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84. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland und andere außenwirtschaftliche Fragen (Vom 19. Januar 1972)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Wir beehren uns, Ihnen nachstehend von den weiteren Massnahmen Kenntnis zu geben, die wir auf Grund des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956/28. September 1962 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland getroffen haben. Gleichzeitig orientieren wir Sie über eine Reihe anderer aussenwirtschaftlicher Fragen.

I. Verkehr mit einzelnen Ländern 1. Andenpakt Mit dem Ziel, einerseits die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten zu fördern und anderseits einen gemeinsamen Markt zu schaffen, der gegenüber den drei grossen Staaten der lateinamerikanischen Freihandelszone als gleichberechtigter Partner auftreten kann, haben Bolivien, Chile, Ekuador, Kolumbien und Peru im Mai 1969 den sogenannten Andenpakt unterzeichnet. Seine wesentlichsten Ziele sind die Einführung eines gemeinsamen Aussenzolltarifs bis 1980 sowie eine Liberalisierung des interregionalen Handels; im internen Verkehr sollen die Zölle bis Ende 1980 vollständig abgebaut werden. Diese neuesten Integrationsbestrebungen in Lateinamerika schreiten seither planmässig voran.

Eines der wichtigsten Instrumente ist das gemeinsame Statut über die Behandlung des Auslandskapitals, das am l. Juli 1971 in Kraft trat. Die wichtigsten Bestimmungen dieses Übereinkommens sind: l. In folgenden Wirtschaftssektoren werden keine ausländischen Investitionen mehr zugelassen: in Dienstleistungsbetrieben, im Post- und Fernmeldewesen, im Versicherungswesen, in Handelsbanken, Finanzierungsinstituten,

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Binnentransportunternehmen, Werbung, Informationsmedien. In den Sektoren Bergbau, Erdöl, Erdgas und Forstwirtschaft können innerhalb der ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens auf zwanzig Jahre befristete Konzessionen an ausländische Investoren vergeben werden.

2. In allen anderen Wirtschaftsbereichen darf das ausländische Kapital mit höchstens 49 Prozent an einem Unternehmen beteiligt sein.

3. Der jährliche Gewinntransfer ist auf höchstens 14 Prozent des investierten Kapitals beschränkt.

In diesen Punkten kommen die nationalistischen Tendenzen, die in neuerer Zeit in vielen lateinamerikanischen Staaten zu beobachten sind, besonders deutlich zum Ausdruck. In einzelnen Ländern verliert die Übereinkunft allerdings durch den Erlass gemässigterer Ausführungsbestimmungen an Schärfe. Der Entwicklung auf diesem Gebiet wird sowohl von Seiten der schweizerischen Behörden als auch von den interessierten Wirtschaftskreisen die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Soweit es sich als nötig erweist, werden auf diplomatischem Wege Schritte zur Wahrung der schweizerischen Interessen unternommen.

2. Argentinien Die 1965 getroffene Vereinbarung über die Konsolidierung kommerzieller Forderungen (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1965) wird pünktlich eingehalten. Die letzte Rückzahlungsrate des Argentinien gewährten Kredites wurde Anfang Januar fällig.

Der Argentinien 1968 eingeräumte Rahmenkredit von 45 Millionen Franken zur Finanzierung der Einfuhr schweizerischer Investitionsgüter (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1968) wurde bisher mit 31 Millionen Franken beansprucht. Er steht zur weiteren Benützung zur Verfügung.

3. Brasilien Die erfreuliche Entwicklung des Warenverkehrs zwischen Brasilien und der Schweiz widerspiegelt den anhaltenden Aufwärtstrend der brasilianischen Wirtschaft. Dieser Dynamismus dürfte auch die schweizerische Investitionstätigkeit in diesem Land begünstigen.

Die Anstrengungen zum Ausbau der Elektrizitätswirtschaft werden fortgesetzt ; er spiegelt sich zum Teil auch in der Zusammensetzung des schweizerischen Exportes nach Brasilien wider. Im Zusammenhang mit Grossprojekten erklärten sich die schweizerischen Grossbanken wiederholt bereit, allfällige schweizerische Lieferungen zu finanzieren. Die Grundlage für solche grundsätzliche Erklärungen bilden jeweils
entsprechende Zusagen der Exportrisikogarantie.

Im Jahre 1973 wird in Sao Paulo die bisher grösste schweizerische Industrieausstellung im Ausland stattfinden. Die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung hat die Vorarbeiten an die Hand genommen und konsultiert die interessierten Kreise der Wirtschaft.

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Das Abkommen über die Konsolidierung kommerzieller Forderungen aus dem Jahre 1964 (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1964) wird nach wie vor pünktlich erfüllt. Die Kreditrestanz beläuft sich zurzeit noch auf 0,7 Millionen Franken.

4. Chile Die von der Volksfrontregierung Allende seit Ende 1970 verfügten Massnahmen haben die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage durch eine tiefgreifende Strukturumwandlung zum Ziele. Dazu gehört vor allem die Verstaatlichung der für das Land wichtigen Wirtschaftsunternehmen, insbesondere diejenigen des Bergbaues sowie des Bank- und Versicherungswesens, der Monopolgesellschaften, des Grossgrundbesitzes usw. Diese Verstaatlichungen sind zum Teil bereits vollzogen oder stehen unmittelbar bevor. Bisher sind keine schweizerischen Unternehmen verstaatlicht worden. Hingegen scheint es, dass gewisse schweizerische Tochtergesellschaften Anstrengungen unternommen haben, um sich den neuen Verhältnissen anzupassen.

Auf dem Gebiet des Aussenhandels beginnt sich eine zunehmende Einschränkung der privaten Tätigkeit abzuzeichnen. Die seit einiger Zeit in Kraft gesetzten massiven Einfuhrbeschränkungen, die sowohl auf die Umstrukturierung der Wirtschaft als auch auf die allgemeine Devisenknappheit zurückzuführen sind, dürften nicht ohne Einfluss auf den Aussenhandel Chiles und somit auch auf den schweizerisch-chilenischen Handelsverkehr bleiben.

Präsident Allende hat kürzlich die Absicht geäussert, mit den Auslandsgläubigern Verhandlungen aufzunehmen, um die sehr stark angewachsene äussere Schuld neu zu regeln. Ein entsprechendes Begehren ist inzwischen an unser Land gerichtet worden und wird geprüft werden. Wie in solchen Fällen üblich dürfte die Frage der Konsolidierung der chilenischen Aussenschuld vorerst auf multinationaler Ebene behandelt werden.

5. Dänemark Durch Briefwechsel vom 6. Dezember zwischen der dänischen Botschaft in Bern und der Handelsabteilung sind die Kontigentslisten des Warenaustauschabkommens von 1951 /54 um ein weiteres Vertragsjahr verlängert worden. Die beiden Listen bleiben somit ohne Änderung bis zum 30. September 1972 in Kraft, soweit die betreffenden Waren in der Zwischenzeit weder liberalisiert noch globalisiert wurden.

6. Ekuador Der Ekuador 1967 eingeräumte Rahmenkredit von 10 Millionen Franken zur Finanzierung der Einfuhr
schweizerischer Investitionsgüter (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1967) wurde bisher mit 2 Millionen Franken beansprucht. Die Bemühungen um die Verlängerung der Ende 1971 abgelaufenen Benützungsfrist um ein weiteres Jahr sind im Gange.

Bundesblati. 124. Jahre. Bd.I

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230 7. Kuba Die Gültigkeitsdauer des Handelsabkommens vom 30. März 1954 (AS 1954 521) wurde um ein weiteres Jahr, bis Ende 1972, verlängert (vgl. 82. Bericht).

Auch im vierten Vertragsjahr ist Kuba vollumfänglich und pünktlich seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen vom 2, März 1967 über die Entschädigung der schweizerischen Interessen, mit dessen Durchführung das EPD betraut wurde, nachgekommen. Die Übereinkunft wird im Frühjahr 1975 auslaufen.

8. Madagassische Republik Im Frühherbst dieses Jahres stattete eine madagassische RegierungsdeleT gation unter der Leitung des Handels- und Industrieministers dem Comptoir Suisse einen Besuch ab. Anschliessend bot sich Gelegenheit zu einer Begegnung mit schweizerischen Behördevertretern, in deren Verlauf gegenseitig der Wunsch geäussert wurde, den bescheidenen bilateralen Warenaustausch zu intensivieren.

In diesem Zusammenhang haben wir uns bemüht, Hindernisse zu beseitigen, welche die Einfuhren schweizerischer Produkte (z. B. Käse) in Madagaskar erschweren. Ferner wurden die Möglichkeiten der Absatzförderung für madagassische Waren auf dem schweizerischen Markt geprüft.

9. Mexiko Vom Rahmenkredit von 50 Millionen Franken, den wir Mexiko 1967 zum Bezüge schweizerischer Investitionsgüter einräumten (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1967), stehen noch 19 Millionen Franken zur Benützung offen.

Zu Lasten des Mexiko 1971 zur gemeinsamen Finanzierung mit der Weltbank von Lieferungen schweizerischer Investitionsgüter für die dritte Phase des mexikanischen Elektrifizierungsprogramms eingeräumten Kredites von 30 Millionen Franken (vgl. 83. Bericht) erfolgten bis Ende November Bezüge im Werte von 32 Millionen Franken (schweizerischer Finanzierungsanteil 16 Millionen Franken). Der Kredit stand noch zur anteilmässigen Finanzierung von bis Ende Dezember erteilten Aufträgen zur Verfügung.

10. Osteuropäische Staatshandelständer In unserem 83. Bericht hatten wir die Gründe erläutert, aus denen wir bereit sind, unsere vor rund zwei Jahrzehnten abgeschlossenen Vereinbarungen über den Waren- und Zahlungsverkehr mit den osteuropäischen Staatshandelsländern (Tschechoslowakei, Rumänien, Polen, Ungarn, Bulgarien) in einer Weise" umzugestalten, die den heutigen, in mancher Hinsicht veränderten Verhältnissen entspricht und gleichzeitig dem Leitgedanken der Universalität unserer Wirtschaftsbeziehungen Rechnung trägt.

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Der Abschluss eines neuen Abkommens über den Wirtschaftsverkehr zwischen der Schweiz und der Tschechoslowakei, das am 7. Mai unterzeichnet wurde (vgl. unsere Darlegungen im 83. Bericht) und am 1. Juli in Kraft trat, bildete einen ersten Schritt in dieser Richtung.

Da Rumänien im November dem GATT als Vollmitglied beigetreten ist, wodurch die Handelsregeln des Allgemeinen Abkommens auf die gegenseitigen schweizerisch-rumänischen Beziehungen anwendbar geworden sind, ist auch die Schwierigkeit, die wegen der Formulierung einer bilateralen Meistbegünstigungsklausel entstanden, war, dahingefallen. Es wurde deshalb vereinbart, die Verhandlungen über ein neues Wirtschaftsabkommen, die eine Zeitlang geruht hatten, demnächst wieder aufzunehmen.

/ Ebenso sind nun auch mit Polen, das die der Schweiz geschuldeten Nationalisierungsentschädigungen im vergangenen Frühjahr fertig abgetragen hat, Wirtschaftsverhandlungen vorgesehen. Sie waren ursprünglich, nachdem bereits Expertenbesprechungen stattgefunden hatten, für den Oktober geplant, sind aber wegen Terminschwierigkeiten auf die ersten Monate 1972 verschoben worden.

Entsprechende Verhandlungen mit Ungarn hatten sich zunächst wegen gewisser noch unerledigt gebliebener schweizerischer Vermögensansprüche verzögert. Da jetzt auch diese vom Politischen Departement behandelte Frage einer Lösung entgegengeht, sollte neuen Wirtschaftsgesprächen nichts mehr im Wege stehen. In der Zwischenzeit sind die bisher geltenden Listen über den gegenseitigen Warenaustausch mit Ungarn, deren Fälligkeit am 30. September 1971 ablief, durch ein am 7. Dezember unterzeichnetes Protokoll für ein weiteres Jahr in Kraft belassen worden. Dabei besteht Einverständnis darüber, dass, sofern vorher ein neues Wirtschaftsabkommen zustande käme, dieses Protokoll mit dem Inkrafttreten eines solchen Abkommens hinfällig würde.

Schliesslich wünscht auch Bulgarien, sein altes Handelsabkommen mit der Schweiz zu erneuern. Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, im Frühjahr 1972 hierüber Expertenbesprechungen einzuleiten.

11. Pakistan Das von Pakistan verfügte Moratorium für gewisse zwischen dem 1. Mai und 31. Oktober 1971 fällige Zahlungen (vgl. 83. Bericht) wurde bis zum 31. Januar 1972 verlängert. Bis Ende 1971 belaufen sich die daraus resultierenden Ausstände zugunsten schweizerischer Gläubiger
auf 6,8 Millionen Franken. Bemühungen der Weltbank, unter Teilnahme der in einem Konsortium vereinten westlichen Gläubiger Konsolidierungsgespräche in Gang zu bringen, sind bisher erfolglos geblieben. Bei dieser Sachlage werden bis auf weiteres kerne Bewilligungen für Lieferungen zu Lasten des Pakistan im Jahr 1970 gewährten Transferkredits (vgl. 81. Bericht) erteilt.

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12. Paraguay Die Aussichten, mit Paraguay zum Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zu gelangen (vgl. 83. Bericht), sind eher ungünstig geworden, da bestimmte, den freien Transfer betreffende schweizerische Wünsche von Paraguay anscheinend nicht erfüllt werden können.

13. Peru Die peruanische Regierung setzt ihre Politik der verstärkten Einflussnahme des Staates auf die Wirtschaft fort (vgl, 81., 82. und 83. Bericht). Das Land bemüht sich seit geraumer Zeit um ausländische Finanzhilfe, die es benötigt, um die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt voranzutreiben. In diesem Sinne wird die Frage der Reaktivierung der Konsultativgruppe der Weltbank für Peru und die mögliche Gewährung eines Standby-Kredites durch europäische Banken gegenwärtig geprüft.

Grundsätzlich gelangt das neue, den Erfordernissen des Andenpaktes angepasste Industriegesetz zur Anwendung. Immerhin zeichnen sich auch neue Formen der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen ab. Die Entwicklungauf diesem Gebiete wird von den schweizerischen Behörden und von den interessierten Wirtschaftskreisen aufmerksam verfolgt.

14. Sowjetunion Der Vizepräsident des Staatskomitees des Ministerrats der UdSSR für Wissenschaft und Technik, Germen M. Gwischiani, hat den Anlass seiner Teilnahme an einer internationalen Tagung in Genf benützt, um dem Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes am 19. November in Bern einen Besuch abzustatten. Das genannte Komitee, dem in der sowjetischenBehördenorganisation Aufgaben der internen und externen Koordination obliegen, ist im Verhältnis zum Ausland vor allem auch für die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf industriellem Gebiet zuständig. Die Unterredung bot Gelegenheit zu einem allgemeinen Gedankenaustausch und zur Prüfung der Frage, wie eine solche Kooperation, für die schon Ansatzpunkte bestehen, im gegenseitigen Verhältnis weiter gefördert werden könnte. Diese Vorsprache ergänzte in nützlicher Weise den Schweizer Besuch des sowjetischen Aussenhandelsministers N. S. Patolitschew vom vergangenen Juni (vgl. hierüber den 83. Bericht).

15. Spanien Die Übereinkunft über die Neuregelung der Käsezölle in Spanien (vgl. 81., 82. und 83. Bericht), die bereits seit längerer Zeit provisorisch angewendet wird und eine Verbesserung der Einlassbedingungen für Schweizer Käse in Spanien bezweckt, wurde am 21. Dezember 1971 unterzeichnet.

233 16. Türkei Der Kredit von 10,8 Millionen Franken, welcher der Türkei im Jahre 1970 im Rahmen der OECD für die Finanzierung des zweiten Fünf jahresplanes gewährt wurde (vgl. 81. Bericht), wird weiterhin eher langsam ausgenützt. Die von den schweizerischen und türkischen Behörden zu Lasten dieses Kredites erteilten Bewilligungen für die Bezahlung von Lieferungen schweizerischer Investitionsgüter betragen zurzeit 6,3 Millionen Franken. Es ist anzunehmen, dass der Kredit im Laufe des ersten Semesters des nächsten Jahres vollständig beansprucht sein wird.

17. Tunesische Republik Dank der von uns vorgeschlagenen zusätzlichen Sondereinfuhr von rund 10 000 hl tunesischen Rotweins in Fässern wurde der Ankauf von 300 Stück schweizerischen Zuchtviehs durch Tunesien, unter gleichzeitiger Kreditsicherung durch die Exportrisikogarantie, ermöglicht.

18. Uganda Die 1967 aufgenommenen und zeitweise unterbrochenen Verhandlungen führten am 23. August 1971 zur Unterzeichnung eines Investitionsschutzabkommens, das nach Ratifizierung durch die beiden Vertragsparteien in Kraft treten wird.

19. Vereinigte Staaten von Amerika Das weitreichende währungs- und wirtschaftspolitische Sanierungsprogramm, das Präsident Nixon am 15. August bekanntgegeben hat, sowie seine Auswirkungen auf unser Land und die schweizerischerseits diesbezüglich unternommenen Schritte sind im Geschäftsbericht für das Jahr 1971 erwähnt.

Zu den im 83. Bericht genannten Vorlagen vor dem amerikanischen Kongress für eine neue Aussenhandelsgesetzgebung der Vereinigten Staaten sind im Laufe des Jahres noch weitere Entwürfe hinzugekommen, worunter der bedeutsamste von den Gewerkschaften AFL-CIO eingereicht wurde. Dieser strebt die Einführung eines allgemeinen Einfuhrquotensystems und eine Beschneidung der Tätigkeit der multinationalen Gesellschaften an. Bis jetzt hat die Verwaltung darauf verzichtet, eine eigene Gesetzesvorlage einzubringen, weil der gegenwärtig im Kongress herrschende protektionistische Druck sich in einer restriktiven Handelsgesetzgebung niederschlagen konnte, die der Verwaltung höchst unerwünscht wäre. Das Risiko, dass eine Aussenhandelsdebatte in den beiden Kammern des Kongresses - wie schon Ende 1970 - den Protektionisten erneut Gelegenheit zu einer Kraftprobe bieten könnte, hat die Verwaltung ebenfalls veranlasst, eine den UNCTAD-Empfehlungen entsprechende Gesetzesvorlage über die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer vorläufig nicht zu unterbreiten.

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Die im 83. Bericht erwähnten Kontakte der amerikanischen Regierung mit fernöstlichen Textillieferländern haben Mitte Oktober unter starkem politischem Druck der USA zum Abschluss von vier sogenannten Selbstbeschränkungsabkommen geführt. Gestützt auf bilaterale Verträge, die in ihrer endgültigen Form noch bekanntgegeben werden sollen, sind die Regierungen von Japan, Hongkong, Südkorea und Taiwan bereit, die jährliche Menge ihrer Exporte nach den USA von Textilien aus Wolle sowie aus künstlichen und synthetischen Fasern einzuschränken. Den in USA seit Jahren andauernden Spannungen wegen der kräftigen Zunahme der Einfuhren billigpreisiger Textilien aus dem Fernen Osten dürfte dadurch die Virulenz genommen worden sein.

Auch während der Berichtsperiode hat der amerikanische Präsident keinen Entscheid über den Import von Lederschuhen gefällt. Im Laufe dieses Jahres hat die Verwaltung zahlreiche Begehren einheimischer Schuhfabrikanten geprüft und in begründeten Fällen der Gewährung finanzieller Beihilfe («Adjustment Assistance») zugestimmt.

Nach den öffentlichen Hearings über den Import gewisser Käsesorten mit einem Preis von über 47 Cents per Ib, also insbesondere der schweizerischen, ist am 3. August der Untersuchungsbericht der Tarifkommission erschienen. Diese gelangte einstimmig zur Auffassung, dass die steigende Einfuhr aller Provenienzen von Emmentaler und anderem «Swiss Cheese» sowie von Schmelz- und Schachtelkäse das Milch-Preisstützungsprogramm des Landwirtschaftsdepartements gefährde. Die Kommission empfiehlt deshalb die Einführung der Globalkontingentierung. Diese Entwicklung, die schweizerische Ausfuhren bedroht, sowie die Tatsache, dass der Kommissionsbericht die an den Hearings geäusserten Vorschläge der schweizerischen Käsewirtschaft zur Weiterführung und Verbesserung des bisherigen Wertgrenzesystems nicht berücksichtigte, veranlassten uns, in Washington Schritte zu unternehmen, um die spezifisch schweizerischen Interessen am Käseexport nach den USA und unsere traditionelle Lieferantenstellung in Erinnerung zu rufen.

Bei der Verabschiedung seiner Version für die Verlängerung des Zuckergesetzes («Sugar Act») hat der Senat die Bestimmung eingebaut, dass die Einfuhr aller «confectionary products » kontingentiert werden soll, sobald diese 5 Prozent der für den einheimischen Markt bestimmten
USA-Produktion überschreitet.

Diese Fassung des Gesetzes («Sugar Act Amendments of 1971 ») durchlief unerwartet rasch das Differenzbereinigungsverfahren beider Häuser des Kongresses ; in unveränderter Form wurde sievom amerikanischen Präsidenten unterzeichnet, so dass ab l. Januar 1972 die Einfuhr von Schokolade, Bonbons und Zuckerwaren in die USAkontingentiert wird. Wederinterventionen seitens der Verwaltung, die einer derartigen Ausdehnung des Zuckergesetzes opponiert hatte, noch die zugunsten der schweizerischen Schokoladeindustrie von der Botschaft in Washington unternommenen Vorstösse vermochten der ungünstigen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Immerhin darf damit gerechnet werden, dass der bisherige Export von Schweizer Schokolade nach den USA im gleichen Rahmen wird aufrechterhalten werden können.

235 20. Zentralamerika Auf Grund eines Begehrens der Zentralamerikanischen Integrationsbank wurde die Benützungsfrist des dieser Bank 1967 eingeräumten Rahmenkredites von 20 Millionen Franken (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1967) nochmals verlängert. Sie läuft nun bis Mitte 1972. Der Kredit wurde nach wie vor nur in bescheidenem Ausmass beansprucht.

II. Europäische Gemeinschaften 1. Beitrittsverhandliingen Die Verhandlungen mit Dänemark, Grossbritannien und Irland über ihren Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) konnten am 11. Dezember nach insgesamt eineinhalbjähriger Dauer erfolgreich abgeschlossen werden.

Da mit Norwegen noch keine endgültige Übereinkunft in der Frage der Fischereipolitik gefunden werden konnte, werden diese Verhandlungen im Januar 1972 fortgesetzt werden.

Die Beitrittsverträge - wenn möglich alle vier - sollen am 22. Januar 1972 in Brüssel unterzeichnet werden. Ihre Ausarbeitung erforderte viel Zeit und Arbeit.

Das Beitrittsinstrument gliedert sich in eine grundsätzliche Entschliessung über die EG-Erweiterung sowie in die eigentlichen Verträge, in denen in fünf Abschnitten die materiellen Vereinbarungen umschrieben werden. Beigefügt werden ausserdem: 21 Protokolle, 10 Anhänge und ein Briefwechsel über das PfundSterling-Problem. Nach der Unterzeichnung wird in den Kandidatenländern und in den EG-Mitgliedstaaten das parlamentarische Ratifizierungsverfahren eingeleitet, das bis zum vorgesehenen Beitrittsdatum am 1. Januar 1973 abgeschlossen sein sollte. In Dänemark, Irland und Norwegen werden ausserdem Volksabstimmungen stattfinden.

Da mit Grossbritannien die wichtigsten Grundsatzfragen bereits im Verlauf des ersten Halbjahres hatten gelöst werden können, galten die weitem Verhandlungen einerseits den verbliebenen, mit einer Ausnahme eher nebensächlichen Problemen, anderseits der Bereinigung der Bedingungen für die übrigen drei Beitrittskandidaten.

Die Ausnahme betrifft die Aushandlung der alle beteiligten Staaten, in erster Linie aber Norwegen interessierenden Fischereiordnung der erweiterten Gemeinschaft. Erst nach zähen multilateralen Verhandlungen gelang es schliesslich am letzten Verhandlungstag, zwischen den EG, Grossbritannien, Dänemark und Irland einen Kompromiss zu finden.

Die Vereinbarung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der erweiterten
Gemeinschaft bis zum 31. Dezember 1982 ermächtigt werden, grundsätzlich die Sechsmeilenzone der nationalen Fischerei vorzubehalten. Für bestimmte Küstenstriche der Kandidatenländer und Frankreichs kann diese reservierte Zone auf zwölf Meilen erweitert werden.

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Vor dem Ablauf der genannten Zehnjahrfrist wird der Rat auf der Grundlage eines Berichts der Kommission über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Küstengebiete und über den Fischbestand die Bestimmungen prüfen, die den Übergangsregelungen folgen könnten. Nicht einigen konnten sich die Unterhändler über die Sonderregelung für Norwegen. Dieses Land stösst sich vor allem an der Befristung des Schutzes seiner Gewässer.

Geklärt wurde ferner die Frage des Übergangs von den derzeitigen zu den Institutionen der erweiterten Gemeinschaft. So sollen z.B. die Kommission und der Wirtschafts- und Sozialausschuss auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Beitrittsverträge vollständig erneuert werden.

Bereits vom 11. November an gilt das für die Zeit zwischen der Unterzeichnung und dem Inkrafttreten der Verträge vereinbarte besondere Konsultation sverfahren. Die Gemeinschaft setzt die Beitrittskandidaten von allen Beschlüssen, die vor der Verabschiedung durch den EG-Ministerrat stehen, in Kenntnis und gibt allen vier Staaten die Möglichkeit zur Stellungnahme und zu Einwanden.

Diese Vereinbarung fand erstmals Anwendung am 16. November anlässlich der Konsultation der Beitrittskandidaten über den Inhalt der Richtlinien des Rats für die Verhandlungen mit den nicht beitrittswilligen EFTA-Staaten.

Grossbritannien hat als erster der vier Kandidaten die Beitrittsbedingungen dem Parlament unterbreitet. Eine erste Unterhaussitzung vom 21. bis 23. und 26. Juli galt einer Aussprache über das am 7. Juli von der Regierung veröffentlichte Weissbuch «The United Kingdom and thè European Community» und dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen.

Den Grundsatzentscheid für einen Beitritt zu den EG zu den von der Regierung ausgehandelten Bedingungen fällte das britische Parlament nach mehrtägiger, lebhafter Debatte am 28. Oktober 1971. Das Stimmenmehr im Unterhaus betrug 112 Stimmen (356 Ja gegen 244 Nein), Besonderes Aufsehen erweckte der Umstand, dass trotz des von der Fraktion auferlegten Stimmzwangs 69 LabourAbgeordnete, darunter mehrere ehemalige Minister, ihrer proeuropäischen Gesinnung durch ein Ja Ausdruck verliehen. Umgekehrt stimmten 39 Konservative gegen den Beitritt.

Im Oberhaus wurden 451 Ja und 58 Nein abgegeben. Von der Labour-Fraktion stimmten 48 Abgeordnete für und 38 gegen den EG-Beitritt.

In den
kommenden Monaten wird das britische Parlament noch zu den umfangreichen Gesetzvorlagen Stellung zu nehmen haben, durch die das bisherige abgeleitete Gemeinschaftsrecht (Verordnungen, Richtlinien usw.) in das britische Landesrecht übertragen wird.

Mit Dänemark galt es noch, relativ geringfügige Fragen technischer Art zu regeln. Die Verhandlungen verliefen im ganzen gesehen problemlos und beschränkten sich gewöhnlich auf die Entgegennahme von Erklärungen durch die Gemeinschaft, die im einzelnen den besondern dänischen Schwierigkeiten bei der Einführung gewisser im voraus mit Grossbritannien vereinbarter Regelungen galten.

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Im Namen der am 11. Oktober neueingesetzen sozialdemokratischen Regierung erklärte Minister Norgaard, Voraussetzung eines dänischen Beitritts seien befriedigende Bedingungen für die skandinavischen Nachbarländer im Hinblick auf die Fortsetzung und Weiterentwicklung der nordischen Zusammenarbeit. Dänemark erwarte überdies, dass es seine eigene Wirtschafts- und Sozialpolitik ungehindert fortführen könne. Ratspräsident Moro erinnerte in seiner Antwort an die Grundregel der Beitrittsverhandlungen, wonach die Kandidaten die bestehende Gemeinschaftsordnung ohne Vorbehalte zu übernehmen haben.

Das aus 179 Parlamentariern bestehende Folketing hat in einer Grundsatzabstimmung am 16, Dezember mit 141 gegen 32 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 4 Abwesenden die Regierung ermächtigt, den Beitrittsvertrag zu unterzeichnen.

Dänemark wird im Juni 1972 eine Volksabstimmung über den Beitritt durchführen. Beobachter rechnen mit einem positiven Ausgang. Die FäröerInseln werden drei Jahre nach dem dänischen Beitritt autonom entscheiden können, ob sie sich der Gemeinschaft anschliessen wollen.

Ein für Irland wichtiges Problem bestand in der Sicherung seiner industriellen Entwicklungspolitik, d. h. der Förderung der Investitionen durch ein System der Steuerbefreiung für neue Exportindustrien. In einem Sonderprotokoll zum Beitrittsvertrag sicherte die EWG Irland zu, dass die verfügbaren gemeinschaftlichen Mittel eingesetzt werden sollen, um Irlands Lebensstandard auf das Niveau der ändern westeuropäischen Staaten zu heben. Die Gemeinschaft wird jedoch prüfen, inwiefern die irische Umstrufcturierungspolitik zu modifizieren ist.

Die Verhandlungspartner einigten sich ausserdem darauf, dass die bestehende irisch-britische Freihandelsregelung während der Übergangszeit in vollem Umfang weitergelten wird. Auch Irland wird eine Volksabstimmung durchführen, da der Beitritt eine Verfassungsänderung notwendig macht.

Die Verhandlungen mit Norwegen erwiesen sich als sehr schwierig. Während die Verhandlungen auf dem Gebiet der Fischereipolitik, wie bereits erwähnt, noch weitergeführt werden müssen und somit das Schicksal von Norwegens Kandidatur noch offen ist, konnten grundsätzliche Vereinbarungen über die Agrarpolitik getroffen werden, Gemäss einer Sonderabmachung für die norwegische Landwirtschaft, die in einem Anhang zum
Beitrittsvertrag figurieren wird, soll auf die infolge der geographischen, topographischen, klimatischen und demographischen Besonderheiten Norwegens erschwerten Produktionsbedingungen Rücksicht genommen werden.

Diese Sonderregelung besteht in der Regel aus je nach Erzeugnissen unterschiedlichen Übergangszeiten für die Übernahme der gemeinsamen Agrarpolitik.

Die Angleichung an die Gemeinschaftspolitik soll zudem erst nach einem «stand still» von drei - für Gartenbauprodukte eventuell sogar noch mehr - Jahren beginnen.

Als dauernde Ausnahmeregelungen erhielt Norwegen folgende Zugeständnisse: Das über dem Durchschnitt der EG liegende Einkommen der Landwirte wird durch differenzierte direkte Beihilfen, die nicht an Produkte gebunden sind,

238 aufrechterhalten werden. Eine periodische Überprüfung der Einkommensverhältnisse und alle Änderungen dieser Massnahmen unterliegen der Beschlussfassung durch den Ministerrat.

Der Ausgang der für Juni 1972 geplanten Volksabstimmung in Norwegen erscheint ungewiss, Naturgemäss werden die schwierigen Kompromisse in den Fischerei - und Landwirtschaftsfragen nicht alle politischen und wirtschaftlichen Gruppen befriedigen können.

2. Verhandlungen mit den nicht beitrittwilligen Staaten In ihrer am 16. Juni dem Rat unterbreiteten Stellungnahme zu den Beziehungen der erweiterten Gemeinschaft mit den nicht beitri«willigen EFTA-Staaten (Finnland, Island, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz) hatte die EGKommission zwei Lösungen vorgeschlagen: Die eine hätte darin bestanden, den Entscheid über die Regelung des Verhältnisses zu den genannten Staaten bis zu neuen weltweiten Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels hinauszuschieben und während einer Zeit von beispielsweise zwei Jahren den Status quo, d.h. die Weiterführung des in der EFTA erzielten Freihandels zwischen den drei neuen Mitgliedstaaten und ihren ehemaligen EFTA-Partnern, zu tolerieren. Die zweite Lösung sah im wesentlichen die Schaffung von Freihandelszonen für industriell-gewerbliche Erzeugnisse mit jedem einzelnen der sechs nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten vor (vgl. den 83. Bericht über wirtschaftliche Massnahmen).

Der EG-Ministerrat trat im Verlauf seines am 26. Juli geführten ersten Meinungsaustausches über den Kommissionsbericht nicht auf den ersten Vorschlag (Status quo) ein und konzentrierte sich auf den Plan der Schaffung von industriellen Freihandelszonen. Der Wille aller sechs Regierungen, am Ziel des gleichzeitigen Inkrafttretens aller Abkommen festzuhalten, um eine europäische Gesamtlösung herbeizuführen, kam in diesem Beschluss deutlich zum Ausdruck.

Nachdem der Ministerrat die Ständigen Vertreter des sechs Mitgliedstaaten mit der detaillierten Prüfung aller Einzelheiten einer Freihandelslösung beauftragt hatte, begannen die Aussenminister der Sechs an ihrer Sitzung vom 20. September mit der Formulierung einer Gemeinschaftsposition, die der Kommission die baldige Aufnahme von Verhandlungen mit den nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten gestatten sollte. Am 8. November konnte der Ministerrat grundsätzlich
die Verhandlungsrichtlinien an die Kommission genehmigen. Wenige Tage später erteilten auch die vier Beitrittskandidaten ihre Zustimmung, so dass das «Mandat» am 29. November formell verabschiedet werden konnte. Die Richtlinien weisen allerdings noch einige Lücken auf und werden im Verlaufe der Verhandlungen noch einer Präzisierung durch den Rat bedürfen.

Der Bundesrat stimmte seinerseits am 29. November der Aufnahme von Verhandlungen grundsätzlich zu und erteilte der vom Direktor der Handelsabteilung geleiteten schweizerischen Delegation die erforderlichen Weisungen,

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Die Kommission unterbreitete die vom Rat genehmigte Verhandlungskonzeption der schweizerischen Delegation anlässlich der Eröffnungssitzung vom 3. Dezember. Es konnte festgestellt werden, dass die Grundideen, welche die Kommission bereits in ihrem Bericht vom 16. Juni formuliert hatte, im Meinungsbildungsverfahren unter den EG-Mitgliedstaaten keine wesentlichen Änderungen erfahren haben. Dieses Abkommensmodell stellt das Ergebnis der zu Beginn des Jahres geführten eingehenden Erkundungsgespräche dar und trägt den von der Schweiz dabei vertretenen grundsätzlichen Erwägungen und den Erfordernissen unserer Neutralitäts- und Staatspolitik Rechnung. Dagegen bleibt es im Inhalt im wesentlichen auf den Warenverkehr beschränkt, während die Schweiz gewünscht hätte, ihre Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschafteü von Anfang an auf einer umfassenderen Basis zu regeln. Die Arbeiten im Rat brachten jedoch einige Akzentverschiebungen. So sprachen sich die Minister ausdrücklich zugunsten der Entwicklungsfähigkeit der Abkommen aus. Ferner schlössen sie eine Agrarverhandlung nicht von vornherein aus. Leider war auch eine Vermehrung der Schutzbegehren zu registrieren.

Der Chef der schweizerischen Verhandlungsdelegation bestätigte am 3. Dezember der EG-Kommission offiziell die Bereitschaft der Schweiz zur Aufnahme der Verhandlungen. Bei dieser Gelegenheit umriss er nochmals die Grundsätze, von denen sich die Schweiz in den bevorstehenden Verhandlungen wird leiten lassen. Diese können wie folgt zusammengefasst werden1' : - Das Freihandelsabkommen wird die Eigenständigkeitsbedürfnisse beider Seiten wahren. Die besonderen Integrationsmethoden und die Beschlussfassungsautonomie der Gemeinschaft werden so wenig beeinträchtigt werden wie die Neutralität und die Eigenständigkeit der Schweiz. Diese wird insbesondere auch in der Gestaltung ihrer aussenwirtschaftlichen Beziehungen zu den Drittstaaten ihre volle Handlungsfreiheit wahren. Sie wird auch nicht gezwungen sein, die spezifischen Integrationsmethoden und Harmonisierungsverpflichtungen des Römer Vertrags zu übernehmen.

- Es ist das Ziel beider Seiten, die Verhandlungen rasch abzuschliessen, damit ein gleichzeitiges Inkrafttreten mit der Erweiterung der EG möglich wird.

Nur so wird es zu vermeiden sein, dass die im Rahmen der EFTA abgebauten Handelsschranken wieder
errichtet werden müssen.

- Wiewohl das Abkommen vorerst, nicht zuletzt der knappen verfügbaren Verhandlungszeit wegen, sich auf die Belange des Warenverkehrs und auf damit funktionell eng zusammenhängende Massnahmen zu beschränken hat, wird die Schweiz angesichts des hohen Standes der Verflochtenheit mit ihren Nachbarstaaten auf eine klare Verankerung des Grundsatzes der Entwicklungsfähigkeit grossen Wert legen. Es versteht sich jedoch, dass im Zuge der Ausdehnung der Zusammenarbeit auf weitere Gebiete des modernen Wirtschaftslebens geschlossene zusätzliche Vereinbarungen den ordentlichen staatsvertraglichen Genehmigungsverfahren zu unterstellen sind.

i) Der Wortlaut der Ausführungen des Chefs der schweizerischen Verhandlungsdelegation liegt diesem Bericht bei.

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Zu den einzelnen Sachfragen kann im Augenblick folgendes gesagt werden : Das Abkommen zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft wird-in Übereinstimmung mit den Vorschriften des GATT - eine Freihandelszone für industriell-gewerbliche Erzeugnisse schaffen. Der Zollabbau soll aus praktischen Gründen nach dem gleichen Kalender erfolgen wie derjenige zwischen den EG und den vier neuen Mitgliedstaaten : Fünf Zollsenkungen von je 20 Prozent der am 1. Januar 1972 geltenden Ausgangszeile -werden am 1. April 1973, jeweils am 1. Januar 1974,1975 und 1976 und am 1. Juli 1977 vorgesehen. Im Interesse der Erhaltung des im Rahmen der EFTA erzielten Freihandels und der GATT-Konformität wird die Schweiz grosse Anstrengungen unternehmen, damit keine Industrieprodukte dauernd und vollständig vom Freihandel ausgenommen werden.

Sollten in bestimmten Sektoren Schwierigkeiten entstehen, so wären höchstens vorübergehende, spezifische Sonderregelungen vorzusehen. Dies ist nach Auffassung der EG z. B. für gewisse Metalle und für Papier notwendig. Für den Fall unvorhersehbarer Schwierigkeiten sektorieller oder regionaler Art würde eine Schutzklausel zur Verfügung stehen. Eine Harmonisierung der Aussenzölle ist nicht vorgesehen. Handelsverlagerungen werden durch Ursprungszeugnisse vermieden. Die Schweiz wird sich dabei für das System der Kumulation, das sich in der EFTA bewährt hat, einsetzen. Wettbewerbsverzerrungen wird durch einige grundlegende Verhaltensregeln zu begegnen sein, die sicherstellen, dass der zollfreie Warenverkehr nicht durch anderweitige Praktiken, wie Kartelle oder Beihilfen, gestört wird. Auch hier bleiben Schutzmassnahmen der letzte Ausweg, falls nach eingehender gemeinsamer Prüfung der Sachlage die Beeinträchtigung des Handels nicht beseitigt werden kann.

Die Industrieprodukte werden gegenüber den Agrarprodukten abgegrenzt werden müssen. Dabei wird sich u.a. die Frage stellen, aufweiche Weise die Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie zumindest vom Verarbeitungsschutz befreit werden können. Für die eigentlichen Agrarprodukte hat die EWG ihre Haltung noch nicht definitiv festgelegt. Hier werden vorerst weitere Sondierungen stattfinden müssen. Die Schweiz hat erklärt, Konzessionen auf landwirtschaftlichem Gebiet nur dann zugestehen zu können, wenn auch seitens der EWG angemessene Gegenleistungen
erbracht werden.

Besondere Sorgfalt wird die Ausarbeitung der institutionellen Vorkehren erfordern. Es gilt, die Aufgaben des paritätischen Organs, dem der Vollzug und die Überwachung des Abkommens obliegen wird, sowie dessen Arbeitsweise präzis festzulegen.

Die erste Verhandlungssitzung vom 3. Dezember diente neben der Darlegung der Ausgangspositionen vor allem noch der Organisation der weiteren Arbeiten. Die eigentlichen Verhandlungen über einzelne Sachfragen beginnen somit erst im neuen Jahr und sollten gegen Ende der ersten Jahreshälfte 1972 abgeschlossen sein. Der Bundesrat wird dem Parlament die Ergebnisse in einer detaillierten Botschaft darlegen.

Während der ganzen Vorbereitungszeit bemühte sich die Schweiz um eine enge Koordination mit ihren EFTA-Partnern und namentlich mit den drei übri-

241 gen neutralen Staaten. Diese Zusammenarbeit wird in der Verhandlungsphase noch an Bedeutung gewinnen, da in zahlreichen Einzelfragen eine abweichende Regelung in den verschiedenen Abkommen nicht praktikabel wäre. Dies gilt nicht bloss für den Zollabbau-Kalender, sondern beispielsweise auch für die Ursprungsregeln, die Wettbewerbsregeln, die Schutzklauseln u. a. m.

In der Phase der EG-internen Willensbildung kam auch den Kontakten mit den einzelnen Mitgliedstaaten grosse Bedeutung zu. Sie wurden auf verschiedenen Ebenen teils direkt, teils auf diplomatischem Wege gepflogen. Beispielsweise diente der Besuch des französischen Aussenministers Schumann u. a. dem intensiven Informationsaustausch im Zuge der Vorbereitung der Verhandlungen.

Im weitern Verlauf des Monats Dezember fanden auch die Eröffnungssitzungen mit den übrigen nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten statt. Während die vier neutralen Staaten ihre Bereitschaft unterstrichen, die Verhandlungen auf der vorgeschlagenen Grundlage zu führen, legten Portugal und Island in ihren Eröffnungserklärungen das Schwergewicht auf die nach ihrer Auffassung ungenügenden Offerten für die sie besonders interessierenden Erzeugnisse dar. Portugal hat ausgeprägte Exportinteressen im Agrarbereich. Es stösst sich aber auch an der restriktiven Haltung der Gemeinschaft in bezug auf seine industriellen Ausfuhren. Für Island geht es primär darum, für seine Ausfuhren von Fischereierzeugnissen Konzessionen zu erhalten, die denjenigen vergleichbar sind, die ihm im Rahmen seines Beitritts zurEFTA gewährt worden sind.

Das seit mehreren Jahren geplante Interimsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Österreich konnte noch nicht unterzeichnet werden. Zweck dieses Abkommens, das nach dem Festfahren der österreichischen Assoziierungsbemiihungen ins Auge gefasst worden war, wäre die vorzeitige Inkraftsetzung einer beidseitigen SOprozentigen Zollsenfcung zur Milderung der für Österreich besonders spürbaren Zolldiskriminierung im Gemeinsamen Markt. Die Gemeinschaft hatte im Interesse einer vollen GATT-Konformität den Abschluss eines solchen Abkommens davon abhängig gemacht, dass die Umrisse des späteren Freihandelsabkommens bereits klar erkennbar sind. Obwohl dies bis zu einem gewissen Grade heute schon der Fall wäre, sind die Probleme der Ursprungsregelung und der empfindlichen
Produkte in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen noch zu wenig geklärt. Österreich möchte vermeiden, dass diese Fragen durch das Interimsabkommen präjudiziert werden. Mit einem Inkrafttreten ist somit nicht vor Mitte 1972 zu rechnen, wodurch sich der zeitliche Vorsprung des Zollabbaus gegenüber den ändern nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten entsprechend verkürzen wird.

3. Aussenbeziehungen Schon im Verlauf der ersten Jahreshälfte war deutlich geworden, dass der Dialog mit den Drittstaaten während der die Aufmerksamkeit der Gemeinschaft stark beanspruchenden Beitrittsverhandlungen nicht unterbrochen werden konnte. Dies gilt vor allem für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Seit einiger Zeit liess Washington seine Opposition gegen die Präferenzpolitik der Ge-

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meinschaft im Mittelmeerraum erkennen. Sprecher der amerikanischen Regierung griffen auch immer wieder die gemeinsame Agrarpolitik an, und zwar sowohl ihrer grundsätzlichen Ausrichtung als auch einzelner, die amerikanischen Interessen besonders berührender Massnahmen wegen.

Die von Präsident Nixon am 15. August angekündigten drastischen Massnahmen zur Eindämmung des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits sollten die handelspolitische Auseinandersetzung mit Amerika rasch einem Höhepunkt entgegenführen. Um nicht die Gefahr einer Eskalation protektionistischer Massnahmen heraufzubeschwören, verzichteten die EG auf Vergeltung gegen die lOprozentige Einfuhrabgabe. Diese wurde denn auch beseitigt, nachdem für den Dollar und für eine Reihe europäischer Währungen neue Paritäten festgelegt worden waren, Die Vereinigten Staaten verbanden indessen ihre Zusage zu einer Abwertung des Dollar mit der Forderung einer handelspolitischen Ergänzung der 'währungspolitischen Konzessionen der Europäer. Die Begehrenliste, die der amerikanische Sonderbeauftragte für Handelsfragen, Botschafter Eberle, anfangs Dezember in Brüssel vorlegte, umfasst sowohl kurzfristig in Kraft zu setzende Massnahmen wie die Forderung nach längerfristigen Absichtserklärungen. Die kurzfristigen Begehren betreffen vor allem agrarpolitische Fragen (Lagerhaltung von Getreide, Milderung der Auswirkung der Paritätsänderungen auf den Getreidehandel, Ausfuhr amerikanischer Agrumen nach der EWG, Auswirkungen der Harmonisierung der Tabakbesteuerung in der EWG auf den amerikanischen Export). Zudem verlangte die amerikanische Delegation einen «stand still» in den Gesprächen zwischen den EG und den nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten (vgl.

unten). Die längerfristigen Verpflichtungen, die Washington von Brüssel fordert, betreffen u. a. die Präferenzpolitik der EWG im Mittelmeerraum, die Präsentation der Erweiterungsverträge im GATT und namentlich die Eröffnung einer grossen multilateralen Verhandlung im Hinblick auf eine Reform des Welthandelssystems. Diese neue Verhandlungsrunde sollte nach amerikanischer Auffassung bereits 1973 beginnen können.

Die Sechs konnten und wollten sich dem amerikanischen Wunsch nach sofortiger Eröffnung von Verhandlungen nicht verschliessen. Der Rat genehmigte ein entsprechendes Mandat noch vor der Tagung des Zehnerklubs vom
17./18, Dezember. Die Sechs wollen indessen auf einer angemessenen Gegenseitigkeit beharren und haben zu diesem Zweck eine Liste von Gegenforderungen aufgestellt. Die Verhandlungen begannen in der Woche vor Weihnachten in Brüssel. Die Ausgangspositionen scheinen noch ziemlich weit auseinanderzuliegen. Besonders schwer dürfte es sein, dort eine Einigung zu erzielen, wo die amerikanischen Forderungen die gemeinsame Agrarpolitik in grundsätzlicher Hinsicht in Frage stellen. Indessen will Präsident Nixon das «Paket» handelspolitischer Konzessionen der Gemeinschaft dem Kongress bereits im Januar 1972 gleichzeitig mit dem Antrag auf Genehmigung der Dollarabwertung unterbreiten.

Was die amerikanische Forderung in bezug auf die Verhandlungen der EG mit den nicht beitrittwilligen EFTA-Staaten betrifft, so sei daran erinnert, dass

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die Vereinigten Staaten am Vorabend der Ratstagung vom 8. November, auf deren Traktandenliste u. a. die Verabschiedung der Richtlinien für die Verhandlungen mit diesen Ländern figurierte, vorstellig wurden, um vor einer Beeinträchtigung ihrer Exportinteressen zu warnen und um sich ihre Rechte aus dem GATTAbkommen vorzubehalten. Der Rat führte damals über diese Intervention keine Debatte. In den Gesprächen, die Botschafter Eberle anfangs Dezember mit der EG-Kommission führte, verlangte er erneut, dass diese Verhandlungen entweder bis zur Klärung der langfristigen Probleme des Welthandels verschoben werden oder aber dass sie jede Diskriminierung der amerikanischen Ausfuhren vermeiden. Die EG, die diese Verhandlungen als Teil des Erweiterungsprozesses betrachten, sahen keinen Anlass, die politische Option, die im Communiqué der Haager Gipfelkonferenz ihren Niederschlag und in einer Reihe weiterer Beschlüsse ihre Bestätigung gefunden hat, wieder in Frage zu stellen. Wie die Schweiz legen auch die Sechs grossen Wert darauf, dass die zu schliessenden Abkommen den Vorschriften des GATT - die die Bildung grosser Märkte durch Freihandelszonen der Zollunionen ausdrücklich zulassen - entsprechen. Sie vertreten überdies die Auffassung, dass die Beseitigung von Handelsschranken auf regionaler Basis stets auch zu einer Belebung des Handels mit Drittstaaten geführt hat. Anlässlich der Eröffnung der Verhandlungen mit der EG-Kommission verzichtete der amerikanische Unterhändler schliesslich auf einen Einbezug dieser Angelegenheit in die Liste der europäischen Konzessionen.

Seit Jahren beklagen sich die Staaten Lateinamerikas über ihre Zurücksetzung im Vergleich zu den mit der Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten. Die EG scheinen sich nunmehr anzuschicken, den Wünschen dieser Länder entgegenzukommen. Am 19. Januar wurden Verhandlungen mit Argentinien aufgenommen. Ihnen sollen demnächst weitere mit Uruguay und Brasilien folgen.

Das Handelsabkommen mit Argentinien konnte am 8. November unterzeichnet werden. Es soll am l. Januar 1972 in Kraft treten. Bedeutung kommt ihm vor allem deshalb zu, weil es das erste Abkommen der Gemeinschaft mit einem lateinamerikanischen Staat ist. Es handelt sich um einen klassischen, nichtpräferenziellen Handelsvertrag. Die spezifischen Konzessionen der EWG betreffen vor allem
die Einfuhr von argentinischem Gefrierfleisch, In Erwartung der Ratifikation des Zusatz- und Finanzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei, das die Einleitung der Übergangsphase zur Zollunion vorsieht (bisher befand sich die Türkei in der sogenannten Vorbereitungsphase der Assoziation), wurde am 1. September 1971 ein Interimsabkommen in Kraft gesetzt. Dieses sieht eine vorzeitige Anwendung des für die Übergangsperiode vorgesehenen Handelssystems vor, das den schrittweise sich je nach Warenkategorie über 12 bis 22 Jahre erstreckenden Abbau der türkischen Einfuhrzölle gegenüber der Gemeinschaft umfasst.

Die Gemeinschaft gewährt mit Inkrafttreten des Interimsabkommens den zollfreien Zugang für türkische Industrieerzeugnisse, mit Ausnahme bestimmter Textilien und einiger anderer empfindlicher Produkte, für welche Kontingente er-

244 Öffnet werden. Die Türkei nimmt ihrerseits für die Waren der Zwölf jahrliste eine erste Zollsenkung von 10 Prozent, für die übrigen Waren von 5 Prozent, vor.

Ferner gewährt sie Präferenzen für gewisse gemeinschaftliche Agrarprodukte, konsolidiert die Liberalisierungsliste und verringert die obligatorische Kaution für Importe.

Das erwähnte Finanzprotokoll sichert der Türkei für die ersten fünf Jahre der Übergangsphase zudem Entwicklungskredite in der Höhe von 195 Millionen Rechnungseinheiten zu. Diese Kredite werden über die Europäische Investitionsbank abgewickelt, die ihrerseits weitere 25 Millionen RE aus eigenen Mitteln zur Finanzierung von Industrieprojekten zur Verfügung stellt.

Die im Vorjahr aufgenommenen Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Japan konnten in der zweiten Sitzungsrunde vom 6. Juli noch nicht abgeschlossen werden. Das Haupthindernis besteht in der japanischen Weigerung, der von der EWG vorgeschlagenen Schutzklausel, die den entsprechenden Bestimmungen im bilateralen Abkommen zwischen Frankreich und Japan nachgebildet ist, zuzustimmen. Die Verhandlungen sollen im nächsten Jahr fortgesetzt werden.

4. Wirtschafts- und Währungspolitik In diesem Zusammenhang sind zwei wichtige Ereignisse zu erwähnen: einmal die Bemühungen um eine währungspolitische Koordination im Anschluss an die amerikanischen Massnahmen, zum ändern die ersten Schritte in der Durchführung des Stufenplans zur Schaffung einer Wirtschafts- und Wähmngsunion.

Am 15. August gab Präsident Nixon seine «neue Wirtschaftspolitik» bekannt. Im Laufe verschiedener Tagungen des Währungsausschusses, der Kommissi on und des Ministerrats versuchten die Sechs in bezug auf die innergemeinschaftlichen Beziehungen zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. In diesem Zusammenhang schlugen die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten unterschiedliche Lösungen vor. Während sich die Bundesrepublik für gemeinsam schwankende Kurse der EG-Währungen einsetzte, befürwortete Frankreich doppelte Wechselkurse für die ganze Gemeinschaft, und die Benelux-Staaten forderten ein System von festen Kursen im Innern und gemeinsam um Leitparitäten schwankenden Kursen nach aussen. Da keine Einigung erzielt werden konnte, behielt jeder Mitgliedstaat sein eigenes System bei.

An den Tagungen des Zehnerklubs und der
Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds konnten die Sechs einen gemeinsamen Standpunkt einnehmen. Dieser bestand vor allem darin, eine Neufestsetzung der Wechselkurse verschiedener Währungen einschliesslich des Dollars sowie eine Ausweitung der Schwankungsbreiten zu fordern. Nach den Washingtoner Beschlüssen des Zehnerklubs vom 17. und 18. Dezember sahen sich die Sechs in ihren gegenseitigen Beziehungen vor schwierige Probleme gestellt. Die erste Frage ist die einer allfälligen neuen Parität der Rechnungseinheit (vgl. dazu Ziff. 5, Agrarpolitik). Auf spezifisch monetärem Gebiet gilt es sodann abzuklären, ob die Sechs unter sich

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engere Schwankungsbreiten als die in Washington beschlossenen (2,25 % nach beiden Seiten der Parität) anwenden sollen. Nach den währungspolitischen Ereignissen im Mai hatte man vorerst auf die geplante Verengung der Bandbreiten verzichten müssen. Ein solcher Schritt wird die Frage einer ständigen und engen Zusammenarbeit der Notenbanken in ihrer Interventionspolitik und eventuell die Schaffung eines «Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit» stellen. Die Beschlussfassung über diese Massnahmen dürfte zwar dadurch erleichtert werden, dass sie im Rahmen der Vorarbeiten zum Stufenplan für die Wirtschafts- und Währungsunion vorbereitet worden waren. Ihre Verwirklichung wird jedoch noch bedeutende politische Anstrengungen erfordern.

Eine solche Zusammenarbeit wird zudem das vordringliche Problem der - nicht nur spekulativen - kurzfristigen Kapitalströme aufwerfen.

Trotz allem werden die Ereignisse von 1971 bewirkt haben, dass die Regierungen und die öffentliche Meinung vermehrt auf die Bedeutung der Währungspolitik für Handel und Wirtschaftspolitik im allgemeinen aufmerksam werden.

Im Rahmen der Arbeiten zur stufenweisen Verwirklichung der Wirtschaftsund Währungsunion, insbesondere in Anwendung von Artikel 4 des Ratsbeschlusses vom 22. März bezüglich der verstärkten Koordination der kurzfristigen Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, haben die Minister erstmals einem Jahresbericht über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft zugestimmt. Dieser Bericht erlaubt es, die Richtlinien festzulegen, die jedes Land in seiner Konjunktur-, Struktur- und Budgetpolitik im folgenden Jahr befolgen sollte. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sind gehalten, diese Richtlinien ihren Parlamenten zur Kenntnis zu bringen, damit sie bei der Beschlussfassung über die Budgetentwürfe berücksichtigt werden können.

5. Agrarpolitik Die unterschiedliche Währungspolitik der Mitgliedstaaten wirkte sich weiterhin als empfindliche Belastung für die gemeinsame Agrarpolitik aus. Die Freigabe der Wechselkurse in der Bundesrepublik und in den Benelux-Ländern führte zu einer vorübergehenden Aufspaltung des Agrarmarktes in drei Preiszonen.

Sobald die Paritäten der EG-Währungen gemäss dem Washingtoner Übereinkommen vom 18. Dezember offiziell neu festgesetzt sein werden, wird sich erneut das Problem der Angleichung der
in den EG-Ländern zum Schütze ihrer unterschiedlichen Agrarpreise eingeführten Ausgleichsbeträge stellen. Schon in der Zwischenzeit jedoch musste der De-facto-Abwertung des Dollars durch eine provisorische Anpassung der Ausgleichsbeträge Rechnung getragen werden. Dies führte insbesondere dazu, dass auch Frankreich und Italien derartige Abgaben einführen mussten. In Frage steht auch der Wert der Rechnungseinheit (RE), in der alle für die EWG-Agrarpolitik massgeblichen Grossen (Preise, spezifische Zölle, Abschöpfungen, Erstattungen usw.) festgelegt sind. Sie ist in Gold definiert und entsprach bisher dem Wert des amerikanischen Dollars. Durch die Abwertung des Dollars wird diese Übereinstimmung aufgehoben werden. Eine NeufestBundesblatt. 124.Jahra. Bd.I

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246 Setzung der Parität der RE auf einen mittleren Kurs könnte unter Umständen die Losung der EWG-internen Preisprobleme als relativ leicht erscheinen lassen, doch bewirkt jede Änderung der Parität der RE auch eine entsprechende Änderung des Aussenschutzes für Waren, die den Agrarmarktordnungen unterstellt sind. Es besteht somit eine enge Verbindung mit den aktuellen handelspolitischen Problemen.

6. Außenpolitische Koordination Am 5. November 1971 traten die Aussenminister der Sechs in Rom zu ihrer halbjährlichen politischen Konsultation zusammen, zu der am 6. November auch die vier Beitrittskandidaten beigezogen wurden. Das Treffen stand weitgehend im Zeichen der für 1972 geplanten europäischen Gipfelkonferenz, die erstmals im Rahmen der erweiterten Gemeinschaften zu zehnt stattfinden wird. Als Termin möchten einige EG-Mitgliedstaaten die erste Hälfte des Jahres vorsehen, während die Beitrittskandidaten aus innenpolitischen Gründen (Volksabstimmungen in Norwegen, Dänemark und Irland) für die zweite Jahreshälfte plädieren. Der genaue Zeitpunkt des Gipfeltreffens dürfte nicht zuletzt von der währungspolitischen Entwicklung, dem Stand der Auseinandersetzung mit den USA und den Vorarbeiten zur Abhaltung einer Ost-West-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bestimmt werden.

Als Leitlinien für die Tagesordnung eines Gipfeltreffens scheinen sich folgende Punkte herauskristallisiert zu haben: Ein vordringliches Thema stellt die Standortbestimmung in bezug auf die ins Stocken geratene Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion dar. Die notwendige Neubestimmung der Rolle Europas in der Welt erfordert insbesondere eine Regelung der Beziehungen zwischen der erweiterten Gemeinschaft und den USA sowie eine gemeinsame Politik gegenüber der von den Staaten des Warschauer Paktes mit immer grosserem Nachdruck geforderten Europäischen Sicherheitskonferenz. Auf institutionellem Gebiet gilt es, die künftige Rolle und das Funktionieren der verschiedenen Institutionen der erweiterten Gemeinschaft zu überdenken. In diesem Zusammenhang dürften nicht zuletzt die auf eine konföderale Struktur Europas abzielenden Vorschläge des franzosischen Staatspräsidenten Gesprächsstoff liefern.

In der Aussprache im engern Kreis der Sechs in Rom stand auch eine verstärkte Institutionalisierung der politischen
Zusammenarbeit zur Diskussion. Es wurden Vorschläge unterbreitet, die auf die Schaffung eines ständigen politischen Sekretariates abzielen. Schliesslich wurde der «Politische Ausschuss» beauftragt, seine Arbeiten für eine abgestimmte Politik im östlichen Mittelmeerraum fortzuführen.

7. Regionalpolitik, Bildungspolitik Aus den mannigfachen anderen Tätigkeiten der EG, die in diesem Jahr von den Erweiterungsverhandlungen und den währungspolitischen Ereignissen etwas überschattet wurden, seien die Regionalpolitik und die erste Konferenz der Erziehungsminister herausgegriffen.

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Im Oktober trat der Rat zusammen, um die ersten Elemente einer gemeinschaftlichen Regionalpolitik festzulegen. Er konnte sich auf Vorschläge der Kommission stützen, welche die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen in wirtschaftlich rückständigen Agrarregionen der Gemeinschaft, die Schaffung eines Zinsvergütungsfonds für Darlehen an Infrastrukturinvestitionen sowie die Koordinierung der nationalen regionalen Beihilfen vorsehen. Eine Einigung konnte vorerst bezüglich des letzten Vorschlages erzielt werden. Angesichts der sehr unterschiedlichen Beihilfepolitiken der Mitgliedstaaten erschien es als angezeigt, gewisse gemeinsame Grundregeln, z, B. bezüglich der Voraussetzungen, der Transparenz oder des Umfangs der Hilfsmassnahmen für rückständige Regionen, festzulegen.

Zum erstenmal seit der Unterzeichnung der Römer Verträge fand am 16. November eine Ratstagung der Erziehungsminister statt. Der Rat besprach die Fragen, welche die gegenseitige Anerkennung von Diplomen im Rahmen des Abbaus der Beschränkungen des freien Niederlassungsrechts aufwirft. Er forderte die Kommission auf, zu prüfen, ob die Möglichkeit für eine globale gegenseitige Anerkennung der Diplome besteht.

Er gelangte zu einer Einigung bezüglich der Schaffung eines «Europäischen Hochschulinstituts » in Florenz, das zunächst die folgenden vier Abteilungen umfassen wird: -

Geschichte und Kulturgeschichte Politik und Gesellschaftswissenschaften Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaften

Das Institut wird ab 1973 Inhabern nationaler Hochschuldiplome offenstehen. Mit diesem Entscheid findet die jahrelange Auseinandersetzung über die Gründung einer «Europäischen Universität», wie sie bereits in Artikel 9 des Euratom-Vertrags, dann aber auch im Schlusscommuniqué der Haager Gipfelkonferenz vorgesehen war, ihren Abschluss, 8. Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) Die im 82. und 83. Bericht über wirtschaftliche Massnahmen erwähnten Arbeiten auf dem Gebiet der von den EG vorgeschlagenen technologischen Zusammenarbeit sind mit der Unterzeichnung einer ersten Reihe von Abkommen und Entschliessungen sowie mit der Beschlussfassung über das weitere Vorgehen am 23. November in Brüssel in die Ausführungsphase getreten. An dieser Konferenz auf Ministerebene beteiligten sich neben den sechs EG-Staaten auch Dänemark, Finnland, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Jugoslawien, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien und die Türkei. Die von der Schweiz unterzeichneten Abkommen betreffen folgende Aktionen :

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1. Aufbau eines europäischen Informatiknetzes 2. Verbesserung der Leistung bestimmter Fernmelde-Antennen 3. Untersuchung der Eigenschaften von Werkstoffen für Gasturbinen (sog.

konzertierte Aktion) 4. Analyse der organischen Mikroveruoreinigungen im Wasser 5. Behandlung von Klärschlamm In verschiedenen Entschliessungen wird die Durchführung weiterer Aktionen auf den Gebieten der neuen Verkehrsmittel, der Meteorologie und der Informatik vorgesehen. Verschiedene Aktionen befinden sich noch in Vorbereitung und werden weiterhin vom Ausschuss hoher Beamter sowie von Expertengruppen geprüft.

Die Schweiz hat sich von Anfang an aktiv an dieser Zusammenarbeit beteiligt. Sie gestattet eine pragmatische Lösung wichtiger wissenschaftlicher und technischer Probleme im europäischen Rahmen.

9. TJhrenabkommen Die letzte Zollsenkung im Umfang von beidseits je 10 Prozent, die das zwischen der Schweiz und der EWG am 30. Juni 1967 abgeschlossene Abkommen betreffend die Erzeugnisse der Uhrenindustrie vorsieht, ist noch nicht vollzogen worden und wird weiterhin mit der Frage der Herkunftsbezeichnung «Swiss Made» für Uhren verquickt.

In der 9. Session der durch das Uhrenabkommen geschaffenen «Gemischten Kommission» wurde aber festgestellt, dass die Verordnung über die Benützung des Schweizer Namens für Uhren (Inkrafttreten: 1. Januar 1972) eine geeignete Grundlage schafft, damit das Problem beidseits befriedigend gelöst werden kann.

Die Verordnung übernimmt zwar das schon in der Definition der Uhrenindustrie von 1968 enthalten gewesene 50-Prozent-Kriterium als Prinzip. Zugleich wird aber die Möglichkeit einer Sonderbehandlung vorgesehen, wonach bei der Berechnung des SOprozentigen Anteils nicht allein der Wert der Bestandteile des Uhrwerkes (Grundregel), sondern auch die Kosten des Zusammensetzens (Sonderbehandlung) berücksichtigt werden dürfen ; dies allerdings nur dann, wenn die durch eine enge industrielle Zusammenarbeit bedingte gleichwertige Qualität der ausländischen Bestandteile mit den schweizerischen Bestandteilen auf dem Wege eines staatsvertraglich vorgesehenen Bestätigungsverfahrens gewährleistet ist.

Sofern eine solche Vereinbarung mit der EWG zustandekommt, wären die Voraussetzungen gegeben, um die dritte lOprozentige Abbaustufe zu verwirklichen. Zugleich wäre damit das wesentliche Hindernis auf dem Wege zum Einschluss des Uhrensektors in eioe allgemeine Freihandelsregelung für Industrieerzeugnisse mit den EG beseitigt.

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10. Textilreredlungsverkehr Auch im zweiten Vertragsjahr vom 1. September 1970 bis 31. August 1971 hat sich die Vereinbarung über den Textilveredlungsverkehr mit der EWG vom Ì . August 1969 bewährt. Der Ministerrat der EG hat dem schweizerischen Begehren um Aufstockung des schweizerisch-aktiven Gewirkveredlungskontingents um 150000 Rechnungseinheiten zu Lasten des Gewebeveredlungskontingents entsprochen. Damit wurde vor allem die zollfreie Abwicklung entsprechender Veredlungsaufträge aus Frankreich sichergestellt. Die Frage einer angemessenen Erhöhung des schweizerisch-aktiven Zwirnveredlungskontingents wird Gegenstand der Beratungen der Gemischten Kommission bilden, die im Januar 1972 in Brüssel zusammentritt.

III. Regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit 1. Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) Der EFTA-Rat und der Finnland/EFTA-Rat sind am 4. und 5. November in Genf zu ihrer ordentlichen Ministertagung zusammengetreten. Die Schweiz war durch den Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vertreten.

Die Minister erörterten die gegenwärtige Lage und die Aussichten auf eine umfassendere europäische Integration. Sie nahmen mit Befriedigung von den beträchtlichen Fortschritten Kenntnis, die seit ihrer letzten Tagung in den Verhandlungen und Gesprächen zwischen den EFTA-Staaten und den EG erzielt wurden.

Die schweizerische Delegation hat, wie die ändern nicht beitrittwilligen Staaten, auf die Notwendigkeit hingewiesen, unverzüglich ihre eigenen Verhandlungen mit den EG eröffnen zu können, Alle EFTA-Minister gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass diese Verhandlungen so rasch wie möglich vorangetrieben werden, wobei das Konzept der Gemeinschaft einen guten Ausgangspunkt bietet. In einer gemeinsamen Presseerklärung betonten die Minister den Wunsch aller Beteiligten, dass alle Abkommen zwischen den EFTA-Ländern und den Gemeinschaften gleichzeitig in Kraft treten.

Die Minister bekräftigten ebenfalls die Notwendigkeit, den zwischen den EFTA-Ländern verwirklichten Freihandel als einen wichtigen Bestandteil einer erweiterten europäischen Gemeinschaft zu bewahren. Unter diesem Gesichtspunkt hat sich die schweizerische Delegation zugunsten der Aufrechterhaltung des Freihandels sowohl für die Industrieprodukte wie für die Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie, die vom Übereinkommen von
Stockholm erfasst werden, ausgesprochen. Im übrigen haben alle Minister die Bedeutung unterstrichen, die sie der GATT-Konformität der abzuschliessenden Abkommen beimessen.

Das Vereinigte Königreich hat den EFTA-Mitgliedstaaten erklärt, es beabsichtige, am 31. Dezember 1972 vom Übereinkommen von Stockholm zurückzutreten. Dänemark und Norwegen waren jedoch nicht in der Lage, einen solchen Beschluss bereits im Jahre 1971 zu fassen. Die Regierungen der EFTA-Staaten

250 haben sich daher bereit erklärt, unter dem Vorbehalt ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren einer Verkürzung der in Artikel 42 des Übereinkommens von Stockholm vorgesehen zwölfmonatigen Kündigungsfrist zuzustimmen, da unter den Mitgliedstaaten in bezug auf die Notwendigkeit, den zwischen ihnen bestehenden Freihandel ohne Unterbrach beizubehalten, Einmütigkeit herrscht.

Der EFTA-Rat hat die Prüfung der mit dem Übergang von den EFTARegeln zu den für die neuen Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften gültigen Regeln fortgesetzt. Es wird jedoch erst zu dem Zeitpunkt, in dem über die Einzelheiten der zwischen den Gemeinschaften und den Nicht-Kandidaten abzuschliessenden Verträge Klarheitherrscht.möglich sein, diese Studien zu vollenden.

An ihrer Herbsttagung besprachen die EFTA-Minister ebenfalls die im Oktober von Dänemark zur Sanierung seiner Zahlungsbilanz ergriffenen Massnahmen, insbesondere die lOprozentige Importabgabe. Die schweizerische Delegation hat namentlich auf die Unvereinbarkeit dieser letzteren Massnahme mit dem Übereinkommen von Stockholm hingewiesen und dabei erklärt, dass die Art und Weise, wie diese Abgabe gehandhabt wird, im Widerspruch zu den von der OECD festgelegten Grundsätzen steht. Auf Vorschlag unserer Delegation haben die Minister den ständigen Rat und die übrigen Organe der Assoziation beauftragt, die dänischen Massnahmen eingehend zu prüfen.

2. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Am 13. und 14. Oktober fand in Paris eine Tagung der Wissenschaftsminister der OECD-Länder statt. Die Schweiz war durch den Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern vertreten. In der nach Abschluss der Tagung veröffentlichten Erklärung wird namentlich der bedeutsame Anteil der Wissenschaft am wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt hervorgehoben und betont, dass die Wissenschaft in Zukunft den sozialen Erfordernissen besser Rechnung tragen und ein Mehreres zur Verbesserung der Lebensbedingungen leisten müsse.

Ferner prüften die-Minister unter diesem Aspekt die neuen Tendenzen auf den Gebieten der Forschung, der Entwicklung und der wissenschaftlichen Information ; sie führten auch Aussprachen über die technologische Innovation, die Auswirkungen der Technologie und die Bedeutung der Wissenschaft für die Entwicklungsländer durch.

Die im
Juni vom OECD-Min isterrat (vgl. unseren 83. Bericht) mit der Untersuchung der längerfristigen Aspekte der gegenwärtigen und künftigen Probleme der Handelspolitik betraute Gruppe hat ihre Arbeiten aufgenommen. Sie wird vom früheren Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Jean Rey, präsidiert; unser Land ist durch alt Bundesrat Hans Schaffner vertreten. Das Gremium wird den Ministern der OECD-Länder an ihrer nächsten Jahrestagung im Mai 1972 einen Bericht vorzulegen haben.

Die für wirtschafts-, finanz- und handelspolitische Fragen zuständigen Ausschüsse und Arbeitsgruppen der Organisation erörterten die Probleme, welche durch die als Folge der amerikanischen Massnahmen neu ausgebrochene Wäh-

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rungskrise verursacht worden sind. So befasste sich der Handelsausschuss mit der drohenden Gefahr möglicher Kettenreaktionen, die von den protektionistischen Tendenzen in den Vereinigten Staaten und ändern Ländern ausgehen könnten.

Die Arbeitsgruppe Nr. 3 des wirtschaftspolitischen Ausschusses, die sich mit den Fragen der Schaffung eines besseren Gleichgewichts befasst, Vorkehrungen zur Sicherstellung eines besseren Gleichgewichts der internationalen Zahlungen prüft, wurde vom Zehnerklub beauftragt, das Ausmass der für die Vereinigten Staaten erforderlichen Zahlungsbilanzkorrektur und ihre Auswirkungen auf andere OECD-Länder zu untersuchen.

IV. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) Die Vertragsparteien des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, dem heute 80 Staaten beigetreten sind, trafen sich vom 16. bis 26. November zu ihrer 27. Session, Obwohl zu diesem Zeitpunkt die internationalen Gespräche zur Lösung der Währungskrise noch keine wesentlichen Fortschritte gemacht hatten und die seit dem 16, August von den USA angewandte Importsteuer nach wie vor in Kraft stand, bestätigte diese Sitzung dennoch die grundsätzliche Bereitschaft der Vertragsstaaten, weitere Anstrengungen zur Liberalisierung des Welthandels zu unternehmen, wobei allerdings die Ansicht vorherrschte, dass in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine neue umfassende Verhandlungsrunde noch nicht gegeben seien.

Die Vertragsparteien fassten jedoch auf praktischer Ebene Beschlüsse über die Fortsetzung der bereits seit 1967 laufenden Arbeiten zur Abklärung künftiger Liberalisierungsmöglichkeiten. Im Bereich der Industrieprodukte beschlossen sie, die Studie über die Zollbelastungen nach Inkraftsetzung der vollen KennedyRunde-Konzessionen, also der ab 1. Januar 1972 geltenden Ansätze, auf zwei weitere Staaten (Australien, Neuseeland) auszudehnen, so dass künftig alle Industrieländer in diesen Untersuchungen eingeschlossen sind. In der Frage der nichttarifarischen Handelshindernisse entschied sich das oberste GATT-Organ für die Fortsetzung der Suche nach Lösungsmöglichkeiten in den drei als vordringlich bezeichneten Problemkreisen der Normen, der Lizenzen und der Zollbewertung sowie für eine Ausdehnung dieser Bemühungen auf drei neue Gebiete : Exportsubventionen, Formalitäten bei der Wareneinfuhr, Etikettierungs- und
Verpakkungsvorschriften. Im Agrarsektor dagegen wurden keine konkreten Beschlüsse gefasst; der GATT-Rat erhielt das Mandat, in den kommenden Monaten die Möglichkeiten einer Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte systematisch zu überprüfen, um auf diese Weise einen Ausweg aus den festgefahrenen Beratungen über die agrarpolitischen Probleme zu finden.

Auf Veranlassung der amerikanischen Delegation, die sich über das Überhandnehmen präferenzieller Handelsvereinbarungen und die dadurch entstehende Aushöhlung des Meistbegünstigungsprinzips des GATT besonders besorgt zeigte, erteilten die Vertragsparteien dem GATT-Sekretariat den Auftrag, eine statistische Studie über die Entwicklung des Welthandels der Jahre 1955 bis

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1970 zusammenzustellen. Diese Studie soll Aufschluss darüber geben, wie gross der Anteil des Welthandels war, der noch unter dem Prinzip der Meistbegünstigung abgewickelt wurde, und welche Bedeutung den Handelsströmen im Rahmen präferenzieller Regelungen (Zollunion, Freihandelszone, Präferenzvereinbarungen) zukam.

Auf dem Gebiet der Entwicklungsfragen erteilten die Vertragsparteien 16 Entwicklungsländern die Ermächtigung zur Abweichung von Artikel I (Meistbegünstigung), um ein unter ihnen vereinbartes Präferenzensystem in Kraft setzen zu können.

Die Vertragsparteien genehmigten ferner den Jahresbericht des GATTRates, in welchem den folgenden Punkten eine besondere Bedeutung zukam : Beschluss zur Durchführung des allgemeinen Präferenzensystems sowie Billigung des Berichtes der zur Untersuchung der amerikanischen Importsteuer eingesetzten Arbeitsgruppe, worin diese Abgabe als GATT-widrige und inadäquate Massnahme bezeichnet und deren sofortige Aufhebung verlangt wurde.

Abschliessend sei erwähnt, dass die Schweiz im Juni dem unter der Leitung des GATT abgeschlossenen Abkommen über den Handel mit Magermilchpulver beigetreten ist und im Dezember einer weiteren Verlängerung des anlässlich der Kennedy-Runde abgeschlossenen Chemieabkommens zugestimmt hat.

V. Multilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern Im Sinne des Zollpräferenzenbeschlusses, den Sie am 23. September angenommen haben, führten wir die Vorarbeiten für die Verwirklichung der schweizerischen Massnahmen im Rahmen des allgemeinen Systems von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer weiter, um nach Ablauf der Referendumsfrist die Ausführungserlasse über die begünstigten Länder, die Waren und präferenziellen Zollansätze sowie die Regelungen des Ursprungsnachweises in Kraft setzen zu können. Wie im Zollpräferenzenbeschluss vorgesehen, wurde die Zollexpertenkommission vor der Beschlussfassung begrüsst.

Auf Grund Ihres Beschlusses vom 20. September, mit dem Sie der Eröffnung eines Rahmenkredites für die Finanzhilfe an die Entwicklungsländer zugestimmt haben, und entsprechend Ihrem Beschluss vom 23. September, durch den Sie uns ermächtigt haben, mit der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) ein Abkommen über die Gewährung eines langfristigen Darlehens von 130 Millionen Franken als Beitrag der Schweiz zur
dritten Äufnung der Mittel der IDA abzuschliessen, wird dieses Abkommen unterzeichnet und in Kraft gesetzt, sobald die dritte Äufnung des IDA-Fonds rechtskräftig geworden.

An seiner 11. Tagung konzentrierte sich der Handels- und Entwicklungsrat der UNCTAD1* auf die Vorbereitung der 3. Session der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, die im April/Mai 1972 in Santiago statt1

> Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung,

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finden wird. Er nahm als Grundlage für die weiteren Vorarbeiten die provisorische Tagesordnung dieser Konferenz an. Im Dezember tagte die Kommission für Invisibles und mit dem Handel zusammenhängende Finanzfragen der UNCTAD. Sie befasste sich einerseits mit den Auswirkungen der gegenwärtigen Währungslage auf den Hände] der Entwicklungsländer und anderseits mit den ständigen UNCTAD-Problemen des Umfangs und der Bedingungen der finanziellen Leistungen der Industriestaaten an die Länder der Dritten Welt. Sie erörterte ferner eingehend die sich für diese Länder stellenden Probleme im Bereich des Versicherungswesens.

Die ordentliche Session des Internationalen Kaffeerats stand bereits im Zeichen der Verhandlungen über ein neues Kaffeeabkommen, die 1972 anlaufen werden. Produzenten und Konsumenten einigten sich auf einen Menge/PreisMechanismus, der in der Periode 1971/72 die normale Versorgung des Weltkaffeemarktes zu angemessenen Preisen gewährleisten soll. Die gegen Ende 1970 stark erhöhten Richtpreise wurden wieder etwas gesenkt. Im Exekutivausschuss des Internationalen Kaffeerats ist die Schweiz für das zweite aufeinanderfolgende Jahr vertreten. Als Vorsitzender der Konsumentenländer wurde der schweizerische Delegierte bestätigt.

Der Generalsekretär der UNCTAD führte die Konsultationen mit den wichtigeren Kakaoexport- und Kakaoimportländern (worunter die Schweiz) Ende September in Genf weiter. Im Dezember trafen sich die Einfuhrstaaten, um ihre Haltung im Hinblick auf die bis Januar 1972 unterbrochenen Gespräche zu koordinieren. Zusammen mit ändern Befürwortern eines Kakaoabkommens setzt die Schweiz ihre Anstrengungen fort, damit die seit Jahren stets neu auftretenden Schwierigkeiten möglichst rasch überwunden werden können.

Gestützt auf den vorstehenden Bericht stellen wir den Antrag, Sie möchten von den getroffenen Massnanmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen und beschliessen, dass sie weiter in Kraft bleiben sollen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 19. Januar 1972 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Celio Der Bundeskanzler: Huber

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Anhang

Schweizerische Delegation Einleitende Bemerkungen des Chefs der schweizerischen Delegation anlässlich der Eröffnung der Verhandlungen mit den Europäischen Gemeinschaften am 3. Dezember 1971 l. Mit der heutigen Sitzung treten die Beziehungen zwischen der Schweiz und den EG in eine neue Phase. Wir messen diesem Schritt eine besondere Bedeutung bei. Die Verhandlungen, die wir jetzt aufnehmen, sollen, so hoffen wir, der Schweiz im Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften ermöglichen, am weiteren Ausbau Europas aktiv teilzunehmen.

Vor einem Jahr - am 16. Dezember 1970 - haben wir Erkundungs-Gespräche mit Ihnen aufgenommen. Wir waren uns bewusst, dass die Herstellung besonderer Beziehungen zwischen der erweiterten EG und einem neutralen Land wie der Schweiz ein neues Abkommensmodell erfordert. Ein derartiges Abkommen sollte nach der Auffassung beider Seiten die Grundlage für eine enge, den mannigfaltigen Beziehungen zwischen der Schweiz und den EG entsprechende wirtschaftliche Zusammenarbeit bilden, dies unter Wahrung unserer Politik der immerwährenden Neutralität einerseits und der Grundlagen und Integrationsmethoden der EG anderseits. Der Entschlossenheit der EG, ihre Beschlussfassungsautonomie zu erhalten und ihre zukünftige Entwicklung, einschliesslich der Verfolgung der politischen Ziele, nicht zu erschweren, entsprach das Bestreben der Schweiz, ihrerseits ihre Eigenständigkeit und die Funktionsfähigkeit ihrer besonderen staatlichen Institutionen, der direkten Demokratie und des Föderalismus, zu wahren.

Das Ziel unserer Erkundungsgespräche bestand darin, ausgehend von diesen grundsätzlichen Erwägungen, eine konstruktive, neuartige Lösung zu finden, die unseren Möglichkeiten und unserer Bereitschaft zur Zusammenarbeit entspricht.

Die zu bewältigende Aufgabe war keineswegs einfach. Um so mehr anerkennen wir die Bemühungen Ihrer Delegation, der Kommission und des Ministerrates, rechtzeitig und parallel zu den arbeitsintensiven Beitrittsverhandlungen ein geeignetes Verhandlungskonzept für die übrigen EFTA-Staaten zu finden.

Der Vorschlag, den Sie uns in den wesentlichen Zügen soeben erläutert haben, stellt einen klassischen Staatsvertrag dar, der für beide Partner gleiche Rechte und Pflichten begründet und im übrigen deren Autonomie wahrt. Die Möglichkeit einer derartigen
Regelung, die keine Kompetenzübertragung auf Gemeinschaftsinstitutionen vorsieht, zeigt, dass unsere Ausgangspositionen vereinbar sind und zu Schlussfolgerungen führen, die einer von beiden Seiten anerkannten Logik entsprechen.

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2. Dessen ungeachtet bleiben noch wesentliche Probleme zu lösen. Bevor wir uns aber den noch näher zu prüfenden Fragen zuwenden, möchte ich das Ausmass der grundsätzlichen Übereinstimmung festhalten, das bereits zu bestehen scheint : - Das Abkommen soll im wesentlichen eine industrielle Freihandelszone begründen, die beiden Parteien ihre Eigenständigkeit in der Gestaltung ihrer Wirtschaftsbeziehungen gegenüber Drittstaaten belässt. Dies ist für die Schweiz aus neutralitätspolitischen Gründen wesentlich und vermeidet das für die EG offenbar besonders schwierige Problem der Teilnahme von Nichtmitgliedstaaten an ihren handelspolitischen Entscheidungsgremien.

- Ein derartiges Abkommen, das gleichzeitig mit dem Übertritt der Beitrittskandidaten der EFTA zu den EG in Kraft treten soll, stellt die geeignetste Lösung dar, um den Wiederaufbau von Handelsschranken in Europa im Zuge der Erweiterung der EG zu vermeiden und gleichzeitig der Schweiz zu erlauben, ihren Beitrag an die europäische Zusammenarbeit zu leisten.

- Eine Freihandelszone entspricht den Regeln des GATT. Wir messen diesem Umstand besondere Bedeutung bei, weil gerade heute, angesichts der Schwierigkeiten und Unsicherheiten, denen die Welthandelsbeziehungen unterworfen sind, den Interessen der Drittstaaten in GATT-konformer Weise Rechnung getragen werden sollte.

- Der Freihandel muss gegen Handelsverlagerungen und Wettbewerbsverzerrungen abgesichert werden. Sie anerkennen, dass von einem Land, das von der Teilnahme an den Gemeinschaftsinstitutionen ausgeschlossen bleibt, nicht die Übernahme der Regeln des Römer Vertrages verlangt werden kann, sondern dass für das Verhältnis der Schweiz zu den EG besondere vertragliche Bestimmungen und Verfahren vorgesehen werden müssen. Indem sich Ihr Abkommensmodell auf Artikel 113 des Römer Vertrages stützt, müssen die das Funktionieren der Freihandelszone gewährleistenden Bestimmungen mit dem Warenverkehr in direktem Zusammenhang stehen.

- Angesichts des Unifangs der gegenseitigen Handelsströme ist, wie die Kommission schon festgestellt hat, eine industrielle Freihandelsregelung für beide Seiten interessenmässig durchwegs ausgeglichen.

- Der Umstand, dass die gemeinsame Agrarpolitik in besonders hohem Masse institutionalisiert worden ist, hat die Gemeinschaft zum Schluss geführt, dass die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse nicht in den Freihandel einbezogen werden, sondern höchstens Gegenstand spezifischer, produkteweiser Vereinbarungen bilden können. Diese Schlussfolgerung könnte gegebenenfalls Lösungen erlauben, die sich mit dem schweizerischen Bedürfnis vereinbaren lassen, den für ein neutrales Land erforderlichen autonomen Selbstversorgungsgrad sicherzustellen.

3. Wenn sich somit im handelspolitischen Bereich Ihre Vorstellungen mit den unsrigen in grundsätzlicher Hinsicht decken, muss ich anderseits daran erinnern, dass die Schweiz in ihrer Eröffnungserklärung vom 10. November 1970 die

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Gründe dargelegt hat, die für den Abschluss eines umfassenderen Abkommens sprechen. Denn die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Schweiz und den EG erschöpft sich nicht in den Handelsbeziehungen, sondern erstreckt sich auf alle wichtigen Bereiche der Wirtschaft.

Der materielle Inhalt des von Ihnen vorgeschlagenen Abkommens bleibt somit hinter demjenigen unserer Vorstellungen zurück. Wir sind uns jedoch bewusst, dass für unsere Verhandlungen nur sehr wenig Zeit zur Verfügung steht, da alle Verträge auf denselben Termin inkraftgesetzt werden müssen. Zudem haben Sie in den Erkundungsgesprächen daraufhingewiesen, dass die Arbeiten der EG auf den Gebieten der sogenannten zweiten Generation im allgemeinen noch nicht abgeschlossen sind und sich zum Teil sogar erst im Anfangsstadium befinden.

Es bestehen somit zwingende zeitliche und sachliche Gründe, uns auf ein Basisabkommen zu beschränken. Wir messen jedoch der künftigen Entwicklungsfähigkeit eines derartigen Abkommens besondere Bedeutung bei. Mit Genugtuung haben wir davon Kenntnis genommen, dass der Ministerrat eine entsprechende Entwicklungsklausel vorsieht, und wir hoffen, dass diese im Text des Vertrages unzweideutig verankert werden kann. Wir glauben, dass sich auch in dieser Frage unsere Auffassungen vereinbaren lassen. Es ist nicht unsere Absicht, uns gegenseitig durch unbestimmte Verpflichtungen zu binden. Vielmehr glauben wir, dass wir zu gegebener Zeit im Lichte der tatsächlichen Bedürfnisse dazu kommen werden, die Bereiche und Modalitäten einer weitergehenden Zusammenarbeit zu prüfen und festzulegen.

Es versteht sich hierbei von selbst, dass allfällige Zusatzvereinbarungen, soweit sie neue Rechte und Pflichten begründen, beiderseits dem ordentlichen staatsvertraglichen Genehmigungsverfahren unterstellt werden müssten.

Um so wichtiger scheint es uns jedoch, dass mit dem Abkommen eine Grundlage für einen laufenden Informationsaustausch und eine vertiefte Konsultation über Fragen von gemeinsamem Belang geschaffen wird. Dass dies im gegenseitigen Interesse liegt, hat sich anlässlich der jüngsten Krise des Weltwährungssystems bestätigt.

4. Gestützt auf diese grundsätzlichen Erwägungen hat mich der Bundesrat ermächtigt, die Verhandlungen auf der Grundlage des von Ihnen vorgeschlagenen Abkommensmodells unverzüglich aufzunehmen.
Unser Bestreben wird vordringlich darin bestehen, die Freihandelszone in einer Weise auszugestalten, die für Industrie und Handel eindeutige, klar überblickbare Verhältnisse schafft, die Handelsschranken ausnahmslos beseitigt und den freien Markt gegen Wettbewerbsverfälschungen und willkürliche Beschränkungsmassnahmen absichert.

Ferner liegt uns daran, das Verhältnis der Schweiz zu den EG - die unsere Nachbarländer, mit denen unsere Beziehungen besonders, eng und vielgestaltig sind, umfassen - durch Schaffung des Rahmens für eine entwicklungsfähige Zusammenarbeit zu regeln. Wir glauben nicht, dass hierfür ein komplizierter institu-

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tioneller Aufbau erforderlich ist. Die Aufgaben des gemeinsamen Organs müssen jedoch so weit gefasst werden, dass dieses die künftige Zusammenarbeit erleichtern und vorbereiten kann. Dies sollte, auch bei Wahrung der vollen Entscheidungsfreiheit beider Vertragsparteien, schon imheutigen Zeitpunkt möglich sein.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

84. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland und andere aussenwirtschaftliche Fragen (Vom 19. Januar 1972)

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