03.071 Botschaft über die Änderung des Gleichstellungsgesetzes (Schlichtungsverfahren) vom 5. November 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. November 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-1418

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Übersicht Ziel der Vorlage ist ein wirkungsvolles Vorgehen gegen Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts von Bundespersonal. Dafür soll eine Schlichtungskommission eingeführt werden.

Für privatrechtlich Angestellte verlangt das Gleichstellungsgesetz (GlG, SR 151.1) ein Schlichtungsverfahren (Art. 11 GlG). Jeder Kanton hat deshalb eine Schlichtungsstelle eingerichtet; etwa in der Hälfte der Kantone steht diese auch für die öffentlich-rechtlich Angestellten des Kantons offen.

Für Bundesangestellte gilt heute eine andere Lösung: Sie haben die Möglichkeit im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ein Fachgutachten zu verlangen. Zuständig ist die Begutachtende Fachkommission Gleichstellungsgesetz, verankert in Artikel 13 Absatz 3 Gleichstellungsgesetz. Es hat sich gezeigt, dass das Begutachtungsverfahren verschiedene Schwierigkeiten aufweist. Das Hauptproblem ist, dass zuerst ein Beschwerdeverfahren eingeleitet werden muss, bevor man an die Fachkommission gelangen kann. Das stellt ein grosses Hindernis dar, denn ein Beschwerdeverfahren ist aufwändig und dauert lang.

Im Vergleich dazu ist das Verfahren vor den kantonalen Schlichtungsstellen viel effizienter, weshalb eine vergleichbare Lösung auch für das Bundespersonal eingerichtet werden soll. Die bestehende Begutachtende Fachkommission wird im Gegenzug aufgelöst.

Zur Einführung einer Schlichtungskommission für Bundesangestellte braucht es eine Revision von Artikel 13 Absatz 3 Gleichstellungsgesetz.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Unterschiedliche Regelung für privatrechtlich Angestellte und für das Bundespersonal

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert werden, können sich an eine Schlichtungsstelle in ihrem Kanton wenden.

Das gilt für privatrechtlich Angestellte sowie in rund der Hälfte der Kantone auch für die Kantonsangestellten. Für Bundesangestellte hingegen gibt es kein Schlichtungsverfahren. Um gegen eine Diskriminierung vorzugehen, müssen Bundesangestellte Verwaltungsbeschwerde erheben und können dann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zusätzlich ein Gutachten der «Begutachtenden Fachkommission Gleichstellungsgesetz» verlangen. Die Tatsache, dass zuerst ein Beschwerdeverfahren eingeleitet werden muss, bevor man an die Fachkommission gelangen kann, stellt eine hohe formale und psychologische Hürde dar. Bei den behandelten Fällen war das Verfahren sehr aufwändig und dauerte entsprechend lang. In der Regel bietet ein Beschwerdeverfahren keine rasche Konfliktlösung und das Arbeitsverhältnis kann kaum gerettet werden. Im Vergleich dazu ist das Verfahren vor den kantonalen Schlichtungsstellen viel niederschwelliger und rascher.

1.1.2

Kantonale Schlichtungsstellen nach Gleichstellungsgesetz

Mit der Einführung des Gleichstellungsgesetzes per 1. Juli 1996 wurden die Kantone verpflichtet, eine Schlichtungsstelle für Diskriminierungsstreitigkeiten bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen einzurichten (Art. 11 Abs. 1 GlG). Es blieb den Kantonen freigestellt, ob sie die Schlichtungsstelle auch für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse, d.h. für Diskriminierungsfälle ihrer Kantonsangestellten, für zuständig erklären wollten. Die Hälfte der Kantone hat dies getan. Die kantonalen Schlichtungsstellen können bei den behandelten Fällen (2000: 47 Fälle, 2001: 46 Fälle) einige Erfolge ausweisen, insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen. Bei mehr als der Hälfte der Schlichtungen bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen wurde der vom Gleichstellungsgesetz angestrebte Zweck erreicht: Es konnte eine Einigung erzielt werden. Und in gut einem Viertel der Fälle konnte das Arbeitsverhältnis gerettet werden. Interessant dabei ist, dass die Erfolgsquote bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen grösser ist als bei privatrechtlichen. Das Schlichtungsverfahren scheint somit besonders geeignet für öffentlichrechtliche Arbeitverhältnisse.

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1.1.3

Begutachtende Fachkommission Gleichstellungsgesetz

Die Begutachtende Fachkommission ist im Gleichstellungsgesetz verankert (Art. 13 Abs. 3 GlG). Ihr Auftrag lautet: «Die Fachkommission begutachtet auf Antrag der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer Beschwerden, die sich, gestützt auf das Gleichstellungsgesetz, gegen erstinstanzliche Verfügungen über das Dienstverhältnis des Personals der allgemeinen Bundesverwaltung richten» (Art. 2 Abs. 1 Verordnung über die Begutachtende Fachkommission Gleichstellungsgesetz, SR 172.327.1). Der Fachkommission gehören an die Präsidentin oder der Präsident, die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident, weitere sechs Mitglieder sowie sechs Ersatzmitglieder, die zu gleichen Teilen die Bundesverwaltung und deren Personal vertreten. Die Fachkommission besitzt eine Geschäftsstelle, welche sie bei der Verfahrensinstruktion und der Sachverhaltsfeststellung unterstützt. Die Geschäftsstelle wird vom Eidgenössischen Personalamt geführt. Nach Eingang des Begutachtungsantrags bei der Beschwerdeinstanz informiert sie die Fachkommission und überweist ihr nach dem Schriftenwechsel den Antrag zusammen mit den Vorakten.

Die Fachkommission ergreift alle zur Feststellung des Sachverhalts notwendigen Massnahmen. Sie zieht wenn nötig Sachverständige bei. Nach abgeschlossener Sachverhaltsfeststellung berät die Fachkommission über den von der Präsidentin oder dem Präsidenten zusammen mit der Geschäftsstelle erarbeiteten Vorschlag und erstellt das Gutachten zuhanden der Beschwerdeinstanz. Die Fachkommission wurde seit Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes am 1. Juli 1996 in sieben Fällen um ein Gutachten angefragt. In fünf Fällen wurde ein Gutachten erstellt, ein Gesuch wurde zurückgezogen und auf ein Gesuch wurde nicht eingetreten. Der hauptsächliche Grund für die geringe Anzahl Begutachtungsgesuche liegt im aufwändigen Beschwerdeverfahren, das für die Einreichung eines Begutachtungsgesuchs notwendig ist.

1.1.4

Parlamentarische Vorstösse

Gegen die ungleiche Behandlung von Bundesangestellten gegenüber privatrechtlich Angestellten sowie gegenüber den Kantonsangestellten in rund der Hälfte der Kantone richtet sich eine Motion von Nationalrätin Vreni Hubmann vom 8. Oktober 1998 (98.3463 Motion Hubmann, Gesetzgeberische Ungereimtheiten in Artikel 11 und 13 Gleichstellungsgesetz). Sie verlangt, «den einschränkenden Wortlaut in Artikel 13 Absatz 3 des Gleichstellungsgesetzes so zu ändern, dass öffentlichrechtliche und privatrechtliche Arbeitsverhältnisse gleichgestellt sind». Der Bundesrat erklärte sich bereit, diese Frage zu prüfen, und beantragte, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. Die Motion wurde vom Nationalrat am 18. Dezember 1998 in Form eines Postulats überwiesen.

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1.1.5

Notwendigkeit einer Schlichtungskommission für Bundesangestellte

Ursprünglich war die unterschiedliche Behandlung der Bundesangestellten vom Gesetzgeber beabsichtigt (BBl 1993 I 1313). Es sollte ein dem Begutachtungsverfahren der Verordnung über die Einreihung der Ämter der Beamten (Art. 8 ff.; SR 172.221.11.1) vergleichbares Verfahren eingeführt werden. Mehrere Gründe rechtfertigten diesen Entscheid: Einerseits band das Legalitätsprinzip die über öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse entscheidende Behörde. Dies liess wenig Spielraum offen, um in einem Schlichtungsverfahren zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Anderseits ging es auch darum, den Rechtsmittelweg nicht unangemessen zu verlängern.

Mit dem neuen Bundespersonalgesetz (BPG, SR 172.220.1) hat sich die Situation jedoch geändert: Die Arbeitsverhältnisse in der Bundesverwaltung werden neu durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet. Damit haben sie sich dem Konzept nach Obligationenrecht (OR, SR 220) angenähert und für eine ungleiche Behandlung der öffentlich-rechtlich Angestellten des Bundes gegenüber den privatrechtlich Angestellten besteht kein Grund mehr. Unter dem Aspekt des neuen Bundespersonalgesetzes ist demnach eine Revision von Artikel 13 Absatz 3 Gleichstellungsgesetz zu befürworten.

Das Konzept der kantonalen Schlichtungsstellen hat sich bewährt. In Anlehnung daran soll auch für Bundesangestellte ein Schlichtungsverfahren eingerichtet werden. Es sollte die Möglichkeit einer Schlichtung bestehen, bevor das formelle Beschwerdeverfahren seinen Lauf nimmt. Wie in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen müsste das Ziel die Vermeidung eines Beschwerdeverfahrens und möglichst die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses sein.

1.2

Grundzüge der Vorlage

1.2.1

Schlichtung ersetzt Gutachten

Die Schlichtungskommission ist ein niederschwelliges Angebot zur Regelung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz für Bundesangestellte. Ziel ist möglichst die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses.

Es handelt sich um ein rasches Verfahren, denn im Gegensatz zum Begutachtungsverfahren muss für eine Schlichtung keine umfassende Sachverhaltsabklärung gemacht werden.

Der Bundesrat regelt mittels Verordnung das Verfahren, die Zusammensetzung der Kommission (kleine Mitgliederanzahl, paritätisch bezüglich der Vertragspartner als auch der Geschlechter), deren administrative Angliederung sowie das Kommissionssekretariat.

Die bestehende Begutachtende Fachkommission Gleichstellungsgesetz (SR 172.327.1) wird im Gegenzug aufgehoben.

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2

Besonderer Teil: Erläuterung der einzelnen Bestimmungen

Art. 13 Abs. 3 Das Schlichtungsverfahren bezweckt ein rasches und wirkungsvolles Vorgehen bei Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts von Bundespersonal. Aufgabe der Schlichtungskommission ist es, die Parteien bei Diskriminierungsstreitigkeiten auf Grund des Geschlechts am Arbeitsplatz zu informieren und zu beraten. Die Schlichtungskommission versucht, eine Einigung herbeizuführen. Sie stellt ihr Angebot dem Bundespersonal zu Beginn ihrer Arbeit und danach regelmässig, mindestens jährlich, vor (Öffentlichkeitsarbeit).

Das Schlichtungsverfahren ist dem Verwaltungsbeschwerdeverfahren vorgelagert.

Es ist für Arbeitnehmende fakultativ: Arbeitnehmende, die eine Verwaltungsbeschwerde gegen eine diskriminierende Verfügung erheben wollen, müssen nicht vorher vor die Schlichtungsstelle gelangt sein. Für die Bundesverwaltung hingegen ist das Verfahren obligatorisch. Die Bundesverwaltung erklärt sich damit bereit, sich vorbehaltlos auf die vorgebrachten Fälle einzulassen, und trägt dazu bei, dass die Fälle möglichst ohne streitiges Verfahren aufgefangen und erledigt werden können.

Die Frist, um an die Schlichtungskommission zu gelangen, entspricht der Beschwerdefrist nach Artikel 50 VwVG.

Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos.

Ein vor der Schlichtungskommission erreichter Vergleich hat Rechtskraft und ist wie ein Urteil vollstreckbar.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Kosten dieser Schlichtungskommission werden sich voraussichtlich im Rahmen der bisherigen Kosten für die Begutachtende Fachkommission bewegen; sie gehen wie bisher zu Lasten des Eidgenössischen Finanzdepartements. Die Kommissionsmitglieder werden wie heute gemäss der Kommissionenverordnung (SR 172.31) entschädigt (Taggeld von 100 bis 200 Franken), deren Anzahl ist jedoch kleiner.

Auf Grund des rascheren Verfahrens sollte es möglich sein, auch eine allfällige Zunahme von Fällen ungefähr im Rahmen der bisherigen Kosten zu bewältigen.

Eine grosse Zunahme von Fällen würde hingegen Mehrkosten bedeuten.

Mit der Einrichtung einer Schlichtungskommission tätigt der Bund eine Investition für eine zeitgemässe Lösung zur Regelung von Diskriminierungsstreitigkeiten. Diese Investition erlaubt es, viel höhere Folgekosten solcher Konflikte zu vermeiden.

Für die Kantone hat die Vorlage keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

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4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 nicht angekündigt. Die Revision erwies sich jedoch auf Grund der in der Begutachtenden Fachkommission gemachten Erfahrungen als dringlich.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung.

5.2

Rechtsform

Die vorgeschlagene Bestimmung bedarf einer Revision des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG, SR 151.1). Der Bundesrat regelt die Einzelheiten mittels Verordnung. Die Verordnung über die Begutachtende Fachkommission Gleichstellungsgesetz (SR 172.327.1) wird aufgehoben.

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