Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 4. September 2002, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0); Artikel 1, 3, 9 Absatz 4, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG; SR 235.154); in Sachen SAKK (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsforschung) betreffend Gesuch vom 18. Mai 2002 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, verfügt: Bewilligungsnehmerin Der SAKK wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Die Verantwortliche für die Bewilligungsforschung ist die Direktorin Frau Prof. Dr.

med. Castiglione. Bewilligungsnehmerin ist die SAKK mitsamt ihren Organen, der SAKK-Koordinationsstelle, dem Referenzlabor, der Referenzpathologie, den ordentlichen und den assozierten Mitgliedern sowie den Satellitenstationen.

Die Bewilligung ermöglicht eine Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, ohne dass der Datenanleger dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Eine solche Einsicht steht dem mit der betriebsinternen Forschung betrauten Personal der SAKK sowie den von ihnen betreuten Doktoranden und Doktorandinnen zu. «Betriebsinterne» Forschung im Sinne von Artikel 3 VOBG ist die zweckgeänderte Einsicht und Bearbeitung von Daten, die im Rahmen (SAKK-)eigener Forschungsprojekte erhoben worden sind. Externe Daten sind all jene Daten von Mitgliedern und Nichtmitgliedern, die von ihnen nicht im Rahmen eines SAKK-Forschungsprojekts gesammelt worden sind. Sollten die Forschenden im Rahmen eines SAKK-Forschungsprojekts auf solchermassen externe Daten angewiesen sein, oder soll externen Forschenden Einblick in nicht-anonymisierte Daten der SAKK gewährt werden, ist der Expertenkommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

Zweck und
Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in den spitalinternen Datenbanken und Papierdateien die für interne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

Bedingungen Wenn die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne, dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

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Es dürfen nur dann ohne Einwilligung nicht anonymisierte Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Die Patientinnen und Patienten sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Daten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Die Direktorin hat den Schutz der Daten und die Befolgung allfällig erhobener Verwendungsverbote sicherzustellen.

Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Die SAKK hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben klar getrennt werden von den bereits anonymisierten Daten.

b.

Zu Forschungszwecken können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der SAKK mit Einwilligung des jeweiligen zuständigen Projektleiters/Projektleiterin auf neues Datenmaterial Zugriff nehmen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojekts ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung eines zuständigen Klinik- bzw. Institutschefarztes oder der medizinischen Direktorin einzuholen.

Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

Anonymisierung Die den Behandlungsdateien entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen eine Identifizierung der registrierten Personen nicht möglich ist.

Auflagen a.

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Für jedes Forschungsprojekt hat der Gesuchsteller eine «non obstat»-Erklärung der Kantonalen Ethikkommission Bern, «Commission D'Ethique» du Département de Chirurgie (HUG), der Kantonalen Ethikkommission Graubünden, der Ethikkommission des Kantonsspitals Aarau, der Ethikkommission bieder Basel (EKBB), «Commission D'Ethique» der Universität Lausanne, der Ethikkommission des Kantonsspitals St. Gallen, «Comitato etico cantonale» des Tessins oder der Ethikkommission am Universitätsspital Zürich (USZ) einzuholen. Die jeweilige Ethikkommission hat die ethische Konformität des Forschungsprojektes zu bestätigen. Zudem hat sie sich darüber zu äussern, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, dass die Einwilligung der Berechtigten unmöglich oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand einzuholen ist, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Berechtigten an der Geheimhaltung ihrer Gesundheitsdaten überwiegen und dass die Berechtig-

ten über ihr Vetorecht aufgeklärt worden sind. Die Unbedenklichkeitserklärung ist zusätzlich von der Direktorin zu visieren. Es wird überdies verlangt, dass die SAKK selbst beziehungsweise in ihrem Namen vor der jeweiligen Ethikkommission aufgetreten wird. In Fällen, wo die Ethikkommission die Bestätigung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die Klinikbewilligung durchgeführt werden; das Einholen einer Sonderbewilligung wird diesfalls vorbehalten.

b.

Personendaten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden. Die Bewilligungsnehmerin richtet sich dabei an den vom Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten herausgegebenen Leitfaden zu den technischen und organisatorischen Massnahmen des Datenschutzes. Es ist folgendes zu beachten: ­ Die nicht anonymisierten Personendaten, d.h. die EDV-Datensammlungen, die Krankengeschichten und die Patientenkarteien sind unter Verschluss zu halten; ­ Der Zugriff auf die EDV-Datenbanken ist mit einem persönlichen Passwort zu sichern; ­ Jede zugriffsberechtigte Person muss über ein Passwort verfügen, welches diese geheim zu halten hat und ­ Jeder Zugriff auf die personenbezogenen nicht anonymisierten Datenbanken auf den vernetzten EDV-Rechnern ist automatisch zu registrieren, es sei denn, es könnte auf andere Weise nachträglich festgestellt werden, ob Daten für denjenigen Zweck bearbeitet wurden, für den sie bekannt gegeben wurden.

c.

Die Krankengeschichten und die elektronischen Datensammlungen müssen einen Vermerk über die allfällig erfolgte Weigerung der Datenverwendung zu Forschungszwecken enthalten.

d.

Die SAKK hat die einzelnen internen Forschungsprojekte zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; ­ die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck ­ den verantwortlichen Projektleiter; ­ die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen dürfen; ­ für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss litera a.

e.

Die SAKK hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zuzustellen.

Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Forschungszwecken Zugriff auf die EDVDatensammlungen mit nicht anonymisierten, personenbezogenen Daten haben. Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschern nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

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Diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche zugriffsberechtigt sind, haben die beiliegende Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen und zu Handen der Expertenkommission in der SAKK aufzubewahren.

f.

Bezüglich Datenerhebungen bis zum 31. Dezember 1995 verzichtet die Expertenkommission auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der Berechtigten. Für Datenerhebungen nach dem 1. Januar 1996 kann sie nicht mehr davon absehen. Die Bewilligungsnehmerin hat demnach ­ sofern notwendig ­ eine nachträgliche Aufklärung der Betroffenen vorzunehmen. In welcher Form dies geschieht, bleibt ihr vorbehalten. Als letzte Möglichkeit bleibt in begründeten Einzelfällen allenfalls eine allgemeine Information über ein geeignetes Publikationsorgan offen. An dieser Stelle ist lediglich darauf hinzuweisen, dass im Unterlassungsfalle neben einem Strafverfolgungsrisiko die Gefahr einer Forschungslücke aufkommt. Letztere entstünde, wenn wegen fehlender Aufklärung die Verwendung von ansonsten konform erhobenen Daten für die Forschung untersagt würde.

Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt.

In folgenden Fällen muss vor Ablauf der Bewilligungsdauer ein neues, ergänzendes Gesuch gestellt werden: ­

Wechsel der ärztlichen Direktorin

­

Änderung der Verwaltungs- oder Organisationsstruktur der SAKK

­

Änderung des Zugriffsreglements

Frist für Auflagenerfüllung Der SAKK wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 8 Buchstaben b­f eine Frist von 6 Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bzw. Publikation bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

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Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird der SAKK, vertreten durch ihren Rechtsvertreter, und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt.

Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (Telefon 031 322 94 94) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

1. Juli 2003

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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