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Bundesblatt

Bern, den 14, April 1972

124, Jahrgang Band I

Nr. 15 Erscheint wöchentlich. Preis: Inland Fr.44.- im Jahr. Fr. 26.- im Halbjahr, Ausland Fr. 58.im Jahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr. Inseratenverwaltung : Permedia, Publicitas-Zentratdienst für Periodika, Hirschmattstrasse 36, 6002 Luzern, Tel. 041/23 66 66

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Richtlinien der Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1971-1975 (Vom 13. März 1972)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Wir haben die Ehre, Ihnen den Bericht über die Richtlinien der Regterungspolitik in der Legislaturperiode 1971-1975 zu unterbreiten.

Bundesblatt. 124.Jahr£. Bd.I

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I. Einleitung

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Rechtliche und politische Tragweite der Richtlinien

Anlässlich der erstmaligen Unterbreitung der Richtlinien im Jahre 1968 (BB1 1968 I 1204) haben wir die Bedeutung, die ihnen der Bundesrat geben möchte, und die rechtliche Natur, die ihnen zukommt, ausführlich umschrieben. Diese Ausführungen behalten auch heute noch ihre volle Gültigkeit. Es gilt indessen, im Lichte der Diskussionen der letzten Jahre, kurz einige grundsätzliche Fragen betreffend Struktur und Wesen der schweizerischen Richtlinien der Regierungspolitik klarzustellen und deren Möglichkeiten und Grenzen im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Gewichtsverteilung und politischen Gegebenheiten abzustecken.

Die Richtlinien der Regierungspolitik sind nicht ein Regierungsprogramm im klassischen parlamentarischen Sinn. Dieses kommt nämlich über Absprachen mit der Regierungspartei oder jenen Parteien zustande, die die Mehrheit im Parlament besitzen und bindet die Partner. Einem solchen Vorhaben steht die Struktur unseres Regierungsystems entgegen, das weder eine eigentliche Regierungsbildung noch eine Koalitionsregierung aus Auftrag, geschweige denn einen Premier kennt, der die Richtlinien der Politik bestimmt. Aufgrund des Kollegialprinzips und des Grundsatzes der Wahl auf eine feste Amtsdauer gibt es in unserem politischen System auch keine Möglichkeit, die Regierung oder einzelne ihrer Mitglieder durch Tadelsmotion oder Misstrauensvotum abzuberufen. Es entspricht daher den besonderen verfassungsrechtlichen Gegebenheiten der Schweiz, dass der Bundesrat als leitende Behörde der Eidgenossenschaft (Art. 95 und 102 BV) und nicht die Bundesversammlung die Richtlinien der Regierungspolitik festlegt.

Unsere Richtlinien stellen demnach einen einseitigen planenden Regierungsakt mit beschränkter Durchsetzbarkeit dar.

In unserer Referendumsdemokratie, in der neben und über der Exekutive und Legislative die letzte Entscheidungsbefugnis bei Volk und Ständen liegt, kann die vom Bundesrat geplante Regierungspolitik ohne die Zustimmung der verfassungsmässigen Kompetenzträger auf weite Strecken nicht durchgesetzt werden.

Volk, Stände und Bundesversammlung können überdies mit Initiativen, Motionen und Postulaten die vom Bundesrat konzipierte Regierungspolitik im

1027 Einzelfall beeinflussen. Das bedeutet Mitverantwortung der Bundesversammlung und des Volkes für die Regierungspolitik und beinhaltet die Verpflichtung aller Gewalten zu einem ständigen Dialog.

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Thema der Richtlinien

Der vorliegende Bericht versucht eine Gesamtschau einer entwicklungsfähigen Staatspolitik mit deutlicher Akzentsetzung zu geben. Die Beschränkung auf das Wesentliche kennzeichnet eine zielstrebige, dem Grundsätzlichen wie namentlich den grossen Zusammenhängen verpflichtete Regierungspolitik. Um eine Anhäufung von Einzelfragen zu verhindern, haben wir uns bei der Auswahl der Themen auf jene Bereiche konzentriert, in denen in den nächsten vier Jahren eine besondere Anstrengung und politische Leistung notwendig ist. Zu diesen gehören neue Aufgaben, bei denen eine Konzeption zu erarbeiten und rechtsverbindlich zu beschliessen ist, um sie zeitgerecht bewältigen zu können.

Ferner sind jene Aufgaben aufzuführen, bei denen sich Erlasse auf Verfassungsoder Gesetzesstufe aufdrängen, die in den nächsten Jahren Stimmberechtigte, Bundesversammlung und Bundesrat vornehmlich beschäftigen werden. Eine weitere Gruppe bilden jene Anliegen, die sich erst am politischen Horizont abzeichnen und die vorerst einer vertieften Prüfung und Abklärung bedürfen. Der Bundesrat möchte mit der Erwähnung dieser Fragen zum Ausdruck bringen, dass er die längerfristig sich stellenden oder im Planungsstadium befindlichen Probleme sieht, indessen noch keine ausgereiften Vorschläge zu deren Lösung präsentieren kann. Bei den traditionellen Aufgaben stehen jene im Vordergrund, die in der kommenden Legislatur eine neue Ausrichtung und Orientierung der bisher geführten Politik erfordern.

Der Bundesrat kann und will mit diesem Bericht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und alle Erwartungen erfüllen. Er war weniger bestrebt, umfassend zu sein und nichts auszulassen, als vielmehr die Beurteilung der Hauptprobleme der Nation in der unmittelbaren Zukunft darzulegen und Wege und Richtungen zu ihrer Bewältigung aufzuzeigen. So betrachten wir es auch nicht als Aufgabe unserer Richtlinien, sondern der jeweiligen Botschaften, die angekündigten gesetzgeberischen Vorlagen zu konkretisieren.

Eine neue, vom departementalen System losgelöste Gliederung soll dazu beitragen, die Probleme in ihrem Zusammenhang zu sehen und Prioritäten deutlicher herauszustellen.

Es liegt in der Natur jeder Planung, dass sie von nicht voraussehbaren Ereignissen durchkreuzt wird und dass Sachzwänge abweichende Entschlüsse verlangen. Für den Bundesrat, der gewillt ist, sich für die Verwirklichung der hier niedergelegten Absichten einzusetzen, ergibt sich daraus der Vorbehalt,

1028 einzelne Probleme anders zu lösen oder jetzt als dringlich betrachtete bei veränderten Gegebenheiten zugunsten neuer Aufgaben zurückzustellen.

u. Ausgangspunkt für den Aufgabenkatalog 3 Übersicht über die längerfristigen Entwicklungstendenzen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft Wie schon im Jahre 1968 sieht der Bundesrat auch jetzt keinen Anlass, den sicheren Boden der Sachfragen zu verlassen und sich zu einem Höhenflug in die Sphären utopischer Zukunftsvisionen oder ideologischer Spekulationen emporzuschwingen. Das bedeutet indessen nicht, dass der Bundesrat von den gesellschaftlichen und geistigen Vorgängen in unserem Land keine Notiz nimmt. Auch wäre es nicht zu verantworten, die Erkenntnisse der Wissenschaft, die sich bemüht, wahrscheinliche Entwicklungsmöglichkeiten in fernerer Zukunft aufzuzeigen, für die Festlegung der Politik nicht dienstbar zu machen.

Die Zukunft als solche lässt sich zwar auf keinem Gebiet voraussehen, und die Politik hat sich oft auf überraschend eingetretene Entwicklungen einzustellen. Dies entbindet indessen die Träger politischer und namentlich wirtschaftspolitischer Entscheidungen nicht von der Verpflichtung, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Alle politischen Entscheidungen sind nämlich zukunftsbezogen: sie erfolgen im Bestreben, Ziele zu erreichen, die in der Zukunft liegen.

Zu diesem Zweck haben wir, veranlasst durch eine von den eidgenössischen Räten angenommene Motion, im Jahre 1968 den Auftrag erteilt, eine alle relevanten Aspekte des wirtschaftlichen Lebens umfassende Perspektivstudie der Schweiz bis zum Jahre 2000 zu verfassen. Davon ausgehend sind die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Idealziele zu fixieren, aus ihnen Leitbilder für die Politik abzuleiten und unter dem Gesichtspunkt des kurz- und langfristig Möglichen Prioritäten für die Politik des Bundes festzulegen. Diese Entscheide können nicht mehr Aufgabe der Wissenschaft sein; sie obliegen der Politik. Obwohl die Studie als Ganzes infolge eingetretener Verzögerungen noch nicht abgeschlossen ist *> und aus Zeitnot auch noch nicht umfassend ausgewertet werden konnte, schien es uns zweckmässig, die vorliegenden Teilberichte in einem ersten Durchgang für die Richtlinien der Regierungspolitik auszuwerten. Wir sind uns bewusst, dass es sich dabei um einen ersten Versuch einer Gesamtschau handelt, der im Rahmen der Arbeiten zur Verwirklichung der Motion noch vertieft werden muss; erst die nächsten Richtlinien werden sich auf die abgeschlossene und durch eine möglichst breite Diskussion, insbe11

Erschienen sind bisher die Berichte I (Bevölkerung und Erwerbstätigkeit), II (Gesamtwirtschaftliche Entwicklung), III (Branchenmässige Entwicklungsperspektiven, Bände l und 2, Entwicklungsperspektiven der schweizerischen Landwirtschaft) und IV (Perspektiven des schweizerischen Bildungswesens).

1029 sondere auch in wissenschaftlichen Kreisen, erhärtete bzw. ergänzte Studie stützen können.

Die Pflicht zum Mitdenken und Mithandeln an gemeinsamen Anliegen der Zukunft legt uns nahe, im folgenden eine geraffte Übersicht über die wichtigsten Entwicklungstendenzen zu geben, welche aller Voraussicht nach in Zukunft unseren Staat und unsere Gesellschaft prägen werden.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Richtlinien nur einen Zeitraum von vier Jahren umfassen, während die nachstehend genannten Entwicklungslinien sich auf einen bedeutend längeren Zeitraum beziehen. Unsere Richtlinien stehen somit wohl vor dem Hintergrund der langfristigen Trends, diese reichen aber weit über die kurze Zeitspanne einer Legislatur hinaus und haben daher kurzfristig nur einen beschränkten Aussagewert.

Wir halten uns im folgenden an die erwähnte Perspektivstudie, ohne uns damit auf der ganzen Linie zu identifizieren oder gar eine verbindliche Wertung unsererseits vorzunehmen. Insbesondere ist festzuhalten, dass es auch nach der Perspektivstudie nicht um eine Voraussage der Zukunft geht, sondern um die Verdeutlichung von Problemen, die zu ihrer Lösung schon heute politische Entscheidungen verlangen. Als beherrschende, weltweite Entwicklungstrends seien hier erwähnt : - Andauern der weltwirtschaftlichen Expansion - Beschleunigung des technischen Fortschritts - Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern - erhöhte Labilität des weltpolitischen Systems - Erhöhung des gesellschaftlichen Strukturwandels - wachsende Diskrepanz zwischen den entwickelten Industrienationen und den Ländern der «Dritten Welt» - Vertiefung der Kulturlücke.

Unter den Trends, welche die Schweiz im besonderen betreffen, seien hier aus der Studie herausgegriffen : 31 Das Arbeitsmarktproblem

Bei weitgehend unveränderter Arbeitsmarktpolitik ist mit einem chronischen und sich noch weiter verschärfenden Mangel an Arbeitskräften, vor allem an Fachkräften, zu rechnen.

Daraus lassen sich folgende weitere Tendenzen ableiten : Eine Verschärfung der lohn- und kostenbedingten Inflation, In einem Zustand chronischen Mangels an Arbeitskräften werden die Löhne naturgemäss die Tendenz haben, über das Mass der Produktivitätssteigerung hinauszuwachsen - was eine entsprechende inflatorische Wirkung zur Folge hat. Eine Verschärfung des Konkurrenzkampfes, nicht nur innerhalb der Branchen, sondern auch zwischen ihnen.

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32 Das Kapitalmarktproblem

Bei weitgehend unveränderter Geld- und Kreditpolitik ist langfristig mit einer zunehmenden Verknappung auf dem Kapitalmarkt mit allen damit verbundenen Nebenerscheinungen, vor allem mit einem weiteren Zinsauftrieb zu rechnen, 33 Das Inflationsproblem

Werden die Arbeitsmarkt- und Kapitalmarktprobleme nicht mit Blick auf die Erfordernisse einer langfristigen Wachstumspolitik einigermassen unter Kontrolle gebracht, so dürfte sich der Inflationsdruck tendenziell verstärken.

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Entwicklung der Wohnbevölkerung

Die mutmassliche Wohnbevölkerung der Schweiz dürfte nach wissenschaftlichen Schätzungen im Jahre 2000 über 7,5 Millionen Menschen zählen.

Der aussergewöhnliche Anstieg der gesamten Wohnbevölkerung zwischen 1950 und 1965 wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr in gleichem Masse fortsetzen. In der Altersstruktur der Bevölkerung werden sich beträchtliche Verschiebungen ergeben; vorab ist eine Tendenz zur fortschreitenden Alterung der schweizerischen Bevölkerung festzustellen. Die Zuwachsrate der weiblichen Wohnbevölkerung wird in Zukunft diejenige der männlichen wesentlich überschreiten.

In der Struktur der ausländischen Wohnbevölkerung sowie der ausländischen Erwerbstätigen wird eine grundlegende Umschichtung eintreten: die Zahl der Niedergelassenen steigt beträchtlich an, die Zahl der Aufenthalter nimmt ab.

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Der allgemeine Trend zum Strukturwandel und das Problem der Anpassung

Die Wandlungen der Wirtschaftsstruktur entstehen dadurch, dass sich die einzelnen Teilbereiche der Volkswirtschaft nicht gleichmässig entwickeln, so dass sich ihr Gewicht innerhalb des Ganzen verschiebt. Es ist anzunehmen, dass sich der Strukturwandel auf Grund des weiteren Wachstums unserer Volkswirtschaft fortsetzen wird. Mit ihm wird eine Wanderbewegung der Arbeitnehmerschaft vom primären und sekundären Sektor weg zum Dienstleistungsbereich, von den traditionellen Industrien und Gewerben zu den Wachstums- oder Zukunftsindustrien, von den Klein- und Mittel- zu den Grossbetrieben parallel laufen. Damit stellt sich das Problem der Anpassung an die sich in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens grundlegend ändernden Bedingungen.

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Tendenz zur Verstärkung des bestehenden räumlichen Ungleichgewichts

Ohne eine aktive Entwicklungs- und Raumordnungspolitik werden die Städte in Zukunft noch eine stärkere Anziehungskraft aufweisen und zu eigentlichen Ballungszentren auswachsen, während gleichzeitig weite Landesgebiete - 6/6 der schweizerischen Gemeinden - entvölkert werden.

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Der drohende Engpass in unserem Bildungssystem

Ein wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Fortschritt lässt sich nur mit einer Aufstockung des vorhandenen Wissens- und Fähigkeitskapitals durch vermehrte und bessere Ausbildung erreichen. Bei der Schätzung des künftigen Bedarfes an Ausgebildeten kommen die Perspektivstudien zum Schluss, dass ein grosser Nachholbedarf an qualifizierten Arbeitskräften aller Stufen besteht.

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Übersicht über die besondern Spannungsverhältnisse bzw.

Ungleichgewichtslagen

Der enorme wirtschaftliche Aufschwung der letzten beiden Jahrzehnte hat unserem Land nicht nur Gewinne eingebracht, sondern auch schwere Lasten auferlegt und einen beträchtlichen Rückstau der öffentlichen Aufgaben bewirkt. Die Entwicklung der Gegenwart ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geschwindigkeit des Wachstums der Bevölkerung und des industriellen Ausstosses gesellschaftliche Ungleichgewichte herausgebildet haben. Diese zeigen sich vom räumlichen Gesichtspunkt aus sowohl auf Weltebene zwischen den entwickelten Industrienationen und den Entwicklungsländern, als auch auf nationaler Ebene im Entwicklungsgefälle zwischen den Ballungszentren und den Landgebieten. Sie zeigen sich vom sozialen Gesichtspunkt her innerhalb der einzelnen nationalen Gemeinschaften, aber auch weltweit im grosser werdenden Abstand zwischen gesellschaftlichem Mittelfeld und Sozialschichten, die entweder im Zuge der rasanten technisch-wirtschaftlichen Entwicklung grösseren Risiken ausgesetzt sind oder von dieser überrollt werden. Dazu gehören insbesondere Teile der Arbeitnehmerschaft, der Bauernsame und des Kleinund Mittelgewerbes, aber ebenso die breite und ständig wachsende Kategorie der Betagten.

So werden die für die siebziger Jahre im Rahmen des wirtschaftlichen Strukturwandels zu erwartenden Betriebsstillegungen und Fusionen von mancherlei Härten für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gemeinwesen begleitet sein.

Der Bevölkerungsschwund in den Land- und Berggegenden lässt nicht nur die Gefahr einer Verödung des ländlichen Raumes, der weitgehend Erholungsraum ist, infolge fehlender Bodennutzung befürchten; er bildet auch staatspolitisch ein Problem und berührt die wirtschaftlichen Grundlagen des Förderalismus. Andererseits fordert die räumliche Konzentration in den Ballungszentren, die mit Vermassung, beängstigender Zunahme von Immissionen und ge-

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waltig anwachsenden Kosten für die Bewältigung der Verkehrs- und Infrastrukturprobleme verbunden ist, einen immer grösseren sozialen, politischen und wirtschaftlichen Preis. Die Fragen, die durch das überproportionale Wachstum der Altersklassen über 65 Jahren aufgeworfen werden, sind heute noch kaum zu übersehen.

Eine letzte Tendenz, welche die gesellschaftliche Entwicklung der Gegenwart kennzeichnet, kann mit dem Ausdruck «Kulturlücke» umschrieben werden. Wir meinen damit die Schwierigkeit vieler Menschen, sich der ungeahnten Beschleunigung im technisch-wissenschaftlichen Bereich geistig anzupassen, ihre Funktionen in der sich rasch wandelnden und unübersichtlichen Welt zu verstehen. Die Folge dieses kulturellen Nachtankens sind Zukunftsangst, gefühlsmässige Distanz oder Ablehnung der modernen Industriegesellschaft wie auch ein Gefühl der Sinnlosigkeit unseres oft nur an materiellen Zielen orientierten Handelns.

In Zukunft wird es darum gehen, den Menschen und seinen Kulturbedarf wieder vermehrt ins Blickfeld zu rücken und ihn in die Lage zu versetzen, die rasante Entwicklung der Industriegesellschaft geistig zu bewältigen. Ferner gilt es, das Wachstum von Bevölkerung und Industrieproduktion durch normative Massnahmen in ein Gleichgewicht zu bringen und dafür zu sorgen, dass sich die gestörten Verhältnisse nicht zum Schaden der allgemeinen Wohlfahrt des Landes auswirken. Wir stehen am Übergang einer vorwiegend auf quantitatives Wachstum ausgerichteten Periode zu einem Zeitabschnitt, in welchem humanitäre und qualitative Aspekte des Lebens den Vorrang erhalten müssen.

Nach der geltenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen gehört es nach wie vor zu den vornehmsten Obliegenheiten der Kantone, den kulturellen Sektor besonders aktiv zu betreuen. Gerade im Hinblick auf die oben erwähnte «Kulturlücke», aber auch im Blick auf die zunehmende Freizeit, kommt der Aufgabe der Kulturpflege ein grosses Gewicht zu.

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Wachsende Gestaltungsaufgabe des Staates

51 Zunehmende Anforderungen an den Staat als Folge der Entwicklung von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft In den letzten Jahren breiteten sich, trotz steigendem Lebensstandard, mehr und mehr Zweifel an unserer modernen Leistungs- und Konsumgesellschaft aus. Ausgangspunkt der Kritik war ein durch die rasche und ungestörte Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg geförderter, auf die reine Wohlstandsvermefonmg ausgerichteter Materialismus, dessen Kehrseiten, die Umweltsbeeinträchtigung, das Schwinden des Gemeinsinnes, die Gefährdungen des Lebens, lange nicht in ihrer vollen Tragweite erkannt wurden. Aber auch die wachsenden Inflationsschübe mit ihren bedenklichen Nebenwirkungen auf dem Boden- und Wohnungsmarkt und die in unserem Land bis vor kurzem

1033 angestiegenen Fremdarbeiterzahlen trugen dazu bei, dass die Frage nach dem Sinn des wirtschaftlichen Wachstums immer mehr gestellt wurde. Heute sind weite Kreise geneigt, das beschleunigte wirtschaftliche Wachstum als Quelle allen Übels zu betrachten.

Wohlstand und Wirtschaftlichkeit bedingen sich aber gegenseitig Wir stehen also vor gegensätzlichen Forderungen. Einerseits soll sich unsere Gesellschaft nicht weiter in Richtung einer ausschliesslich leistungsorientierten Gesellschaft entwickeln, wenn man Störungen des gesellschaftlichen Lebens und der Umwelt vermeiden will. Andererseits muss die gesamtwirtschaftliche Produktivität noch gesteigert werden, wenn die Hebung der Lebenshaltung, der Umweltschutz, die Verbesserung des Bildungsstandes der Bevölkerung, die Verkehrssanierung, der Ausbau der sozialen Sicherheit usw.

möglich werden sollen.

Mit dem Fortschreiten der industriell-technischen Entwicklung nehmen die Gefährdungen des Einzelnen und der Gemeinschaft ständig zu. Geht diese Expansion unkontrolliert weiter, so werden die Folgen unübersehbar sein. Der Staat muss deshalb der technischen und wirtschaftlichen Expansion im Allgemeininteresse notwendige Schranken setzen. Es gilt, das wirtschaftliche Wachstum auf das menschliche Mass und die allgemeine Wohlfahrt auszurichten, denn an der Funktionsfähigkeit der Industriegesellschaft hängt die Wohlfahrt aller.

Das wachsende Gefühl der Unsicherheit hat zur Folge, dass die Rückversicherung immer mehr beim Staat gesucht und die Gesamtverantwortlichkeit des Staates für die Wohlfahrt immer mehr in den Vordergrund gerückt wird.

Der Wettlauf um den Sozialstaat, der von manchen als gigantisches Dienstleistungsunternehmen verstanden wird, zeigt sich u. a. in der Flut der eingereichten oder angekündigten Volksbegehren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass zunehmender Staatseinfluss stets einen Verlust der persönlichen Freiheit und Selbstverantwortung mit sich bringt. Es wäre von Vorteil, wenn neben dem Sinn für materiellen Wohlstand, an dem es in den letzten Jahren nicht gefehlt hat, der Sinn für Freiheit und individuelle Verantwortung wieder etwas mehr zum Zuge käme.

Das Gemeinwesen hat indessen lediglich die Voraussetzungen für ein befriedigendes Funktionieren unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu schaffen und einen sinnvollen
Ausgleich zwischen den Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen und der Wohlfahrt der Allgemeinheit anzustreben. Dazu gehören insbesondere die Befriedigung menschlicher Elementarbedürfnisse und die Beteiligung möglichst breiter Schichten an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung.

Darüber hinaus kommt aber auch in Zukunft dem Ausbau des Rechtsstaates zentrale Bedeutung zu. Leitbild unserer Rechtspolitik ist ein leistungsfähiger sozialer Rechtsstaat. Wir betrachten die Achtung von Recht und Gesetz als die unabdingbare Voraussetzung des Zusammenlebens. Allein der

1034 Rechtsstaat gewährleistet die demokratische Ordnung, die persönlichen Freiheitsrechte und die Evolution zu einer besseren, modernen Schweiz des menschlichen Masses.

Wir wollen nicht bloss Bestehendes verwalten, sondern die staatlichen Leistungen zeitgemäss ausbauen und den Staat weiterentwickeln.

52 Zunehmende Interdependenz aller Probleme Angesichts der Verflechtung aller Strukturen sind die sachgerechten Lösungen staatlicher Aufgaben immer mehr von interdisziplinären Betrachtungsweisen und Methoden abhängig. Das hat zur Folge, dass die Bewältigung vieler Aufgaben auf einer Ebene in Angriff genommen werden muss, die über eine Gesamtschau verfügt. So können z. B. der Wohnungsbau, der Umweltschutz oder die Verkehrsplanung nicht mehr isoliert betrachtet werden: sie sind vielmehr als Teilbereich und Einflusselement der gesamten Raumordnung zu verstehen, die im Grundsatz auf Bundesebene zu erarbeiten ist. Eine frühzeitige und wirksame Koordination zwischen Bund und Kantonen sowie eine vorausschauende Planung erweist sich im pluralistischen Staat unerlässlich, um den Ausgleich unter den Sozialgruppen herzustellen.

53 Ungenügende Deckung des Kollektivbedarfes Bei allen Forderungen, die an das Gemeinwesen herangetragen werden, sollte man sich vergegenwärtigen, dass man vom Staate nie etwas verlangen und empfangen kann, ohne den Preis dafür zu entrichten. Die von allen Seiten postulierte Humanisierung der Lebensbedingungen erheischt einen gewaltigen Finanzbedarf, dessen Deckung heute noch nicht sichergestellt ist. Dem Ruf nach staatlicher Intervention entspricht nicht immer die Bereitschaft, dem Staat auch die Mittel zu geben, um die ihm übertragene Verantwortung wahrzunehmen. Die bestehende Ordnung neigt dazu, ein Ungleichgewicht zwischen Individualgütern und Kollektivgütern zu schaffen.

Auch bei den Aufgaben, vor die sich der Bund gestellt sieht, und die wir angesichts ihrer Bedeutung für eine gedeihliche Entwicklung des Landes während der laufenden Legislaturperiode entweder erweitern oder neu in Angriff nehmen möchten, stehen wir diesen Schwierigkeiten gegenüber. Für sich betrachtet, sind zwar alle Anliegen dringend. Schon jetzt ist jedoch erkennbar, dass es Während der verhältnismässig kurzen Zeitspanne einer Legislaturperiode nicht möglich sein wird, alles gleichzeitig und dazu noch in
maximalem Ausmass zu verwirklichen. Wie aus den Darlegungen in Kapitel IV hervorgeht, wird nicht nur bei der Inangriffnahme neuer und Ausführung bestehender Aufgaben auf diese Grenze der Realisierungsmöglichkeit Bedacht genommen, sondern auch für die Beschaffung zusätzlicher Einnahmen gesorgt werden müssen.

1035 III. Das Richtlinienprogramm 6

Die Schweiz in der Staatenwelt

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Konzeption unserer Aussenpolitik

Unsere Aussenpolitik hat zweierlei grundlegende Gegebenheiten zur Voraussetzung: die inneren, die unser Land selber bestimmt, und die äusseren, welche die internationale Umwelt ausmachen. Wenn die Schweiz fast immer auf äussere Ereignisse reagieren muss, so bedeutet dies nicht, dass sie nie selbständig handeln kann : Unsere Institutionen sind stabil, unsere wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen solid, unsere Handlungen frei von Bündnisverpflichtungen; die Schweiz ist also trotz ihrer Kleinheit in der Lage, eine internationale Rolle zu erfüllen.

Immerhin muss sich unser Land der Grenzen bewusst sein, die ihm auferlegt sind. Sein aussenpolitisches Programm ist weniger ein eigentlicher Aktionsplan als eine Festlegung von Zielsetzungen und eine Darlegung der Mittel, die zur Verfügung stehen. Für die Schweiz geht es nicht darum, die internationalen Beziehungen zu verändern ; sie hat ihnen aber Rechnung zu tragen, ohne dabei den Sinn ihres Daseins zu verlieren, der darin besteht, die Rechte und Interessen seiner Bürger zu wahren und die gemeinsame Wohlfahrt zu fördern.

Zu den Hauptzielen unseres Staates (Art. 2 BV) gehört die Sicherung der demokratischen Freiheiten. Daraus ist unser wichtigster aussenpolitischer Auftrag abzuleiten: die Aufrechterhaltung unserer Unabhängigkeit, die allein diese Freiheiten gewährleistet. Zwei Mittel stehen uns dazu zur Verfügung: Erstens der Wille der Nation diesen Zielen treu zu bleiben, ihre Fähigkeit, ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen und sich zu verteidigen. Dabei ist die Aussenpolitik eines kleinen Staates der Spiegel seines inneren Zustandes und leitet sich von seiner allgemeinen Politik ab.

An zweiter Stelle kommen die Grundsätze, welche die Schweiz zur Verwirklichung ihrer Ziele befolgt, nämlich die immerwährende bewaffnete Neutralität, die durch die Solidarität ergänzt wird und die Universalität zur Folge hat.

Die Doktrin, welche von dieser Aufzählung abgeleitet werden kann, lässt sich wie folgt kurz zusammenfassen : Erhaltung der Unabhängigkeit durch eine kohärente Neutralitätspolitik. Letztere wäre leicht anzuwenden, wenn es der Zustand der heutigen internationalen Verhältnisse einem Lande ermöglichen würde, seine Existenz und Entwicklung selbst zu sichern, wenn es von der Umwelt abgekapselt leben könnte.

Solches ist
jedoch nicht der Fall. Die Interdependenz auf allen Gebieten ist eine Tatsache unserer Zeit, deren Auswirkungen ein kleines industrialisiertes Land, das keine Rohstoffe besitzt und das von dynamischen, aktiven Staa-

1036 ten umgeben ist, besonders zu spüren bekommt. Die Unabhängigkeit hat daher nicht mehr den gleichen Sinn, der ihr früher zukam. Sie ist untrennbar mit der Zusammenarbeit verbunden und kann nur durch einen ausgewogenen Austausch von Leistungen aufrechterhalten werden, indem wir Dritten ebenso nützlich sind wie es diese für uns sind. Sollten wir diese Fähigkeit verlieren, würden wir Mühe haben, unerwünschten ausländischen Einflüssen zu begegnen. Die Schweiz kann sich der Einordnung in die immer stärker zusammenwachsende Völkergemeinschaft nicht entziehen und muss sich auch Normen unterstellen, die internationale Geltung haben. Der internationale Wert einer Nation wird heute nach ihrer Bereitschaft beurteilt, bei der Lösung gemeinsamer Probleme konstruktiv mitzuwirken und die nationale Stellungnahme dem Gesamtinteresse unterzuordnen.

Die immerwährende Neutralität, die seit 1815 Richtlinie, aber nicht Selbstzweck der schweizerischen Aussenpolitik gewesen ist, hat ihren Wert auch heute keineswegs eingebüsst.

Sie erleichtert nach wie vor Beziehungen und Austausch, weil sie politische Hindernisse in den internationalen Kontakten ausschliesst. Sie ermöglicht den Regierungen, die sie befolgen, eine grössere Aufgeschlossenheit gegenüber der Welt, und dies nicht nur gegenüber den Nachbarn, sondern auch im Verhältnis zu allen anderen Staaten. Diese Öffnung nach aussen kennt kaum eine Einschränkung auf den Gebieten der Wirtschaft und der Kultur; sie ist begrenzt im politischen Bereiche, wo sie keinerlei ausschliessUche und privilegierte Beziehungen zu bestimmten Mächten erlaubt, und sie ist nicht vorhanden im militärischen Sektor, wo einzig gewisse Übereinkünfte mit anderen neutralen Staaten denkbar sind.

Im Laufe der nächsten vier Jahre wird die Schweiz in drei verschiedenen Richtungen eine Öffnung ins Auge fassen müssen : gegenüber Europa, gegenüber den Vereinten Nationen sowie gegenüber der Dritten Welt. Es ist möglich, dass unser Volk zu sämtlichen drei Fällen wird Stellung beziehen müssen.

62 Europäische Integration Die Ende 1971 mit der EG-Kommission aufgenommenen Verhandlungen dürften demnächst zum Abschluss eines Freihandelsabkomrnens mit der erweiterten Gemeinschaft führen. Praktisch gleichlautende Abkommen werden voraussichtlich auch mit den übrigen nicht beitrittswilligen EFTA-Staaten
vereinbart werden.

Dieses Abkommen wird wirtschaftlicher Natur sein. Es wird nicht den Beitritt der Schweiz zur Gemeinschaft zur Folge haben, die Neutralität in keiner Weise beeinträchtigen und weder die föderalistische Struktur unseres Staates noch die direkte Demokratie einschränken. Aber es wird einen starken Einfluss auf die Orientierung unserer Wirtschaft ausüben, da der grosse, zollfreie europäische Markt, der dadurch geschaffen wird, unserer Produktion neue

1037 Perspektiven eröffnet, wie auch der Wettbewerb bei uns eine Verschärfung erfahren wird, die sich indessen ebenfalls zum Wohle unserer Volkswirtschaft auswirken sollte.

Trotz Kündigungsklausel ist ein Vertrag von dieser Bedeutung dazu bestimmt, das Verhältnis der Schweiz zu den Europäischen Gemeinschaften auf dauerhafte Weise zu regeln. Der Bundesrat gedenkt daher, den eidgenössischen Räten zu beantragen, ihn dem Referendum zu unterstellen. Er wird seinen Entscheid jedoch erst treffen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen vorliegt.

Eine Volksabstimmung setzt eine umfassende Orientierung voraus, denn auf dem Volk wird eine grosse Verantwortung lasten.

Die Gestaltung der Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften wird auch nach dem Abschluss des Freihandelsabkommens zu den wichtigsten Aufgaben der schweizerischen Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik gehören.

Die Schweiz wird ihre Stellung in einem sich politisch und wirtschaftlich neu strukturierenden Europa zu bestimmen haben. Vieles wird dabei von der künftigen Entwicklung innerhalb der Gemeinschaften abhängen, insbesondere davon, ob die Erweiterung des Kreises der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu einer Vertiefung und Belebung des Integrationsprozesses führt und ob es gelingen wird, in der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion konkrete Fortschritte zu erzielen.1) Vorerst wird es indessen darum gehen, das Freihandelsabkommen auszuhandeln, zu unterzeichnen, zu ratifizieren und für seine reibungslose Abwicklung zu sorgen. Dies wird sowohl für die Wirtschaft wie für die Behörden ein anspruchsvolles Unterfangen sein.

Was den allfälligen Abschluss weiterer Vereinbarungen zur Ausdehnung der Zusammenarbeit auf zusätzliche Bereiche anbelangt, so wird zu gegebener Zeit von den praktischen Bedürfnissen und Interessen beider Seiten auszugehen sein.

Die Erfordernisse der Entwicklung der modernen Wirtschaft und die enge Verflechtung der Schweiz mit ihrer europäischen Umwelt werden hiefür massgebend sein. Selbstverständlich würden auch künftige Abmachungen mit den Gemeinschaften dem ihrem Inhalt entsprechenden Genehmigungsverfahren unterstellt.

Die Beziehungen zu den übrigen nicht beitrittswilligen Staaten werden im Rahmen der sogenannten Rest-EFTA weiter zu entwickeln sein. Ferner messen wir dem Europarat grosse Bedeutung bei, und zwar
sowohl wegen seiner spezifischen Tätigkeiten als auch wegen seiner Funktion als Ort der Begegnung zwischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern der EG-Staaten einerseits und der übrigen Mitgliederstaaten des Europarats anderseits. Wir beabsichtigen demnächst, die europäische Konvention über den Schutz der Menschenrechte zu unterzeichnen.

"·> Zu den finanziellen Auswirkungen des Abkommens mit der EWG äussern wir uns hinten im Kapitel IV.

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Die Schweiz und die Entwicklung der internationalen Beziehungen *>

Die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften wirkt sich naturgemäss auf das Verhältnis Europas zur übrigen Welt aus. Die Herstellung eines neuen Gleichgewichts, insbesondere zu den USA, wird eine vordringliche Aufgabe darstellen. Die Schweiz hat diesen Zusammenhängen Rechnung zu tragen. Die Wahrung der traditionellen Universalität ihrer Beziehungen erfordert deshalb, dass gleichzeitig mit der Festigung ihres Verhältnisses zu Europa auch die Verbindungen zur übrigen Welt gepflegt und gefördert werden. Die Bereinigung der Weltwährungs- und Welthandelsprobleme wird neue internationale Verhandlungen erfordern, die wir begrüssen und bei denen ein neutrales Land kraft seiner Eigenständigkeit einen konstruktiven Beitrag leisten kann. Daher ist es wichtig, dass die Natur der Vereinbarungen der Schweiz mit den EG es der Schweiz erlaubt, bei der Gestaltung ihrer Beziehungen zum Rest der Welt weiterhin als unabhängiger Partner aufzutreten. Die internationalen Beziehungen haben ihren bipolaren Charakter verloren, der sie zwanzig Jahre lang geprägt hat. Die Entscheidungszentren haben sich vervielfacht, und daraus hat sich für die Kleinstaaten ein grösserer Spielraum ergeben. Es ist nunmehr nicht ausgeschlossen, dass die Neutralen in internationalen Zusammenkünften eine nützliche Rolle werden spielen können, weil sie zum Ausgleich fähig sind und weil sie ein stabilisierendes Element darstellen.

Ferner besteht heute zwischen der westlichen und der kommunistischen Welt ein Wille zugunsten von Gespräch und Verhandlungen; dies hat zum Projekt einer Sicherheitskonferenz und zum Vorschlag einer Truppenverminderung geführt. In dieser Hinsicht auferlegt uns die schweizerische Neutralität gewisse Grenzen. Sie würde es uns z. B. nicht gestatten, uns in eine Diskussion einzulassen, welche den Abbau der Streitkräfte der beiden gegnerischen Bündnisse in Europa zum Thema hätte. Sie hindert uns hingegen nicht, mit unseren Bemühungen zugunsten einer Annäherung an die EWG auch unseren Beitrag für die Stärkung des Friedens und der Zusammenarbeit in ganz Europa zu leisten. Wenn die Sicherheitskonferenz, an der die mittleren und kleineren Staaten die Mehrheit bilden würden, Zustandekommen sollte, so wird es Sache der neutralen Schweiz sein, sich für den Vorrang des Rechts und zugunsten internationaler Rechtsnormen einzusetzen,
die dazu beitragen können, die friedlichen Beziehungen zwischen den europäischen Mächten zu gewährleisten. Auf diese Weise könnten wir am Versuch zur Verminderung der auf unserem Kontinent bestehenden Spannungen mitwirken.

Im selben Geiste müssen wir an die Probleme herantreten, welche die weltweite Abrüstung stellt. Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin, immer dann, wenn es uns geboten scheint, unseren Standpunkt zur Geltung zu bringen, und dies sowohl im eigenen Interesse wie im Interesse der Abrüstung selbst. Dies können wir entweder durch unsere Teilnahme an Verhandlungen, 1

> Die Welthandelsbeziehungen kommen wegen ihres engen Zusammenhanges mit den Zielen der Binnenwirtschaftspolitik im Abschnitt 76 (vgl. 764) zur Sprache.

1039 sofern uns dazu die Gelegenheit geboten wird, oder durch das Überreichen von Memoranda und Aide-Mémoire erreichen. Wir werden ferner bald zu einem Vertrag über ein vollständiges Verbot der biologischen Waffen Stellung zu nehmen haben und schenken den Verhandlungen über ein analoges Verbot der chemischen Waffen sowie über ein umfassendes Verbot der Kernwaffenversuche unsere Aufmerksamkeit.

64 Die Vereinten Nationen Unsere engen und lebendigen Beziehungen mit den Vereinten Nationen sind Ausdruck unseres Willens, mit der Gemeinschaft der Staaten zusammenzuarbeiten ; sie entsprechen unserem Wunsche nach weltweiter Öffnung. Mehr denn je ist eine derartige Öffnung vonnöten, in einem Zeitpunkt, wo die Schweiz Anstalten trifft, sich in erhöhtem Masse an der europäischen Zusammenarbeit zu beteiligen.

Das Zusammenrücken mit den Nachbarn sollte ihrer Weltoffenheit, ihrerseits ein Bestandteil der Neutralitätspolitik, in keiner Weise entgegenstehen.

Der Bundesrat beabsichtigt deshalb, unsere Mitarbeit in allen UNO-Organen und -SpezialOrganisationen, denen die Schweiz beigetreten ist, zu entwikkeln und zu verstärken.

Die Frage, ob unser Land unter Aufrechterhaltung seines Neutralitätsstatuts der Weltorganisation als Vollmitglied beitreten kann, war Gegenstand unserer Berichte vom 16. Juli 1969 und vom 17, November 1971, auf die wir verweisen. Unter der heutigen Konstellation handelt es sich sicher nicht um ein Existenzproblem, aber es wird im Laufe der nächsten Jahre ständig an Bedeutung zunehmen. Die UNO wird - trotz ihrer Unvollkommenheit und der Schwäche ihrer politischen Strukturen - auf allen Gebieten immer mehr zum Mittelpunkt der multilateralen Diplomatie. Es ist deshalb angezeigt, dass sich unser Land in dieser Gemeinschaft Gehör verschafft, namentlich wenn es um die Verteidigung der Werte geht, denen wir uns verpflichtet fühlen.

Anderseits schafft das geregelte Problem der Vertretung Chinas, das einer mehr als 20 Jahre andauernden Verbannung der Volksrepublik ein Ende setzte, einen neuen, sehr gewichtigen Tatbestand. Es ist zudem wahrscheinlich, dass die geteilten Staaten, bisher von der UNO ferngehalten, in einer nicht mehr allzufernen Zukunft ebenfalls als Mitglieder aufgenommen werden, was die Weltorganisation der Universalität bedeutend näher bringen wird. Von jetzt an müssen wir uns auf
den Tag gefasst machen, an dem die Schweiz praktisch als einziger Staat Nicbtmitglied der Gemeinschaft sein wird.

Die Entwicklung der Weltorganisation in Richtung auf ihre Universalität - sowohl mit Bezug auf ihre Mitglieder wie auch mit Bezug auf ihre Tätigkeit muss uns zu einer Überprüfung unserer gegenwärtigen Haltung veranlassen.

Durch ein Abseitsstehen würden wir Gefahr laufen, unsere Beteiligung an wesentlichen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit beträchtlich zu

1040 erschweren. Diese Überprüfung wird namentlich Aufgabe der Beratenden Kommission sein, die wir demnächst bilden wollen und in der die verschiedenen interessierten Kreise und Tendenzen der Öffentlichen Meinung zur Geltung kommen sollen. Dieser Meinungsaustausch wird es dem Bundesrat erlauben, Wege und Methoden zur Lösung des Problems zu finden und den Rückhalt unserer Aussenpolitik im Volk zu verstärken.

65 Politik gegenüber den Entwicklungsländern

Bei der Beurteilung unserer Beziehungen zu den Entwicklungsländern ist davon auszugehen, dass der Rückstand dieser Länder gegenüber den Industrieländern menschlich unhaltbar, politisch and wirtschaftlich gefährlich ist.

Friede und Wohlergehen auch für unser Land werden in Zukunft kaum ohne einen gewissen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ausgleich unter allen Völkern dieser Welt möglich sein. Nicht nur menschliche Verpflichtung und die den Industrieländern zufallende Mitverantwortung für die Dritte Welt, sondern auch unser unmittelbares Eigeninteresse müssen uns veranlassen, den Entwicklungsländern zu helfen, aus ihrer benachteiligten Situation herauszukommen. Solche Hilfeleistung macht die schweizerische Solidaritätspolitik nach aussen und gegenüber dem eigenen Volk glaubhaft und stärkt unsere Stellung innerhalb der Völkergemeinschaft. Entwicklungshilfe gehört - auch wenn Risiken und Rückschläge nicht auszuschliessen sind - zu den bedeutenden aussenpolitischen Aufgaben der Eidgenossenschaft.

Es wird deshalb ein wichtiges Ziel des Bundesrates sein, den schweizerischen Beitrag an die Entwicklung der Dritten Welt nach Massgabe der Leistungsfähigkeit unseres Landes zu erhöhen.

Der Bundesrat hat schon am 24. Oktober 1970 zur Strategie der Vereinten Nationen für das zweite Entwicklungsjahrzehnt erklärt, dass er sich von ihr für die schweizerische Entwicklungshilfepolitik inspirieren lassen werde. Namentlich soll, bis Ende der 70er-Jahre, der schweizerische Entwicklungsbeitrag (staatliche und private Kapitalhingaben) im Jahresdurchschnitt auf l Prozent des Bruttosozialproduktes (BSP) gebracht werden, wobei der staatliche Beitrag in den nächsten Jahren schrittweise dem Durchschnitt der staatlichen Leistungen der anderen westlichen Industrieländer angenähert werden soll. Wir werden Ihnen in den kommenden Jahren verschiedene weitere Massnahmen vorschlagen, die zur Erhöhung des staatlichen Beitrages an die Entwicklung der Dritten Welt nach Massgabe der Leistungsfähigkeit unseres Landes führen sollen.

Daneben ist namentlich auch die Arbeitsteilung zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern im Bereich der Wirtschaft zu fördern. Die Schweiz wird nach Möglichkeit Vorschläge machen - jedenfalls aber Vorschläge anderer Länder in positivem Geiste prüfen - die zur Integration der Wirtschaft der
Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft beitragen können. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die - unter Berücksichtigung unserer Wirtschaftslage möglichst weitgehende Verwirklichung der Zollpräferenzen für Entwicklungs-

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länder, andere handelspolitische Massnahmen und die Förderung der ungebundenen Finanzhilfe. Zudem ist der Hilfe an die am wenigsten entwickelten Länder besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Ferner gilt es, für die humanitäre Hilfe, die heute in allererster Linie den Entwicklungsländern zugute kommt, grössere Mittel bereitzustellen. Diese Aufgabe hat in unserer Politik seit langem einen festen Platz und in ihr findet die Solidarität ihren besonders klaren Ausdruck.

Auch erscheint uns eine noch bessere gegenseitige Information von Bundesstellen und Privatwirtschaft über ihre Absichten für Aktionen in den Entwicklungsländern notwendig.

Um der Entwicklungshilfe - über die bestehende verfassungsmässige Grundlage hinaus - eine klare gesetzliche Rechtsgrundlage zu geben und dem Volk die Möglichkeit zu bieten, sich über das Prinzip der staatlichen Entwicklungshilfe auszusprechen, sehen wir vor, Ihnen im Laufe der Legislaturperiode den Erlass eines Bundesgesetzes über die Entwicklungshilfe bzw. über die gesamte Auslandhilfe zu beantragen.

66 Fragen der Gesamtverteidigung 661 Die Leitungsorganisation Die Erkenntnis, dass die Selbstbehauptung unseres Landes in einem künftigen Konflikt nicht allein von der Armee gewährleistet werden kann, sondern dass hierfür alle geeigneten Kräfte des Landes zu einem gemeinsamen Handeln herangezogen werden müssen, hat vor einiger Zeit zur Bildung der Leitungsorganisation und des Rates für Gesamtverteidigung geführt. Damit haben wir ein Arbeitsinstrument geschaffen, das uns in allen Fragen der Gesamtverteidigung unterstützt, die nötigen Vorkehren an die Hand nimmt und sie koordiniert.

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Sicherheitspolitische

Standortbestimmung

Der institutionellen Neuordnung im Bereich der Gesamtverteidigung muss eine sicherheitspolitische Standortbestimmung folgen. Aus ihr ist eine Konzeption der Gesamtverteidigung abzuleiten, die der umfassenden Bedrohung eines Kleinstaates in der heutigen Welt Rechnung trägt und ihr mit einer integrierten, den militärischen wie den zivilen Bereich umfassenden Abwehr begegnet.

Seit einiger Zeit wird in der schweizerischen Öffentlichkeit vermehrt die Frage nach der Stellung und den Zukunftsaussichten unseres Landes zwischen den Grossmächten erörtert. Neben unserer wirtschaftlichen und technischen Existenz angesichts des Prozesses der europäischen Integration, stehen heute vor allem die Fragen nach der künftigen Tragweite unserer Neutralität und nach den Möglichkeiten des Bestehens in einem internationalen Konflikt. Die Bundesbla«. 124Jahrg, Bd.!

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1042 wachsenden Schwierigkeiten, die wir überwinden müssen, um mit dem technischen Rüstungsstand der Grossmächte und der militärischen Allianzen Schritt zu halten, und die auch bei uns nicht selten gehegte Erwartung, dass im Zeichen der internationalen Entspannung in absehbarer Zeit in Europa mit keinen bewaffneten Konflikten gerechnet werden müsse, führt gelegentlich zum Schluss, eine schweizerische Landesverteidigung sei heute nicht mehr wirksam und entspreche keiner Notwendigkeit mehr.

Wer diese Auffassung vertritt, gibt sich zu wenig Rechenschaft darüber, dass auf unserem Kontinent nach wie vor bedeutende politische Interessengegensätze bestehen, und dass ein gewaltiges, immer noch wachsendes militärisches Potential angehäuft wird. Wohl hat das Kräftegleichgewicht zwischen den grossen Mächteblocks bisher den Ausbruch grösserer Konflikte verhindert. Es kann aber nicht übersehen werden, dass eine dauerhafte Beseitigung der vielfachen Konfliktquellen bisher nicht gelungen ist. Für uns ist deshalb auch in Zukunft Wachsamkeit geboten.

Die Aufgabe unserer Landesverteidigung, insbesondere unserer Armee, besteht darin, dank ihrem Vorhandensein und ihrer Bereitschaft dazu beizutragen, einen Angriff auf unser Land als nicht lohnend erscheinen zu lassen, und auf diese Weise unsere Unabhängigkeit zu bewahren. Wenn auch eine Abschreckungswirkung im eigentlichen Sinn für uns kaum möglich ist, muss doch die Defensivkraft aller der Verteidigung unseres Landes dienenden Mittel und Kräfte so bedeutend sein, dass ein potentieller Gegner gezwungen ist, sie in seine Gewinn- und Verlustrechnung einzubeziehen.

Unsere Anstrengungen, mit denen wir unsere Armee als Instrument des Friedens entsprechend den Anforderungen der Zeit weiter zu entwickeln und auszubauen trachten, schliessen politische Bemühungen der Schweiz zur Stärkung eines allgemeinen Friedens in Freiheit nicht aus. Wir erinnern dabei vor allem an die Zielsetzung unserer Aussenpolitik ganz allgemein, die Vermittlerdienste und die Entwicklungshilfe.

Das Ausmass und die Natur der heutigen Bedrohung ist nicht leicht zu bestimmen und wird darum auch unterschiedlich beurteilt. Einerseits ist eine ausgeprägte Verstärkung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet festzustellen.

Sie wird ergänzt durch Bemühungen um die
friedliche Beilegung von Konflikten und um die Beseitigung ihrer Ursachen. Ein echtes Streben nach Abrüstung und Entspannung steht heute bei zahlreichen Mächten im Vordergrund.

Andererseits ist eine Zunahme ideologischer, sozialer und machtpolitischer Spannungen unverkennbar. Krisen und offene Konflikte, bei denen nicht allein militärische, sondern zunehmend auch psychologische, wirtschaftliche und selbst terroristische Mittel eingesetzt werden, stellen die allgemeine Sicherheit immer wieder in Frage.

Die geschilderten Elemente unserer sicherheitspolitischen Lage müssen in die Konzeption unserer Gesamtverteidigung einbezogen werden.

1043 663 Die Konzeption der Gesamtverteidigung Die Ausarbeitung einer schweizerischen Konzeption der Gesamtverteidigung ist im Gang. Da sie Grundfragen unseres staatlichen Lebens und namentlich unserer Sicherheit betrifft, muss sie in der politischen Diskussion erhärtet werden und die Zustimmung möglichst weiter Kreise des Schweizervolkes finden. Dieses soll Einblick in die Verflechtungen und Schwierigkeiten moderner Selbstbehauptung erhalten und daraus Verständnis für die entsprechenden Massnahmen gewinnen, Die Konzeption der Gesamtverteidigung soll insbesondere: - die Entschlüsse der Landesregierung, die zur Gewährleistung unserer Sicherheit auf weite Sicht und laufend zu treffen sind, erleichtern; - einen verbindlichen Massstab für das Planen und Handeln der ausführenden Instanzen setzen; - dartun, dass der Kleinstaat bei gezielter und kraftvoller Anstrengung seine Sicherheitsprobleme auch in der heutigen Welt zu meistern vermag.

Wir beabsichtigen, Ihnen demnächst einen Bericht über die Konzeption der Gesamtverteidigung vorzulegen, um damit auf nationaler Ebene die Grundlage für eine Erörterung dieser wichtigen Frage zu schaffen.

Im Licht der Konzeption der Gesamtverteidigung wird sodann sowohl der militärische als auch der zivile Bereich der Landesverteidigung zu überprüfen sein. Bei der Ausgestaltung des einen wie des ändern Teils muss der innere Zusammenhang, der zwischen den verschiedenen Verteidigungsvorkehren besteht, berücksichtigt werden. Ferner wird auch die Frage einer Ergänzung der Militärdienstpflicht durch eine zivile Ersatzdienstpflicht zu entscheiden sein. Diese wird von einer am 12. Januar dieses Jahres eingereichten Volksinitiative für die Schaffung eines Zivildienstes gefordert.

664 Die militärische Landesverteidigung In unserer Sicherheitspolitik, deren oberstes Ziel es ist, die Integrität des Territoriums, die Unabhängigkeit des Landes und das Leben der Bevölkerung zu gewährleisten, und damit das Land ausserhalb jedes Konfliktes zu halten, stellt die Armee ein Element unter anderen, wenn auch ein sehr wichtiges, dar, Die militärische Landesverteidigung bedient sich des von der Truppenordnung 1961 geschaffenen Instruments. Die im Jahr 1966 von den eidgenössischen Räten genehmigte Konzeption der militärischen Landesverteidigung weist ihr die Richtung.

Eine Überprüfung und
schrittweise Weiterentwicklung sowohl der Truppenordnung, als auch der seit 1966 gültigen Vorstellungen über den Einsatz der Armee erscheint uns im Hinblick auf den Zeitablauf und auch wegen der Einordnung des militärischen Bereichs in die Gesamtverteidigung geboten. Sie bezieht sich auf eine von 1975 bis 1984 reichende Planungsperiode. Dabei geht es

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darum, heute ein Leitbild der militärischen Landesverteidigung für das genannte Jahrzehnt zu erarbeiten. Um diesen Planstudien Gewicht und Verbindlichkeit zu geben, bedarf auch ihr Ergebnis der Zustimmung der massgebenden politischen Gremien, weshalb wir vorsehen, im Nachgang zur Konzeption der Gesamtverteidigung auch das Leitbild der militärischen Landesverteidigung in der Bundesversammlung zur Diskussion zu stellen.

665 Die zivile Landesverteidigung Auch im Bereich der zivilen Landesverteidigung werden Anstrengungen auf verschiedenen Gebieten notwendig sein, wobei für uns die Verfolgung der in der Zivilschutzkonzeption aufgestellten Ziele sowie die Konsolidierung der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge im Vordergrund stehen.

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Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft 71 Jugendpolitik

Eine Gesellschaft, die in einem ständigen, stets rascheren Wandel begriffen ist, kann es sich nicht leisten, nicht von allen ihren lebendigen Kräften Gebrauch zu machen. Die Strömungen, die die bestehende staatliche und gesellschaftliche Ordnung heute wieder vermehrt in Frage stellen, finden bei der Jugend starken Anklang. Dabei handelt es sich beim Jugendprotest nicht nur um eine Erscheinung des Generationenkonflikts, sondern weitgehend um die Folge der im Einleitungsteil dieses Berichtes angedeuteten soziologischen Veränderungen. Man muss daher der jungen Generation die Möglichkeit geben, an der Erneuerung der Gesellschaft mitzuwirken und ihre schöpferischen Kräfte für das Wohl des Ganzen fruchtbar werden zu lassen. Erste Voraussetzung dafür ist ein direkter Kontakt zwischen der Jugend und der Erwachsenengesellschaft und ein ständiges, offenes Gespräch.

Zur Prüfung der Frage, wie ein Dialog hergestellt und eine Jugendpolitik in die Wege geleitet werden kann, hat das Departement des Innern kürzlich eine Studiengruppe eingesetzt.

Es geht uns bei diesen Anstrengungen nicht darum, die Jugend zu einer kritiklosen Anpassung an die bestehenden Verhältnisse zu erziehen; vielmehr soll dem jugendlichen Streben nach Selbstdarstellung der nötige Spielraum verschafft und die Jugend an der Entwicklung der Gesellschaft von morgen interessiert werden. Wir werden Ihnen im Verlauf der Legislaturperiode einen Bericht zugehen lassen und Ihnen gegebenenfalls konkrete Massnahmen. beantragen, um eine Lösung der Jugendfragen von Seiten des Bundes zu erleichtern.

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Bildungs-, Forschungs- und Kulturpolitik

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Bildungspolitik

Eine hochentwickelte Industriegesellschaft wie die Schweiz kann ihre Produktivität und Konkurrenzfähigkeit nur in dem Masse bewahren und verbessern, als es gelingt, die geistigen Kräfte des Volkes zu fördern und die Menschen jeglicher sozialer Herkunft ihren Fähigkeiten gemäss am wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben teilnehmen zu lassen. Aufgrund der technischwirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen Veränderung der Arbeits- und Berufsverhältnisse besteht in unserem Land ein beträchtlicher Nachholbedarf an qualifizierten Arbeitskräften aller Ausbildungsstufen.

Jeder befähigte Bildungswillige soll ein Studium nach eigener Wahl ergreifen können; Staat, Gesellschaft und Wirtschaft müssen den qualifizierten Nachwuchs erhalten, dessen sie bedürfen und die Studiengänge sind den verschiedenen Aufgaben - Berufsausübung, Forschung und Weiterbildung - besser anzupassen. Bildung öffnet jedoch nicht nur den Weg zum beruflichen Erfolg, sondern trägt auch zur Entfaltung der Persönlichkeit bei, indem sie den Einzelnen befähigt, seine Rolle in der Gesellschaft zu erkennen und diese nach seinen Vorstellungen mitzugestalten.

Ziel unserer bildungspolitischen Bemühungen ist der gleichgewichtige Ausbau unseres Bildungswesens nach allen Richtungen: der notwendige Ausbau unserer Bildungsinstitutionen bat sich nicht nur nach der Schätzung des Bedarfes an Ausgebildeten, sondern auch nach den Ausbildungswünschen unseres Nachwuchses zu richten. Das Gemeinwesen hat deshalb für die Bereitstellung genügender Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Hinblick sowohl auf die Bedürfnisse der Gesellschaft, wie auch auf die Fähigkeiten und Neigungen des Einzelnen zu sorgen.

In den vergangenen Jahren hat sich immer deutlicher gezeigt, dass die Mittel der Kantone nicht mehr ausreichen, um den Ausbau des Schulwesens entsprechend den heutigen Anforderungen auf allen Stufen aus eigener Kraft sicherzustellen. Immer mehr setzte sich die Überzeugung durch, dass die Bildungspolitik - insbesondere die Bildungsplanung - als eine gemeinsame Aufgabe von Kantonen und Bund zu betrachten sei. Für ihre Bewältigung reichen jedoch die bestehenden verfassungsrechtlichen Grundlagen, welche die Schul' hoheit der Kantone verankern und dem Bunde, abgesehen vom Berufsbildungswesen, nur sehr beschränkte Kompetenzen einräumen,
nicht aus.

Von grosser bildungspolitischer Tragweite erweist sich das von den Kantonen im Herbst 1970 geschaffene Konkordat über die Schulkoordination, dem heute bereits 18 Stände angehören. Politische und rechtliche Voraussetzung für die sinnvolle Weiterführung dieses Konkordats bildet aber eine Revision der B'ddungsartikel der Bundesverfassung, die es dem Bunde nicht nur gestattet, die Kantone in ihren Bestrebungen zu unterstützen, sondern auch gemeinsam mit

1046 ihnen eine zeitgemässe Bildungspolitik zu konzipieren. Mit Botschaft vom 19. Januar 1972 haben wir Ihnen deshalb den Entwurf zu neuen Bildungsartikeln unserer Verfassung unterbreitet, auf die wir verweisen. Nach Annahme der Verfassungsartikel werden wir schrittweise eine Grundgesetzgebung des Bundes im Bereiclte des Bildungswesens aufbauen.

Vieles wird von der Entwicklung in den Kantonen abhängen, die sich in raschem Fluss befindet. Auf der Mittelschulstufe sehen wir vor, die Maturitätsregelung einer Konzeption zuzuführen, die den in den letzten Jahren entwickelten neuen Maturitätstypen Rechnung trägt. Im Laufe dieser Legislaturperiode wird auch der Revision des Hochschulförderungsgesetzes und dem Erlass eines neuen ETH-Gesetzes grosse Bedeutung zukommen. Entsprechend den grösseren Bundesleistungen, die für den angemessenen intensiven Ausbau der kantonalen Hochschulen erforderlich sind, werden unseres Erachtens auch die Koordinationsbefugnisse des Bundes in Hochschulangelegenheiten von nationaler Bedeutung verbessert und erweitert werden müssen.

Zweifellos wird der zweite Bericht des Wissenschaftsrates über den Ausbau der schweizerischen Hochschulen eine gute Ausgangsbasis für die Diskussion über die Konzeption eines neuen Hochschulgesetzes bilden.

In diesem neuen Rahmen beabsichtigen wir, den erforderlichen Ausbau der Technischen Hochschulen, denen die Verantwortung für die Ausbildung des akademischen Ingenieurnachwuchses zufällt, fortzusetzen.

Der Bund wird von einer ganzheitlichen Betrachtung des Bildungswesens ausgehen. Daher wird er dem systematischen Ausbau der beruflichen Ausbildung und ihrer sinnvollen Eingliederung in die schweizerischen Bildungssysteme zur Verbesserung des Zuganges zu ihr und der Verbindung zu ändern Bildungswegen besonders Aufmerksamkeit schenken. Die eingeleitete Revision des Berufsbildungsgesetzes soll unter anderem zu einer sogenannten kombinierten Lehre führen, deren Kennzeichen eine wesentlich verbesserte systematische Ausbildung und Erziehung des Lehrlings sind. Einen breiteren Raum werden im revidierten Gesetz die Institutionen der Weiterbildung einnehmen, insbesondere die der Ausbildung von mittleren Kadern dienenden neuen Schulen.

Parallel zur Entwicklung der Bildungseinrichtungen wollen wir auch die Verbesserung der staatlichen Beihilfen für die
Ausbildungsfinanzierung fördern, mit dem Ziel, jedem unabhängig von seinen materiellen Voraussetzungen den Erwerb einer angemessenen Bildung zu ermöglichen. Speziell werden wir prüfen, welche Massnahmen seitens des Bundes ergriffen werden können, um die heute noch bestehenden Unterschiede in den kantonalen Stipendienordnungen auszugleichen und welche zusätzliche Vorkehren für die Ausrichtung rückzahlbarer Studienunterstützungen geschaffen werden sollen.

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Forschungspolitik

Eine leistungsfähige, originelle Forschung ist heute für die Erreichung aller grossen nationalen Ziele, wie z.B. die Hebung der Bildung und Gesund-

1047 heit der Bevölkerung, die Verhinderung von Schädigungen des Menschen und seiner Umwelt und die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen unerlässlich. Die Hauptfrage der zukünftigen schweizerischen Forschungspolitik lautet : Wo und wieweit soll der Staat selber koordinierend und allenfalls richtungsweisend in die Forschung eingreifen oder Forschung selber provozieren, und wo beschränkt er sich darauf, Forschung, die innerhalb der Wissenschaft und der Wirtschaft geschieht, finanziell zu unterstützen, ohne auf ihre Richtung unmittelbaren Einfluss zu nehmen ?

Die Forschung an den Hochschulen wird heute nicht nur durch die Träger der Hochschulen, sondern in weitem Umfange auch durch Kredite des Nationalfonds unterstützt; ihre Zukunft hangt von der allgemeinen hochschulpolitischen Entwicklung ab. Der Nationalfonds sollte in die Lage versetzt werden, stärker als bisher nicht nur fördernd, sondern im Sinne der ForschungsSchwerpunktbildung gestaltend tätig zu sein.

Die industrienahe, wirtschaftsorientierte Forschung wird in unserem Lande im Unterschied zu anderen Staaten zum grössten Teil privatwirtschaftlich finanziert, wobei allerdings eine grosse Zahl von mittleren und kleineren Berieben daran keinen Anteil hat.

Die Aufgabe, forschungsfernen Sektoren unserer Industrie Zugang zur Forschung zu verschaffen, betrachten wir als eine Förderungsaufgabe, die nicht primär finanzieller, sondern eher struktureller Art ist. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen unter dem Abschnitt Strukturpolitik (Ziff.77).

Die dritte Form staatlicher Förderung der Forschung üt Staats- und gesellschaftspolitischer Natur. Zur Lösung der vielfältigen Aufgaben auf dem Gebiet der Wohlfahrt des Volkes müssen Wissenschaft und Forschung herangezogen werden. Damit die verantwortlichen Bundesbehörden über die entsprechenden Forschungsresultate verfügen können, werden sie in Zukunft vermehrt neben der Förderung der Grundlagenforschung die gezielte Auftragsforschung einsetzen.

Mit der Botschaft über die Revision der Bildungsartikel der Bundesverfassung haben wir Ihnen auch den Entwurf zu einem Forschungsartikel unterbreitet. Im Hinblick auf die Bedürfnisse nach Massnahmen des Bundes zu Gunsten der Forschung auch in anwendungsorientierten Gebieten sowie nach Übernahme von Forschungseinrichtungen und Hilfsdiensten
(u. a. die Dokumentation) von gesamtschweizerischer Bedeutung werden wir prüfen, ob auf Grund der neuen Verfassungsbestimmung ein Forschungsgesetz erlassen werden soll.

Die beschränkte Zahl begabter Forscher und die Knappheit der finanziellen Mittel erfordern eine intensive Fortführung der vom Schweizerischen Wissenschaftsrat begonnenen Bemühungen um die Erarbeitung der Grundlagen für eine umfassende koordinierte Forschungspolitik.

In manchen Gebieten, insbesondere der sogenannten Grossforschung, wird die Schweiz auf vollständig autonome Forschungsprojekte verzichten

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müssen. Nur eine internationale Wissenschaftern auch in diesen zu bieten. Sie soll deshalb nach Bedürfnisse sowie im Rahmen verfolgt und ausgebaut werden.

Zusammenarbeit wird ihr ermöglichen, ihren Fällen interessante Betätigungsmöglichkeiten Massgabe der materiellen Möglichkeiten und nationaler Forschungsschwergewichte weiter

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Kulturpolitik

Die bereits im allgemeinen Überblick aufgezeigten geistigen und gesellschaftlichen Wandlungen rufen u. a. auch einer Neukonzeption der Kulturpolitik. Diese wird sich in Zukunft - neben einer stärkeren Förderung der kreativen Kräfte - mehr als bisher an den Bedürfnissen des Einzelnen orientieren müssen, an den Bedürfnissen des Menschen in der modernen Industriegesellschaft, der infolge der zunehmenden Freizeit mehr Gelegenheit hat zur Pflege persönlicher Interessen, der aber auch mehr als bisher der Teilhabe an den kulturellen Gütern von Vergangenheit und Gegenwart bedarf, zur Stärkung seiner inneren Autonomie gegenüber der zunehmenden Technisierung aller Lebensbereiche, zur Mehrung seiner Freiheit und zur Förderung seiner Daseinsfreude. Anstelle des quantitativ orientierten Wachstumsdenkens ist in der öffentlichen Diskussion der Wunsch nach einer Verbesserung der Qualität des Lebens getreten. Wesentliche Gesichtspunkte für künftige kulturpolitische Massnahmen wird der Bericht der mit unserer Ermächtigung vom Departement des Innern eingesetzten Kommission für Fragen einer schweizerischen Kulturpolitik enthalten, der Ende 1973 vorliegen dürfte.

73 Informationspolitik

731 Information im Dienste der Entfaltung der freien Persönlichkeit Beim Ausbau der Information über Staat und Gesellschaft muss die Freiheit des Bürgers, sich ungehindert aus den verschiedensten Quellen informieren zu können, soweit als möglich garantiert werden. In der Demokratie setzt die aktive Mitwirkung des Bürgers voraus, dass er offen und über alle Aspekte eines Problems orientiert wird. Nur dann kann er sich eine Meinung bilden und die ihm zustehenden Entscheidungen auch in Kenntnis aller Gesichtspunkte treffen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die wachsenden Schwierigkeiten der politischen Tagespresse hinzuweisen. Aufgrund der eingegangenen parlamentarischen Vorstösse werden wir in engem Kontakt mit den Parteien und den zuständigen beruflichen Organisationen prüfen, ob und gegebenenfalls welche Massnahmen seitens des Staats ergriffen werden können. Oberstes Gebot wird für uns jedoch sein, unter keinen Umständen die Unabhängigkeit der Presse vom Staat in Frage zu stellen.

1049 Nebst der politischen Funktion kommt der Information aber auch eine ganz allgemein menschliche Bedeutung zu; sie ist der Ausgangspunkt der Entfaltung der Persönlichkeit schlechthin, die voraussetzt, dass sich der Einzelne nach freiem Ermessen aus möglichst vielen Quellen informieren kann. Daran hat der Staat einen eigenen Beitrag zu leisten, indem er nicht nur den freien Zutritt zu den Quellen garantiert, sondern sich seinerseits aktiv ins Gespräch mit dem Bürger einlässt. In diesem Sinne gedenkt der Bundesrat insbesondere die Basisinformation in den nächsten Jahren auszubauen.

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Verfassungsartikel und Ausführungsgesetzgebung über Radio und Fernsehen

In erster Linie liegt es uns daran, eine verfassungsmässige Grundlage für Radio und Fernsehen zu schaffen. Dabei wird man sich auch mit dem Begriff der Radio- und Fernsehfreiheit auseinandersetzen müssen.

Die Massenmedien müssen derart vom Staat abgegrenzt werden, dass ihre Freiheit gewährleistet bleibt, eine allfällige Missachtung der festgelegten Grundsätze aber festgestellt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Struktur der Programminstitutionen ist der gefundenen Lösung nötigenfalls anzupassen.

Das Ziel aller unserer Bemühungen geht dabin, Massenmedien zu schaffen, welche ihre wichtigen Aufgaben in der Information, der Bildung und der Unterhaltung erfüllen, dabei die Vielfalt der Meinungen sowie die geistigen, sozialen, kulturellen und religiösen Werte der Bevölkerung beachten und die freiheitliche und demokratische Ordnung des Staates fördern. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Verschiedenheit der Sprachgebiete und der Eigenart der einzelnen Landesteile.

Wir sind entschlossen, spätestens im Jahre 1973 einen Vorschlag zu einem Verfassungsartikel vor die eidgenössischen Räte zu bringen. Sobald die Konzeption des Verfassungsartikels festgelegt ist, sind die Vorarbeiten für die Gesetzgebung an die Hand zu nehmen.

733 Revision des Presserechts In diesem Bereich steht immer noch die Erledigung des im Jahre 1935 eingereichten Volksbegehrens für eine Revision des Artikels 55 der Bundesverfassung zur Diskussion. Von der Initiative erhobene Forderungen sind inzwischen durch die gesetzliche Neuordnung des Verwaltungsrechtsschutzes weitgehend erfüllt worden. Indessen haben sich die Wettbewerbs- und Besitzesverhältnisse auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt sowie auf dem Gebiet des Annoncenwesens grundlegend gewandelt - wir verweisen auf die bekannte Untersuchung der Kartellkommission - und andere Aspekte, wie der Persönlichkeitsschutz im Bereich der Massenmedien, haben sich eröffnet.

1050 Wir möchten in der laufenden Legislatur die Verfahrensfrage nun endgültig klären und haben die Reaktivierung und Neubesetzung der im Jahre 1953 eingesetzten Expertenkommission beschlossen. Die erste von der Kommission zu behandelnde Frage wird wohl die sein, ob die bisherigen Revisionsarbeiten fortgesetzt werden sollen, oder ob mit der Revision von Artikel 55 Bundesverfassung aufgrund der verschiedenen parlamentarischen Vorstösse sowie von Anregungen der Gemischten Pressepolitischen Kommission neu zu beginnen sei. Die Kommission wird sich sodann auch darüber äussern müssen, ob eine allfällige Revision von Artikel 55 Bundesverfassung vor der Totalrevision der Bundesverfassung zu erfolgen habe und ob allenfalls, wegen des zu erlassenden Verfassungsartikels über Radio und Fernsehen, Bestimmungen aufgestellt werden sollten, die den weiteren Begriff der Informationsfreiheit umfassen und für das gesamte Gebiet der Nachrichtenübermittlung gelten würden.

Im Zusammenhang mit dem in Vorbereitung befindlichen Gesetz über die Ausübung der politischen Rechte wird schliesslich geprüft, ob durch eine Übergangsbestimmung die Volksinitiative aus dem Jahre 1935, die keine Rückzugsklausel enthält, als gegenstandslos abgeschrieben werden könnte oder ob sich die Grundlage für einen nachträglichen Rückzug schaffen liesse.

74 Soziale Wohlfahrt

741 Probleme des Alters Angesichts der grossen und noch ständig wachsenden Zahl der Betagten tritt die Aufgabe des Bundes, dazu beizutragen, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ihren Lebensabend sinnvoll und glücklich verbringen können, immer stärker in den Vordergrund. Dieses Ziel ist, wie wir uns bewusst sind, mit den Mitteln der Sozialpolitik allein nicht zu erreichen ; es bedarf dazu der Anstrengungen jedes Einzelnen und der Gemeinschaft.

Mit unserer Botschaft vom 10. November 1971 haben wir Ihnen eine neue Verfassungsgrundlage (Art. 34 w**1 BV) für die gesamte Alters-, Hinterlassenenund Jnvalidenvorsorge vorgeschlagen. Gleichzeitig erfolgte eine klare Weichenstellung, um den künftigen Kurs unserer Vorsorgepolitik festzulegen. Diese weist der staatlichen AHV/IV und der privaten beruflichen Vorsorge die Aufgabe zu, es den Betagten, Hinterlassenen und Invaliden zu ermöglichen, die gewohnte Lebenshaltung in angemessener Weise fortzusetzen.

Einen bedeutsamen Schritt, um unsere Ziele zu verwirklichen, stellt die S.AHV-Revtsion dar, die wir Ihnen mit Botschaft vom l I.Oktober 1971 unterbreitet haben. Mit dieser Revision sollen die bisherigen Basisleistungen der AHV und der IV weitgehend zu existenzsichernden Leistungen ausgebaut werden.

Die grundsätzliche Bejahung dieses hohen Zieles der Vorsorge setzt die Bereitschaft voraus, die damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen verschlechterte Wettbewerbsstellung der Wirtschaft und zusätzliche Belastung für den einzelnen Erwerbstätigen - zu tragen. Dabei muss man sich insbeson-

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dere allseits Rechenschaft geben, dass die von uns angestrebte Lösung des Vorsorgeproblems Mittel in der Grössenordnung von einem Viertel aller Erwerbseinkommen erfordert.

Wenn die von uns vorgeschlagene Neufassung von Artikel 34 QUI«« (jer Bundesverfassung angenommen wird, werden wir die erforderlichen gesetzgeberischen Massnahmen beantragen, um den Bau und Betrieb von Alters- und Pflegeheimen sowie die Ausbildung von entsprechendem Personal durch Bundesbeiträge zu unterstützen, wobei allerdings die sich daraus ergebende finanzielle Belastung berücksichtigt werden muss. Gestützt auf die gleiche Verfassungsgrundlage wird der Bund aber auch im Sinne einer zeitgemässen Alterspolitik gezielte Massnahmen fördern können, um die Betagten solange als möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen.

Durch Studien noch zu erforschen und gegebenenfalls gesetzgeberisch zu lösen ist ferner die Frage einer sinnvollen Beschäftigung im Alter, um das Gefühl der Vereinsamung zu verhindern.

742 Gesundheitspolitik - Revision KUVG Im Gesundheitswesen vollziehen sich seit einigen Jahren grundlegende Wandlungen. Die Medizin hat ihre Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verfeinert, wirksamer gestaltet, und ist mehr und mehr auf einen kostspieligen technischen Apparat sowie auf gut ausgerüstete Spitäler angewiesen. Änderungen in der Bevölkerungsstruktur, wie namentlich die längere Lebenserwartung, und allgemein ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein führen zu einer stets zunehmenden Beanspruchung der medizinischen und pharmazeutischen Dienste. Wegen dieser Faktoren nehmen die Aufwendungen für das Gesundheitswesen weit über die Preis- und Lohnsteigerungen hinaus zu; davon werden in erster Linie die Sozialversicherungen betroffen. Die Kranken- und Unfallversicherung muss daher unserer Ansicht nach dringend an die veränderten Verhältnisse angepasst werden. Eine am 3I.März 1970 eingereichte Volksinitiative für die soziale Krankenversicherung fordert nun eine grundlegende Neugestaltung der Krankenversicherung und eine Erweiterung der obligatorischen Unfallversicherung.

Unser Ziel ist es, der Bevölkerung einen möglichst umfassenden Versicherungsschutzfür die Behandlung schwerer Krankheiten und für den Erwerbsausfall bei Krankheit zu gewähren und in ihn auch prophylaktische Untersuchungen einzubeziehen; ausserdem streben wir
eine sozial gerechte Verteilung der stets steigenden Lasten auf Versicherte, Arbeitgeber und öffentliche Hand an ; schliesslich soll der Bund auf die künftige Kostenentwicklung Einfluss nehmen können, namentlich indem er die Spitalvergütungen neu gestaltet und durch gezielte Subventionen die gesamtschweizerische und regionale Spitalplanung fördert.

Die Vorlagen über die Revision der Krankenversicherung und der obligatorischen Unfallversicherung, bei der die Ausdehnung des Versicherungsobli-

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gatoriums und weitere Arbeitnehmer und eine zeitgemässe Anpassung der Versicherungsleistungen im Vordergrund steht, werden wir Ihnen voraussichtlich im Jahre 1973 zugehen lassen.

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Spezialstudien über den Ausbau der Sozial- und Präventivmedizin

Mit der Verwendung von Giften in zahlreichen Lebensgebieten steigt auch die Gefahr der Verseuchung der Umwelt und damit die Gefahrdung von Gesundheit und Leben durch die dauernde Aufnahme kleinster Giftmengen über lange Zeit. Sobald das geplante Toxikologische Institut an der ETH-Zürich, dessen Aufbau dieses Jahr in Angriff genommen werden soll, realisiert sein wird, ist unser Land für die Forschung auf diesem Gebiet nicht nur für die eigenen Bedürfnisse besser gewappnet, sondern es kann auch einen Beitrag an die internationale Zusammenarbeit leisten.

An der Spitze der Todesursachen stehen in der Schweiz wie in ändern Industrieländern die Herz- und Gefässkrankheiten und die bösartigen Geschwülste. Der Bund wird deshalb neben der Grundlagenforschung den Ausbau der klinischen Krebsforschung fördern.

744 Bekämpfung des Drogenmissbrauchs Der - trotz rechtlicher Sanktionsdrohungen - ansteigende Betäubungsmittel-Konsum und die stetig zunehmende Zahl der Betäubungsmittel-Abhängigen, namentlich auch bei Minderjährigen, erreichen besorgniserregende Ausmasse. Der Drogenabhängige zerstört nicht nur seine eigene physische oder psychische und materielle Existenz, er stellt auch gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich und für die Rechtspflege eine Belastung für das Gemeinwesen dar.

Für die Bekämpfung des Drogenmissbrauchs ist der Bund bis jetzt insofern nur zum Teil zuständig, als nicht alle Stoffe, die heute missbräuchlich verwendet werden, unter das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel fallen: Schlaf-, Schmerz-, Beruhigungs- und Aufpeitschmittel unterliegen der kantonalen Heilmittelgesetzgebung. Wir prüfen, ob nicht dem Bund durch ein auf Artikel 69 der Bundesverfassung abgestütztes Bundesgesetz über die Bekämpfung der Suchtkrankheiten die Möglichkeit zu geben ist, unabhängig von der Art der süchtigmachenden Stoffe seinen Beitrag auf diesem für die Volksgesundheit immer bedeutungsvolleren Gebiet zu leisten.

Im übrigen sind Forschung und Information verstärkt voranzutreiben.

Vor allem scheint uns eine frühzeitige Information in den Schulen über die Hintergründe und Auswirkungen der Drogenabhängigkeit notwendig.

In der bestehenden Gesetzgebung über die Betäubungsmittel sind die Strafen für den illegalen Handel zu verschärfen. Da sich dieser immer besser zu organisieren scheint, ist seine Bekämpfung eine
internationale Aufgabe, und die internationale Zusammenarbeit ist daher zu fördern. Im Betäubungsmittelgesetz soll ferner für den Bund die Möglichkeit geschaffen werden, Verhütung«-

1053 massnahmen wie Aufklärung und Massnabmen zur Früherkennung, zur Behandlung und Wiedereingliederung Betäubungsmittelsüchtiger zu unterstützen.

Über der Bedeutung des Drogenmissbrauchs dürfen die weiteren Suchtkrankheiten nicht vergessen werden. Die Zahl der Alkoholkranken in der Schweiz wird zur Zeit auf 100-120 000 geschätzt, und an Lungenkrebs, der zumeist die Folge übermässigen Zigarettenrauchens ist, sterben jährlich um 1700 Personen. Ein Bundesgesetz über die Bekämpfung der Suchtkrankheiten müsste auch hier ein wirksameres Eingreifen des Bundes anstreben.

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Entwicklungs- und Raumordnungspolitik

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Problemstellung

Trotz erheblicher Steigerung des allgemeinen Wohlergehens sind in unserem Land in den letzten Jahren regional stark ausgeprägte Wohlstandsunterschiede entstanden. Mit zunehmender wirtschaftlicher Dynamik hat sich bei uns auch die Agglomérations- und Entleerungsbewegung in verstärktem Masse bemerkbar gemacht. Diese Entwicklung kann aber, was den Umweltschutz und den Ausbau der Infrastruktur betrifft, von einem bestimmten Grad an zu einer starken, für die Gemeinschaft untragbaren Belastung führen Wir sind gewillt, zwischen ländlichen und städtischen, zwischen wirtschaftlich schwachen und wirtschaftlich starken Gebieten mit finanz- und raumordnungspolitischen Mitteln einen sinnvollen Ausgleich anzustreben, auf eine Angleichung des Wohlstandes in den verschiedenen Regionen hinzuwirken und im Sinne dieses Ausgleichs die Besiedelungspolitik zu beeinflussen.1) Wir beabsichtigen, insbesondere die von der Abwanderung erfassten oder bedrohten Regionen mit gezielten Massnahmen zu fördern und zu stärken.

Diese Massnahmen sollen aufgrund regionaler, auf das Gesamtinteresse abgestimmter Entwicklungskonzepte getroffen werden.

Eine aktive, d. h. die räumliche Verteilung zielstrebig beeinflussende Entwicklungspolitik setzt jedoch Vorstellungen über die möglichen und wünschbaren Entwicklungen - sogenannte «Leitbilder» - voraus. Deren Gewinnung ist eine anspruchsvolle Aufgabe, müssen doch die Bewohner einer Region unter sich und die beteiligten Träger wie Bund und Kantone und Gemeinden im Rahmen der eng begrenzten Mittel zu einheitlichen Auffassungen gelangen.

Der Erfolg unserer Entwicklungs- und Raumordnungspolitik wird also davon abhängen, ob ein politischer Konsens über ein Leitbild für die Entwicklung der Schweiz und ihrer Regionen erreicht wird.

1}

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die materiellen Grundsätze der Raumplanung, die die Arbeitsgruppe des Bundes für die Raumplanung in ihrem Bericht vom Dezember 1970 dargelegt hat.

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Raumplanungsgesetzgebung

Das Grundübel der heutigen Bodennutzung liegt darin, dass das Land zersiedelt wird, dass überall Streusiedlungen entstehen können, welche die landschaftliche Schönheit beeinträchtigen, die Bewirtschaftung des Landes erschweren, die Bestrebungen des Gewässerschutzes und des Umweltschutzes vereiteln und dem Gemeinwesen hohe Infrastrukturkosten aufbürden.

Je nach den Verhältnissen wird der Raumplanungsgesetzgebung eine verschiedenartige Aufgabe zukommen. In Gebieten, die sich in voller und expansiver Entwicklung befinden, hat sie die ungestüme Entwicklung so in geordnete Bahnen zu lenken, dass insgesamt daraus ein grösstmögliches Mass an Wohlfahrt resultiert. In vielen anderen Gebieten muss die Raumplanung, wie vorne dargelegt, mit der Sicherung der Existenzfähigkeit und Entwicklung kombiniert werden.

Als wichtigstes Ziel der Raumplanungsgesetzgebung des Bundes, die wir nach Kräften vorantreiben wollen1}, erachten wir die Verhinderung der weiteren Streubauweise, In zweiter Linie geht es uns um die Feststellung der künftigen möglichen und wünschbaren Entwicklungsrichtung sowohl unter besiedelungsmässigen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Als dritte Dringlichkeit möchten wir schliesslich die eigene Sachplanung des Bundes und deren Abstimmung auf die Planungsarbeiten der Kantone bezeichnen. Diese Ziele, für die die öffentliche Meinung gewonnen werden muss, zu erreichen, fällt allerdings nicht leicht, weil die Landesplanung vermehrt in bestehende Privilegien und in Rechte Einzelner eingreift. Ohne Einschränkungen des individuellen Eigentums lässt sich aber das Wohl der Gemeinschaft und damit das Wohl aller Individuen nicht verwirklichen.

Wir sehen ferner vor, dass der Bund mit den Kantonen Untersuchungen über die möglichen künftigen besiedelungs- und nutzungsmässigen Entwicklungen des Landes (Leitbilder der Schweiz) durchführen wird und dass auf Grund dieser Untersuchungen der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung weitere materielle Grundsätze für die Raumplanung aufstellen wird. Wir haben sodann die Absicht, bis zum Vorliegen der weiteren materiellen Grundsätze nach Anhören der Kantone Leitlinien für die Gesamtrichtpläne der Kantone und für die Sachplanungen des Bundes zu erlassen. Die Erfahrungen, die mit solchen Leitlinien gewonnen werden können, werden es dem Gesetzgeber in einem späteren Zeitpunkt erleichtern, weitere materielle Grundsätze für die Raumplanung aufzustellen.

753

Wohnungsbau

Obwohl die Schweiz in der Nachkriegszeit mehr als jedes andere Land Europas in den Wohnungsbau investierte, ist es bis heute trotzdem nicht gex

> Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unsere Botschaft vom 26. Januar J 972 zu einem Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiet der Raumplanung. Die Botschaft zum Raumplanungsgesetz selbst wird von den eidgenössischen Raten auch noch dieses Jahr in Beratung gezogen werden können.

1055 lungen, das Wohnungsproblem zufriedenstellend zu lösen. Die grosse Wohnungsproduktion der letzten Jahre verringerte wohl die Wohndichte - gleichviel Personen stand immer mehr Wohnraum zur Verfügung - brachte aber in vielen Regionen keine spürbare Entspannung auf dem gestörten Wohnungsmarkt.

Das Auslaufen der Mietpreisüberwachung Ende 1970 fiel zudem in eine Periode einer starken Inflation, die die bestehende Ungleichgewichtslage auf wichtigen Teilgebieten des Wohnungsmarktes noch erheblich verschärfte.

Kurzfristig geht es nun darum, Missbräuchen in der Mietzinsfestlegung zu steuern, während wir auf lange Sicht die Wiederherstellung eines Gleichgewichtes von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt im Rahmen einer zweckmässigen Raumplanung anstreben.

Mit Botschaft vom 30. Juni 1971, auf die wir verweisen, haben wir Ihnen unsere neue Konzeption der Wohnbauförderung unterbreitet. Sie soll es dem Bund erlauben, insbesondere durch Baulanderschliessung, Darlehen und Bürgschaften die Wohnungsproduktion zu stimulieren und eine Sanierung auf diesem Sektor herbeizuführen. Wir werden Ihnen auf eine der nächsten Sessionen die entsprechenden Botschaften zu den Ausführungserlassen (neues Wohnbauförderungsgesetz, Missbrauchsgesetzgebung) zugehen lassen.

754 754.1

Verkehrswirtschaft

Weiterbearbeitung der Gesamtverkehr skomeption

Nach wie vor ist es ein zwingendes Bedürfnis, den Einsatz und den Ausbau der verschiedenen Verkehrsarten, den Strassen-, Schienen-, Wasser-, Rohrleitungs- und Luftverkehr, besser aufeinander abzustimmen. Diese Aufgabe stellt sich sowohl in bezug auf den nationalen Verkehr als Gesamterscheinung als auch auf seine interregionalen, regionalen und lokalen Ausprägungen sowie hinsichtlich der internationalen Verflechtungen. Dabei ist der Verkehr nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teilbereich und Einflusselement der gesamten Raumordnung zu verstehen. Letztere muss ihrerseits auf einer Gesamtschau der Entwicklung unseres Landes, vor allem auch in soziologischer und wirtschaftlicher Beziehung, beruhen. Leider gilt es diese Gesamtschau, die logischerweise sowohl der Erarbeitung des Konzepts der Raumordnung wie jenem der Gesamtverkehrskonzeption vorausgehen müsste, erst noch in Angriff zu nehmen. Dies soll so rasch als möglich geschehen, wobei die Perspektivstudien, von denen eingangs dieses Berichtes die Rede war, eine wertvolle Vorarbeit darstellen. Um so entscheidender wird es sein, dass alle diese parallel zu führenden Teilstudien auf Regierungsebene laufend verfolgt und koordiniert werden.

Die kürzlich eingesetzte Kommission für die Erarbeitung der schweizerischen Gesamtverkehrskonzeption hat den politischen Behörden verschiedene gangbare Wege aufzuzeigen, auf denen das System des privaten und öffentlichen Verkehrs in einer Weise der ständigen Entwicklung angepasst werden

1056 kann, dass es den vielfältigen Zielsetzungen entspricht. Über die Einzelheiten des Auftrages dieser Kommission ist die Öffentlichkeit im Januar einlässlich informiert worden.

Durch einen ständigen Informationsaustausch mit den zuständigen Bundesverwaltungsstellen, den Kantonen und der Öffentlichkeit ist sodann sicherzustellen, dass die laufenden notwendigen Massnahmen zur Verbesserung des Verkehrsapparates in Übereinstimmung mit den Zielen der Gesamtkonzeption bleiben.

Im Verlaufe der Legislaturperiode erwarten wir drei Zwischenberichte über die Ergebnisse der Kommissionsarbeiten. Der Schlussbericht wird voraussichtlich erst Ende 1976 vorliegen. Je nach dem Fortschritt der Arbeiten werden wir Ihnen Berichte und Anträge zu sich aufdrängenden Einzelmassnahmen unterbreiten.

754.2

Eiseribahnalpentransversaten

In den letzten Jahren hat der Gütertransitverkehr derart zugenommen, dass die bestehenden Alpentransversalen - trotz sukzessiver Leistungssteigerung - in wenigen Jahren dem wachsenden Güteraustausch nicht mehr genügen werden. Gelingt es der Schweiz nicht, in absehbarer Zeit die Transportkapazität zu erhöhen, so besteht die Gefahr, dass ein Teil des heute fast vollständig von der Schiene bewältigten Transitgüterverkehrs sich auf die Strasse verlagern wird, was sowohl unter dem Aspekt der Verkehrskoordination wie auch des Umweltschutzes und des Tourismus unerwünscht ist.

Wir messen der Erhaltung der Vorrangstellung der SBB und der BLS im internationalen Transitgüterverkehr grosse Bedeutung bei. Dies nicht nur, weil die dabei erzielten Ertragsüberschüsse einen gewichtigen Aktivposten der schweizerischen Zahlungsbilanz bilden. Vielmehr erblicken wir darin eine europäische Verpflichtung unseres Landes, der heute besonderes Gewicht zukommt, Die Expertenkommission «Eisenbahntunnel durch die Alpen» hat in ihrem Schlussbericht den sofortigen Bau eines Gotthard-Basistunnels zwischen Amsteg und Giornico empfohlen und als Übergangslösung den Ausbau der LÖtschberglinie auf Doppelspur beantragt. Auf Grund der neuesten Verkehrsprognosen zeigt sich indessen, dass um die Jahrhundertwende eine dritte Transitachse (Ostalpenbahn) durch unser Land zur Verfügung stehen muss, wenn die Schweiz ihre Stellung im Eisenbahntransitverkehr behaupten will, was gleichzeitig dem staatspolitisch erwünschten Ausgleich mit der Ostschweiz dienen könnte.

Wir werden Ihnen noch in diesem Jahr ein Gesamtkonzept über den Ausbau der schweizerischen Eisenbahnalpentransversalen und dessen Finanzierung unterbreiten.

1057

754.3 Agglomerationsverkehr Infolge der rasch fortgeschrittenen Motorisierung ist die Verkehrsnot unserer Städte immer grösser geworden und damit auch die Gefahr einer Erstikkung unserer Städte durch den Verkehr. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine für den Individualverkehr konzipierte «autogerechte» Stadt nicht verwirklicht werden kann, weil sie daran zugrunde ginge. Also muss der Verkehr stadtgerecht gestaltet werden; dabei kommt den platz- und luftsparenden und für grosse Verkehrsströme besser geeigneten öffentlichen Verkehrsmitteln die Hauptaufgabe der Verkehrsbedienung zu.

In den Agglomerationen muss der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel mit besonderer Dringlichkeit vorangetrieben werden. Der Bund trägt schon heute im Rahmen des Eisenbahngesetzes, des Strassenbaus und auch mit seinen Dienstbetrieben namhaft zur Bewältigung des Agglomerationsverkehrs bei. Im Hinblick auf den enormen Mittelbedarf zur Sanierung der Verkehrsverhältnisse, der die finanziellen Möglichkeiten der Stadt- und Vorortsgemeinden übersteigt, sind auf die ganze Verkehrsabwicklung ausgerichtete Gesamtlösungen zu erarbeiten.

Ein Engagement des Bundes kann grundsätzlich nach zwei Methoden erfolgen. Nach der einen finanzieren Bund und Kantone Werke aller Grössenordnungen gemeinsam; diese Form der Bundesbeteiligung könnte gestützt auf ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Agglomerationsverkehrs realisiert werden. Bei der ändern Methode werden die Aufgaben nach der Leistungsfähigkeit der Träger, verteilt, wobei dem Bund vorab die landesweiten Aufgaben übertragen würden. Ein solches Vorgehen berührt die bundesstaatliche Aufgabenteilung und setzt eine Änderung der Bundesverfassung voraus. Im Sinne dieser finanzpolitischen Alternativen werden wir Ihnen im Verlauf der Legislaturperiode konkrete Vorlagen für eine umfassende Regelung der Bundesbeteiligung im Agglomerationsverkehr unterbreiten.

755

Energiepolitik

Die Schweiz kann ihren Energiebedarf nicht selber decken; sie ist in wachsendem Masse vom Ausland abhängig. So werden heute etwa 80 Prozent des gesamten Rohenergiebedarfes unseres Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen gedeckt, deren Quellen ausserhalb Westeuropas und zur Hauptsache in Nordafrika und im Mittleren Osten liegen. Eine Bedarfsprognose hat zudem ergeben, dass spätestens 1976/77 zusätzliche Produktionseinheiten zur Befriedigung der stetig steigenden Elektrizitätsnachfrage bereitstehen sollten, wenn nicht eine beträchtliche Stromknappheit in Kauf genommen werden soll.

Unser Ziel ist eine möglichst billige, ausreichende und möglichst sichere Energieversorgung, die den Erfordernissen des Umweltschutzes (Schutz des Wassers, der Luft und der Landschaft) Rechnung trägt. Dabei gilt es, in jedem einzelnen Fall zwischen dem angestrebten ökologischen Gewinn und dem dafür Bundesblatt. 124. Jahrg. Bd.I

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allenfalls zu erbringenden wirtschaftlichen Opfer ein ausgewogenes und staatspolitisch tragbares Verhältnis zu finden. Im Interesse der Versorgungssicherheit scheint uns ferner eine gleichmässigere Abstützung auf verschiedene Energieträger notwendig, was vor allem durch den Einsatz der neuen Energieträger Erdgas und Atomenergie zu geschehen hat.

Im Lichte dieser Zielsetzungen sind wir bestrebt, unsere einseitige Abhängigkeit von den Erdölprodukten zu vermindern. Wir sehen die Lösung in einer grösseren Vielgestaltigkeit der verwendeten Energieträger, ihrer Bezugsquellen und Zufuhrwege. Der unlängst angelaufene und rasch steigende Einsatz von Erdgas aus europäischen Vorkommen ist ein erster Schritt in dieser Richtung.

Der Endausbau unserer wirtschaftlich nutzbaren Wasserkräfte ist in die Nähe gerückt; bestimmte andere Möglichkeiten scheiden zum vornherein aus: der Direktiniport von Strom ist zu kostspielig und erhöht die Auslandabhängigkeit, die Umwandlung importierter Energieträger in Elektrizität in klassischtherraiscben Kraftwerken beeinträchtigt die Umwelt. So sind die Kernkraftwerke unseres Erachtens die einzige Alternative, um den wachsenden Bedarf an elektrischer Energie in Haushalt, Gewerbe und Industrie ohne weitere Verstärkung unserer Abhängigkeit von den Erdölprodukten zu decken.

Wir führen gegenwärtig verschiedene Untersuchungen über die Frage durch, wie die Wärmebelastung der Umwelt bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken auf ein Minimum reduziert werden kann. Ferner ist eine Studie über optimale Standorte von Kernkraftwerken im Gange und schliesslich beschäftigen wir uns auch eingehend mit den Möglichkeiten einer Reduktion der Belastung der Atmosphäre durch die Abgase aus Ölheizungen und Verbrennungsmotoren.

756

Umweltschutz

Im Lichte des übergeordneten Wohlfahrtszieles unseres Staates geht es in der laufenden Legislatur darum, dem Gedanken der Umwelterhaltung in allen Bereichen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Staat dafür sorgen, dass der einzelne Bürger und die Wirtschaft entweder gewisse Handlungen unterlassen oder aber durch besondere Vorkehren eine Schädigung der Umwelt vermeiden, indem er für jeden Einzelnen Verhaltensnormen aufstellt und der Wirtschaft Bedingungen auferlegt. Dabei werden die Kosten der Umwcltschutzmassnahmen so weit als möglich dem Verursacher anzulasten sein.

In den nächsten Jahren muss eine umfassende und wirksame Ausführungsgesetzgebung mm neuen Verfassungsartikel 24sevttes ausgearbeitet und in Kraft gesetzt werden, wobei die Bekämpfung der Luftverunreinigung und des Lärms im Vordergrund stehen. Überdies sind verschiedene bestehende Bundesgesetze, die sich auf umweltbeeinflussende Gebiete beziehen, zu revidieren und mit geeigneten Vorschriften zum Schutz unseres Lebensraumes auszustatten. Dazu gehört u. a, auch die stufenweise Verminderung des Bleizusatzes zum Auto-

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benzin. Wir sind bemüht, die Entwürfe zu den Ausführungsgesetzen zum Verfassungsartikel Ihnen in der ersten Hälfte der Legislaturperiode vorzulegen.

Die neue Gesetzgebung des Bundes über den Gewässerschutz dürfte - unbeschadet der Notwendigkeit ihrer Ergänzung durch bestimmte Spezialverordnungen - Mitte dieses Jahres in Kraft treten. Es werden u. a. gesetzliche Bestimmungen über die schadlose Beseitigung fester und flüssiger Abfallstoffe zu erlassen sein. Der Verminderung ihrer Menge durch Mehrfachverwendung sowie ihrer Wiederverwertung kommt immer grössere Bedeutung zu. Produktionsverfahren mit giftigen Abwässern sowie Erzeugnisse, die Abfälle ergeben, deren Beseitigung nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten möglich ist, müssen nötigenfalls verboten werden.

Für einen langfristig wirksamen Umweltschutz und damit für die Zielsetzung, den Menschen und seine natürliche Umwelt gegen schädliche oder lästige Einwirkungen zu schützen, sind ferner eine Reihe von Untersuchungen wissenschaftlich-technologischer Art und eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden, Wissenschaft und Wirtschaft unerlässlich. Die Zahl der mit den Belangen des Umweltschutzes vertrauten Fachleute ist in der Schweiz noch gering und wird es kaum gestatten, die vielfältigen Aufgaben von Bund, Kantonen, Gemeinden und Wirtschaft innert kurzer Frist zu bewältigen. Es ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der Hochschulen und höheren technischen Lehranstalten, die Behandlung von Umweltschutzfragen in die Studienpläne aufzunehmen und die Umweltforschung zu intensivieren.

757 Regionale Entwicklungspolitik Da die erwähnten (vgl. Ziffer 751) regionalen Wachstums- und Wohlstandsunterschiede im Berggebiet am stärksten und strukturelle Verbesserungen hier besonders dringend sind, wollen wir unsere Bemühungen zum Ausgleich der Regionalentwicklung vorerst auf das Berggebiet konzentrieren. Mit dem Entwicklungskonzept versuchen wir, dem übergeordneten Ziel einer harmonischen und somit auch regional besser ausgewogenen Wirtschafts- und Wohlstandsentwicklung gerecht zu werden. Indem wir die gefährdeten Regionen mit günstigen Entwicklungschancen fördern helfen, wirken wir der Abwanderung aus diesen Gebieten entgegen und tragen so zu einer ausgeglicheneren Besiedelung des ganzen Landes bei, was den Grundzielen der Raumordnungspolitik
und der Landesplanung entspricht.

Da erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen im Berggebiet festzustellen sind, muss die Förderungspolitik bei diesen ansetzen, wobei es nicht die Meinung hat, alle Regionen um jeden Preis zu halten. Als erster Schritt einer Regionalpolitik sind die Entwicklungsvoraussetzungen und -möglichkeiten zu klären. Danach müssen die Ziele einer wünschbaren und zugleich politisch wie wirtschaftlich realisierbaren Entwicklung formuliert werden. Die so gewonnenen Vorstellungen lassen sich alsdann in verbindliche regionale Nutzungspläne umwandeln. Wir sind bestrebt, das Förderungskonzept rasch voranzutreiben.

1060

Die Massnahmen zur Verbesserung der Attraktivität und der Wachstumsbedingungen in den entwicklungsfähigen Regionen sowie zur emzelbetrieblichen Förderung sind in Vorbereitung. Zentrales Förderungsinstrument ist ein im Entwurf vorliegendes Investitiomhilfegesetz, das der Restfinanzierung von Infrastrukturprojekten, die für die Regionalentwicklung erforderlich sind, dienen soll.

Daneben prüfen wir Massnahmen zur Förderung der tandwirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere im Sinne einer besseren Arbeitsteilung zwischen Berg- und Tallandwirtschaft sowie einer Abgeltung von Leistungen zugunsten der Allgemeinheit. Die Landwirtschaft, insbesondere auch jene des Berggebietes, trägt durch die Bewirtschaftung ihres Bodens zur Pflege der Landschaft bei und erbringt über die Nahrungsmittelproduktion hinaus einen sozialen Nutzen von hohem Werte, der von der Allgemeinheit entschädigt werden sollte. Eine Verwirklichung dieser Forderungen, beispielsweise in der Form produktunabhängiger Ausgleichszahlungen, setzt, unter Einschaltung der direkt Interessierten, eine sorgfältige und gründliche Abklärung voraus. Ob und in welcher Form wir schliesslich entsprechende Gesetzesvorlagen unterbreiten werden, hängt nicht nur von der Zweckmässigkeit möglicher Lösungen, sondern in wesentlichem Masse auch von der weitern Entwicklung ab.

Der Zukunft unseres Bauernstandes wird aber über die Berggebiete hinaus auch in der laufenden Legislaturperiode unsere besondere Aufmerksamkeit gelten. Wir werden die Strukturverbesserung und die Rationalisierung weiter fördern. In Verbindung mit der Preispolitik wollen wir abklären, ob nicht auch für die Tallandwirtschaft neue Instrumente der Einkommenspolitik bereitzustellen sind. Dies ist nötig, weil eine Einkommenssicherung über den Preis der Forderung nach Anpassung der Produktion an den Markt zuwiderlaufen kann.

76

Konjunkturelles Gleichgewicht; Inflationsbekämpfung und Sicherung der Vollbeschäftigung

761 Konjunkturartikel der Bundesverfassung Die Versuche, in der Schweiz Konjunkturpolitik zu betreiben, bilden eine lange Kette von unvollkommenen Ansätzen, die man unter dem Stichwort «zu spät und zu wenig» zusammenfassen könnte. Zu spät, weil die Mittel zur konsequenten Konjunkturdiagnose nicht ausreichend sind, eine Rechtsgrundlage für eine wirksame Konjunkturpolitik fehlt und deshalb der politische Prozess der Meinungsbildung erst dann zu spielen beginnt, wenn im Grunde genommen nicht mehr viel zu ändern ist. Zu wenig, weil die Ansätze zur Konjunkturpolitik der Systematik entbehren und Einzelmassnahmen nur ein politisch vordergründiges Ungleichgewicht beheben können. Der Tatbestand der für schweizerische Verhältnisse beispiellosen Preissteigerungsraten, die wir in jüngster Zeit erlebten und noch erleben, hat die Notwendigkeit einer Anti-Infla-

1061

tionspolitik fast jedermann deutlich gemacht. Das Vertrauen in die Selbstheilungskraft der Wirtschaft reicht nicht mehr aus. Es ergibt sich daraus ohne weiteres, dass Konjunkturpolitik Staatsaufgabe ist.

Es gilt nun, die fälligen Konsequenzen aus der Vergangenheit zu ziehen und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Insbesondere muss der Graben zwischen Aufgabenstellung - Auftrag an die Regierung, nicht nur rückläufige, sondern auch überbordende Entwicklungen der Konjunktur normalisieren zu können - und Zuständigkeit zum Erlass entsprechender Massnahmen geschlossen werden. In einem Land, das sich weitgehend der freien Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, kann nicht genug betont werden, dass durch die inflationär bedingten Fehlleistungen das marktwirtschaftliche System als solches in Misskredit gezogen wird und seine Glaubwürdigkeit verliert.

Die Herausforderung des neuen Verfassungsartikels zur Stabilisierung der Konjunktur liegt im staatspolitischen Entscheid, ob eine ordnende Einflussnahme zugunsten des nationalen Gesamtinteresses und letztlich auch der Einzel- und Gruppeninteressen akzeptiert wird. Der Bundesrat ist entschlossen, der Verbesserung unseres konjunkturpolitischen Instrumentariums vor allem im Hinblick auf eine wirkungsvolle Teuerungsbekämpfung erste Priorität einzuräumen.

Der von der Verfassung (Art. 3i«uini»ies BV) formulierte Auftrag an den Bundesrat bezog sich bisher nur auf das Ziel der Vollbeschäftigung, d, h. konkret auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Angesichts der weltweit sich verstärkenden Inflationstendenzen drängt sich unseres Erachtens eine Ausweitung auf die Teuerungsbekämpfung auf. Mit dem neuen Verfassungsartikel, den wir im Herbst 1971 ins Vernehmlassungsverfahren gegeben haben, soll diesem Erfordernis entsprochen werden. Das Ziel der Konjunkturstabilisierung, umfassen sowohl die Vollbeschäftigung wie die Preisstabilität, steht im Dienste der allgemeinen Wohlfahrtsförderung.

Der neue Verfassungsartikel hat die Voraussetzungen für rasches und wirksames Handeln zur Stabilisierung der Konjunktur zu schaffen. Deshalb erweist es sich als unumgänglich, dem Bund die Möglichkeit zu geben, mit seinen Massnahmen nötigenfalls von der Handels- und Gewerbefreiheit abzuweichen, wenn sich kein anderer Weg zur Erreichung der im Gesamtinteresse liegenden Stabilisierungsziele
bietet. Diese Konsequenz ergibt sich aus dem Tatbestand, dass ohne konjunkturelle Stabilität die Marktwirtschaft nicht mehr funktionsfähig ist, womit auch die Handels- und Gewerbefreiheit nicht mehr zur Entfaltung gelangen kann.

Stabilisierungsmassnahmen haben vorwiegend auf den Gebieten des Geldund Kreditwesens, der öffentlichen Finanzen und der Aussenwirtschaft anzusetzen. Im Bereich der Finanzpolitik soll der Bund ermächtigt werden, vorübergehend auf bestehenden Steuern Zuschläge zu erheben oder Rabatte zu gewähren und eine befristete Sondersteuer einzuführen. Im weitem scheint es uns sehr wichtig, dass der gesamte öffentliche Haushalt in die Stabilisierungsbe-

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mühungen einbezogen werden kann; deshalb sollen die Kantone und Gemeinden in der Verfassung ausdrücklich verpflichtet werden, ihre Haushaltpolitik auf die konjunkturellen Erfordernisse auszurichten und für eine längerfristige Finanzplanung zu sorgen. Entscheidend für den Erfolg der Stabilisierungspolitik ist nach unserer Ansicht schliesslich das Vorhandensein ausreichender statistischer Unterlagen zur Beurteilung der konjunkturellen Entwicklung. Der Bund muss die Befugnis erhalten, laufend entsprechende Erhebungen durchzuführen und die Gemeinwesen sowie die privaten Unternehmungen zu den notwendigen Angaben zu verpflichten. Die Frage, wie die Stabilisierungsinstrumente im einzelnen auszugestalten und ob sie auf Verfassungs- oder Gesetzesebene materiell und zeitlich zu begrenzen sind, werden wir erst nach Auswertung des Vernehmlassungsverfahrens beantworten können.

Wir sind bestrebt, Ihnen die Botschaft zum Konjunkturartikel, den wir zu den wichtigsten Aufgaben dieser Legislatur zählen, wenn immer möglich noch dieses Jahr vorzulegen.

762 Notenbankinstrumentarium und Geld- und Kapitalmarktpolitik Die Geld- und Kreditpolitik, die bisher die Hauptlast der Konjunkturdämpfung zu tragen hatte, wird auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Die Notenbankpolitifc soll die Geld- und Kreditexpansion in einer wachsenden Wirtschaft steuern und unter Kontrolle halten können. Zu diesem Zwecke bedarf die Nationalbank eines wirksamen Instrumentariums zur Beeinflussung allfälliger sowohl vom Inland als auch vom Ausland ausgelöster unerwünschter Entwicklungen am Geld-, Kredit- und Kapitalmarkt. Die Notwendigkeit des Ausbaues der gesetzlichen Grundlagen wurde durch die monetären Ereignisse der jüngsten Vergangenheit mit aller Deutlichkeit unterstrichen.

Wir werden deshalb der Bundesversammlung in der laufenden Legislaturperiode eine neue Vorlage betreffend Revision des Nationalbankgesetzes unterbreiten. Darin werden wir die Erfahrungen und Erkenntnisse der vergangenen Jahre berücksichtigen und eine enge Kooperation zwischen Bund und Notenbank auf der einen Seite, Nationalbank und Bankensystem auf der ändern sicherstellen.

Wir werden Ihnen die Vorlage so rechtzeitig vorlegen, dass sie sofort nach Annahme des Konjunkturartikels behandelt und verabschiedet werden kann.

763 Kapitalmässige Präsenz des Auslandes
in unserer Wirtschaft In den letzten Jahren haben die ausländischen Bankguthaben in der Schweiz überdurchschnittlich zugenommen. Es ist Aufgabe der Geld- und Kreditpolitik, trotz des Zustroms dieser Auslandmittel kein Ungleichgewicht zwischen Geld- und Gütermenge aufkommen und damit keine zusätzliche Gefahr für die Preisstabilität entstehen zu lassen. Der neue Konjunkturverfassungsartikel soll die Schaffung ausreichender geld- und kreditpolitischer Instrumente gestatten.

1063 Keine Probleme erwuchsen uns bis anbin aus den ausländischen Portefeuille-Anlagen, da bei den grossen schweizerischen Publikumsgesellschaften keine massgebliche Einflussnahme durch ausländische Aktionäre festzustellen war. Restriktive Massnahmen gegen Portefeuille-Anlagen drängen sich unseres Erachtens um so weniger auf, aJs das Institut der vinkulierten Namenaktie den einzelnen Gesellschaften die Abwehr unerwünschter ausländischer Kapitaleinflüsse erlaubt.

Der ausländische Grundbesitz erreicht gesamtschweizerisch weder wertnoch flächenmässig einen Umfang, der als Überfremdung unseres Grund und Bodens zu werten wäre. Allerdings gibt schon eine geringe und erst recht eine massive und kaufkräftige ausländische Nachfrage, wie sie sich insbesondere in einzelnen Städten und Fremdenverkehrszentren zeigt, zu einigen staatspolitischen Bedenken Anlass. Sie lässt zudem auf unserem angespannten Bodenmarkt den Bodenpreis übermässig in die Höhe schnellen. Eine solche Erhöhung wirkt sich nicht nur nachteilig auf die Neumieten der betreffenden Region, sondern als zusätzlicher Teuerungsfaktor auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Die Verschärfung der Bestimmungen über den Grundstückerwerb von Personen im Ausland wird von uns zur Zeit als vordringlich geprüft.

Von erstrangiger Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die ausländischen Direktinvestitionen, obwohl sie weniger als 10 Prozent sämtlicher ausländischer Guthaben und Anlagen in der Schweiz ausmachen. Wachsende weltwirtschaftliche Verflechtung und unsere traditionell weltoffene Haltung führen zwangsläufig zu einem zunehmenden Einfluss ausländischer Firmen in der Schweiz. Die Verlagerung wirtschaftlicher Entscheidungszentren ins Ausland kann aber eine Unternehmenspolitik zur Folge haben, die den Bedürfnissen und Interessen der Schweiz widerspricht, die keine Rücksicht nimmt auf unsere Eigenart und die sich mit den Zielen unserer Wirtschaftspolitik nicht deckt. Im Rahmen der durch eine Motion angeregten Revision des Kartellgesetzes wird zu klären sein, ob dieses Gesetz so ausgestaltet werden kann, dass die ausländischen Direktanlagen überblickbar gemacht werden können.

764

Aussenhandelspolitik

Unser Wohlstand hängt in ausserordentlich hohem Masse vom Zugang und der Aufnahmefähigkeit der ausländischen Märkte ab. Die drohende Gefahr verstärkter Restriktionen des Zahlungs- und Warenverkehrs im Gefolge des amerikanischen Massnahmeprogramms vom August 1971 hat erneut erkennen lassen, dass unsere Ausfuhren trotz der seit mehr als zwei Jahrzehnten fortschreitenden Liberalisierung keineswegs vor Beschränkungen sicher sind.

Die Erhaltung unserer Auslandmärkte und die Förderung der Ausfuhrmöglichkeiten sind für uns nach wie vor das wichtigste Ziel unserer Aussenhandelspolitik.

Rund 60 Prozent unserer Ausfuhren gehen nach den Ländern der Europäischen Gemeinschaften und der EFTA. Die Freihandelsregelung mit den er-

1064 wetterten Europäischen Gemeinschaften und den restlichen EFTA-Mitgliedstaaten entspricht deshalb unserer Ausgangsposition. Auch in Anbetracht der weltweiten fortgesetzten Tendenz zur regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit empfiehlt sich eine angemessene institutionelle Sicherung unserer europäischen Wirtschaftsbeziehungen. Da andererseits 75 Prozent unserer Einfuhren aus diesem Raum stammen, sind die Voraussetzungen für ein ausgewogenes Abkommen gegeben.

Die Festigung unseres Verhältnisses zu Europa kann uns jedoch nicht von der Notwendigkeit entbinden, gleichzeitig die Beziehungen zur übrigen Welt zu pflegen. Dem Ausbau unserer Handelsbeziehungen zur aussereuropäischen Welt, handle es sich um die hochentwickelten Staaten in Übersee oder die Entwicklungsländer auf allen Kontinenten, kommt weiterhin grosse Bedeutung zu.

Die Gewichtsverlagerungen in den Welthandelsbeziehungen, verursacht durch die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften, den Aufstieg Japans zu einer führenden Industriemacht und die Zahlungsbilanzschwierigkeiten der Vereinigten Staaten, lassen die Durchführung einer neuen Welthandelsrunde im GATT zum Abbau der bestehenden Spannungen und zur Anpassung der Welthandelsregeln an die neuen Verhältnisse als dringlich erscheinen. Anfangs dieses Jahres haben die Vereinigten Staaten, die EWG und Japan ihre Absicht bekundet, unverzüglich eine Bestandesaufnahme der hauptsächlichsten Probleme und der verschiedenen denkbaren Verhandlungsmethoden durchzuführen, um 1973 eine umfassende neue Verhandlungsrunde einzuleiten. Jhr Ziel sollte darin bestehen, die Fortschritte, die wir auf dem Gebiete der Handelsliberalisierung in Europa erwarten, auf die weltweite Ebene auszudehnen. Der Fächer offener Fragen (Zolltarif, Landwirtschaft, verschiedenste nichttarifarische Handelshemmnisse) wird künftig umfangreicher, die Zahl der Gesprächspartner - namentlich wegen der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften - geringer sein. Die Schweiz als traditionelle Welthandelsnation wird diese Bemühungen aktiv unterstützen und sich für die Erhaltung der Wirksamkeit der internationalen Wirtschaftsorganisationen und den weiteren Ausbau der Ordnungsprinzipien des Welthandels einsetzen. Dabei wird der engen Verbindung zwischen Wirtschafts-, Währungs- und Handelspolitik, die in jüngster Vergangenheit
besonders augenfällig geworden ist, Rechnung zu tragen sein.

Im Interesse der Vermeidung autonomer Schutzmassnahmen und protektionistischer Rückschläge müssen die nötigen Instrumente geschaffen werden, um internationalen Gleichgewichtsstörungen ohne Beeinträchtigung der Welthandelsbeziehungen begegnen zu können.

Der Handel der Schweiz mit den Ländern Osteuropas liegt trotz der liberalen schweizerischen Handelspolitik noch auf einem verhältnismässig bescheidenen Niveau, betragen doch unsere Exporte nach diesen Ländern zur Zeit erst ca. 4,5 Prozent der Gesamtausfuhren. Der Ausbau des Wirtschaftsverkehrs mit den Staatshandelsländern, der allerdings in relativ engen Grenzen bleiben wird, drängt sich aus mehreren Gründen auf. Für uns geht es nicht zuletzt darum, das Interesse der Schweiz an der Führung einer autonomen und uni-

1065

verseilen Aussenwirtschaftspolitik unter Beweis zu stellen. Wir werden die im Gang befindliche Erneuerung der Wirtschaftsverträge in den nächsten Jahren weiterführen, um dem Handelsaustausch mit den Oststaaten grössere Bewegungsfreiheit zu verschaffen.

765

Währungspolitik

Zu den grundlegenden Problemen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen gehört die Wiederherstellung einer funktionsfähigen Weltwährungsordnung. Vordringlich war die im vergangenen Dezember erfolgte Bereinigung der Wechselkurse und die Rückkehr zu festen Paritäten, womit die Herstellung eines bessern Gleichgewichts im Zahlungsverkehr zwischen den wichtigsten Industrienationen in die Wege geleitet wurde.

Die Lösung der langfristigen Währungsprobleme kann nur durch eine Revision des bisherigen Systems von Bretton Woods herbeigeführt werden, wobei die Frage der Konvertibilität der Währung, insbesondere des Dollars, von entscheidender Bedeutung ist.

Mit Rücksicht auf unsere enge finanzielle und wirtschaftliche Verbundenheit mit dem Ausland wird der Bundesrat der Mitwirkung unseres Landes bei der Neugestaltung der Währungsordnung seine ganze Aufmerksamkeit schenken.

Weil der Währungsfonds in diesem Zusammenhang wahrscheinlich zunehmende Bedeutung erlangen wird und es je nach den Verhältnissen nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Schweiz zur Entgegennahme neuer Reservemittel gezwungen ist, erachten wir den Zeitpunkt für gekommen, die Kontakte mit den Institutionen von Bretton Woods hinsichtlich der Frage eines möglichen Beitrittes der Schweiz zu intensivieren.

Mit der Frage des Beitritts zum Internationalen Währungsfonds wird auch die Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 4. Oktober 1963 über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen zu prüfen sein.

766 Koordinationsgespräche mit den Kantonen über Haushalt- und Personalprobleme Ganz allgemein ist festzustellen, dass die wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten der Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden intensiver und enger werden. Diese in vielen Bereichen unumgängliche Verflechtung macht eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und Koordination aller Anstrengungen unerlässlich.

Im Hinblick auf die Budgetvorbereitungen für 1972 fanden erstmals Koordinationsgespräche zwischen den kantonalen Finanzdirektoren und dem Vorsteher des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes statt. Diese bezogen sich vor allem auf die Erfordernisse und Möglichkeiten einer konjunkturgerechten Budgetierung und einer der konjunkturellen Lage angepassten, koordinierten Personalpolitik der öffentlichen Hand.

1066 Dieser partnerschaftliche Dialog über Probleme einer den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragenden, koordinierten Haushaltpolitik von Bund und Kantonen soll - unabhängig von der konjunkturellen Lage weitergeführt und vertieft werden. Zu diesem Zwecke ist ein gemeinsamer Koordinationsausschuss für Budgetfragen und ein Arbeiti>aus$chuss für die Fragen im Bereiche des Personalwesens eingesetzt worden.

77

Strukturpolitik

In den letzten Jahren haben zwei Aspekte des Strukturwandels in der Wirtschaft die Öffentlichkeit in zunehmendem Masse beunruhigt und zu politischen Vorstössen geführt, nämlich das sich verstärkende regionale Entwicklungs- und Wohlstandsgefälle sowie die Unternehmungskonzentration, t) ber die Ziele und Massnahmen zur Harmonisierung der regionalen Entwicklung haben wir Ihnen im Zusammenhang mit der Entwicklungs- und Raumpolitik (Abschnitt 75) berichtet. Hier sei bloss auf den engen Zusammenhang zwischen Regionalstruktur und Unternehmungsgrössenstruktur, von der im folgenden die Rede ist, hingewiesen.

Unter dem Einfluss eines keineswegs auf die Schweiz beschränkten Konzentrationstrends, der sich aller Voraussicht nach noch verstärken dürfte, haben sich in jüngster Zeit im industriellen Bereich unserer Volkswirtschaft zahlreiche Firmenzusammenschlüsse und Fusionen in ungewohnt dichter Folge abgespielt. Wir sind uns der Probleme und Gefahren, die mit dem Konzentrationsprozess verbunden sind, bewusst. Bevor jedoch beurteilt werden kann, ob und allenfalls mit welchen Mitteln dem Konzentrationsprozess entgegenzuwirken ist, müssen die Bestimmungsgründe dieses Prozesses und vor allem der in unserem Lande erreichte Konzentrationsgrad geklärt sein.

Wir haben diese Abklärung vor einiger Zeit eingeleitet. Die Studienkommission für Preis-, Kosten- und Strukturfragen ist beauftragt, die Probleme von der wissenschaftlich-methodischen Seite her zu untersuchen; die Kartellkommission hat das Wesen, die Erscheinungsformen sowie das Ausmass der Konzentration und die damit verbundenen Gefahren der Marktmacht und des Machtmissbrauchs zu ermitteln. Sobald wir über den Tatbestand hinreichend Bescheid wissen, werden wir prüfen, was gegen übermässige Konzentrationsbewegungen sowie insbesondere gegen ihre allfälligen Gefahren und Nachteile politisch getan werden kann und soll. Dabei messen wir der Frage der rechtzeitigen Information über Konzentrationen, sowohl was die Behörden wie die Aktionäre und Arbeitnehmer fusionierender Betriebe betrifft, grosse Bedeutung bei.

In den meisten westlichen Industrieländern wird als politisches Gegengewicht zur Konzentrationsbewegung unter anderem die klein- und mittelbetriebliche Wirtschaft durch verschiedene staatliche Massnahmen gefördert. Auch wir studieren die Frage, ob der Staat sich der Klein- und Mittelbetriebe besonders annehmen soll. Wir möchten jedoch von Anfang an klarstellen, dass auf

1067 Grund des bei uns anerkannten Prinzips der freien, sozialen Marktwirtschaft, aber auch aus Wohlstands- und integrationspolitischen Gründen eine Politik der Förderung durch Privilegierung oder Protektion nicht in Frage kommen kann.

Auszugehen ist davon, dass die marktwirtschaftlichen Startbedingungen zwischen Gross- und Kleinbetrieben zum Teil sehr ungleich sind, indem die Grossunternehmung vielfach von den Früchten der staatlich finanzierten Ausbildung und Forschung weit mehr zu profitieren vermag als der Kleinbetrieb.

Ebenfalls ungleich liegen zum Teil die Möglichkeiten der Kredit- und Kapitalbeschaffung. Deshalb studieren wir seit einiger Zeit die Frage, was zum Ausgleich des strukturbedingten Unterschiedes in den Startbedingungen zugunsten der klein- und mittelbetrieblich strukturierten Wirtschaft getan werden könnte.

Nach dem von der Kommission zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ausgearbeiteten Konzept für eine wirtschaftlich motivierte Forschungsförderung durch den Bund soll künftig in vermehrtem Masse auf die Forschungsbedürfnisse der klein- und mittelbetrieblichen Wirtschaft Rücksicht genommen werden. Sobald die vom Wissenschaftsrat gegenwärtig bearbeitete Konzeption einer allgemeinen Forschungspolitik vorliegt, werden wir konkrete Anträge unterbreiten können.

Dabei handelt es sich in erster Linie darum, den aufgeschlossenen und leistungsfähigen Klein- und Mittelbetrieben durch Kontakt- und Informationshilfen den Anschluss an die Forschung zu erleichtern und jene Hochschulforschungen finanziell zu fördern, welche auch wirtschaftlich interessant sind. Zur unternehmungseigenen Forschung soll der Staat nur in besonders gelagerten Fällen finanzielle Beihilfe leisten.

Wir wollen ferner alle Massnahmen unterstützen, die den Klein- und Mittelbetrieben einen tüchtigen beruflichen Nachwuchs sichern und die dazu beitragen, ihren Beschäftigten dieselben beruflichen Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten wie grosse Unternehmen bieten zu können.

In Zeiten der Geld- und Kapitalverknappung sowie konjunkturpolitischer Kreditrestriktionen sind die Finanzierungsschwierigkeiten der Klein- und Mittelbetriebe besonders ausgeprägt. Diese Schwierigkeiten machen sich in den wirtschaftlich nachhinkenden Regionen noch in verschärfter Form bemerkbar.

Deshalb untersuchen wir im Zusammenhang
mit dem Entwicklungskonzept für das Berggebiet die Möglichkeiten., den für diesen Raum besonders wichtigen Klein- und Mittelbetrieben den Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt auf möglichst marktkonforme Weise zu erleichtem.

78 ArbeitsmarktpoHtik Unsere Arbeitsmarktpolitik hat davon auszugehen, dass sich das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt nicht von selbst einstellt oder durch konjunkturelle Massnahmen herbeigeführt werden kann. Sie muss drei Möglichkeiten ins

1068 Auge fassen: entweder dass der chronische Personalmangel sich auch in den nächsten Jahren stark bemerkbar machen wird - wofür gewichtige Indizien sprechen -, oder dass wegen einer Rückbildung der Konjunktur die Arbeitsmöglichkeiten zurückgehen werden. Es kann schliesslich nicht ausgeschlossen werden, dass in vielen Sektoren unserer Wirtschaft auch in Zukunft ein ausgeprägter Mangel an Arbeitskräften herrschen wird, dass aber gleichzeitig in ändern Wirtschaftszweigen Zeichen von Unterbeschäftigung (technologisch oder strukturell bedingte Teilarbeitslosigkeit) auftreten dürften.

Sollte sich erweisen, dass auch in den kommenden Jahren der Mangel an Arbeitskräften den hervorstechendsten Faktor bildet, so wird das Problem, wie trotz des starken Nachfragedruckes die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte auf einer tragbaren Höhe gehalten werden kann, die grössten Schwierigkeiten bereiten.

Unsere langfristige Politik verfolgt zwei Haupziele: einerseits die Stabilisierung der Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in der Schweiz, die mit der Zeit auch zu einer Stabilisierung der ausländischen Wohnbevölkerung führen wird; andererseits die Schaffung eines mehr oder weniger einheitlichen Arbeitsmarktes, Wir verstehen die Stabilisierung, die wir anstreben, so, dass die Zahl aller ausländischen Arbeitskräfte, ob es nun um Niedergelassene, Jahresaufenthalter oder Saisonarbeiter geht, insgesamt nicht mehr zunehmen soll. Dabei rechnen wir damit, dass wir auf diese Weise in einigen Jahren auch zu einer Stabilisierung der ausländischen Wohnbevölkerung kommen werden, selbst wenn die wirtschaftliche Entwicklung gleich wie in den vergangenen Jahren verläuft.

Einschneidende Beschränkungsmassnahrnen mit allen ihren Konsequenzen werden weiterhin unvermeidlich sein, wobei sie so gestaltet werden müssen, dass sie die aus wirtschaftlichen und politischen Gründen notwendigen Verständigungen mit den umliegenden europäischen Staaten nicht verunmöglichen. Mit dem 1970 eingeführten neuen System, das den Übergang von der Betriebsplafonierung zur Globalplafonierung vollendete, ist die Stabilisierung für weite Bereiche von Industrie und Gewerbe möglich geworden.

Noch nicht erreicht ist dieses Ziel bei denjenigen Wirtschaftszweigen, die Arbeitskräfte beschäftigen können, welche der Bewilligung nach als Saisonarbeitskräfte gelten,
in Wirklichkeit aber keine Saisonarbeitskräfte sind.

Auf die Dauer geht es nicht an, ausländischen Arbeitnehmern, die praktisch dauernd beschäftigt werden, eine angemessene Freizügigkeit und ein geordnetes Familienleben vorzuenthalten. Eine Änderung des für die Saisonarbeitskräfte geltenden Systems drängt sich deshalb auf. Mit diesem neuen System ist eine zweifache Zielsetzung verbunden: die unechten Saisonniers müssen allmählich Jahresaufenthaltsbewilligungen erhalten und gleichzeitig muss die Schaffung neuer unechter Saisonarbeitsverhältnisse verhindert werden. Diese Korrektur im Sinne einer Anpassung an die tatsächlichen Verhält-

1069 nisse erschwert natürlich die Stabilisierung, weshalb die Umwandlungen nur schrittweise durchgeführt werden können.

Wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht entscheidend ändern, wird die Schweiz in den nächsten Jahrzehnten Hunderttausende von jungen Ausländern zählen, die menschlich und wirtschaftlich weitgehend in unser Leben integriert sind. Welches Verhältnis die Schweizer zu dieser Volksgruppe finden, ist ein staatspolitisches Problem erster Ordnung, dessen Behandlung beschleunigt werden muss. Im Sinne einer weiteren Überfremdungsabwehr ist die Assimilation dieser Ausländer zu fördern und für die in der Schweiz aufgewachsenen ausländischen Kinder die Einbürgerung zu erleichtern. Verständnis der Einheimischen für eine gewisse Andersartigkeit, der Wille der Einwanderer zur Anpassung an hiesige Lebens- und Gemeinschaftsformen, gegenseitige Information, gleiche Chancen bezüglich Schulung, Weiterbildung sowie Unterkunft und die «Vermenschlichung» des Verhältnisses zwischen Behörden und Ausländern bilden Grundvoraussetzungen einer solchen Assimilation.

Einer technologisch oder strukturell bedingten Teilarbeitslosigkeit muss unseres Erachtens in erster Linie durch Verstärkung der Mobilität der Arbeitnehmer begegnet werden, um auf diese Weise den gewünschten Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Diese Zielsetzung erfordert die Förderung von Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Ausrichtung von Entschädigungen für Verdienstausfall und Versetzungskosten. Die vorhandenen Möglichkeiten aufgrund des geltenden Rechts sind ungenügend, weshalb wir beabsichtigen, die Arbeitslosenversicherung durch eine den heutigen Verhältnissen angepasste Zweckerweiterung in ein arbeitsmarktpolitisches Instrument umzuwandeln. Diese Zweckerweiterung setzt grundlegende organisatorische Änderungen voraus, die den Forderungen nach Vereinfachung und Rationalisierung entsprechen. Alle diese Neuerungen lassen sich jedoch nur durch eine Änderung der Bundesverfassung verwirklichen. Das kürzlich eingeleitete Vernehmlassungsverfahren wird uns Klarheit verschaffen, ob auf dem skizzierten Weg weitergegangen werden soll oder ob sich andere Lösungen zur Sicherung der Beschäftigungsmöglichkeiten und zur Milderung der Härten des Umstrukturierungsprozesses aufdrängen.

Die Wahrung des Arbeitsfriedens,
der wesentlich zur Steigerung des Wohlstandes in unserem Land beigetragen hat, wird entscheidend vom Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik abhängen. Zur Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer, insbesondere zu deren Ausbaufähigkeit, werden wir Ihnen aufgrund der eingereichten Volksinitiative bis zum August 1973 einen Bericht zugehen lassen. Darin wird u.a. zu untersuchen sein, wieweit in der Schweiz Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer verwirklicht sind und in welcher Beziehung allfällige Lücken bestehen. Unsere Abklärungen sind noch nicht soweit gediehen, um schon jetzt erklären zu können, welche Lösung unserer Ansicht nach angestrebt werden soll.

1070

8

Institutionelle und instrumentale Fragen 81

8H

Ausbau des sozialen Rechtsstaates

Anpassung der Rechtsordnung an die veränderte Gesellschaftssituation

Unser Privat- und Strafrecht bedarf angesichts der geistigen, materiellen und sozialen Veränderungen, welche die letzten Jahrzehnte gekennzeichnet haben, einer grundlegenden Erneuerung. So befindet sich die etappenweise durchzuführende Reform des Familienrechts im Stadium der Verwirklichung, wobei Vorkehren getroffen worden sind, um den Gang der Arbeiten so weit zu beschleunigen, als die Vielschichtigkeit der Materie es zulässt. Vor allem sind wir bemüht, die Revision des Eherechts voranzutreiben, das mit den Grundsätzen der Gleichberechtigung und der Partnerschaft in der Ehe besser in Einklang gebracht werden muss. Im Lauf der Legislaturperiode werden wir Ihnen eine Vorlage auf Revision des entsprechenden Teils des Zivilgesetzbuches zuleiten, desgleichen eine solche betreffend das Kindschaftsrecht.

Im übrigen wird es ganz allgemein unser Bestreben sein, bei künftigen gesetzgeberischen Akten dem Gedanken der Gleichberechtigung der Frau zum Durchbruch zu verhelfen.

Im Hinblick darauf, dass zahlreiche Unternehmungen in die Rechtsform der Aktiengesellschaft gekleidet sind, messen wir auch der Revision des Aktienrechts grosse Bedeutung bei. Wir werden den Zwischenbericht, den die mit der Vorbereitung dieser Revision betraute Expertenkommission demnächst erstatten wird, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, damit die Experten sich bei der Bereinigung ihrer Empfehlungen auf möglichst viele Anregungen stützen können.

Im Anschluss an den Allgemeinen Teil soll nun auch der Besondere Teil des Strafgesetzbuches einer Revision unterzogen werden, die sich um so mehr aufdrängt, als die geltende Regelung der einzelnen Straftatbestände im wesentlichen auf Vorarbeiten zurückgeht, die noch Ende des letzten Jahrhunderts aufgenommen wurden.

812

Entscheidungsmechanismus

Die Zunahme und Komplexität der Staatsaufgaben, sowie deren Interdependenz zeigen, dass mit den herkömmlichen Methoden die Probleme nicht mehr rechtzeitig gemeistert werden können. Wir studieren die Frage, wie die Methoden zur Erarbeitung von Entscheidungsvarianten und der Entscheidungsprozess verbessert werden kann, unter Heranziehung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Sodann suchen wir Mittel und Wege, um den ungewöhnlich schleppenden Gang einzelner Gesetzgebungsarbeiten zu beschleunigen.

1071

Die Frage der Entscheidungsmechanismen weist neben jenem der Wirksamkeit noch andere Aspekte auf. Im Vordergrund steht das Bedürfnis, die Mitwirkung möglichst vieler Kreise am Entscheidungsprozess sicherzustellen.

Angesichts der verbreiteten Befürchtung, die Grundsatzfragen würden in kleinen Fachgremien oder unter dem Einfluss von Interessenverbänden entschieden, dürfen keine Anstrengungen gescheut werden, um das Interesse recht vieler Mitbürger an den Zukunftsaufgaben unseres Landes zu wecken und sie dafür zu gewinnen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

813 Mitbestimmung bei der Gestaltung der persönlichen Umwelt Angesichts der Bevölkerungsexplosion, der technischen Errungenschaften, der Reklameflut und der Machtballungen aller Art erliegt der heutige Mensch vielfach dem Gefühl, einem Schicksal ausgeliefert zu sein, dessen Bahn er in keiner Weise zu bestimmen vermag und Zwängen unterworfen zu sein, welche die Entfaltung seiner Persönlichkeit hemmen.

Wir befürworten eine Gesellschaft, die es dem Einzelnen besser ermöglicht, in der Familie, im Betrieb oder in der staatlichen Gemeinschaft seine eigenen Ansichten und seine persönlichen Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. Dass diese Vermenschlichung der Gesellschaft Wirklichkeit werde, hängt nicht allein von den Behörden ab. Soweit die Behörden dazu beitragen können, steht ihnen der Ausbau des Rechtsstaates, der politischen und persönlichen Freiheiten und der Sozialrechte zur Verfügung.

In diesem Sinne werden wir Ihnen im Laufe der Legislaturperiode eine Vorlage zugehen lassen, welche den Ausbau des Rechtsmittels der staatsrechtlichen Beschwerde betrifft und eine Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers anstrebt. Einem verstärkten Schutz des Persönlichkeitsrechts dient die Revision der entsprechenden Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts, die wir vor einiger Zeit in die Wege geleitet haben.

Dieses Vorhaben und die vor drei Jahren erfolgte Erweiterung des Verwaltungsrechtsschutzes schliessen ein Bedürfnis nach einer zusätzlichen Kontrolle der Verwaltung durch eine unabhängige Instanz nicht aus. Die Verwaltung weckt in manchem Bürger gelegentlich ein Gefühl der Ohnmacht und des Misstrauens. Wir werden den eidgenössischen Räten daher im Laufe der Legislaturperiode einen Bericht zugehen lassen über die Frage, ob eine
Einrichtung nach dem Vorbild des nordischen Ombudsmans eine Lücke zu schliessen vermag und geeignet ist, das Vertrauen zu Behörden und Verwaltung zu stärken.

Ob wir in diesem Bericht zu konkreten Anträgen kommen werden, lässt sich heute noch nicht sagen.

In jüngster Zeit wurden Stimmen laut, die geltend machten, viele Bürger scheuten - nicht zuletzt infolge der Schwerfälligkeit und des Kostenrisikos des Verfahrens - vor der Beschreitung des Zivilrechtsweges zurück, was die Privatrechtsordnung als solche in ihrer Wirksamkeit gefährde. Es erscheint uns daher

1072

als notwendig, einmal untersuchen zu lassen, inwieweit der einzelne Bürger von seinen Rechten noch Gebrauch macht und inwiefern das Privatrecht dazu beitragen kann, die freie Entfaltung der Persönlichkeit sicherzustellen. Wir sehen auch hier vor, die Ergebnisse der Untersuchung den eidgenössischen Räten in Form eines Berichtes zu unterbreiten.

82

Behörden- und Vcrwaltungsapparat

821 Neues Verwaltungsorganisatiomgeseîz Die grossen und ständig wachsenden Aufgaben der Exekutive im modernen Staat erheischen auch eine zeitgemässe Organisation und eine zweckmässige Ordnung der Funktion auf Regierungs- und Verwaltungsebene. Nur so können diese Aufgaben sach- und vor allem auch zeitgerecht erfüllt werden.

Gestützt auf den im November des letzten Jahres publizierten Bericht der Expertenkommission für die Totalrevision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung werden wir Ihnen noch in diesem Jahr eine Botschaft zugehen lassen. Die darin zu beantragenden Reformen stellen das Kernstück jener Neuordnung dar, die notwendig sind, wenn der Staat seine Leistungsfähigkeit und seinen Zusammenhalt bewahren will.

Zentrales AnHegen unserer Reformvorschläge wird es sein, die Regierung noch besser in die Lage zu versetzen, ihre Regierungsfunktionen wahrzunehmen.

Dabei werden wir vom Kollegialprinzip als dominante Maxime der Reform ausgehen. Unsere Botschaft wird sich in diesem Zusammenhang unter anderem emlässlich zur Frage der Zahl der Bundesrate aussern sowie die positiven und negativen Aspekte der verschiedenen Lösungsmoglichkeiten aufzeigen.

Unter dem Stichwort Entlastung des Bundesrates und der Departementsvorsteher werden wir vor allem auch zum Thema Einführung von Staatssekretären eingehend Stellung nehmen.

Die zunehmende Interdependenz aller Probleme wird uns veranlassen, im Organisationsgesetz den Fragen der Zusammenarbeit unter den verschiedenen Verwaltungszweigen und den Koordinationsproblemen auf Regierungs- und Verwaltungsstufe besondere Beachtung zu schenken. Unter diesem Titel wird unter anderem auch die Aufgabenverteilung und das Zusammenspiel der Abteilungen und Zweige der Bundesverwaltung, die sich mit Entwicklungshilfe befassen, zu überprüfen sein. Es geht darum, das notwendige grössere Volumen an Entwicklungs- und humanitärer Hilfe bewältigen und eine kohärente Entwicklungspolitik noch besser realisieren zu können.

Ein besonderes Kapitel stellt die organisatorische Ordnung des Bildungswesens dar, soweit es vom Bunde betreut werden muss. Die heutige Situation ist durch eine Vielzahl von Koordinationsgremien gekennzeichnet, ein Zustand, der offensichtlich auf die Dauer nicht zu befriedigen vermag. Spätestens im Zusammenhang mit der Totalrevision des Hochschulförderungsgesetzes werden

1073

wir daher diesen Organisationskomplex einer grundsätzlichen Überprüfung und Neuordnung unterziehen, insbesondere mit dem Ziel, die Koordination in möglichst einfacher Weise wirksam sicherzustellen.

Zur Erfüllung der Aufgaben, welche die Verfassung dem Bunde in Artikel 22«ua.ter übertragen hat, bedarf es einer Raumplanungsorganisation, die aus zwei Hauptelementen bestehen wird: ein Kooperationsinstrument (Rat für Raumplanung), das die Brücken vom Bund zu den Kantonen und von den Behörden zur Wirtschaft und zur Wissenschaft schlägt, sowie eine Raumplanungsstelle (Amt für Raumplanung), welche alle raumwirksamen Tätigkeiten des Bundes aufeinander abstimmt und die Sachplanungen auf gesamtplanerische Ziele ausrichtet.

822

Überprüfung der Aufgabenverteilung von Legislative und Exekutive

Nach Verwirklichung der Totalrevision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung wird sich die Frage stellen, ob in einer weitern Reformstufe eine Neuordnung des Aufgabenkatalogs von Bundesversammlung und Bundesrat (Art. 85 und 102 BV) vorgenommen werden soll. Wir werden diese Frage zu gegebener Zeit in engstem Kontakt mit den eidgenössischen Räten abklären, wobei zu untersuchen sein wird, ob diese Problematik in den Bereich der Totalrevision der Bundesverfassung gehört oder nicht. Die von uns eingesetzte Arbeitsgruppe für die Vorbereitung einer allfälligen Totalrevision der Bundesverfassung wird uns innert Jahresfrist ihren Schlussbericht zugehen lassen. Wir werden alsdann entscheiden, ob und allenfalls in welcher Form die Arbeiten weiterzuführen sind und ob sich nicht der Totalrevision vorausgehend gewisse Teilrevisionen der Bundesverfassung aufdrängen.

823

Wahlrechtsreform

Das geltende eidgenössische Wahlrecht muss unseres Erachtens in verschiedener Hinsicht einer Überprüfung unterzogen werden. Auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre sowie verschiedener parlamentarischer Vorstösse stehen namentlich folgende Punkte zur Diskussion: - Wahl- und Stimmrechtsalter bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen - Umschreibung der Nationalratswahlkreise - Beibehaltung oder teilweises Abgehen vom Proportional-Wahlsystem - Berechnungsgrundlagen für die Zahl der Nationalratsmandate der einzelnen Kantone (Gesamtbevölkerung oder schweizerische Bevölkerung).

Wir erwarten einen Bericht einer Arbeitsgruppe der Bundeskanzlei zu diesen Fragen, worauf wir das weitere Vorgehen festlegen und darüber die Bundesversammlung orientieren werden.

Bezüglich der Umschreibung der Wahlkreise für den Nationalrat besteht allerdings eine gewisse Dringlichkeit, wenn die Kantone die Möglichkeit erhalBundcsblati. 124.1ahrg. Bd.I

68

1074 ten sollen, gestützt auf allfällige neue eidgenössische Bestimmungen ihre kantonalen Gesetze noch vor dem nächsten Wahlgang im Jahre 1975 anzupassen.

Erfahrungen mit dem Initiativrecht, den Bestimmungen über das Referendum sowie mit dem Bundesgesetz über die Nationalratswahlen haben ferner gezeigt, dass auch hier eine Revision anzustreben ist. Ein Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Ausübung der politischen Rechte, der alle eidgenössischen Bestimmungen über Initiative, Referendum, Wahlen und Abstimmungen umfasst, wird 1973 ins Vernehmlassungsverfahren gegeben. Im Rahmen dieser Revision wird insbesondere auch das Problem der Sammellisten bei den Nationalratswahlen zu untersuchen sein.

83 Stellung der Parteien 831

Verfassungsrechtliche Verankerung

Die privaten Verbände nehmen gegenüber den politischen Parteien insofern eine Vorrangstellung ein, als sie in verschiedenen Sachbereichen von Verfassungs wegen bei der Gesetzesvorbereitung anzuhören sind und beim Gesetzesvollzug zur Mitwirkung herangezogen werden können. Die Mittlerrolle, welche die Parteien in in unserer Referendumsdemokratie zwischen dem einzelnen Bürger und den staatlichen Behörden zu erfüllen haben, wird indessen nicht bestritten.

Eine von uns veranstaltete Umfrage zur künftigen Stellung der Parteien im Staat hat ergeben, dass die Schaffung eines Parteienartikels in der Bundesverfassung mehrheitlich befürwortet wird. Wir werden Ihnen noch in der laufenden Legislatur eine Botschaft mit konkreten Anträgen unterbreiten.

832

Finanzierung

Da und dort wird die Auffassung vertreten, Zuwendungen der öffentlichen Hand könnten geeignet sein, die Unabhängigkeit der Parteien gegenüber dem Staat in Frage zu stellen und überdies Zweifel an der Fähigkeit und Bereitschaft der Aktivbürger aufkommen lassen, aus eigener Kraft jene Organisationen zu schaffen und zu erhalten, deren sie zur politischen Willens- und Entscheidungsbildung bedürfen. Auf der ändern Seite mehren sich die Stimmen, die auf die dürftige Ausstattung der Parteien mit materiellen Mitteln aufmerksam machen und auf die auch im finanziellen Bereich ständig zunehmende Abhängigkeit der Parteien von wirtschaftlichen Interessengruppen hinweisen.

Die Stellung des Staates zu den Parteien muss überdacht werden, wobei auch die Möglichkeit staatlicher Hilfsmassnahmen nicht zum vornherein ausgeschlossen werden darf.

In einer Umfrage haben die Parteien und Fraktionen sich mehrheitlich die endgültige Stellungnahme vorbehalten; nur vereinzelt ist eine staatliche Unterstützung vorbehaltlos bejaht oder verneint worden. Wir werden mit den Par-

1075 teien und Fraktionen die Grundsatzfrage weiter diskutieren und auch konkrete Vorschläge über mögliche Lösungen erarbeiten.

84 Beziehungen Bund/Kantone 841 Bundesstaatliche Aufgabenverteilung In jüngster Zeit wird der Ruf nach einer Überprüfung der geltenden Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen immer stärker. Das Problem ist durch die zunehmende Verschlechterung der Finanzlage der Kantone besonders aktuell geworden, wie auch eine im Nationalrat eingereichte Motion zeigt.

Schon unter diesem Gesichtspunkt drängt sich eine nähere Abklärung auf.

Es wäre jedoch verfehlt, nur den finanzwirtschaftlichen Aspekt der Aufgabenverteilung zu sehen. Wir haben es vielmehr mit einer staatspolitischen Grundfrage unserer föderalistischen Demokratie zu tun. Die zunehmende Interdependenz aller Probleme, von der wir unter Ziffer 52 dieses Berichtes bereits gesprochen haben, führt zwangsläufig zu einer verstärkten Aktivität des Bundes und damit zu einer Verlagerung der Gewichte auf den Zentralstaat. Diese Tendenz ist vom Standpunkt der Erhaltung der föderativen Struktur unseres Staates nicht unbedenklich. Es gilt deshalb, die Aufgabenverteilung BundKantone auch im Lichte der Erfordernisse der heutigen und künftigen Umweltbedingungen einerseits wie der Wahrung des föderativen Charakters unseres Staatswesens andererseits neu zu überdenken. Wir betrachten diese Untersuchungen als ein zentrales Anliegen der laufenden Legislatur und haben Auftrag gegeben, abzuklären, wie eine solche umfassende Studie über diese äusserst komplexe Materie am zweckmässigsten an die Hand genommen wird und ob sich in der Praxis nicht ein schrittweises Vorgehen aufdrängt.

842 Konkordate: Allgemeinverbindlicherklärung und andere Fragen Obschon das notwendige verfassungsrechtliche Instrumentarium für die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen vorhanden ist (Art. 7 BV), nach unserer Ansicht aber nicht voll ausgeschöpft wird, mehren sich die Stimmen, die eine Überprüfung der Verfassungsgrundlagen anregen. Heikle Fragen staatsrechtlicher und staatspolitischer Natur wirft insbesondere die Forderung auf, dem Bund die Befugnis einzuräumen, interkantonale Konkordate unter bestimmten Voraussetzungen auch für die nicht beigetretenen Kantone verbindlich zu erklären.

Gründlicher Abklärung bedarf auch die Forderung, Kompetenzen, die dem Bund
bzw. Bundesorganen zustehen, interkantonalen Organen zu übertragen. Organe dieser Art sind schon heute mit Rechtsetzungs-, Rechtsprechungs- und Vollzugsfunktionen betraut, doch handelt es sich regelmässig um konkordatsinterne, also kantonalrechtliche Funktionen. Die Übertragung von Bundeskompetenzen erscheint schon aus der Sicht einer klaren bundesstaatlichen Kompetenzausscheidung als problematisch, auch wenn nicht in erster

1076

Linie an materielle Bundeskompetenzen gedacht wird, sondern eher an Rechtsprechungs- und Aufsichtsbefugnisse.

Wir sind bereit, die mit einer Revision des Konkordatsrechts zusammenhängenden Fragen zu prüfen.

843 Schaffung ständiger Kontakt- und Koordinationsgremien Die Kooperationsmöglichkeiten der Kantone erschöpfen sich keineswegs in konfcordatsrechtlichen Regelungen und in der Schaffung entsprechender interkantonaler Organe. Für die ausservertragliche Zusammenarbeit zum Zweck der Koordination, der Konsultation oder der Information gibt es zahlreiche Organisationsformen, die je nach dem Wirkungsbereich gesamtschweizerischen oder bloss regionalen Charakter aufweisen.

Angesichts der Vielfalt und der Vielschichtigkeit der modernen Aufgaben drängt sich in vielen Belangen eine noch engere Zusammenarbeit der Kantone auf. Eine funktionstüchtige und verstärkte Kooperation lässt sich aber ohne gleichzeitigen Ausbau des technischen Instrumentariums kaum bewerkstelligen. Im Vordergrund steht die Schaffung eines ständigen Organs in Form einer Kontakt- und Koordinationsstelle. Wir werden zusammen mit den Kantonen prüfen, wie sie am zweckmässigsten zu verwirklichen wäre und ob allenfalls weitere taugliche Kooperationsformen in Erwägung gezogen werden könnten.

85 Beziehungen der Sozialpartner Den Sozialpartnern kommt bei der Lösung wichtiger Landesaufgaben, namentlich auch im Bereiche der Wirtschaftspolitik, grosse Bedeutung zu. Sie sind massgebend an der wirtschaftspolitischen Willensbildung und Entscheidflndung beteiligt und beeinflussen durch ihr Verhalten die Wirtschafts- und Konjunkturentwicklung nachhaltig. In unserer föderalistischen Referendumsdemokratie, in welcher der wirtschaftliche Gestaltungsauftrag des Staates begrenzt ist, erweist sich die Mitwirkung der Sozialpartner bei der Wirtschaftsund insbesondere bei der Konjunkturpolitik unserer Ansicht nach als unentbehrlich.

Mit Gesprächen und allfälligen Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Sozialpartnern sollen allerdings die herkömmlichen politischen Institutionen keineswegs ausgeschaltet, soll das Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Parteien und des Parlaments nicht eingeengt werden. Vielmehr wollen wir versuchen, für Probleme, die die Interessen beider Sozialpartner direkt berühren, gemeinsame Beurteilungsgrundlagen zu erarbeiten und
Lösungsmoglichkeiten zu sichten. Voraussetzung für ein fruchtbares Gespräch ist die Erkenntnis, dass namentlich im Hinblick auf die Wahrung und Förderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts und sozialen Friedens im Inland sowie der internationalen Konkurrenzfähigkeit Staat und Sozialpartner aufeinander angewiesen sind und

1077

eine Schicksalsgemeinschaft bilden. In diesem Sinne ist der Bundesrat willens, in diesem Jahr Gespräche mit den Sozialpartnern aufzunehmen.

Vorerst wird es darum gehen, die zu behandelnden Probleme zu inventarisieren und nach Dringlichkeit zu gewichten. Bei der derzeitigen Wirtschaftslage kämen für die ersten Gespräche etwa folgende Themen in Frage: Konjunkturlage und -aussiebten, Verfassungsartikel für die Konjunkturstabilisierung, Spielregeln für den Fall von Arbeiterentlassungen infolge Betriebsstilllegungen und -Zusammenschlüssen, kurz- und mittelfristige Arbeitsmarktpolitik.

Da die Gespräche ihren Zweck nur dann zu erfüllen vermögen, wenn sie kontinuierlich und nicht erst bei Ungleichgewichtslagen und in Konfliktsfällen geführt werden, wird sich auch die Frage einer allfälligen Institutionalisierung dieser Aussprachen stellen. In diesem Zusammenhang gilt es, ein mögliches Missverständnis zu vermeiden. Fragen der Einkommenspolitik sind grundsätzlich Sache der Sozialpartner. Der Bund beabsichtigt nicht, über den bisherigen Bereich hinaus (insbesondere Landwirtschaft und sozialer Ausgleich) mit allgemeinen einkommenspolitischen Massnahmen in die Verteilung des Volkseinkommens einzugreifen. Für eine leistungs- und sozialgerechte Einkommensverteilung sind die Marktkräfte und entsprechende Vereinbarungen der Sozialpartner massgebend. Die Lage wäre allerdings neu zu überdenken, wenn diese unter ausserordentlichen Bedingungen Fehlentwicklungen nicht zu verhindern vermöchten.

IV. Finanzielle Aspekte Wenn die im Richtlinienprogramm (Kapitel III) aufgeführten neuen Aufgaben so erfüllt werden könnten, wie dies von der Sache her wünschenswert wäre, würden die Bundesausgaben nach heutigen Schätzungen im Jahre 1975, je nach Ausmass und zeitlicher Staffelung, bis auf 15 Milliarden ansteigen. Gegenüber dem Budget 1972 käme dies einer Steigerung um rund SO Prozent innerhalb von drei Jahren gleich. Ein verhaltnismässig starker, zum Teil erheblich über dem zu erwartenden Wachstum des Bruttosozialprodukts liegender Anstieg zeichnet sich bei den Ausgaben für Unterricht und Forschung, für die Soziale Wohlfahrt sowie für den Verkehr ab, während sich die Aufwendungen für die Landwirtschaft und für die Landesverteidigung ungefähr im Rahmen des durchschnittlichen Wirtschaftswachstums bewegen dürften. Infolge bedeutender
Mehraufwendungen, die heute - wie zum Beispiel auf dem Gebiete der AHV - zum Teil schon beschlossen sind, muss ab 1973 mit einer zunehmenden Anspannung im Bundesfinanzhaushalt gerechnet werden. So wiesen bereits die für 1973 und 1974 veröffentlichten Finanzpläne Ausgabenüberschüsse von 511, bzw. 578 Millionen auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei den meisten der neuen Vorhaben die finanziellen Auswirkungen erst gegen Ende der laufenden Legislaturperiode einsetzen und diese Massnahmen den Bundeshaushalt somit erst in spätem Jahren mit ihrem vollen Gewicht belasten werden. In den erwähnten Zahlen sind zudem noch keine zusätzlichen Belastungen enthalten,

1078 die sich für den Bund allenfalls aus einer Änderung der Aufgabenverteilung im Verhältnis zu den Kantonen ergeben könnten.

Wenn es heute nach den bisherigen Erfahrungen auch noch schwierig ist, für 1975 und später genaue Zahlenprognosen zu erstellen, so steht doch schon fest, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen werden, um alle Vorhaben gleichzeitig und im gewünschten Ausmass zu verwirklichen. Selbst bei günstigem Verlauf der Einnahmen müsste sonst gegen Ende der Legislaturperiode mit jährlichen Defiziten in der Grössenordnung von einer Milliarde gerechnet werden. Der Realisierung des Programms werden jedoch bereits von den Kapazitäten her gewisse Grenzen gesetzt sein. Um die Kräfte des Landes nicht zu überfordern, werden die einzelnen Massnahmen mittels der noch weiter auszubauenden Finanzplanung so aufeinander abzustimmen sein, dass gesamthaft ein vertretbarer finanzieller Rahmen eingehalten werden kann. Dieses Ziel wird sich nicht allein von der Ausgabenseite her, durch eine Staffelung nach Prioritäten, erreichen lassen.

Eine wachsende Volkswirtschaft stellt zwangsläufig zunehmende Anforderungen an den Staat. Wenn unsere marktwirtschaftliche Ordnung auch grundsätzlich auf der privatwirtschaftlichen Tätigkeit und Initiative beruht, so bildet der rechtzeitige Ausbau der Infrastruktur doch eine wesentliche Voraussetzung für ein harmonisches wirtschaftliches Wachstum, Entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung stellen sich auch Aufgaben auf sozialpolitischem Gebiet.

Soweit es aus finanzwirtschaftlichen Gründen, d. h, im Hinblick auf die Notwendigkeit, den Haushalt langfristig im Gleichgewicht zu halten, wie auch mit Rücksicht auf konjunkturpolitische Erfordernisse nötig ist, bei der Aufgabenerfüllung nach Prioritäten vorzugehen, wollen wir wachstumsfördernden Vorhaben den Vorrang einräumen, allerdings unter dem Vorbehalt des Umweltschutzes.

Rechnung tragen werden wir ferner dem Gesichtspunkt einer sinnvollen staatlichen Aufgabenteilung, der Verbesserung der Einkommensverteilung, der Planung auf den betreffenden Gebieten wie auch der zeitlichen Dringlichkeit.

Bei der Beurteilung der Einnahmenseite ist zu beachten, dass der Verlauf der Einnahmen in starkem Masse von der wirtschaftlichen Entwicklung während der in Frage stehenden Periode abhängt. Da wesentliche
Bundeseinnahmen, wie vor allem die Verbrauchssteuern und die Zölle, auf die konjunkturelle Entwicklung kurzfristig und verhältnismässig stark reagieren, sind Einnahmenschätzungen auf längere Sicht immer problematisch, dies ganz besonders heute. Andere Fiskaleinnahmen, wie vor allem die Verrechnungssteuer, aber auch die Stempelabgaben, werden von nicht messbaren ausserökonomischen Faktoren beeinflusst. Sollte die Einnahmenkurve, was bei der Unsicherheit in den Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht ausgeschlossen ist, in den kommenden Jahren weniger steil als bisher verlaufen, so wird der Bund kaum mehr in der Lage sein, auch nur die im Rahmen der heutigen Aufgaben anfallenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen zu decken. Dazu kommt, dass früher als noch vor einiger Zeit angenommen, aus dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der EWG namhafte Ausfälle bei den Zollein-

1079 nahmen zu erwarten sind. Diese lassen sich allerdings noch nicht genau vorausberechnen, hängen sie doch stark von der Detailgestaltung der Abmachungen über die Beibehaltung oder Beseitigung von Fiskalzöllen (zur Hauptsache Zölle auf Mineralölprodukten, Autos und Kaffee) ab. Im weitern dürfen solche Berechnungen nicht bloss statisch vorgenommen werden; es muss vielmehr auch der mutmasslichen künftigen EinfuhrentwickJung Rechnung getragen werden. Nach dem Zeitplan für die Verhandlungen wäre bereits im Jahre 1973 mit ersten Ausfällen zu rechnen, die nach den heute möglichen Schätzungen innerhalb eines Zeitraumes von 5-6 Jahren von etwa 150 Millionen (1973) bis auf etwa l Milliarde (1978) ansteigen können.

Damit verschiebt sich das Verhältnis der direkten Steuern zu den Verbrauchsabgaben, insbesondere angesichts der steigenden Belastung durch kantonale Steuern, erneut immer stärker zu Lasten der ersteren. Eine solche Entwicklung würde derjenigen im europäischen Wirtschaftsraum direkt zuwiderlaufen.

Es liegt auf der Hand, dass Einnahmenausfälle in dieser Größenordnung ausgeglichen werden müssen. Kurzfristig ist es indessen ausgeschlossen, im Wege der Verfassungsänderung zusätzliche Steuereinnahmen zu erschliessen. Zur Kompensation der Zollausfälle wird vielmehr die mit dem Bundesbeschluss vom 11. März 1971 über die Weiterführung der Finanzordnung des Bundes geschaffene sogenannte Elastizitätsreserve bei der Warenumsatzsteuer heranzuziehen sein.

Dies bedeutet, dass gestützt auf Artikel 41ter Bundesverfassung im Wege der Gesetzgebung die Sätze dieser Steuer um 10 Prozent zu erhöhen sein werden. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen vermöchten aber bereits die ab 1975 zu erwartenden Ausfälle nicht mehr zu decken. Daher muss ein weiterer Ausbau der allgemeinen Verbrauchssteuer ins Auge gefasst werden.

Zwar besteht im Rahmen der heutigen verfassungsrechtlichen Schranken auch bei der direkten Bundessteuer (heute noch als Wehrsteuer bezeichnet) eine sogenannte Flexibilitätsreserve. Diese wird indessen zur Deckung von zusätzlichen Ausgaben beansprucht werden müssen, abgesehen davon, dass es von der Sache her gesehen nicht richtig wäre, ausfallende Zölle, d. h. Konsumabgaben, durch eine direkte Steuer zu kompensieren. Da die vorhandenen Flexibilitätsreserven kaum ausreichen werden, um einerseits die
Zollausfälle und andererseits den steigenden Finanzbedarf infolge Zunahme der Ausgaben zu decken, und einer Erhöhung der Bundessteuer über die verfassungsrechtlichen Schranken hinaus die Ansprüche der Kantone auf dasselbe Substrat entgegenstehen, müssen die Rechtsgrundlagen für eine weitere Erhöhung der Warenumsatzsteuer geschaffen werden. Einer Erhöhung der Sätze bei der heutigen Warenumsatzsteuer sind indessen vom System her Grenzen gesetzt. Dies bedeutet, dass die Frage der Einführung einer Umsatzsteuer nach dem Mehrwertsystem früher als bisher erwartet entschieden werden muss. Es werden deshalb in Zusammenarbeit von Verwaltung und Wirtschaft einlässliche Studien über die mögliche Ausgestaltung einer solchen Steuer in unserem Land, unter Verzicht auf die ursprüngliche in Aussicht genommene Ausarbeitung eines Ausführungsgesetzes für die Warenumsatzsteuer, das ohnehin nur zu eher geringfügigen

1080 Änderungen an der heutigen Ordnung führen könnte, in Weiterführung und Vertiefung bisheriger Vorarbeiten in Angriff genommen werden müssen.

Das ändert indessen nichts daran, dass der zurzeit von einer Expertenkommission ausgearbeitete Entwurf zu einem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer mit dem Entwurf in Übereinstimmung gebracht wird, den eine Kommission kantonaler Steuerexperten für ein Mustergesetz der kantonalen direkten Steuern ausarbeitet. Dieser überarbeitete Entwurf für eine direkte Bundessteuer wird zu gegebener Zeit den Kantonen, den politischen Parteien und den Wirtschaftsverbänden zur Stellungnahme unterbreitet werden.

Von Bedeutung wird für den erhöhten Finanzbedarf auf längere Sicht auch sein, in welchem Umfang zusätzliche Ausgaben im Zusammenhang mit der Verstärkung des Finanzausgleichs mit den Kantonen anfallen.

Diese Frage hängt auch mit dem Problem der Auf gabenVerteilung zwischen Bund und den Kantonen zusammen, von dem in Ziffer 841 die Rede ist. Die heutige Verflechtung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen mit der damit verbundenen Verwischung der Verantwortlichkeit und der Verzahnung im Subventionswesen vermag den Erfordernissen eines modernen Leistungsstaates immer weniger zu genügen.

Eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Finanzausgleich unter den Kantonen stellt die Vereinheitlichung des materiellen Steuerrechts dar. Wir erinnern an die Bemühungen um eine Steuerharmonisierung, womit sich eine von der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren eingesetzte Kommission befasst.

Bei allen Bemühungen, eine langfristig ausgerichtete, grundsätzliche Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs in die Wege zu leiten, werden wir auch in Zukunft bestrebt sein, schon vorher durch kleinere Massnahmen den Finanzausgleich auf horizontaler Ebene zu verbessern. Die Bundesverwaltung arbeitet in einer von der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren bestellten Arbeitsgruppe zur Überprüfung und Verbesserung des bisherigen Systems des Finanzausgleichs mit. Neben den laufenden Bemühungen um die Verfeinerung des Schlüssels für die Bemessung der Finanzkraft der Kantone wird insbesondere auch bei den Bundesbeiträgen eine Lösung für eine feinere Abstufung nach der Finanzkraft der Kantone gefunden werden müssen, um die bei der bisherigen Einteilung in drei
Kategorien für einzelne Kantone auf gewissen Subventionsgebieten entstandenen Härten zu mildern.

V. Schlussbemerkungen Die vorstehenden Richtlinien der Regierungspolitik berühren die ganze Staatsentwicklung und enthalten insofern eine Grundentscheidung, als der Bundesrat an die übergeordneten, in der Verfassung niedergelegten politischen Wertvorstellungen anknüpfend konkrete Ziele für eine Legislaturperiode namhaft macht, die Grundsätze aufzeichnet, nach denen die Aufgaben zu lösen sind und, soweit möglich, die Mittel zu ihrer Verwirklichung nennt.

1081 In den vorliegenden Schlussbemerkungen wollen wir nun darüber hinaus kurz darlegen, welche Anliegen in der laufenden Legislatur eine besondere politische Leistung erfordern. Dabei lassen wir uns von folgenden Prinzipien leiten: Auf der Ebene des Individuums - verstärkter Schutz der Persönlichkeit Auf der Ebene des Staates - Stärkung der freiheitlichen Demokratie und Ausbau des Leistungsstaates Auf der Ebene der Völkergemein- - Verstärkung der internationalen Solischaft darität unter Wahrung der Neutralität Unter den gesetzgeberischen Massnahmen werden im Vordergrund stehen die Ausführungsvorschriften zu grundlegenden Verfassungsbestimmungen, die in letzter Zeit angenommen worden sind, oder die in absehbarer Zeit zur Volksabstimmung kommen: - Raumplanung inkl. Siedlungsplanung, Wohnungsbau und damit verbundenen zentrale Verkehrsprobleme - Umweltschutz - Inflationsbekämpfung (Konjunkturartikel, Notenbankinstrumentarium u. a. m.)

- Soziale Sicherheit im Alter, bei Krankheit und Invalidität - Bildung und Forschung Zu den vordringlichen Aufgaben gehören auch die Gestaltung unserer Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften, der Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention und die Klärung unseres Verhältnisses zu den Vereinten Nationen.

Wir beantragen Ihnen, vom vorliegenden Bericht Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 13. März 1972

2322

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Celio Der Bundeskanzler: Huber

1082

Anhang l Verzeichnis der wichtigsten Vorlagen, die der Bundesrat in der Legislaturperiode 1971-1975 an die Bundesversammlung zu richten gedenkt Botschaft/Bericht *

61 Aussenpolitik

Voraussichtliches Erscheinungsjahr ^

Beitritt der Schweiz zur Europäischen Wirtschaftskommission der UNO Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention Abkommen zwischen der Schweiz und den Europäischen Gemeinschaften Bundesgesetz über die Entwicklungshilfe Beziehungen der Schweiz mit der UNO

1972 1972

1972 1973 1974

62 Gesamtverteidigimg Neugestaltung der Mechanisierten und Leichten Truppen Konzeption der Gesamtverteidigung Beschaffung einer Serie von neuen Kampfflugzeugen Anpassung der Leistungen der Militärversicherung Änderung des Militärpflichtersatzes für Auslandschweizer Änderung des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge Änderung des Bundesgesetzes über bauliche Massnahmen im Zivilschutz »Leitbild der militärischen Landesverteidigung Änderung des Bundesgesetzes über den Zivilschutz Änderung der Militärorganisation Änderung des Militärstrafgesetzes und der Militärstrafgerichtsordnung Totalrevision des Militärversicherungsgesetzes

1972 1972 1972 1972 1972 1972 1973 1973 1973 1973 1973 1974

1083 Botschaft/Bericht«

Voraussichtliches Erscheinunpiahr

71 Bildungspolitik Ausbau der beiden ETH und der mit ihnen verbundenen Anstalten 1972 Neuregelung der Ausbildungsfinanzierung 1973 Weiterführung der Förderung der kantonalen Hochschulen durch 1973 den Bund Änderung des Bundesgesetzes über die Berufsbildung 1973/74 Neues ETH-Gesetz 1974 73 Soziale Wohlfahrt Neuordnung der Krankenversicherung Bundesgesetz über die Fürsorge für Auslandschweizer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Vierte Revision der Erwerbsersatzordnung Anpassung der Bundesgesetze über die AHV an die neue Verfassungsgrundlage Revision der obligatorischen Unfallversicherung

1972 1972 1972 l973 1974 1974 1974

74 Entwicklungs- und Raumordnungspolitik Bundesgesetz über die Raumplanung Änderung des Bundesbeschlusses betreffend Grundstückserwerb durch Personen im Ausland Ausbau der Eisenbahn-Alpentransversalen Finanzierung des SBB-Flughafenanschlusses Kloten Weitere Ausbaustufe der Flughäfen Genfund Basel Binnenschiffabrtsgesetz Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Rahmenmietverträgen Finanzierung des SBB-Flughafenanschlusses Genf Änderung des Eisenbahngesetzes Bundesgesetz über den Umweltschutz *Entwicklung der schweizerischen Energiewirtschaft

1972 1972 1972 1972 1972 1972 1972 1972 1972 1973 1973 1973 1973

1084 Botschaft /Bericht *

Voraussichtliches Erscheinungsjahr

Änderung des Bundesgesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz 1974 Änderung des SBB-Gesetzes 1974 Gesetz über die Förderang des Agglomerationsverkehrs 1974 75/77 Wirtschaftspolitik Gesetzgebung über die wirtschaftliche Förderung des Berggebietes 1972/73 Totalrevision des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben 1973 Totalrevision des Bundesgesetzes über die Fischerei 1973 Bundesgesetz zur Erhöhung der Einnahmen aus Warenumsatzsteuer und Wehrsteuer (Ausnützung der Flexibilitätsreserve gemäss Art. 41*« BV und Art. 8 der Übergangsordnung BV) 1973/74 Verlängerung des Bundesbeschlusses über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen 1974 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer 1974 Fünfter Landwirtschaftsbericht 1974 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer 1975 81

Ausbau des sozialen Rechtsstaates Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (staatsrechtliche Beschwerde) 1973 Änderung des Strassenverkehrsgesetzes 1973 Änderung des Markenschutzgesetzes 1973 Änderung des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Auslieferungsgesetz) 1973 Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes 1973 Änderung des Zivilgesetzbuches (aussereheliches Kindesverhältnis) 1973 Änderung des Bundesgesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst 1973/74 Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Verwertung von Urheberrechten 1973/74 Bundesgesetz über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen 1974 Bundesgesetz über die Sprengstoffe 1974 Änderung des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts (Schutz des Persönlichkeitsrechts) 1974 Änderung des Schuldbetreibungs- und Konfcursgesetzes 1974 Änderung des Zivilgesetzbuches (Ehegüter- und Eherecht) 1975

1085 Botschaft/Bericht*

Voraussichtliches Erscheinungsjahr

82/83 Behörden- und Verwaltungsapparat

Bundesgesetz über die Organisation und die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung Bundesgesetz über die Ausübung der politischen Rechte durch Auslandschweizer Bundesgesetz über die Ausübung der politischen Rechte Änderung des Garantiegesetzes *Gesetzliche Regelung des Parteiwesens

1972 1972 1973 1973 1974

1086

Anhang 2 Verzeichnis der vorgesehenen Verfassungsvorlagen in der Legislaturperiode 1971-1975 Voraussichtliches Erechcinunesjahr

Änderung von Artikel 96 Absatz l B V (Wahl des Bundesrates) 1972 Änderung von Artikel 25»18 BV (Tierschutz) 1972 Verfassungsartikel über Konjunkturpolitik 1972 Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen 1972 Verfassungsartikel über die Wasserwirtschaft 1972 Änderung von Artikel 34*er Absatz 3 BV (Neukonzeption der Arbeitslosenversicherung) 1972/73 Änderung von Artikel 55 BV (Pressefreiheit) 1973 Verfassungsartikel über die politischen Parteien 1973 Änderung der Artikel 89, 89bla, 120 und 121 BV (Erhöhung der Unterschriftenzahlen für Initiative und Referendum) 1973 Änderung von Artikel 44 BV (Schweizerbürgerrecht) 1973 Änderung von Artikel 73 BV (Nationalratswahlen) 1973 Änderung von Artikel 45 BV (Niederlassungsfreiheit) und 48 BV (Unterstützungsregelung) 1973 Verfassungsartikel betreffend Harmonisierung der direkten Steuern in Bund und Kantonen 1974 Änderung von Artikel 36bls und ter BV (Nationalstrassen, Hauptstrassen) 1975 Verfassungsartikel für eine Mehrwertsteuer 1975

Anhang 3 Am 22. März 1972 hängige Volksbegehren A = al Ig. Anregung E = ausgearb. Entwurf Eingereicht am:

Vorlage des BR an die B'Vera. vom:

1. Wahrung der Pressefreiheit (Änderung v. Art. 55 BV)

E

31.5.1935

30.10.1951 (BB11951III 547)

2. Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung . . .

(Neufassung v. Art. 24quater BV)

E

27. 10. 1967

26. 8.1970 (BB1 1970II 425)

3. Schulkoordination (Neufassung v. Art, 27 und Art.27bls BV)

A

1.10.1969

27.9.1971 (BEI 1971II1001)

4. Schaffung einer Volkspension/PdA (Neufassung v. Art. W*1" BV)

E

2. 12. 1969

5. Schaffung einer Volkspension/SP (Neufassung v. Art. 34quater BV)

E

18. 3. 1970,

6. Schaffung einer soziaien Krankenversicherung Art.34 bis BV)

E

31. 3. 1970

Frist Bericht des BR.

an die B*Vers, bis:

10. 11. 1971 (BEI 1971 II 1597)

31. 3. 1972 Frist veri ängerung um l Jahr beantragt (BEI 1972 1688)

o oo -J

Eingereicht am ;

Vorlage des BR an dieB'Vers, vom:

7. Schaffung einer zeitgemässen Altersvorsorge/ überparteilich E (Neufassung v. Art. 345quater BV)

13.4. 1970

10. 11. 1971 (BEI 1971II1597)

8. Vermehrte Rüstungskontrolle und Waffenausfuhrverbot E (Neufassung v. Art.41 BV)

19. 11. 1970

7.6. 1971 (BB1 197111585)

4. 3. 1971

10. 2. 1971 (BB119711266)

9. Verbot des Überschallknalls ziviler Luftfahrzeuge E (Ergänzung v. Art. 37ter BV) 10. Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer (Art.34teT Abs. l Buchst, o1"8 BV neu)

E

11. Strafloserklärung der Schwangerschaftsunterbrechung E (Art. 65bi» B V neu) 12. Schaffung eines Zivildienstes (Änderung v. Art. 18 BV)

J

A

Frist Bericht des BR an die B'Vers. bis

25. 8. 1971

25. 8. 1973

1. 12. 1971

1.12. 1973

12. 1.1972

12. 1.1973 1)

) Der Bundesrat wird in diesem Zusammenhang seine Vorschläge zur Dienst verweigererfrage unterbreiten.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Richtlinien der Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1971-1975 (Vom 13. März 1972)

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15

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14.04.1972

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1025-1088

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