibliotheken um eine Reihe von Jahren älter geworden, so wächst auch unser Interesse an ihnen. Aufmerksam

1004 blicken wir oft schon jetzt in Schulbücher, die unsere Väter und Großväter henutzt haben, indem wir Mittel und Methode des damaligen Unterrichts gegen die heutigen Einrichtungen abwägen. Die .,,Monumenta paedagogica"1, ein ,,Répertoire des ouvrages pédagogiques" unserer Zeit zn schreiben, würde der Nachwelt unmöglich sein, wenn die Schullitteratur grundsätzlich von der Aufnahme in die Bibliotheken ausgeschlossen würde. Wie aher die Unterrichtsgeschichte der Schulbücher, so bedarf die nationale Geschichtsschreibung der politischen Tages- und Flugblätter, der Broschüren dieser Art. So würde z. B.

ein tiefer dringendes Verständnis der Ereignisse des Jahres 1848 nur zn erlangen sein mit Zuhülfenahme der Zeitungsberichte, der zahllosen kleinen Schriften und Liedersammlungen dieser Zeit, die leider heute zum Teil unwiederbringlich verloren sind. Der Einsicht in diese Eintagslitteratur kann auch ein zukünftiges Studium des Kulturkampfes, der socialdemokratischen Bewegung, des sittlichen Standpunktes der gegenwärtigen Epoche nicht entbehren. Ferner ist für die Litteraturund Kulturgeschichtsforschung der Zukunft die Aufbewahrung der belletristischen Zeiterscheinungen v.on größtem Wert. Man darf wohl sagen, daß es so schwierig ist, unter all' diesen Druckerzeugnissen das Wertvolle von dem Wertlosen zu sondern, daß schon aus diesem Grunde die Grenzen bei der Aufnahme nicht zu eng gezogen werden sollten. Nach Jahrzehnten würde ein Urteil über das wissenschaftlich Brauchbare und die Ausscheidung von Unbrauchbarem schon leichter möglich sein.

Betont werden muß freilich, daß nicht jedes Blatt, das mit Druckerschwärze bedeckt ist, gesammelt werden soll. Nur dasjenige., was späteren Generationen zur Gewinnung eines Bildes unseres geistigen nnd physischen Lebens, unserer Kultur und Geschichte dienen kann, soll zusammengetragen werden, das aber vollständig. Das sind wir, abgesehen von dem gegenwärtigen Nutzen, schon unsern Nachkommen schnldig. Drucksachen rein ephemerer Natur, wie z, B. Plakate aller Art, Theaterzettel, Konzertprogramme, Fahrpläne etc., müssen dagegen selbstverständlich ausgeschlossen bleiben: Schon die Kaumfrage verlangt eine kritische Sichtung des Aufzunehmenden und des Auszuschließenden.

Gesammelt werden muß: 1. Alles, was im Buchhandel erscheint, sei es im Inland, sei es im Ausland,
und die Schweiz betrifft oder von Schweizern verfaßt oder in der Schweiz gedruckt ist.

2. Auch die nicht im Buchhandel erscheinenden amtlichen Publikationen, die Berichte von Anstalten (Schulen, Hospitälern, gemein-, nützigen Anstalten u. s. w.), die Berichte aller wissenschaftlichen Vereine nnd Gesellschaften, der gemeinnützigen Gesell-

1005 schatten, der Hfilfsvereine, überhaupt aller wichtigern Vereine.

Dagegen bleiben die Berichte von Vereinen, die nur den Zweck der Geselligkeit oder des Sports im Auge haben (z. B. des Veloklubs), fort. Aufgenommen werden müssen dagegen selbstverständlich die Berichte der Schützengesellschaften, der Turnvereine, des Alpenklubs etc., da diese ein allgemeines und nicht nur -sportliches Interesse beanspruchen.

3. Die wichtigsten Zeitungen, die in den verschiedenen Kantonen erscheinen, doch selbstverständlich lange nicht alle, sondern nur soweit, als sie zur Charakterisierung unserer Sitten und Gebräuche beitragen können. Hierher gehören auch die wichtigsten Kalender, soweit diese für die Sittengeschichte von Bedeutung sind. Von Taschen- und Wandkalendern wird natürlich dabei abgesehen.

Art und Weise der Sammlung. Eine zweite Frage von großer Wichtigkeit ist: In welcher Weise hat die Sammlung der oben bezeichneten Drucksachen zu geschehen?

Fast in allen Kulturstaaten der Erde existieren Gesetze, denen zufolge die Drucker oder die Verleger alle bei ihnen entstehenden Drucksachen in mehreren Exemplaren den Regierungen einzuliefern haben. Der Zweck dieser Einlieferung ist allerdings ein verschiedener.

Dort, wo eine Censur besteht, verlangt deren Ausübung selbstverständlich die Einlieferung aller Druckschriften (Censurexemplare).

Aber auch in vielen Ländern mit Preßfreiheit findet eine gewisse Überwachung statt, zu deren Ausübung die Drucksachen eingereicht werden müssen (Überwachungsexemplare). Wieder in anderen Ländern ist die Ablieferung nur notwendig, wenn Autor oder Verleger den Schutz gegen Nachdruck genießen wollen (Schutzexemplar-e). In einer ganzen Keihe von Staaten existieren aber auch Gesetze, die ausschließlich die Vollständigkeit der B i b l i o t h e k e n im Auge haben und daher die Ablieferung von ,,Studienexeraplaren"' verlangen. Überhaupt von der Einforderung von sogenannten Pflichtexemplaren sehen nur sehr wenige Staaten ab.

Sind nun die Gründe zur Einlieferung von Exemplaren in den verschiedenen Staaten verschieden, so ist doch der Erfolg fast überall der gleiche, nämlich der, daß jene Pflichtexemplare großen Bibliotheken einverleibt werden, die infolgedessen eine fast erschöpfende Vollständigkeit gewinnen.

Wenn das Vorgehen anderer Staaten in gleichem Sinne beweisend wäre
für die Notwendigkeit einer Gesetzesbestimmung, so stände dem Pflichtexemplarzwang das Beispiel fast aller Kulturländer der Erde zur Seite, und seine Einführung in der Schweiz schiene durchaus

L006 gerechtfertigt. Von einer Verquickung mit andern als Bibliothekzwecken, z. B. mit dem Schutz des geistigen Eigentums, müßte dabei jedenfalls abgesehen werden und die Einsendung der Pflichtexemplare direkt nur für die Zwecke der Bibliothek erfolgen. Der Einführung eines solchen Gesetzes zu gunsten einer Nationalbibliothek stehen jedoch zwei Hindernisse entgegen. Erstens ist es unbillig, die Lasten für eine Einrichtung, die der Gesamtheit zu gute kommt, einigen wenigen aufzubürden; das würde aber geschehen, wenn man durch ein Gesetz die Verleger und Drucker zur Lieferung ihrer Erzeugnisse zwingen würde. Zweitens liegt das Erlassen eines solchen Gesetzes nach der Verfassung auch gar nicht in der Kompetenz des Bundes, sondern in der der Kantone, so daß erst eine Eevision der Bundesverfassung vorgenommen werden müßte. Aus diesen Gründen muß davon abgesehen werden, die Nationalbibliothek durch Einsendung von Pflichtexemplaren zu speisen. Es ist daher allein der Erwerb durch.Kauf und Schenkung ins Auge zu fassen.

Dm einer Bibliothek alle in unserem Vaterlande im Buchhandel erscheinenden Druckschriften durch Kauf zuzuführen, bedürfte es nicht allzu großer Mittel; denn die Zahl der Veröffentlichungen ist nicht so groß, wie man denkt. Über dieselbe giebt die Enquête Aufschluß, die die Centralkommission für schweizerische Landeskunde bei den schweizerischen Buch- und Verlagshandlungen vorgenommen hat. Die Schätzungen der einzelnen Buchhändler gehen allerdings ziemlich weit auseinander. Nach K. J- Wyß in Bern kann ,,die Zahl der in der Schweiz jährlich erscheinenden Helvetica -- abgesehen von der Tageslitteratur, den von Behörden ausgehenden und für die Bibliothek jedenfalls gratis erbältlichen Veröffentlichungen aller Art und den kleinen Publikationen ephemerer Bedeutung -- auf cirka 500 geschätzt werden.

Setzt man einen Durchschnittspreis von Fr. 4 bis 5, so giebt das cirka Fr. 2500 für ein Exemplar jährlich*. Höhr & Fasi in Zürich schätzen die Gesamtzahl auf cirka 1000 im Werte von cirka Fr. 2000 bis 3000. Schultheß in Zürich glaubt dagegen, daß im Kanton Zürich jährlich 300 Publikationen im Werte von Fr. 3000, in der ganzen Schweiz 3000 Publikationen im Werte von etwa Fr. 30,000 erscheinen.

Diese Zahlen für die Schweiz sind viel zu hoch ; denn erstens erscheinen gewiß in der ganzen Schweiz nicht
zehnmal, sondern höchstens fünf- bis sechsmal so viel Werke wie in Zürich, und zweitens ist der zu Grunde gelegte Durchschnittspreis von Fr. 10 pro Band oder Broschüre viel zu hoch, da die andern Buchhändler nur einen Durchschnittspreis von Fr. 2 bis 3, 3. 50 und 4 bis 5 annehmen.

Eine Kontrolle für diese Angaben läßt sich aus den Mitteilungen gewinnen, die von einigen Buchhändlern über die in den einzelnen Kantonen erscheinenden Drucksachen gemacht worden sind. Nehmen

1007 \vir die höchsten Werte als die richtigen an, so beträgt der Ladenpreis der in den Kantonen Basel, Bern, Graubünden, Neuenburg, St. Gallen, Thurgau und Zürich verlegten Broschüren und Bücher zusammen Fr. 4000. Nehmen wir ferner au, daß die buchhändlorischen Publikationen der übrigen Kantone den gleichen Wert haben, was jedoch viel zu hoch gegriffen ist, so erhalten wir als Ladenwert der gesamten Produktion der Schweiz an Verlagsartikeln ein äußerstes Maximum von Fr. 8000 und einschließlich der Zeitungen Fr. 10,000.

Zu einem ganz entsprechenden Resultat fährte eine Zählung der in der Bibliographie von Georg aufgeführten Werke, die von der Centralkommission für Landeskunde selbst vorgenommen wurde. Danach erschien in der Schweiz und über die Schweiz im Jahre 1892 im Buchhandel folgende Zahl von Werken : unter 100 Seiten stark . . . 572 oder abgerundet 600 Stück 100 bis 500 Seiten stark . . . 428 ,, ,, 450 ,, über 500 Seiten stark . . . .

45 ,, ,, 50 ,, Zusammen 1045 oder abgerundet 1100 Stück Nehmen wir den Durchschnittspreis der Werke unter 100 Seiten zu Fr. 2, den der Werke von 100 bis 500 Seiten zu Fr. 6 und den der Werke über 500 Seiten zu Fr. 20 an, so erhalten wir als Gesamtwert jener 1100 Werke Fr. 4900 oder rund Fr. 5000. Kechnet man hierzu noch die Zeitschriften und Zeitungen, so kommt man wieder auf ein alleräußerstes Maximum von Fr. 8000 bis 10,000.

Die Zahl der Publikationen laut sich noch in einer dritten Weise schätzen, nämlich nach den Zählungen, die für Nachbarstaaten vorgenommen worden sind. Legen wir die Zahl der in Prankreich (12,000), die Zahl der in Großbritannien und Irland (10,000) und die Zahl der in deutscher Sprache (17,000) jährlich erscheinenden Werke zu Grunde, so erhalten wir, unter- gleichzeitiger Berücksichtigung der Einwohnerzahl der Schweiz, für die letztere eine jährliche Publikation von 900 oder rund 1000 Werken, zu deren Anschaffung etwa Fr. 5000 erforderlich wären. Dazu kämen noch die Zeitschriften und Zeitungen. Hiernach ist es absolut sicher, daß Fr. 8000 bis 10,000 zur Anschaffung sämtlicher in der Schweiz verlegter Werke, Zeitschriften und Zeitungen in einem Exemplar genügen würden.

Dabei ist noch gar nicht gerechnet, daß sehr viel durch Schenkung zu erhalten sein wird.

Die zahlreichen Jahresberichte von eidgenössischen und kantonalen Amtsstellen,
von philanthropischen und wissenschaftlichen Instituten, von Vereinen und Gesellschaften etc., die nicht im Buchhandel erscheinen, können überhaupt nur auf dem Wege der Schenkung erworben werden. Um das zu erreichen, muß die Bibliothek mit allen

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Instituten und Vereinen, die publizieren, sowie mit den Druckereien in Fühlung treten. Ein großer Teil der Buchdrucker und Buchhändler hat sich hierzu schon bereit erklärt.

Aber auch sonst werden der Bibliothek ohne Frage sehr viele Geschenke zugehen. Das zeigen die Antworten auf die von der Centralkommission für schweizerische Landeskunde versandten Fragehogen zur Evidenz. Auf eine bezügliche Präge haben von 63 Verlegern und 29 Druckern, von denen Antworten einliefen, sich 62 Verleger und 28 Drucker in entgegenkommendster Weise bereit erklärt, der Nationalbibliothek alle bei ihnen erscheinenden Werke, deren Ladenpreis Fr. 5 nicht übersteigt, in einem oder in zwei Exemplaren gratis abzutreten. Bei Werken, deren Ladenpreis größer ist als Fr. 5, sind alle bereit, für die Nationalbibliothek eine erhebliche Reduktion des Preises, meist um 25 bis 50 °/o, eintreten zu lassen.

Aus allem geht h e r v o r , daß eine j ä h r l i c h e Summe v o n F r . 10,000, w o f e r n s i e a u s s c h l i e ß l i c h f ü r A n s c h a f fungen von Helvetica verbraucht wird, genügt, um alle im In- und Auslande erscheinenden Publikationen zu erwerben, die in den Kahmen der Nationalbibliothek fallen. Es dürfte sogar von der Summe jährlich ein Teil nachbleiben, der zur Ergänzung der Bibliothek rückwärts zur Verfügung stünde.

Diese E r g ä n z u n g r ü c k w ä r t s muß eine Hauptaufgabe der Leitung der Nationalbibliothek bilden. Doch soll hierzu kein besonderer Kredit ausgeworfen werden. Vielmehr soll nur gelegentlich durch Kauf gesammelt werden. Vor allem aber soll die Bibliothek sich bestreben, durch Tauschverkehr mit andern Bibliotheken ihre Lücken zu ergänzen. Wie die Enquête der Centralkommission für Landeskunde lehrt, ist die Mehrzahl der Bibliotheken bereit, in dieser Beziehung entgegenzukommen. Das Gleiche gilt von den Bibliotheken verschiedener eidgenössischer Bureaux. So steht z. B. die reiche von Taur'sche Sammlung, die sich zur Zeit im eidgenössischen statistischen Bureau befindet, schon heute zur Verfügung. Im ganzen könnten über 2000 wertvolle Bände sofort von verschiedenen eidgenössischen Bureaux abgegeben werden. Darin sind die Serien amtlicher Publikationen, die selbstverständlich sofort ablieferbar sind, noch nicht mitgerechnet.

Desgleichen wird man von Vereinen, Instituten, Amtsstellen etc., soweit
sie noch Vorräte ihrer Publikationen haben, leicht geschenkweise ganze Serien derselben erhalten können. Da sind ferner die Privatsammler, die ohne Frage reichlich durch Schenkungen und Legate von Büchern oder ganzen Sammlungen zur Bibliothek beitragen werden.

Äußere Gestaltung der Bibliothek. Die Sammlung der Helvetica in dem angeführten Umfang kann nicht wohl der Centralbibliothek

1009 in ihrer heutigen Form zugemutet werden; letztere ist vorwiegend eine Verwaltnngsbihliothek und muß es bleiben, da sie als solche unentbehrlich ist. Die Kraft eines einzigen Bibliothekars genügt nicht, um neben der alten auch die neue Aufgabe zu bewältigen, und die rasch anschwellende Bibliothek würde bald den disponibeln' Bäumen des Bundesrathauses entwachsen.

Daher empfiehlt sich die Gründung einer besondern Bibliothek unter dem Titel einer Nationalbibliothek, mit dem ausschließlichen Zweck der Sammlung der Helvetica, mit besonderem Personal und in besonderem Gebäude.

An P e r s o n a l ist in Anbetracht der Größe und Schwierigkeit der Aufgabe mindestens nötig: Ein Oberbibliothekar, Besoldung Fr. 4000 Ein Unterbibliothekar, ,, ,, 3500 E i n Bureaudiener, ,, . . . . . . ,, 1500 Summa

Fr. 9000

Die beiden Bibliothekare sollten der deutschen und der französischen, der eine auch der italienischen Sprache mächtig sein, der eine seinen Studien nach mehr der historisch staatswirtschaftlichen, der andere der naturwissenschaftlichen Eichtung angehören. Über der Bibliothek sollte eine mehrgliederige Bibliothekskommission stehen, für die besondere Mittel nicht auszuwerfen wären.

G e b ä u d e . Die Sammlung der Helvetica im Bundesrathaus unterzubringen, geht des Baumes wegen nicht. Die Zahl aller jährlich im Buchhandel und außerhalb desselben erscheinenden Drucksachen, Broschüren, Bücher und Zeitungen, soweit sie gesammelt werden sollen, dürfte 2000 in keinem Palle übersteigen ; nimmt man als Dicke einer solchen Drucksache l Va cm einschließlich des Einbandes an, was für den Durchschnitt entschieden zu hoch ist, so beanspruchen die Erwerbungen eines Jahres 30 Laufmeter an Büchergestellen. Rechnet man dazu noch 10 Laufmeter jährlich für die Aufstellung älterer zur Ergänzung angeschaffter Publikationen, so ergiebt sich ein Jahresbedarf von 40 Laufmetern. Damit ein Gebäude während 100 Jahren der Bibliothek genügt, muß es sonach für 4000 Laufmeter Büchergestelle Platz haben. Davon ist im Bundesrathaus selbstverständlich keine Rede. Dagegen läßt sich eine Vereinigung der Nationalbibliothek mit dem eidgenössischen Archiv in dem demnächst in Angriff1 zu nehmenden A r c h i v g e b ä u d e leicht durchführen. Ein Flügel des Archivgebäudes würde für 100 Jahre den Anforderungen der Bibliothek an Platz genügen.

1010 Außer den Räumen zur Aufstellung der Bücher müßte das Gebäude auch reichlich Räumlichkeiten für die Administration und für die Benutzer der Bibliothek enthalten. Unbedingt erforderlich sind: Ein größerer Lese- oder Studiersaal, in dem im Maximum 30 Personen bequem arbeiten können.

Ein Ausleihzimmer.

Ein Zimmer für den Oberbibliothekar.

Ein Zimmer für den Unterbibliothekar.

Ein Zimmer für den Gehülfen.

Zeitpunkt der Gründung. Der Bau des Archivgebäudes wird leider erst nach einigen Jahren vollendet sein, und es entsteht die Frage, ob die Gründung der Bibliothek bis dahin verschoben werden darf. Diese Frage dürfte zu verneinen sein.

Jedes Jahr, das 'unbenutzt verstreicht, läßt zahlreiche neue Erscheinungen, die des Aufbewahrens wert sind, verloren gehen, weil eine systematische Sammlung fehlt. Mit jedem Jahr wird die Komplettierung der Bibliothek für frühere Zeiten schwerer. Wie manche ·wertvolle Sammlung, deren Besitzer sie gerne einer Nationalbibliothek vermacht hätte, ist von den Erben im günstigsten Fall an Antiquare zu einem Schleuderpreis verkauft und dadurch in alle Winde zerstreut, im schlimmsten Fall aher einfach als Makulatur der Papierfabrik zum Einstampfen abgetreten worden. Wir erinnern nur daran, in welch unverantwortlicher Weise die reiche Bibliothek von Spiez in alle Welt zerstreut und zum größten Teil dem Vaterland entzogen worden ist. Noch in der letzten Zeit wurde die reichhaltige alpine Bibliothek des Herrn Altregierungsstatthalter Studer zum Teil zersplittert. Gerade die wertvoUen Stücke solcher Sammlungen gingen mehrfach ins Ausland, wo sie z. B. von der Straßburger Universitätsbibliothek systematisch aufgekauft wurden, während die schweizerischen Bibliotheken in der Regel nur geringe Summen zur Ergänzung ihres altern Bestandes auszugehen'vermögen.

Je eher die verschiedenen Quellen, die zur Speisung der Nationalbibliothek beitragen sollen, geäuffnet werden, desto mehr ist Vollständigkeit auch für frühere Zeiten zu erhoffen. Warten wir noch ein paar Jahre,
1011 Dieses Provisorium bietet noch den Vorteil, daß praktische Erfahrungen für die Gestaltung der Bibliothek gesammelt werden können, um sie beim Bezug des definitiven Lokals zu benutzen.

Aus diesen Gründen würde es sich empfehlen, für die ersten Jahre eine größere Wohnung, etwa zum Preise von Fr. 2000, zu mieten. Dazu käme noch eine Summe von Fr. 1000 für die einmalige Anschaffung von Gestellen und Bureaumaterialien, die später in die definitiven Bäume herübergeuommen werden könnten. Die Bureaukosten, einschließlich der Kosten für den Druck des jährlich herauszugebenden Verzeichnisses über den Zuwachs und der Buchbinderkosten, sind auf Fr. 2000 zu veranschlagen.

Das jährliche Budget für die Nationalbibliothek würde sonach betragen : 1. Miete . . .

Fr. 2,000 2. Personal ,, 9,000 3. Bureaukosten und Buchbinder ,, 2,000 4. Bücheranschaffungen ,, 10.000 Summa

Fr. 23,000

Dazu kämen noch im ersten Jahre Fr. 1000 für Einrichtung.

Der verlangte Kredit wird manchen vielleicht im gegenwärtigen Moment groß erscheinen. Denen möchten wir gegenüberhalten, daß es die Gründung eines Instituts gilt, das nicht etwa nur der Gegenwart einen vorübergehenden Nutzen gewähren, sondern noch nach Jahrhunderten unsern Nachkommen von bleibendem Wert sein soll.

Wir haben die Pflicht, für sie und ihre Bedürfnisse durch Gründung einer umfassenden Bibliothek zu sorgen und sie dadurch vor einem Mangel zu schützen, den wir selbst heute oft genug empfinden. Alle Kulturstaaten haben die gleiche Erfahrung gemacht und sind, zum Teil schon vor langer Zeit, zur Gründung gewaltiger Bibliotheksinstitute geschritten, deren vornehmste Aufgabe die Sammlung der Litteratur über das eigene Land und Volk ist. So entstanden, um nur die größten zu nennen, die Bibliothek des British Museum in London, die Bibliothèque nationale in Paris, die k. k. Hofbibliothek in Wien, die kgl. Bibliothek in Berlin und jüngst noch die Biblioteca Vittorio Emanuele in Eom. Mit diesen Weltbibliotheken, deren Dotation in Hunderttausende von Franken geht, wird sich freilich unsere Nationalbibliothek nie messen können. Entsprechend der Größe unseres Landes und der Zahl seiner Bewohner wird sie sich immer nur in bescheidenen Dimensionen halten, darum aher nicht minder ihrer Aufgabe gerecht werden: die Kenntnis unseres Landes und unseres Volkes zu fördern.

1012 Indem wir Ihnen den nachstehenden Bundesbeschlußentwurf unterbreiten, benutzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 8. März 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

1013 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Errichtung einer schweizerischen Nationalbibliothek.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 8. März 1893, beschließt : Art. 1. Es soll eine schweizerische Nationalbibliothek gegründet und erhalten werden; derselben wird im neuen eidgenössischen Archivgebände ein eigener Flügel eingeräumt.

Art. 2. Diese Bibliothek soll, als Sammelstelle der H e l v e t i c a , soweit als möglich, alle bedeutsamen Werke und Drucksachen umfassen, welche als dienliches Material zur Kenntnis der Natur und der Geschichte des Landes, sowie des Lebens und der Thätigkeit seiner Bewohner zu betrachten sind.

. Art. 3. Die Nationalbibliothek steht unter dem e i d g e n ö s s i s c h e n D e p a r t e m e n t des I n n e r n , welches die Leitung und Beaufsichtigung derselben durch eine Kommission ausübt, deren Mitglieder auf Vorschlag des Departements vom Bundesrat auf eine Amtsdauer von drei Jahren gewählt werden.

1014 Art. 4. Die Geschäfte der Bibliothek besorgt ein Bibliothekar mit einem Adjunkten, welche von dem schweizerischen Bundesrat auf Grundlage eines Vorschlags seines Departementa des Innern auf die gesetzliche Amtsdauer gewählt werden. Ihnen wird die nötige Kanzleiaushülfe beigegeben.

Art. 5. Der jährliche Gesamtkredit für die Nationalbibliothek, aus welchem die Besoldungen des Bibliothekars und seines Adjunkten, die Entschädigungen für Aushülfe, die Kanzleikosten und die Anschaffungen zu bestreiten sind, wird auf Fr. 25,000 im Maximum festgesetzt, Der Bibliothekar bezieht eine feste Besoldung von Fr. 3500--5000, der Adjunkt eine solche von Fr. 3000 bis 4000.

Art. 6. Ein besonderes Reglement, welches vom Bundesrat erlassen wird, ordnet die Obliegenheiten und Kompetenzen der Kommission, sowie diejenigen des Bibliothekars und seines Adjunkten, wie überhaupt alles, was auf die Organisation und Administration der Bibliothek Bezug hat.

Art. 7. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat 1874 (A. S. n. F! I, 116), betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

--*=*=fv
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Nachtrags-Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bewilligung des Kredites für die Erstellung eines Gebäudes zur Unterbringung des eidgenössischen Staatsarchives und eventuell der Nationalbibliothek auf dem Kirchenfeld in Bern.

(Vom 16. März 1893.)

Tit.

Unterm 8. Dezember 1892 (Bundesbl. 1892, V, 564) haben wir Ihnen eine Botschaft betreifend Errichtung eines Neubaues für das eidgenössische Staatsarchiv unterbreitet, auf welche, gemäß einem Beschlüsse des Ständerates vom 21. Dezember 1892, für einmal nicht eingetreten wurde. Behufs Weiterbehandlung der Angelegenheit erging jedoch gleichzeitig die Einladung an uns, zwei neue Projekte ausarbeiten zu lassen, nämlich: 1. ein Projekt für einen Bau zur alleinigen Aufnahme des Archives und 2. ein Projekt zu einem Gebäude für das Archiv und eventuell die Nationalbibliothek.

Wir sind diesem Auftrage nachgekommen und beehren uns nun, Ihnen die gewünschten Projekte samt detaillierten Kostenanschlägen vorzulegen.

Das erstere charakterisiert sich als einfache viereckige Anlage, während das letztere, dem doppelten Zwecke entsprechend, sich in zwei rechts und links von einem die Arbeits- und Verwaltungsräume enthaltenden Mittelbaue gelegene Flügel angemessen gruppiert.

Beide Anlagen sind in Übereinstimmung mit den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete des Archiv- und Bibliothekbaues im Innern ähnlich disponiert, wie die nunmehr fallen gelassenen Pläne vom Dezember 1892, so daß in Bezug auf die feuersichere und massive Konstruktion des innern Ausbaues nichts Neues vorzubringen ist. Die äußern Dimensionen und innern Verhältnisse aber sind folgende :

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Projekt I.

(Archiv allein.)

Länge außen Breite ·n Höhe T) Kubikinhalt

Projekt II.

(Archiv und Nationalbibliothek.)

37,85 m. Länge außen . . . 59,26 m.

17,i5 ,, Flügelbreite . . . . 15,ae ,, 20 , Breite des Mittelbaues 18,so ,, Höhe im Mittel . . 20 ,.3 12810 m 8 Kubikinhalt . . . 19925m

Räume der Verwaltung im Räume der Verwaltung an Mittelbau.

einem Ende des Baues.

Erdgeschoß: Erdgeschoß: 1 Zimmer von . . 26 m 2 3 Zimmer von je. . 29 m 2 2 ,, ,, je . 18,50 ,, 1 v * · · 16,60 ,, I. S t o c k : I. S t o c k : l Zimmer von . . 19 m 22 l Zimmer von. . . 30,ao m 2 ·n' l Arbeitssaal von . 47,so m T) D Tl l Arbeitssaal von 93,80 ,, II. S t o c k : II. S t o c k : 3 Zimmer von zusammen 67 m 8 5 Zimmer von zus. 137,ao m 2 Dachstock: Hauswartwohnung , 137,20 m 2 A

Archivräume.

Erdgeschoß: 8 untereinander zusammenhängende Räume von verschie-2 dener Größe, zusammen 240 m I. und II. Stock: Jedes Stockwerk enthält ein Hauptgeschoß und ein Zwischengeschoß von j e . . . 351 m 2 so daß also vier aufeinander folgende Böden vorhanden sind, deren nutzbarer Raum im ganzen2 beträgt 1404 m

Archivräume (für einen Flügel berechnet).

Erdgeschoß: 7 untereinander zusammenhängende Räume, zusammen 2 167 m I. und II. Stock: Jedes Stockwerk enthält ein Hauptgeschoß und ein Zwischen- 2 geschoß v o n j e . . .

256 m Alle vier Böden messen demnach zusammen . . 1024 m 2 Der zweite Flügel hat denselben I n h a l t , so daß die Z a h l e n für den g a n z e n Bau zu v e r d o p p e l n sind.

1017 Dio Archive im alten Bundesrathaus enthalten im ganzen Aktengestelle mit einer vordem Ansichlsfläche von 748 m 2 . Die Gesamtlänge der Gestellbretter beträgt 2495 m.

In den projektierten Neubauten erhalten wir ohne Berücksichtigung des Erdgeschosses : Projekt I.

Projekt II.

Gesamte Ansichtsfläche

1436 m

2

der Gestelle:

In einem Flügel . . 972 m 2 ,, beiden Flügeln . . 1944 m a

Länge der Gestellbretter: 4788 m.

In einem Flügel. . . 3240 m ,, beiden Flügeln . . 6480 m In den Erdgeschossen können noch cirka 1lö der vorstehenden Gesamtgestellmaße untergebracht werden.

Die Kostenberechnung ergiebt folgende Suramen für die Baukosten: P r o j e k t I . . . Fr. 450,000 P r o j e k t II . . Fr. 700,000 Aktengestelle . . ,, 40000 Aktengestelle . . ,, 50,000 Zusammen Fr. 490,000

Zusammen Fr. 750,000

Der Kubikinhalt beträgt, wena die Höhe vom Trottoir bis Oberkante Dachgesimse gemessen wird: 12,810 m8 19,925 m 3 so dtiß der Kubikmeter des Gebäudes nach beiden Projekten auf cirka Fr. 35 zu stehen kommen würde.

Das. größere Projekt, welches Mehrkosten von Fr. 260,000 bedingt, liât den Vorteil, daß infolge der Kombination des Gebäudes für die zwei verwandten Zwecke des Staatsarchives und der Nationulbibliothek, für die letztere mit relativ sehr mäßigen Kosten eine würdige Unterkunft geschaffen werden kann.

Über die architektonische Ausbildung und die technischen Details geben die Pläne und ausführlichen Berechnungen die eribrderliche Auskunft.

Im übrigen beziehen wir uns neuerdings auf die Erörterungen betreffend die Notwendigkeit eines Neubaues in der Botschaft vom 9. Juni 1892, welche den Ankauf des Bauplatzes behandelt, sowie auf die Botschaft vom 8. Dezember desselben Jahres über das erste Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. I.

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1018 Neubauprojekt, gleichzeitig aber auch auf unsere jüngste Botschaft vom 8. März 1893, betreffend Gründung einer schweizerischen Nationalbibliothek (Bundesbl. I, 000), in deren Berücksichtigung wir die Annahme des größern Projektes, für welches die Baukosten auf Fr. 750,000 veranschlagt sind, beantragen.

Wir benutzen den Anlaß, Sie unserer besondern Hochachtung zu versichern.

B e r n , Öen 16. März

1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Gründung einer schweizerischen Nationalbibliothek. (Vom 8. März 1893.)

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Bundesblatt

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Jahr

1893

Année Anno Band

1

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12

Cahier Numero Geschäftsnummer

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22.03.1893

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1000-1018

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10 016 085

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