03.038 Botschaft betreffend das Zusatzprotokoll Nr. 7 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte sowie das internationale Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt vom 21. Mai 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Entwürfe zu einem Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 7 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte sowie zu einem Bundesbeschluss betreffend das internationale Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Mai 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2002-1981

3999

Übersicht Die enger werdende wirtschaftliche Verflechtung Europas bewirkt eine verstärkte Nachfrage nach Transportdienstleistungen auch in der Binnenschifffahrt. Die grenzüberschreitende Güterbeförderung wird aber durch die unterschiedlichen nationalen oder regionalen Rechtsnormen erschwert. Deren Vereinheitlichung ist demzufolge ein zentrales Anliegen der internationalen Binnenschifffahrt. Die in der vorliegenden Botschaft enthaltenen Vorlagen sind bedeutsam für die technische und rechtliche Zusammenarbeit der Binnenschifffahrtsstaaten in Europa.

Mit dem am 27. November 2002 in Strassburg unterzeichneten Zusatzprotokoll Nr. 7 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte erhält die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) die Möglichkeit, Schiffsatteste und Schifferpatente von Staaten zu anerkennen, die nicht Mitglied der ZKR sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass diese Dokumente in Anwendung von Vorschriften und Verfahren erstellt wurden, die von der ZKR als mit ihren Regeln gleichwertig anerkannt worden sind. Der innerrheinische Transportmarkt wird damit nicht geöffnet.

Das Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) wurde am 22. Juni 2001 in Budapest unter der dreifachen Schirmherrschaft der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, der Donaukomission und der UNO-Wirtschaftskommission für Europa unterzeichnet. Als wichtigste inhaltliche Merkmale des CMNI-Übereinkommens sind zu nennen: ­

In sachlicher und räumlicher Hinsicht ist das CMNI bei Frachtverträgen anwendbar, welche internationale Güterbeförderungen auf Binnenwasserstrassen zum Gegenstand haben.

­

Die Freiheit der Vertragspartner soll möglichst wenig beschränkt werden.

Viele der Vertragsbestimmungen gelten deshalb nur, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren.

­

Bei der Hauptfrage des CMNI, der Haftung für einen durch einen nautischen Fehler verursachten Schaden (z.B. Unfall wegen eines Navigationsfehlers des Schiffsführers), enthält das Übereinkommen einen Kompromiss.

Dieser sieht grundsätzlich die Haftung des Schifffahrtsunternehmers vor, gibt aber die Möglichkeit, die Haftung vertraglich auszuschliessen.

Die Form der Sammelbotschaft wurde aus verwaltungsökonomischen Gründen gewählt und rechtfertigt sich angesichts des sachlichen Zusammenhangs, der zwischen den beiden Vorlagen besteht.

4000

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Die internationale Rheinflotte der Schweiz umfasst 49 Güterschiffe (Stand: 19. Febr.

2003). Die durchschnittliche Transportkapazität pro Schiff beträgt etwa 2200 t, was deutlich über dem Mittel in den anderen Staaten liegt. Der schweizerische Anteil an der gesamten Rheinflotte liegt bei weniger als 2 Prozent. Fast 15 Prozent der gesamten Aussenhandelsmenge der Schweiz werden auf dem Rhein befördert. Rund 40 Prozent der Mineralölprodukte gelangen per Rheinschiff in die Schweiz.

Die völkerrechtliche Ordnung der Rheinschifffahrt beruht auf der Revidierten Rheinschifffahrtsakte ­ genannt Mannheimer Akte (MA) ­ vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 19631. Die Akte enthält als wichtigste Grundprinzipien die Schifffahrtsfreiheit (einschliesslich der Freiheit von Abgaben, die lediglich auf der Beschiffung gründen) sowie die Einheit des Rheinregimes.

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), eine internationale Organisation mit Sitz in Strassburg, wacht über die Einhaltung der Prinzipien der Mannheimer Akte und über die Weiterentwicklung des Rheinregimes. Sie erlässt polizeiliche und technische Vorschriften, die der Sicherheit der Rheinschifffahrt dienen.

Mitgliedstaaten sind Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz gehören alle Mitglieder der ZKR der EU an.

Dank des Einstimmigkeitsprinzips in der ZKR kann die Schweiz in dieser ältesten heute tätigen europäischen Organisation gleichberechtigt mitentscheiden.

Mit dem am 27. November 2002 in Strassburg von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten Zusatzprotokoll Nr. 7 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte erhält die ZKR die Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Schiffsattesten und Schifferpatenten, die von anderen Staaten ausgestellt wurden.

Das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (Convention relative au contrat de transport de Marchandises en Navigation Intérieure; CMNI), von 16 europäischen Staaten, darunter alle Rheinund Donaustaaten, am 22. Juni 2001 unterzeichnet, regelt das Vertragsrecht für internationale Transporte mit Binnenschiffen.

1.2

Ergebnis des Vorverfahrens

Das Zusatzprotokoll Nr. 7 wird sowohl von der Rheinschifffahrtsdirektion Basel als auch von der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft unterstützt.

Hinsichtlich des CMNI-Übereinkommens wurden die Rheinschifffahrtsdirektion Basel, die Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft, der Schweizerische Versicherungsverband, der Verband Schweizerischer Speditions1

SR 0.747.224.101

4001

und Logistikunternehmen sowie der «Swiss Shippers' Council» konsultiert. Sie formulierten keinerlei Einwände gegen eine Ratifikation des Übereinkommens.

Bezüglich der Haftungslimiten betonten vor allem die Vertreter der Spediteure, dass nicht deren Höhe entscheidend sei, sondern deren Transparenz.

Der Verein Schweizerischer Bagger- und Lastschiffbesitzer sieht keine Notwendigkeit zur Unterstellung von nationalen Transporten unter das CMNI.

2

Besonderer Teil

2.1

Zusatzprotokoll Nr. 7 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte: Anerkennung der Gleichwertigkeit anderer Urkunden

2.1.1

Ausgangslage

Die seit jeher allen Nationen garantierte Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein umfasste sowohl den Wechselverkehr (Transporte zwischen dem Rhein und einem Hafen ausserhalb des Rheins) als auch die Kabotage (Transporte innerhalb des Rheinstromgebietes). Somit durfte jeder Schifffahrtstreibende, ungeachtet seiner Nationalität, auch Transporte innerhalb des Rheinbeckens durchführen. Unter dem Eindruck der bevorstehenden Eröffnung des Main-Donau-Kanals wurde am 17. Oktober 1979 mittels Zusatzprotokoll Nr. 22 die Mannheimer Akte geändert und die Kabotage auf die Schifffahrtstreibenden aus den Rheinanliegerstaaten sowie aus Belgien beschränkt. Die Vertragsstaaten, unter ihnen auch die Schweiz, befürchteten eine massive Zunahme des Verkehrs aus den Donauanliegerstaaten des damaligen Ostblocks. Die Reedereien dieser Staaten hätten dank tiefer Lohn- und Sozialkosten bedeutend niedrigere Frachtraten anbieten und damit die zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffe Belgiens, der Niederlande, Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz aus dem Markt drängen können. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG; heute Europäische Union, EU) unterstützte diese Beschränkung. Im Rahmen des Zeichnungsprotokolls zum Zusatzprotokoll Nr. 2 wurde der EWG zugesichert, dass ihre Schiffe gleich wie ZKR-Schiffe behandelt würden. Die Schweizerische Delegation konnte damals diesem Zusatzprotokoll zustimmen, «da die wirtschaftliche Ordnung des Binnenschifffahrtsmarktes der durch diese Bestimmungen begünstigten Staaten mit derjenigen der Vertragsstaaten gleich oder gleichwertig ist und deshalb die bestehende wirtschaftliche Ordnung des Rheinschifffahrtsmarktes nicht beeinträchtigen kann» (Schweizerische Erklärung anlässlich der Unterzeichnung des Zeichnungsprotokolls Nr. 2)3.

Die Schiffe der EU konnten somit weiterhin am Rheinverkehr teilnehmen, sofern sie ein von der zuständigen Behörde eines der Uferstaaten ausgestelltes Schiffsattest erhielten. Diese technische Überprüfung der EU-Schiffe durch einen ZKR-Staat blieb unabdingbar, da die entsprechenden Vorschriften der ZKR weiter entwickelt sind als diejenigen der EU.

2 3

SR 0.747.224.101.2 SR 0.747.224.101.2

4002

Das unkoordinierte Nebeneinander von technischen Vorschriften sowohl der ZKR als auch der EU erweist sich je länger je mehr für die wirtschaftliche und technische Integration der gesamten europäischen Binnenschifffahrt als hinderlich. So sind zwischen der ZKR und der EU Bestrebungen im Gange, die technischen Vorschriften auf ein gleichwertiges Niveau zu bringen, wobei sich die EU der ZKR angleichen muss. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, entfällt letztlich die Notwendigkeit, die Schiffe der EU sowohl von deren heimatlichen Behörden als auch von den Behörden eines Rheinuferstaates untersuchen zu lassen. Eine einzige Prüfung durch eine nationale Schiffsuntersuchungskommission der ZKR oder der EU wird in diesem Falle genügen.

Wie angedeutet können Schiffe aus den Donaustaaten einzig im Wechselverkehr auf dem Rhein fahren. In diesem Falle müssen auch sie die technischen Anforderungen der ZKR erfüllen und somit im Besitze eines ZKR-Attestes sein. Sollten die Donaustaaten ihre technischen Vorschriften ebenfalls dem Niveau der ZKR angleichen, dann soll die Anerkennung der Gleichwertigkeit auch in diesen Fällen möglich sein.

Mit dem vorliegenden Zusatzprotokoll erhält die ZKR die Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Gleichwertigkeit anderer Urkunden.

2.1.2

Inhalt des Zusatzprotokolls Nr. 7

Artikel 1 des Zusatzprotokolls ist rein redaktioneller Natur. Belgien ist zwar Vertragsstaat der ZKR, liegt aber nicht am Rhein, sondern ist nur durch das Kanalsystem beziehungsweise die Maas mit dem Rhein verbunden. Mit der Sprachregelung, die seit dem ersten Zusatzprotokoll vom 25. Oktober 1972 verwendet wird, wird Artikel 22 MA korrigiert.

Artikel 2 des Zusatzprotokolls ist das wesentliche Element des vorliegenden Übereinkommens und bezweckt die Ergänzung von Artikel 23 MA. Damit erhält die ZKR die Möglichkeit, Schiffsatteste und Schifferpatente anzuerkennen, die von einer nicht zum Rheinregime gehörigen Behörde ausgestellt worden sind. Bedingung hierfür ist jedoch, dass diese Behörde Vorschriften und Verfahren anwendet, die von der ZKR als mit ihren Regeln gleichwertig anerkannt worden sind. Dieses Anerkennungsverfahren, aber auch ein allfälliger Widerruf soll durch noch zu erstellende Ausführungsverordnungen geregelt werden.

Die Formulierung des neuen Artikels 23 Absatz 2 MA umfasst nicht nur die Anerkennung von EU-Attesten, sondern gegebenenfalls auch von Attesten aus Drittstaaten.

2.1.3

Tragweite des Zusatzprotokolls Nr. 7

Das Zusatzprotokoll wird zu einer verstärkten Koordination auf technischem Gebiet mit der EU führen. Weiter kann es auch eine gesamteuropäische technische Zusammenarbeit unter der Führung der ZKR bewirken, indem Drittstaaten die ZKR-

4003

Standards übernehmen. Die geltende Wirtschaftsordnung auf dem Rhein wird aber nicht verändert. Schiffen aus Drittstaaten werden mit dem Zusatzprotokoll Nr. 7 keine Kabotagerechte eingeräumt.

2.1.4

Auswirkungen auf das Landesrecht

Das Zusatzprotokoll Nr. 7 hat keine Auswirkungen auf das Landesrecht und bedarf auch keiner Ausführungs- und Anwendungsbestimmungen.

2.2

Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt

2.2.1

Ausgangslage

Das zunehmende Transportvolumen in Europa und die enger werdende wirtschaftliche Verflechtung wirken sich auch auf die Binnenschifffahrt aus. Dank des 1992 eröffneten Main-Donau-Kanals sind heute die beiden grossen europäischen Ströme Rhein und Donau und damit auch die Nordsee mit dem Schwarzen Meer direkt verbunden; die Binnenschifffahrt ist somit auch in der Lage, Transporte von und nach den mittelosteuropäischen Staaten auszuführen. Die vertrags- und haftungsrechtlichen Regeln für solche Transporte sind in den einzelnen Staaten verschieden, und zwar sowohl innerhalb der Rhein- als auch der Donaustaaten. Die bisherigen nationalen Binnenschifffahrtsnormen unterscheiden sich je nach geografischer Lage und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Während einige Staaten sich auf das allgemeine Landtransportrecht stützen, legen andere das Seeschifffahrtsrecht zu Grunde, besonders wenn es sich um klassische Seefahrernationen handelt oder wenn auf den nationalen Abschnitten der grösseren Ströme See- und Binnenschiffe nebeneinander verkehren.

Zum Kreis der vom Seeschifffahrtsrecht geprägten Nationen gehört auch die Schweiz. In den Artikeln 125­127 des Bundesgesetzes vom 23. September 19534 über die Seeschifffahrt unter Schweizer Flagge wurden die seerechtlichen Bestimmungen über den Seefrachtvertrag und die Frachturkunden, insbesondere das Konnossement der Artikel 101­107 SSG, auch für die Rheinschifffahrt bis Basel beziehungsweise Rheinfelden anwendbar erklärt.

Die nationalen Rechtsunterschiede behindern zunehmend die Weiterentwicklung des internationalen Schiffstransportwesens. Eine Vereinheitlichung drängt sich auf. Die ZKR versteht sich als Motor der europäischen Vereinheitlichungsbemühungen. Auf Grund ihrer Initiative entstand schon das Strassburger Übereinkommen vom 4. November 19885 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt. Im Gegensatz zum CLNI wurden bei der Gestaltung des Transportvertragsrechtsübereinkommens CMNI die Donaustaaten und die UNO-Wirtschaftskommission für Europa (ECE) von Anfang an eingebunden.

4 5

Seeschifffahrtsgesetz, SSG; SR 747.30 CLNI; SR 0.747.206; Botschaft: BB1 1995 IV 253

4004

2.2.2

Erläuterungen zum Übereinkommen

2.2.2.1

Hauptmerkmale

Das Übereinkommen umfasst 38 Artikel und ist in sachlicher und räumlicher Hinsicht bei Frachtverträgen anwendbar, welche internationale Güterbeförderungen auf Binnenwasserstrassen zum Gegenstand haben. Mindestens der Lade- oder Löschhafen muss in einem Land liegen, in dem das Übereinkommen verbindlich ist.

Das Regelwerk bestimmt seinen Anwendungsbereich und ist unter den darin genannten Voraussetzungen direkt anzuwenden. Nur soweit die Konvention bestimmte das Frachtgeschäft betreffende Fragen nicht regelt, greift ergänzend das nach den Normen des Internationalen Privatrechts anwendbare nationale Recht.

Dabei ist festzuhalten, dass das Übereinkommen materiell nur geringe Abweichungen zum schweizerischen Recht aufweist.

Inhaltlich folgt das Übereinkommen dem Grundprinzip, die Freiheit der Vertragspartner möglichst wenig zu beschränken: Viele Vertragsbestimmungen gelten nur, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren.

2.2.2.2

Allgemeine Bestimmungen

Die Artikel 1 und 2 des ersten Kapitels enthalten die Definitionen und die Umschreibung des Anwendungsbereichs. Der Schub- und Schleppvertrag wird ausdrücklich ausgeschlossen. Auch das Gepäck und Fahrzeuge von Reisenden fallen nicht unter das Übereinkommen, das somit auch nicht auf den Fähren- und Autofährenverkehr anzuwenden ist. Gleich wie das Übereinkommen vom 9. Mai 19806 über den internationalen Eisenbahnverkehr und das Übereinkommen vom 19. Mai 19567 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr soll das CMNI-Übereinkommen nur beim grenzüberschreitenden Verkehr Anwendung finden. Da Fluss-/See-Transporte mit Küstenmotorschiffen immer mehr an Bedeutung gewinnen, sieht Artikel 2 Absatz 2 eine klare Grenzziehung zwischen der Anwendung des Seerechts und des Binnenschifffahrtsrechts vor.

2.2.2.3

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Im 2. Kapitel sind die wesentlichen Pflichten der Parteien eines Frachtvertrages, insbesondere auch des Frachtführers bezüglich der Stellung des Schiffes (Art. 3), und eine grundsätzliche Regelung der Unterverfrachtung (Art. 4), wie im Luft- und im Strassentransportrecht sowie in Artikel 449 OR8 vorgesehen, normiert. Da in der Schifffahrt Sicherheit vor Geschwindigkeit geht, ist eine bestimmte Lieferfrist nur wenn vertraglich vereinbart vorgesehen (Art. 5), was in der Praxis vor allem zwecks Erreichen eines Seeschiffsanschlusses der Fall ist. Die Deklarationspflichten des Absenders sind in Erweiterung von Artikel 441 OR nach schifffahrtsüblichen Gesichtspunkten vorgesehen (Art. 6). Vor allem aber sind besondere Deklarations6 7 8

COTIF; SR 0.742.403.1 CMR; SR 0.741.611 SR 220

4005

pflichten für gefährliche und umweltschädliche Güter vorgesehen (Art. 7­9). Da der Frachtvertrag als Vertrag zu Gunsten Dritter konzipiert ist, wird in Artikel 10 der Eintritt des Empfängers bei Ablieferung der Güter in den Vertrag analog zu Artikel 451 OR und zu Artikel 110 SSG9 vorgesehen.

2.2.2.4

Frachturkunden und Verfügungsrecht

Das 3. Kapitel behandelt die Frachturkunden, sei es den überwiegend verwendeten Frachtbrief oder das dem Seerecht entnommene Konnossement als Warenwertpapier (Art. 11­13). Die Vorschriften weichen nicht von denjenigen des schweizerischen Rheinschifffahrtsrechts nach den Artikeln 112­116 SSG in Verbindung mit Artikel 127 SSG ab. Die neuen vereinheitlichten Regeln waren insbesondere auch erforderlich, weil einige Staaten, zumal Binnenländer, in ihren Rechten das Konnossement nicht kennen.

Im 4. Kapitel wird das Verfügungsrecht über reisende Güter analog zu Artikel 443 OR geregelt. Vorbild für diese Bestimmungen waren CMR und COTIF. Die Besonderheit des Konnossements im Sinne von Artikel 925 ZGB10 ist dabei berücksichtigt.

2.2.2.5

Haftung des Frachtführers

Kernstück der Rechtsvereinheitlichung ist das 5. Kapitel über die Haftung des Frachtführers für Verlust oder Beschädigung der Güter oder für die Überschreitung einer vereinbarten Lieferfrist. Der Haftungsgrundsatz in Artikel 16 entspricht demjenigen in Artikel 447 OR. Diese ist laut Bundesgericht11 eine «durch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gemilderte Kausalhaftung», zu messen am Kriterium eines «sorgfältigen Frachtführers». Besonders geregelt ist die Haftung des Frachtführers für seine Hilfspersonen (Art. 17). Sie entspricht Artikel 101 OR, wobei eine Ausnahme im Falle eines staatlich gestellten Zwangslotsen vorzusehen war, den es indessen am Rhein auf Grund der Rheinschifffahrtsakte nicht gibt.

Das CMNI sieht in Artikel 18 besondere Haftungsausschlussgründe vor, sofern nicht der Geschädigte den Gegenbeweis erbringt. So entsprechen Absatz 1 Buchstaben a, d, e, f und h dem CMR- und dem COTIF-Übereinkommen, aber auch Artikel 447 OR. Typisch schifffahrtsbedingte Gründe sind in den Buchstaben c und g vorgesehen. Letztere finden sich auch im schweizerischen Rheinschifffahrtsrecht (Art. 104 Abs. 2 Bst. c SSG i.V.m. Art. 127 SSG sowie Art. 17 Abs. 4 Bst. a CMR).

Ein weiterer Haftungsausschlussgrund wird durch Artikel 32 CMNI ermöglicht, indem das nationale Recht das nautische Verschulden als Haftungsbefreiung vorsehen kann12.

9 10 11 12

SR 747.30 SR 210 BGE 94 II 349 Siehe dazu Ziff. 2.2.2.7.

4006

Was die Berechnung der Höhe eines Schadenersatzanspruchs betrifft (Art. 19), so entspricht die Norm Artikel 447 OR.

Die Haftungslimiten pro Frachteinheit oder Kilogramm des Rohgewichts entsprechen den Regeln des Seerechts (Art. 20); dies ist insofern gerechtfertigt, als Seeschiffe und Binnenschiffe auf grossen Flüssen nebeneinander in Konkurrenz verkehren. Dieselben Limiten kennt bereits das schweizerische Rheinschifffahrtsrecht in Artikel 105 Absatz 2 SSG und in Artikel 44 der Seeschifffahrtsverordnung, wo indessen abweichend pro Kilo nur 1 Sonderziehungsrecht (SZR) des Internationalen Währungsfonds und nicht 2 SZR vorgesehen sind13. Das CMNI erhöht die Limite auf 2 SZR (= ca. 4.50 Fr.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die überwiegend oder ausschliesslich von der Binnenschifffahrt beförderten Massengüter einen niedrigeren Warenwert aufweisen, so dass die Limite von 2 SZR ausreichend ist. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass die Parteien im Frachtvertrag einen höheren Ersatzwert vereinbaren (Art. 20 Abs. 3). Die Einzelheiten der Berechnung der Limiten (Art. 20 Abs. 2 und 5) sind mit Artikel 115 SSG in Verbindung mit Artikel 127 SSG identisch. Der Frachtführer kann sich im Falle eines so genannten «willful misconduct» entsprechend den Artikeln 105a und 103 Absatz 3 SSG nicht auf die Haftungslimiten berufen (Art. 21).

Da rund 1/3 der Containertransporte leere Behälter zurückbefördern, die je nach Grösse ein Eigengewicht von 2000 bis 3000 kg, jedoch einen niedrigeren Anschaffungsneuwert ohne Berücksichtigung einer Abschreibung haben, wäre die Haftungslimite von 2 SZR pro kg nicht angemessen, weshalb eine Limite von 1500 SZR vorgesehen worden ist. Ist der Container beladen ohne Spezifikation der verstauten Packungen oder Ladungseinheiten, so soll die gesamte Limite 26 500 SZR betragen, was weitgehend den Usanzen im internationalen Speditionswesen entspricht. Die Haftungslimiten erlauben dem Frachtführer, sein Risiko abzuschätzen; sofern keine höheren Wertangaben gemacht werden, darf er davon ausgehen, dass die ihm zur Beförderung angedienten Güter keinen höheren Wert als die vorgesehenen Limiten haben.

2.2.2.6

Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen

Das 6. Kapitel vereinheitlicht die Mängelrügen und die Verjährung. Die vorbehaltlose Annahme der Güter bewirkt nicht wie in Artikel 452 OR ein Erlöschen der Ansprüche, sondern nur die widerlegbare Vermutung, dass kein Schaden entstanden ist. Äusserlich nicht erkennbare Mängel können nach Artikel 452 Absatz 3 OR noch innert 8 Tagen gerügt werden. Das Rheinschifffahrtsrecht sieht unter dem Vorbehalt von besonderen gesetzlichen Erlassen entsprechend dem Seerecht eine Frist von 3 Tagen vor (Art. 111 Abs. 3 SSG i.V.m. Art. 125 Abs. 1 SSG). Man einigte sich auf eine Frist von 7 Tagen, wie in Artikel 30 CMR oder in Artikel 36 der Transportverordnung vom 5. November 198614. Die Verjährung von einem Jahr (Art. 24) entspricht Artikel 454 OR und Artikel 87 SSG.

13 14

Art. 44 Abs. 3 Seeschifffahrtsverordnung (SSV; SR 747.301) ist demnach zu streichen; siehe nachfolgende Ziff. 2.2.3.

SR 742.401

4007

2.2.2.7

Schranken der Vertragsfreiheit

Der schwierigste Punkt der internationalen Verständigung im 7. Kapitel bestand in der Frage, ob und wieweit das Übereinkommen zwingende Rechtsvorschriften aufstellen oder dem dispositiven Recht einen Spielraum lassen sollte (Art. 25).

Ordnungspolitisch darf darauf hingewiesen werden, dass zu einer freien Marktwirtschaft auch eine möglichst grosse Vertragsfreiheit gehört, die sich in den allgemeinen Grenzen der Artikel 20, 100 und 101 Absatz 2 OR bewegen kann. Die Einschränkung nach Artikel 101 Absatz 3 OR kann in der freien Rheinschifffahrt, die keinen Konzessionsvorbehalt zulässt15, ohnehin nicht Anwendung finden. Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber mit zwingenden Vorschriften nur eingreifen, wenn es darum geht, eine wirtschaftlich schwächere Vertragspartei (wie z.B. Konsumentinnen und Konsumenten oder die Benützer eines öffentlichen Verkehrsmittels) zu schützen. In der Binnenschifffahrt ist aber nach wie vor der Auftraggeber und Verlader die wirtschaftlich stärkere Vertragspartei, die ihre Interessen in den Vertragsbedingungen entsprechend zu schützen weiss. Die landrechtlich ausgerichteten Experten befürworteten eher eine restriktive Berufung auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit in Anlehnung an das Eisenbahnrecht, während die Vertreter der maritimen Schule der Vertragsfreiheit einen weiten Raum zugestehen wollten. Dies entspricht auch der schweizerischen Auffassung, denn das derzeitige schweizerische Rheinschifffahrtsrecht befürwortet nach Artikel 117 SSG in Verbindung mit Artikel 127 SSG für Binnenschifftransporte mittels Frachtbrief die Vertragsfreiheit.

Artikel 25 des Übereinkommens sieht den Grundsatz vor, dass die Haftungsregeln zwingend sein sollen, erlaubt aber nach Absatz 2 vertragliche Vereinbarungen in den Schranken des so genannten «willful misconduct» in folgenden Fällen: Als erste vertragliche Freizeichnungsmöglichkeit ermöglicht Buchstabe a von Absatz 2 die Berufung auf das nautische Verschulden der Schiffsbesatzung. Sowohl das traditionelle Seerecht, das in den Niederlanden und in Belgien gilt, als auch das schweizerische Rheinschifffahrtsrecht (Art. 104 Abs. 1 SSG i.V.m. Art. 127 SSG) sehen bei einem nautischen Verschulden der Schiffsbesatzung die Haftungsbefreiung vor. Im Gegensatz dazu will das CMNI keine automatische Haftungsbefreiung, sondern nur die Möglichkeit, dass
die Parteien in den Schranken von Artikel 3 Absatz 3 CMNI eine solche im Frachtvertrag vereinbaren können. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Transportbedingungen von Rheinreedereien bereits heute teilweise davon absehen, eine Vertragsklausel hinsichtlich des nautischen Verschuldens festzulegen.

Im Sinne eines Kompromisses wurde jedoch in Artikel 32 des Übereinkommens den Staaten die Möglichkeit eingeräumt, für Transporte zwischen zwei Häfen ihres Hoheitsgebietes die Haftungsbefreiung beim nautischen Verschulden im nationalen Recht vorzusehen. Letztlich war bei der Verständigung in dieser Frage auch berücksichtigt worden, dass eine Angleichung an das derzeit geltende Seerecht eine ungleiche Behandlung von Küstenmotorschiffen und Binnenschiffen im Wettbewerb verhindern soll. Sollten die Niederlande und Belgien die Haftungsbefreiung gemäss Artikel 32 des Übereinkommens erklären, so wird man sich schweizerischerseits überlegen müssen, ob zwecks Einheitlichkeit der Rechtsregeln gleichzuziehen ist. In

15

Vgl. BGE 94 I 664

4008

diesem Falle würde im internationalen Verkehr zwischen den Niederlanden, Belgien und der Schweiz das nautische Verschulden in der Haftung gleich beurteilt.

Die zweite vertragliche Freizeichnungsmöglichkeit gemäss Buchstabe b von Absatz 2 betrifft Schäden infolge Feuer oder Explosion an Bord eines Schiffes ohne Verschulden der Besatzung oder Vorliegen eines Mangels des Schiffes. Auch diese Freizeichnung ist im Seerecht und im schweizerischen Rheinschifffahrtsrecht zulässig (Art. 117 SSG).

Als dritte vertragliche Freizeichnungsmöglichkeit sieht Buchstabe c von Absatz 2 vor, dass der Frachtführer nicht haftet, wenn das Schiff Mängel aufweist, die trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht zu entdecken waren («due diligence»). Das Seerecht und das schweizerische Rheinschifffahrtsrecht kennen diese Freizeichnung ebenfalls (Art. 103 Abs. 2 Bst. i SSG i.V.m. Art. 127 SSG). Man muss in diesem Zusammenhang beachten, dass ein Lastwagen oder Bahnwagen vor Abfahrt genau besichtigt und geprüft werden kann, auch von unten, während ein Binnenschiff nicht jedesmal vor Abfahrt auf Werft genommen werden kann, um zu prüfen, ob z.B. der Schiffsrumpf einen Riss aufweist.

Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens regelt das anwendbare Recht für die Haftung in der Zeit vor Verlad der Güter und nach ihrem Löschen. Dies gilt somit auch für die Fälle, in denen der Frachtführer die Güter schon vorher an Land zur Beförderung übernimmt und nach Ankunft des Schiffes erst später an Land abliefert, indem er den Güterumschlag, die Lagerung und die Reexpedition ebenfalls besorgt.

Dabei bestimmt sich die Haftung nach dem auf den Frachtvertrag gemäss Parteienvereinbarung anwendbaren nationalen Recht.

Im schweizerischen See- und Rheinschifffahrtsrecht haftet der Frachtführer in der Zeit der Annahme bis zur Ablieferung (Art. 103 i.V.m. Art. 108 Abs. 2 SSG). Artikel 117 Absatz 2 SSG gibt im Sinne der Vertragsfreiheit den Parteien die Möglichkeit, die reine Obhutshaftung auszuschliessen und zudem je nach den Umständen und technischen Möglichkeiten in einem Hafen adäquate Haftungsregeln zu vereinbaren. Es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es Häfen gibt, die selber über Umschlagseinrichtungen (Krane, Förderanlagen usw.) verfügen und die Frachtführer gehalten sind, sich dieser Anlagen zu bedienen; auf die Tauglichkeit
dieser Anlagen können sie keinen Einfluss und gegen die staatlichen Hafenbetriebe können sie kaum Regress nehmen. Die nationalen Werkvertrags- und Lagervertragssowie Speditionsgesetze sind in der Regel dispositives Recht, auch in der Schweiz.

Der Frachtführer, der neben der Schifffahrt auch den Güterumschlag, die Lagerung (so meistens von Getreideprodukten in seinen Hafensilos) oder die Reexpedition der Güter per Bahn oder Lastwagen besorgt, sollte nicht schlechter als derjenige gestellt sein, der eine dritte Firma an Land damit beauftragt. Grössere Reedereien mit eigenen Umschlags- und Lagerbetrieben sollten auch nicht genötigt sein, letztere Betriebsteile in eine besondere Gesellschaft (z.B. GmbH) auszugliedern, nur um für solche Tätigkeiten der Frachtführerhaftung zu entgehen.

Bezüglich der Bereitstellung der Güter an den Empfänger wurde in Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens auf den Vertrag sowie auf Handelsbräuche abgestellt und die Zwischenlagerung auch bei einem Dritten als Ablieferung betrachtet. Dies ist besonders bei den oft Tausende von Tonnen schweren Ladungen flüssiger oder brennbarer Treibstoffe oder von Getreide unumgänglich, die nicht wie Ladungen von 20­30 Tonnen mit Verlad auf einen Eisenbahnwaggon oder Lastwagen dem

4009

Empfänger übergeben werden können. Hier schliessen in der Praxis die Transportoder Logistikunternehmen so genannte gemischte Verträge ab, deren Hauptverpflichtung, die Beförderung zu Wasser, unter das Übereinkommen fällt, die übrigen zusätzlichen Aufgaben aber dem dispositiven Werkvertrags- oder Lagervertragsrecht zuzuordnen sind. In diesem Sinne bestimmt Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens, dass für den Zeitraum vor Verlad und nach Löschen der Güter das auf den Frachtvertrag anwendbare Landesrecht gilt, das die Parteien wählen können.

2.2.2.8

Ergänzende Bestimmungen

Die Bestimmungen des 8. Kapitels über die Havarie-Grosse (Art. 26), die globale Haftungsbeschränkung (Art. 27 Abs. 2) und die Sonderregelung für Nuklearschäden (Art. 27 Abs. 1) sowie die Definition und Berechnung der Sonderziehungsrechte (Art. 28) gehören zu den Standardklauseln transportrechtlicher Übereinkommen und bedürfen keiner besonderen Begründung.

Da das Übereinkommen nicht alle Fragen eines Frachtvertrags regelt und regeln kann, sieht Artikel 29 eine IPR-Regel vor, die dem EWG-Übereinkommen von Rom (1980) über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht sowie den Artikeln 116 und 117 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198716 über das Internationale Privatrecht entspricht.

2.2.2.9

Erklärungen und Vorbehalte

Gemäss Artikel 30 können internationale Güterbeförderungen, die nicht über Wasserstrassen unter internationalem Schifffahrtsregime führen, mittels Erklärung vom örtlichen Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass Transporte, die nicht über die internationale Rheinstrecke bis zur Mittleren Rheinbrücke in Basel gehen, dem Übereinkommen nicht unterstehen.

Da die Haltung der Nachbarstaaten, insbesondere was die Güterschifffahrt auf dem Bodensee, dem Genfersee und den oberitalienischen Seen betrifft, noch nicht bekannt ist, rechtfertigt es sich, im Zeitpunkt der Ratifikation vorab eine solche Erklärung abzugeben. Sollten die Nachbarstaaten die Güterschifffahrt auf den gemeinsamen Grenzgewässern dem Übereinkommen unterstellen, so könnte immer noch geprüft werden, ob die Schweiz den Schritt nachvollziehen will. Diese Erklärung kann nach Artikel 30 Absatz 4 jederzeit wieder zurückgezogen werden. Um zu vermeiden, dass die eidgenössischen Räte wegen dieser Frage schon bald erneut konsultiert werden müssen, schlagen wir vor, dass der Bundesrat ermächtigt wird, gegebenenfalls das CMNI-Übereinkommen auf diese Gebiete auszudehnen oder die Erklärung zurückzuziehen.

Nach den Artikeln 125­127 SSG gelten die anwendbar erklärten seerechtlichen Regeln über den Seefrachtvertrag und die Frachturkunden auch für die Rheinschifffahrt bis Rheinfelden. Es erscheint sinnvoll, dass das Übereinkommen nach Artikel 31 Buchstabe a auch für rein nationale Beförderungen auf der Stromstrecke von

16

IPRG; SR 291

4010

Basel bis Rheinfelden gelten sollte, damit auf dem Rhein ein einheitliches Transportrecht gilt.

Für rein inländische Binnengewässer dürfte die Anwendung des Übereinkommens jedoch ausgeschlossen werden. Erhebungen haben gezeigt, dass der bestehende Güterverkehr nur Werkverkehr ist und nicht auf Grund eines entgeltlichen Frachtvertrags ausgeführt wird. Damit reichen die Regeln des Obligationenrechts aus. Der Personenverkehr inklusive Transport von Gepäck und Fahrzeugen fällt ohnehin nicht unter das Übereinkommen.

Wie schon erwähnt17, kann zurzeit auf eine Erklärung nach Artikel 32 verzichtet werden; es ist jedoch zu verfolgen, ob die Niederlande und Belgien für ihr Hoheitsgebiet die Haftungsbefreiung beim nautischen Verschulden gesetzlich vorsehen.

Auch hier schlagen wir vor, den Bundesrat zu ermächtigen, gegebenenfalls für Transporte zwischen zwei Häfen ihres Hoheitsgebietes die Haftungsbefreiung beim nautischen Verschulden zu erklären.

Die Schweiz sollte anlässlich der Ratifikation somit folgende Erklärungen abgeben: Erklärung nach Artikel 30 Absatz 1: Die Schweiz wendet das Übereinkommen auf ihren nationalen Wasserstrassen einschliesslich der Grenzgewässer, mit Ausnahme des Rheins von der schweizerischen Grenze bis Rheinfelden, nicht an.

Erklärung nach Artikel 31: Die Schweiz wendet das Übereinkommen auch auf Beförderungen von Gütern auf dem Rhein zwischen der Schweizergrenze und Rheinfelden an.

2.2.2.10

Schlussbestimmungen

Die Formalitäten für die Unterzeichnung, die Ratifikation oder den Beitritt in Artikel 33 entsprechen dem modernen Völkervertragsrecht, wobei alle Staaten, nicht nur europäische Länder mit Binnenwasserstrassen, Vertragsparteien werden können.

Das Übereinkommen tritt in Kraft, wenn es von fünf Staaten ratifiziert worden ist (Art. 34). Auch die Kündigungsregel in Artikel 35 mit der Frist von einem Jahr entspricht dem üblichen Standard.

Für die Änderung der Haftungshöchstbeträge und Rechnungseinheiten ist in Artikel 37 ein erleichtertes Verfahren wie in anderen Übereinkommen, zum Beispiel dem CLNI, vorgesehen; jeder Staat hat das ausdrückliche Recht, auch eine mehrheitlich beschlossene Änderung abzulehnen.

Die Regierung der Republik Ungarn ist gemäss Artikel 38 Depositar des Übereinkommens. Sie beruft die Konferenz zur Revision des Übereinkommens ein, sofern mindestens ein Drittel der Vertragsstaaten dies verlangt.

17

Siehe Ziff. 2.2.2.7.

4011

2.2.3

Auswirkungen auf das Landesrecht

Artikel 20 CMNI setzt die Haftungslimite pro Frachteinheit auf 2 SZR fest und erhöht somit den Betrag auf das Niveau bei der Seefracht (Art. 44 Abs. 1 Bst. b SSV). Die Ausnahmeregelung für die Rheinschifffahrt nach Artikel 44 Absatz 3 SSV wird bei Inkrafttreten des Übereinkommens somit gegenstandslos und kann dann gestrichen werden.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Dem Bund entsteht durch die Annahme der beiden Übereinkommen keine finanzielle oder personelle Mehrbelastung.

4

Legislaturplanung

Die Botschaft zum Zusatzprotokoll Nr. 7 ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 nicht vorgesehen. Die Ergänzung der Mannheimer Akte wurde von der ZKR erst 2002 beschlossen.

Die Botschaft zum CMNI-Übereinkommen ist in der Legislaturplanung ebenfalls nicht vorgesehen. Bei deren Erstellung war nicht abschätzbar, wann die ZKR, die Donaukommission sowie die UNO-Wirtschaftskommission für Europa (ECE) zu einem erfolgreichen Abschluss der gemeinsamen Verhandlungen kommen würden.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Sowohl das Zusatzprotokoll Nr. 7 als auch das CMNI-Übereinkommen entsprechen dem Ziel einer gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik im Sinne von Artikel 74 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften von 1957 und fördern die freie Verkehrsentwicklung auf Binnenwasserstrassen. Die Marktöffnung und die Liberalisierung im Strassen- und Eisenbahnverkehr waren ebenfalls eines der Ziele des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der EG und der Schweiz über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse.

6

Rechtliche Grundlagen

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten, wozu auch der Abschluss von Staatsverträgen gehört, Sache des Bundes.

Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zur Genehmigung von Staatsverträgen zuständig.

Zusatzprotokoll Nr. 7: Das dem Parlament zur Genehmigung unterbreitete Zusatzprotokoll Nr. 7 ist nicht befristet und nicht kündbar. Es erfüllt daher die Bedingungen von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 1 BV, und der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 7 unterliegt dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

4012

CMNI-Übereinkommen: Da das Übereinkommen eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung bezweckt, unterliegt der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV ebenfalls dem fakultativen Referendum.

4013