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Ans den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrates.

(Vom 14. November 1893.)

Mit Zuschrift vom 3. vorigen Monats ruft die Direktion des Innern des Kantons Bern den Entscheid des Bundesrates darüber an, ob auf die von der Bäuertgemeinde Bottigen im Schlagbächli zu Innertkirchen ausgeführten Verbauungs- und Aufforstungsarbeiten die Bestimmungen des erweiterten Haftpflichtgesetzes vom 26. April 1887 anwendbar seien, resp. ob die genannte Gemeinde gegenüber dem am 10. Juli 1893 daselbst verunglückten Arbeiter Pietro Lana haftpflichtig sei oder nicht. Da, wie aus den Akten hervorgeht, der Unfall bei Bachverbauungsarbeiten passierte und die daselbst beschäftigte Arbeiterzahl im Durchschnitt weitaus mehr als 5 betrug, so unterliegt es keinem Zweifel, daß, gestützt auf Art. l, Abs. 2, litt. d(,,Wasserbau"), des Haftpflichtgesetzes vom 26. April 1887 die Bäuertgemeinde Bottigen im Falle Lana haftpflichtig ist, und es wird daher die gestellte Anfrage bejaht.

Nach Anhörung eines Berichtes des Militärdepartements hat der Bundesrat antragsgemäß beschlossen, die Lehrer, deren Leistungen im Turnen und in der Erteilung des daherigen Unterrichts in den Rekrutenschulen des Jahres 1893 nicht als genügend anerkannt wurden, im Jahre 1894 zu einem Extraturnkurs von der Dauer von 16 Tagen -- Einrüekungs- und Entlassungstag inbegriffen -- einzuberufen und zur Deckung der Kosten dieses militärisch zu organisierenden Kurses im Nachgang zum Budgetentwurf pro 1894 den eidgenössischen Räten auf Grundlage der Berechnung einer Teilnehmerzahl von 80 Mann das Begehren um Gewährung eines Kredites von Fr. 7680 zu unterbreiten.

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(Vom 17. November 1893.)

Mit Zuschrift vom 8. November hat der Staatsrat des Kantons Genf dem Bundesrat eine Rekurseiagabe übermittelt, welche das Datum ,,Genf, den 4. November 1893" und 16 Unterschriften trägt und die das Begehren an die ,,zuständige Behörde"1 richtet, es möge die Wahl des Herrn Rutty zum Mitglied des Nationalrates und die Wahl des Herrn Odier zum Mitglied des Ständerates als ungültig erklärt werden.

Der Rekurs wird ,,in Gemäßheit des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen"1 erhoben und bezieht sich auf die am 29. Oktober 1893 im Kanton Genf vorgenommenen Nationalrats- und Ständeratswahlen.

Namens der Rekurrenten hat Herr B. Binder, als Präsident des radikal-liberalen Wahlkomitees, dein Genfer Staatsrat den Rekurs mit einem Begleitschreiben zugestellt, in welchem er den Staatsrat bittet, denselben ,,in Gemäßheit des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872" der zuständigen Behörde zu übermitteln.

Der Staatsrat giebt in seiner Zuschrift an den Bundesrat vom 8. November im Sinne des Art. 11 des mehrerwähnten Bundesgesetzes seiu ,,Gutachten" über die Begründetheit des Rekurses ab.

Mit Rücksicht darauf, daß die Rekurrenten in den zwei Richtungen, in denen sie Beschwerde führen, nämlich in Bezug auf die Führung der Stimmregister und in betreff angeblicher Wahlbestechungen, keine einzige Thatsache mit Angahe von Namen, Zeit und Ort anführen, keine Gemeinde namhaft machen, in der die Ungehörigkeiten vorgekommen sein sollen, sondern sich auf allgemeine Behauptungen beschränken, erklärt der Staatsrat sein Gutachten als ein vorläufiges und behält sich insbesondere in Hinsicht auf die behaupteten Wahlbestechungen die Anhebung einer einläßlichen Untersuchung vor, von deren Resultat er dem Bundesrate zur Vervollständigung des dermaligen vorläufigen Berichtes Kenntnis geben werde.

In Hinsicht auf den Beschwerdepunkt betreffend die Stimmregister glaubt der Staatsrat allerdings schon jetzt annehmen zu dürfen, daß derselbe unbegründet sei ; denn -- sagt die KantonsregieruDg -- es ist für die Wahlen vom 29. Oktober alles angeordnet worden und geschehen, was die Gesetze über die Anfertigung und Bereinigung der Stimmregister vorschreiben, und nach den Verhandlungsprotokollen der Wah]bureaux ist an keinem der 47 Abstimmungsorte des Kantons irgend eine Reklamation erhoben

897 oder Protestation eingegeben worden; ebensowenig bei der am 30. Oktober behufs Zusammenstellung der Resultate in Genf stattgehabten Verhandlung des großen Wahlbureaus.

Es sendet der Staatsrat sodann eine Reihe von abschriftlichen Belegen ein, die sich auf die von ihm angeordnete Administrativuntersuchung und auf eine vom Staatsanwalte des Kantons von Amts wegen eröffnete gerichtliche Untersuchung betreffend die im Rekurse der Herren Binder und Konsorten gegen die Nationalrats- und Ständeratswahlen vom 29. Oktober angedeuteten Vorgänge beziehen.

Es ergiebt sich aus diesen Belegen, daß die Rekurrenten sich weigern, von einer kantonalen Amtsstelle diesfalls sich verhören zu lassen, und erklären, nur den Bundesorganen Rede und Antwoit stehen zu wollen.

Die Rekurrenten gehen dabei von der Ansicht aus, daß diü Kantonsregierung den Rekurs einfach an die zuständigen Bundesbehörden zu leiten habe, denen dann alles weitere zukomme.

Die Kantonsregierung dagegen verweist mit Bezug auf die Nationalratswahl auf Art. 11 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872, wonach sie berechtigt und verpflichtet ist, über eine Wahlbeschwerde Erhebungen zu macheu, um ihr Gutachten darüber abgeben zu können, und vindiziert in Hinsicht auf die Ständeratswahl die Kognition über die Beschwerde den Kantonsbehörden, indem diese Wahl als eine der Kantonalsouveräaität unterstellte kantonale Wahl zu betrachten sei.

Der Bundesrat hat dem Staatsrate von Genf für ihn und zu Händen der Rekurrenten eröffnet, daß er im Hinblick auf die Art. l, 10, 11 und 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen den Rekurs der Herren Binder und Konsorten nebst der Vernehmlassung der Kantonsregierung und sämtlichen Beilagen dem schweizerischen Nationalrate zuleiten werde, damit diese Behörde in betreff der beanstandeten Wahl des Herrn Rutty die ihr gutscheinenden Schlußnahmen treffen könne.

Dagegen sei der Bundesrat nicht im Falle, die ihm auf Grund des citierten Bundesgesetzes übermittelte Beschwerde betreffend die Wahl des Herrn Odier zum Mitglied des Ständerates entgegenzunehmen. Denn das Verfahren bei der Wahl der Abgeordneten in den Ständerat werde durch die Kantonalgesetzgebuug geregelt ; diese Wahlen erscheinen nach Maßgabe der gegenwärtigen Bestimmungen der Verfassung und Gesetze des Bundes als k a n t o n a l e Wahlen, wenn sie auch kraft einer Bundesvorschrift vor-

898 genommen werden müssen ; demgemäß habe auch der Ständerat die Mandate seiner Mitglieder nicht mit Bezug auf die Gültigkeit des sie betreffenden Wahlaktes, sondern nur in Ansehung der das Mandat teststeilenden, von der zuständigen kantonalen Amtsstelle auszufertigenden Wahlurkunde zu prüfen (Art. 3 des Geschäftsreglements des schweizerischen Ständerates vom 7. Dezember 1849).

Der Bundesrat müsse es daher ablehnen, den Rekurs der Herren Binder und Konsorten dem Ständerate oder einer andern Bundesbehörde zuzuleiten ; er könne aber denselben beim gegenwärtigen Stand der Sache auch nicht selbst behandeln; denn nach Maßgabe des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 (Art. 189, Absatz 3, in Verbindung mit Art. 178, Ziff. l, und 190) und der bestehenden Praxis können Beschwerden an die Bundesbehörden betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen n u r g e g e n k a n t o n a l e V e r f ü g u n g e n u n d E r l a s s e erhoben werden und sind daher vom Bundesrate erst dann zu behandeln, wenn die zuständigen kantonalen Instanzen die Sache behandelt haben.

Aus den Akten gehe nicht mit genügender Deutlichkeit hervor, welche kantonale Behörde in Genf zur Entscheidung über Wahleinsprachen berufen ist. Es scheinen in dieser Beziehung zwischen dem Staatsrat und den Rekurrenten widersprechende Ansichten zu walten. Unter diesen Umständen bleibe dem Bundesrate zunächst nichts anderes übrig, als neue und vollständige Erklärungen hierüber abzuwarten.

Für die von schweizerischen Gesandtschaften und Konsulaten auszustellenden Pässe wird ein in Papier, Format und Druck einheitliches Formular vorgeschrieben.

Dem internationalen Friedensbureau in Bern wird für das Jahr 1894 ein Bundesbeitrag von Fr. 1000 bewilligt.

Herr Dr. jur. Walter von B o n s t e t t e n , von Bern, erhält unter Verdankung der geleisteten Dienste die nachgesuchte Entlassung als Gesandtschaftsattache.

899 (Vom 21. November 1893.)

Die in Art. 5 der Konzession für elektrische Straßenbahnen in der Stadt Zürich vom 29. März 1893 (E. A. S. XII, 295) festgesetzte Frist zur Einreichung der vorschriftsgemäßen finanziellen und technischen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten, wird für die eine dieser Linien, die centrale Zürichbergbahn (Straßenbahn Zürich-Fluntern), um 6 Monate, also bis 29. März 1894, verlängert.

"Wahlen.

(Vom 17. November 1893.)

Departement des Auswärtigen.

Politische Abteilung.

Gesandtschaftsattaché: Herr Dr. jur. Heinrich Lansel, von Sent, (Graubünden).

Finanz- und Zolldepartement.

Zollgehülfe:

Zollverwaltung.

Herr Gottfried Amstutz, von Merligen, in Basel.

(Vom 21. November 1893.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Telegraphenverwaltung.

I. Sekretär der Telegraphendirektion : Herr Martin Hauser, von Näfels, derzeit III. Sekretär dieser Direktion.

P o s t v e r w a 11 u n g.

Posthalter und Briefträger in Pfungen : Herr Otto Rutishauser, von LenzwiiDunnerhaus, Telegr. in Pfungen.

Posthalter in Oberschan: Frau Anna Barbara Gabathuler, von Wartau, in Oberschan.

Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. IV.

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22.11.1893

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