Verfügung vom 30. Oktober 2003 betreffend das Gesuch der ETH Zürich, vertreten durch das Institut für Pflanzenwissenschaften, seinerseits vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl. Nat. ETH Stefan Kohler, Rechtsanwälte Pestalozzi, Lachenal, Patry, Löwenstrasse 1, 8001 Zürich, vom 4. Januar 2001 um Bewilligung eines Freisetzungsversuchs mit gentechnisch verändertem KP4-Weizen in Lindau (ZH) Referenz-Nr. B00003

A. Sachverhalt 1. Am 4. Januar 2001 reichte die Gesuchstellerin ein Gesuch für einen Freisetzungsversuch mit transgenem KP4-Weizen ein. Die vorgesehene Versuchsfläche misst ca. 90 m2, einschliesslich der Mantelsaat ca. 200 m2. Ziel des Versuchs ist es, die fungizide Wirkung von gentechnisch verändertem, KP4 («Killer Protein 4») exprimierendem Weizen gegenüber dem samenbürtigen Erreger des Weizenstinkbrandes (Tilletia tritici) unter Feldbedingungen zu prüfen. Vorversuche im Gewächshaus haben gezeigt, dass derart transformierte Weizenpflanzen eine verringerte Anfälligkeit gegenüber diesem Pilz besitzen. Die für den Versuch vorgesehenen Weizenpflanzen sind gentechnisch verändert worden, indem zwei Fragmente aus dem pUC19-Plasmid als Vektor ins Genom integriert wurden. Diese Fragmente enthalten namentlich: a.

DNA-Sequenzen mit jeweils einem funktionellen Gen für das KillerProtein 4 (KP4), dessen Expression vom Mais-Ubiquitin-Promoter kontrolliert und vom 35S Terminator des Blumenkohlmosaikvirus beendet wird;

b.

DNA-Sequenzen für eine Toleranz gegen das Herbizid Phosphinothricin.

Dazu wurde das bar-Gen aus dem Bodenbakterium Streptomyces hygroscopicus transferiert, das zwischen dem Actin-Promoter aus Reis und dem 35STerminator des Blumenkohlmosaikvirus liegt;

c.

DNA-Sequenzen für eine Antibiotikaresistenz. Nach Aussagen der Gesuchsstellerin ist ziemlich sicher, dass mehrere Kopien des bla-Gens, das eine Resistenz gegen Ampicillin codiert, ins Weizengenom mitübertragen wurden.

2. Das Gesuch wurde vom BUWAL am 20. November 2001 abgewiesen (BBl 2001 6294 ff.), weil (1) die von der Gesuchstellerin vorgenommene Risikobewertung wegen ungenügender Kenntnis des Organismus und ungenügender Abklärung seiner Wechselwirkung mit der Umwelt keine ausreichenden Aussagen über eine Gefährdung der Umwelt erlaubte, (2) das als Marker verwendete Antibiotikaresistenz-Gen gegen Ampicillin unnötig sei und weil angesichts der in der Umwelt vorhandenen kumulativen Effekte und langfristigen Prozesse und insbesondere der Komplexität der Bodenmikroflora sowie der diesbezüglich grossen Unwissenheit und Unsicherheit ein schwer einzuschätzendes Risiko zurückbleibe und sich deshalb aufgrund des Vorsorgeprinzips ergebe, dass unnötige Risiken zu vermeiden seien und (3) die Sicherheitsvorkehrungen gegen die Möglichkeit eines Pollenfluges ungenügend seien, weshalb sich aus der Risikobewertung nicht ergebe, dass der Freisetzungsversuch den Menschen und die Umwelt nicht gefährden könne.

2003-2184

7383

3. Am 31. Dezember 2001 erhob die ETH Zürich gegen diese Verfügung beim Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Beschwerde. Das UVEK hat am 12. September 2002 die Beschwerde gutgeheissen und das BUWAL angewiesen, das Gesuch zu bewilligen und die notwendigen Auflagen und Bedingungen festzulegen. Das UVEK hat seinen Entscheid im Wesentlichen damit begründet, dass von der Stellungnahme der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS), die den beantragten Freisetzungsversuch unter Bedingungen und Auflagen als zulässig erachtet hatte, nur aus triftigen Gründen abgewichen werden dürfe, dass das BUWAL in allen Punkten keine solchen Gründe namhaft gemacht habe, womit es ohne triftigen Grund von der Stellungnahme der EFBS abgewichen sei, dass daher das BUWAL unangemessene Anforderungen an das Gesuch und unverhältnismässige Sicherheitsanforderungen hinsichtlich des möglichen Auskreuzens durch Pollenflug gestellt habe und dass die Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen keine Umweltgefährdung darstelle. Das BUWAL hat daraufhin am 20. Dezember 2002 das Gesuch mit Auflagen gutgeheissen (BBl 2003 74 ff.).

4. In der Folge erhoben am 29. Januar 2003 Nachbarn, die in der Umgebung des Freisetzungsversuches Felder bewirtschaften, gegen diesen Entscheid beim UVEK Beschwerde. Das UVEK hat mit Entscheid vom 21. Februar 2003 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung, welche dieser nach Artikel 55 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) zukommt, entzogen. Gegen diesen Entscheid haben die Nachbarn am 3. März 2003 Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Das Bundesgericht hob am 12. März 2003 den Entzug der aufschiebenden Wirkung auf, weil die Interessenabwägung, die zu diesem Entscheid geführt habe, für die Nachbarn unbeachtlich sei, weil sie nicht in das Verfahren einbezogen wurden und damit deren rechtliches Gehör verletzt worden sei. Würde anders entschieden, würde damit das Hauptverfahren präjudiziert (BGE 129 II 286).

5. In der Hauptsache hat das UVEK am 13. Juni 2003 entschieden. Es hat die Beschwerde der Nachbarn gutgeheissen und das Gesuch zur erneuten Auflage und Beurteilung ans BUWAL zurückgewiesen. Gleichzeitig hat es folgende Auflage gemacht: Das hängige Gesuch ist mit allen nicht vertraulichen Akten
während 30 Tagen aufzulegen. Mit der Gesuchsauflage ist sinngemäss die folgende Aufforderung zu publizieren: Wer Rechte im Bewilligungsverfahren wahrnehmen will, muss es der Vorinstanz innert 30 Tagen mitteilen. Wer dies unterlässt, ist vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Denjenigen Personen, welche entsprechende Mitteilungen machen, wird die Verfügung der Vorinstanz zu diesem Bewilligungsverfahren zugestellt.

6. Mit verfahrensleitender Verfügung wurde der Gesuchstellerin die Möglichkeit geboten, ihr Gesuch bis 20. Juli 2003 zu ergänzen. Am 27. Juni 2003 reichte die ETH Zürich ein überarbeitetes Gesuch ein.

7. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 15. Juli 2003 stellte das BUWAL das Gesuch den Bundesämtern für Gesundheit (BAG), für Landwirtschaft (BLW) und für Veterinärwesen (BVET), der Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS), der Eidg. Ethikkommission für Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und der Baudirektion des Kantons Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), KSF/Fachstelle für biologische Sicherheit zur Stellungnahme bis 10. September 2003 und den Nachbarn zu, die die Verfügung des BUWAL vom 20. Dezember 2002 erfolgreich angefochten hatten.

7384

8. Am 22. Juli 2003 wurde der Eingang des Gesuchs in Form eines Kurzbeschriebs im Bundesblatt (BBl 2003 5353) publiziert. Das Dossier ohne vertrauliche Unterlagen wurde im BUWAL und in der Gemeindeverwaltung Lindau bis und mit 15. September 2003 zur Einsicht für alle interessierten Personen aufgelegt. Diejenigen, die im Verfahren Rechte als Partei wahrnehmen wollen, wurden aufgefordert, dies bis 15. September 2003 dem BUWAL zu begründen.

9. Die Stellungnahme des BVET ging am 12. August 2003, diejenige des BLW am 5. September 2003, diejenige der EFBS am 9. September 2003, diejenigen des BAG, der EKAH und des AWEL am 10. September 2003 fristgerecht beim BUWAL ein.

10. Gegen den Freisetzungsversuch wurden drei Einsprachen von Personen und Personengruppen eingereicht, die im Verfahren zusätzlich Rechte als Partei wahrnehmen wollen: ­

Mit Schreiben vom 12. September 2003 von der Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentechnik», vertreten durch Herrn Kurt Schweizer jun.;

­

Mit Schreiben vom 15. September 2003 vom Ehepaar Grossmann-Keller und von der IP-Suisse, vertreten durch Fürsprecher Lorenz Hirni;

­

Mit Schreiben vom 15. September 2003 von Greenpeace Schweiz.

11. Kurz vor und nach Ablauf der Eingabefrist sind rund 300 E-mails und 200 Briefe von Bürgerinnen und Bürger beim BUWAL eingegangen, die gegen den Versuch protestieren und die Ablehnung des Freisetzungsversuchs beantragen.

Täglich gehen nach wie vor neue Briefe oder E-mails beim BUWAL ein.

12. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 19. September 2003 wurden die Stellungnahmen der Fachstellen und die Einsprachen zur allfälligen Stellungnahme bis 26. September 2003 dem BAG, dem BLW, dem BVET, der EFBS, der EKAH, dem AWEL, Fürsprecher Lorenz Hirni, Greenpeace Schweiz, Herrn Kurt Schweizer jun.

sowie Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl. Nat. ETH Stefan Kohler zugestellt. Die EFBS, das AWEL, das BLW und die Gesuchstellerin wurden aufgefordert, zu spezifischen Fragen Stellung zu nehmen.

13. Mit Schreiben vom 26. September 2003 beantragte die ETH Zürich Fristerstreckung bis 2. Oktober 2003, welche ihr am 1. Oktober 2003 mit dem Hinweis gewährt wurde, dass sich die Frist für den Entscheid über das Gesuch nach Artikel 19 Absatz 2 FrSV entsprechend verlängern würde. Am 2. Oktober 2003 reichte die ETH Zürich ihre Rückäusserung zu den Stellungnahmen und Einsprachen ein und beantragte eine Fristerstreckung für die Fachstellen bis 13. Oktober 2003, damit diese ihre Stellungnahmen gegebenenfalls ergänzen könnten.

14. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. Oktober 2003 gewährte das BUWAL die Fristerstreckung für die Fachstellen und wies die Gesuchstellerin darauf hin, dass dadurch die Einhaltung der 90-tägigen Frist für den Entscheid über das Gesuch (Art. 19 Abs. 1 FrSV) gefährdet werden könnte. Eine mögliche Verzögerung habe die Gesuchstellerin zu veranworten.

15. Mit Schreiben vom 7. bzw. 10. Oktober 2003 hielten das BAG bzw. das BLW an ihren Stellungnahmen vom 10. September 2003 bzw. 8. März 2001, 5. September 2003 sowie 30. September 2003 fest. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 hielt das AWEL an seiner Stellungnahme vom 19. September 2003 fest. Die EFBS berief sich im Schreiben vom 13. Oktober 2003 auf ihre Stellungnahme vom 26. September 2003. Mit Schreiben vom 9. bzw. 10. Oktober 2003 gingen die Kommentare von 7385

Fürsprecher Lorenz Hirni, Greenpeace Schweiz bzw. Herrn Kurt Schweizer jun. auf die Rückäusserung der ETH Zürich ein.

16. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 15. Oktober 2003 wurden alle Eingaben dem BAG, dem BLW, dem BVET, der EFBS, der EKAH, dem AWEL, Fürsprecher Lorenz Hirni, Greenpeace Schweiz, Herrn Kurt Schweizer jun. sowie Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl. Nat. ETH Stefan Kohler zugestellt und der Schriftenwechsel geschlossen.

B.

1.

Erwägungen Rechtliche Grundlagen

1. Nach Artikel 29a des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG) darf mit Organismen nur so umgegangen werden, dass sie, ihre Stoffwechselprodukte oder Abfälle die Umwelt oder mittelbar den Menschen nicht gefährden können. Wer gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen, die nicht für Verwendungen in der Umwelt in Verkehr gebracht werden dürfen, im Versuch freisetzen will, benötigt eine Bewilligung des Bundes (Art. 29e Abs. 1 USG). Nach Artikel 29e Absatz 2 USG erlässt der Bundesrat Vorschriften über die Anforderungen und das Verfahren für die Erteilung der Bewilligung für Freisetzungsversuche. Er hat diese in der Freisetzungsverordnung vom 25. August 1999 (FrSV) konkretisiert.

2. Wer gentechnisch veränderte, pathogene oder andere nach Artikel 5 der Einschliessungsverordnung vom 25. August 1999 als potenziell gefährdend eingestufte Organismen im Versuch freisetzen will, benötigt eine Bewilligung des BUWAL (Art. 7 Abs. 1 FrSV). Nach Artikel 19 Absatz 1 FrSV erteilt das BUWAL die Bewilligung, wenn die Beurteilung des Gesuchs, insbesondere der Risikobewertung, ergibt, dass nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung der Freisetzungsversuch den Menschen und die Umwelt nicht gefährden kann und wenn die Bundesämter für Gesundheit (BAG), für Veterinärwesen (BVET) und für Landwirtschaft (BLW) auf Grund der Beurteilung des Gesuchs anhand ihrer spezialgesetzlichen Vorschriften dem Freisetzungsversuch zustimmen.

a. Durch die Vorschriften des Umweltschutzgesetzes und der Freisetzungsverordnung sind vorab das Leben und die Gesundheit menschlicher Individuen geschützt.

Freisetzungsversuche sind daher schädlich (Art. 1 Abs. 1 USG), wenn sie zum Tod oder zur Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen führen. Der Gesundheit gleichgestellt ist die Bildung unerwünschter Resistenzen gegen bestimmte Medikamente. Denn dadurch wird die Abwehr einer Gesundheitsbeeinträchtigung erschwert oder vereitelt (vgl. Seiler, Kommentar USG, 2. Aufl., Zürich 2003, 7. Lieferung, Rz. 57 ad Art. 29a). Zweitens sind fremdes Eigentum bzw. fremde Sachwerte geschützt. Freisetzungsversuche sind daher unzulässig, wenn dadurch eine Beeinträchtigung fremder Sachwerte, Kulturen oder Nutztiere erfolgt (vgl. BGE 122 II 103 Erw. 6; BBl 1999 3039, 3043; Seiler, a.a.O., Rz. 59 ad Art. 29a). Dies gilt insbesondere dann, wenn
der Freisetzungsversuch zu einem Gentransfer auf benachbarte fremde Felder führen würde (Pollenflug) und damit dort transgene Produkte entstünden, die nicht bewilligt sind und von ihrem Eigentümer nicht in Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. Seiler, a.a.O., Rz. 38 ad Art. 29e m.w.H.). Geschützt ist drittens die Umwelt. Dazu gehören Tiere, Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume sowie die Fruchtbarkeit des Bodens. Als umweltschädlich gelten alle Einwirkungen, welche durch Veränderung des Erbmaterials oder Veränderun7386

gen der natürlichen Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften direkt oder indirekt zur Verdrängung, Schwächung oder zum Aussterben von Arten, Unterarten oder Rassen bzw. Sorten von Tieren und Pflanzen führen. Dabei ist nicht nur die nationale, sondern auch die regionale und lokale Ebene massgebend (BGE 118 Ib 485). Im Zusammenhang mit dem Lebensraum sind insbesondere die Zusammensetzung des Nahrungsangebots und die ökologisch bedeutsamen Stoffwechselprozesse und Stoffflüsse relevant (Saladin/Schweizer, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, Rz. 123 f. ad Art. 24novies).

In Artikel 8 FrSV hat der Bundesrat die Umwelt-Schutzgüter konkretisiert.

b. Unzulässig sind Freisetzungsversuche, welche den Menschen und die Umwelt gefährden können. Damit ist nicht erst eine konkrete Gefährdung unzulässig, sondern bereits die Möglichkeit einer Gefährdung (vgl. Entscheid des UVEK vom 12.

September 2002 Erw. II.1.2.). Aufgrund des Vorsorgeprinzips (Art. 1 Abs. 2 USG) sind zudem Einwirkungen schon dann zu vermeiden, wenn eine gewisse, nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine Schädigung eintreten könnte (BGE 126 II 300, 311/12 Erw. 4.e.aa.; Seiler, a.a.O., Rz, 75 ad Art. 29a). Soweit eine Quantifizierung des Risikos mangels verlässlicher Kenntnisse nicht möglich ist, sind entsprechend dem Vorsorgeprinzip vorsichtige Annahmen zu treffen (vgl.

Seiler, a.a.O., Rz. 39 ad Art. 29e; BBl 1999 3039, 3041). Aus dem Vorsorgeprinzip ergibt sich auch, dass unnötige Risiken zu vermeiden sind. Ein Freisetzungsversuch ist daher nicht zu bewilligen, wenn der gleiche Nutzen bzw. Erkenntnisfortschritt auch mit einer weniger riskanten und technisch möglichen Versuchsanordnung zu erreichen wäre (Seiler, a.a.O., Rz. 42 ad Art. 29e m.w.H.).

c. Nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b FrSV erteilt das BUWAL die Bewilligung, wenn das BAG, das BVET und das BLW auf Grund der Beurteilung des Gesuchs, insbesondere der Risikobewertung, der Durchführung des Freisetzungsversuchs zustimmen. Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b FrSV stellt eine bundesrätliche Konkretisierung von Artikel 41 Absatz 2 i.V.m. Absatz 3 USG dar (vgl. Seiler, a.a.O., Rz. 47 ad Art. 29e; vgl. auch Botschaft vom 7. Juni 1993 zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes, BBl 1993 II 1445 ff., 1475). Es geht mithin um
die Koordination des Vollzugs verschiedener rechtlicher Regelung, die von verschiedenen Ämtern vollzogen werden. Vollziehen andere Ämter ebenfalls Vorschriften über Organismen, muss die Koordination zwischen Ihnen und dem BUWAL, das die Bewilligung erteilt, sichergestellt werden. Die genannten Bundesämter müssen nach dieser Ordnung deshalb den Freisetzungsversuch daraufhin prüfen, ob er jene Vorschriften einhält, für deren Vollzug sie nach dem Bundesrecht zuständig sind. Damit das BAG, das BVET und das BLW ihre entsprechende Beurteilung einbringen können, ist ihnen nach Artikel 18 Absatz 4 Buchstabe a FrSV das Gesuch zu unterbreiten.

d. Das BUWAL zeigt den Eingang des Gesuchs im Bundesblatt an, sobald das Gesuch vollständig ist, und sorgt dafür, dass die nicht vertraulichen Unterlagen während 30 Tagen zur Einsicht aufliegen. Gleichzeitig unterbreitet es der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS), der Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und der vom betroffenen Kanton bezeichneten Fachstelle das Gesuch zur Stellungnahme.

Die Stellungnahme der EFBS stellt eine amtliche Expertise dar, welcher erhebliches Gewicht zukommt (Seiler, a.a.O., Rz. 34 ad Art. 29h). Von den tatbeständlichen Feststellungen der EFBS abzuweichen, bedarf triftiger Gründe. Die EFBS ist indessen vom Gesetzgeber nicht beauftragt, sich zu Rechtsfragen zu äussern (Seiler, 7387

a.a.O., Rz. 34 petit). Dies ist ausschliesslich Aufgabe der Behörden. So ist beispielsweise die Frage, wie weit Pollen fliegt, ob und mit wem eine Auskreuzung stattfindet, eine tatbeständliche Feststellung, während deren Bewertung eine Rechtsfrage darstellt. Da die Einsetzung einer Fachkommission, die sich ausschliesslich mit der biologischen Sicherheit befasst, im Bereich der Gentechnologie wegen des Mangels an vorgegebenen rechtsinternen und rechtsexternen Bewertungsnormen nicht ausreicht (vgl. Botschaft zu einer Änderung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Juni 1993, BBl 1993 II 1445, 1474; Christoph Errass, Zum Verhältnis von Recht und Ethik in der Verfassungsbestimmung über die Gentechnologie im Ausserhumanbereich, ZSR 2002 I 313 ff., 339 ff.), hat der Bundesrat die EKAH eingesetzt. Die Aufgabe der EKAH besteht in casu darin, das auf einen konkreten Fall angewendete positive Recht auf seine rechtsethische Begründetheit zu beurteilen. Deren Stellungnahme kann indes nur dann in die behördliche Entscheidung einfliessen, wenn das Recht derart unbestimmte Rechtsbegriffe aufweist, dass rechtsethische Wertungen überhaupt einfliessen können. Andernfalls ist der Gesetz- oder Verordnungsgeber gehalten, die Stellungnahme in den Rechtssetzungsprozess einzubringen (vgl. Errass, a.a.O., S. 343 m.w.H.).

3. Gemäss Artikel 9 Absatz 1 FrSV hat das Gesuch u.a. die Massnahmen zur zeitlichen und räumlichen Begrenzung des Umgangs in der Umwelt zu enthalten, wie Überwachungs- und Kontrollmassnahmen, Massnahmen zur Abfallentsorgung und Notfallpläne (Bst. c i.V.m. Anh. 4 Ziff. 4 FrSV) und einen Überwachungsplan, damit mögliche schädliche oder lästige Einwirkungen des Freisetzungsversuchs auf den Menschen und die Umwelt während und nach dem Versuch frühzeitig festgestellt werden können (Bst. d).

4. Nach Artikel 19 Absatz 3 FrSV verknüpft das BUWAL die Bewilligung mit den erforderlichen Bedingungen und Auflagen zum Schutz des Menschen und der Umwelt. Es kann insbesondere verlangen, dass das Versuchsgebiet gekennzeichnet, eingezäunt oder besonders abgesichert wird (Bst. a), und auf Kosten der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers anordnen, dass zusätzlich zum Überwachungsplan (Art. 9 Abs. 1 Bst. d FrSV) das Versuchsgebiet und dessen Umgebung während und nach dem Versuch überwacht werden. Weiter kann das
BUWAL anordnen, dass Proben genommen und untersucht werden (Bst. b) und die Durchführung und Überwachung des Versuchs auf Kosten der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers von einer Begleitgruppe (Art. 27 FrSV) kontrolliert wird (Bst. c), sowie Zwischenberichte verlangen (Bst. d).

5. Nach Artikel 12 FrSV muss die Bewilligungsinhaberin oder der Bewilligungsinhaber dem BUWAL spätestens 90 Tage nach Abschluss des Freisetzungsversuchs Bericht erstatten. Der Bericht umfasst insbesondere die Daten und Ergebnisse der Überwachung betreffend die Einwirkungen des Freisetzungsversuchs auf den Menschen und die Umwelt.

6. Das BUWAL überwacht die Durchführung der Freisetzungsversuche (Art. 27 Abs. 1 FrSV). Es kann zu diesem Zweck eine Begleitgruppe einsetzen, in der insbesondere der Kanton, in dem der Freisetzungsversuch stattfindet, Einsitz nehmen kann. Die Begleitgruppe kontrolliert durch Stichproben die Durchführung des Freisetzungsversuchs vor Ort, führt darüber Protokoll und teilt das Ergebnis der Überwachung dem BUWAL mit (Art. 27 Abs. 2 FrSV).

7388

2.

2.1

Beurteilung Formelles

1. Die Gesuchstellerin ist nach Artikel 5 des ETH-Gesetzes vom 4. Oktober 1991 eine autonome öffentlichrechtliche Anstalt des Bundes mit Rechtspersönlichkeit. Es kann daher auf das Gesuch eingetreten werden.

2. Die oben in Ziffer A.10. aufgeführten Einsprechenden haben mitgeteilt, dass sie in das Verfahren als Partei einbezogen werden wollen. Die Gesuchstellerin hält in ihrer Rückäusserung vom 2. Oktober 2003 dafür, dass die Bewilligungsbehörde u.a.

über behauptete Parteistellungen einen Entscheid zu treffen habe. Ob die Einsprechenden für das vorliegende Verfahren bis zum Erlass der Verfügung Parteien sind, muss indessen nicht abschliessend behandelt werden.

3a. Mit dem Begriff der Partei werden bereits im erstinstanzlichen Verfahren gewisse Recht verbunden, insbesondere das Recht bei der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken (siehe statt vieler Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 45 ff., 106 ff.).

Namentlich ist ihnen das rechtliche Gehör zu gewähren (vgl. BGE 129 II 286, 293 Erw. 4.3.2.).

b. Das BUWAL hat im vorliegenden Verfahren die Einsprechenden umfassend in die Sachverhaltsermittlung einbezogen (siehe Ziff. A.8.ff.) und damit das rechtliche Gehör umfassend gewährt. Weitergehende Rechte haben diese Einsprechenden nicht geltend gemacht.

c. Nach Artikel 18 Absatz 2 und 3 FrSV kann jedermann zu den im Sinne von Artikel 27 VwVG nicht vertraulichen Gesuchsakten Stellung nehmen. Das BUWAL ist daher bereits aufgrund dieser Vorschriften und somit unabhängig davon, ob der Einsprechende Partei ist, verpflichtet, sich mit den Äusserungen aller Einsprechenden auseinander zu setzen (so auch Seiler, a.a.O., Rz. 54 ad Art. 29e). Aus diesem Grund würde eine Nichtzuerkennung einer Parteistellung von einzelnen Einsprechenden weder am zu beurteilenden Sachverhalt noch an der Beurteilung des Versuchs etwas ändern. Aus diesem Grund besteht für das vorliegende nichtstreitige Verwaltungsverfahren kein aktuelles Interesse an einem Entscheid über die Parteistellung der Einsprechenden.

d. Nach Artikel 6 VwVG sind Parteien Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht. Der «Vorverweis» auf die Beschwerdelegitimation
ist ungeschickt (Peter Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel/Stuttgart 1979, S. 88; siehe auch Isabelle Häner, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Zürich 2000, Rz. 265).

Denn über diese Eigenschaft kann erst eindeutig befunden werden, wenn die Verfügung vorliegt und dagegen Beschwerde ergriffen worden ist. Daher kann es durchaus vorkommen, dass sich ­ wie auch im vorliegenden Verfahren ­ unter Umständen auch solche Personen am Verfahren beteiligen und als Partei auftreten, denen nach Erlass der Verfügung keine genügende Betroffenheit oder «gesetzliche Legitimation» zukommt, die zur Rechtsmittelerhebung berechtigen würde (vgl. Isabelle Häner, a.a.O., Rz. 265; VBP 61.50 Erw. 4.2.2.; siehe auch Beatrice Wagner Pfeifer, Das Umweltrecht vor den Herausforderungen der Gentechnologie, Zürich, S. 131 f.).

Dieses Risiko hat auch die Gesuchstellerin selbst auf sich genommen, indem sie den Verfahrensbeteiligten ihre Eingaben als Kopien zugestellt hat, oder indem sie insbe7389

sondere mit Schreiben vom 8. April 2003 beantragt hat, alle Akten der Beschwerdeverfahren zu den Verfügung vom 20. November 2001 und vom 20. Dezember 2002 öffentlich aufzulegen, was das BUWAL aus verschiedenen Gründen abgelehnt hat.

Eine Minimierung dieses Risikos würde bedeuten, dass vor jeder Beweiserhebung ein Prognoseentscheid über die Stellung als Partei in einer beschwerdefähigen Zwischenverfügung zu treffen wäre. Dies wäre kaum praktikabel (siehe auch Isabelle Häner, a.a.O., Rz. 270), inbesondere wenn man sich vergegenwärtigt, dass im vorliegenden Verfahren der Bewilligungsbehörde nur 90 Tage für ihren Sachentscheid zur Verfügung stehen. Dies entspricht auch nicht der Intention des Bundesrates, der in Konkretisierung des Artikel 30a VwVG als lex specialis gegenüber Artikel 30 VwVG in Artikel 18 FrSV ein rasches Verfahren mit einer vereinfachten Anhörung vorgesehen hat (Seiler, a.a.O., Rz. 54 ad Art. 29e).

Die Frage schliesslich, ob die Einsprechenden im Falle einer Beschwerde eine genügende Betroffenheit oder eine spezialgesetzliche Regelung zur Beschwerdeberechtigung aufweisen können, ist durch die Beschwerdeinstanzen und nicht durch die verfügende Instanz zu beurteilen.

2.2 2.2.1 2.2.1.1

Materielles Beurteilung aufgrund des Umweltschutzgesetzes Stellungnahmen der Kommissionen und Fachstellen

Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) Nach der Stellungnahme der EFBS vom 9. September 2003 werden innerhalb der Kommission die Qualität des geplanten Freisetzungsversuches und die möglichen Schlüsse für eine Risikoanalyse unterschiedlich beurteilt. Die Hälfte der Mitglieder sprechen sich aus grundsätzlichen Risikoüberlegungen gegen eine Bewilligung des Versuches aus. Als Begründung führen sie das frühe Entwicklungsstadium des Projektes, die damit verbundene mangelhafte Charakterisierung des Weizens und fehlende Analysemethoden, sowie eine offensichtlich unkontrollierte und instabile Expression des KP4-Proteins an. Diese würden einerseits eine fundierte Risikoanalyse nicht zulassen und andererseits einen Erkenntnisgewinn in der Grundlagenforschung unter Umständen verhindern. Die übrigen Kommissionsmitglieder sind mit diesen Bemerkungen prinzipiell einverstanden, sehen aber im Rahmen des vorliegenden Versuches kein Risiko für Mensch und Umwelt und stimmen dem Vorhaben deshalb zu. Ein Kommissionsmitglied begründet dies mit dem Hinweis auf unterschiedliche Werte der einzelnen Mitglieder, auf die geringe Grösse der Versuchsfläche, auf die stringenten Sicherheitsmassnahmen sowie auf die Forschungsfreiheit, die gewährleistet werden müsse. Darüber hinaus sei es nicht Aufgabe der EFBS, die Nützlichkeit eines Versuches zu beurteilen.

In ihren Stellungnahmen vom 26. September 2003 und vom 13. Oktober 2003 geht die EFBS ergänzend auf spezifische Fragen zu möglichen Auswirkungen im Boden, möglichen Auskreuzungsdistanzen sowie Instabilitäten im Erbgut ein. Danach stellt sie fest, dass grundsätzlich Pflanzenteile und mit diesen Pflanzen-DNA durch Bodenorganismen in tiefere Bodenschichten gelangen können und es nicht bekannt sei, wie lange der Abbau der Pflanzenmasse bei Weizen, der darin enthaltenen DNA sowie insbesondere des KP4 Proteins dauert. In Bezug auf einen möglichen Transfer von Pflanzen-DNA auf Mikroorganismen legt die EFBS dar, dass sich die Wissen7390

schaft über das Risiko einer ungewollten Verbreitung und Vermehrung von transgener DNA nicht einig sei. Weiter stellt sie fest, dass zwar einmal, ausgehend von einer sehr grossen Pollenquelle, eine Pollenverfrachtung bis 1000 m gefunden worden sei (Virmani SS & Edwards IB, Current status and future prospects for breeding hybrid rice and wheat; Adv. Agron. 36: 145­214; 1983), Auskreuzungen ausserhalb eines 30 m Radius jedoch nicht von grosser Bedeutung seien (Waines JG & Hedge SG, Intraspecific gene flow in bread wheat as affected by reproductive biology and pollination ecology of wheat flowers; Crop Science 43: 451­463; 2003). Ausserdem kommt die EFBS zu dem Schluss, dass entgegen der Befürchtung der Einsprechenden keine gravierenden Auswirkungen auf die Population von Wildpflanzen aufgrund vertikalen Gentransfers zu erwarten seien, da die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht auf das geplante Feldexperiment anwendbar seien. In Bezug auf genetische Instabilitäten im Erbgut von Weizen führt die EFBS aus, dass es bekannt sei, dass es bei Weizen immer zu grösseren oder kleineren Instabilitäten kommen könne, und dies sowohl bei Züchtungen wie bei gentechnischen Veränderungen.

Allerdings habe die Gesuchstellerin gezeigt, dass der KP4-Weizen in Bezug auf das Insert relativ stabil sei. Zudem sei nicht zu erwarten, dass kleinere Instabilitäten die biologische Sicherheit dieses Versuches beeinflussen könnten. Aufgrund dieser Ausführungen kommt eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder zusammenfassend zu dem Schluss, dass die Argumente für die biologische Sicherheit des Versuches sprechen.

Eidgenössische Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) In ihrer Stellungnahme vom 10. September 2003 kommt die EKAH zu dem Schluss, dass es sich bei dem Feldexperiment in der Hauptsache um einen Wirkungstest, und zwar um die Überprüfung der Resistenz des KP4-Weizens gegen Stinkbrand im Feld, handle. Die geplante Biosicherheitsforschung spiele hingegen eine nebensächliche Rolle, weshalb sich die EKAH nur noch mit dem Wirkungstest auseinandersetze. Weiterhin gehe sie davon aus, dass sich die Daten zur Abklärung der Sicherheitsaspekte im Vergleich zum ersten Gesuch nicht geändert haben und dass die Sicherheitsbeurteilung durch die zuständigen Stellen gleich bleibe. Aufgrund der vorliegenden
Informationen und dem derzeitigen Verständnis der Gesuchsunterlagen meldet die EKAH starke Zweifel an der Richtigkeit der wissenschaftlichen Konzeption des Versuches sowie an der korrekten Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse aus den Versuchen im Gewächshaus und in der Vegetationshalle an. Solange diese Zweifel an wissenschaftlicher Qualität und am Sinn des Experimentes bestünden, empfiehlt die EKAH einstimmig, den Freisetzungsversuch nicht zuzulassen.

Die EKAH führt weiter aus, dass sie sich bewusst sei, dass die Freisetzungsverordnung als einziges materielles Kriterium eine ausreichende Sicherheit eines Versuches verlange und dass die Kriterien des Nutzens und der Wissenschaftlichkeit im Bewilligungsverfahren keine Rolle spielen würden. Sie verweist auf Bewilligungsverfahren für Tierversuche oder für klinische Forschung am Menschen, wo schlecht konzipierte Forschungsprojekte aus ethischer Sicht als nicht bewilligungsfähig gelten. Die EKAH empfiehlt, die Freisetzungsverordnung in dieselbe Richtung zu ändern, um zu gewährleisten, dass bei der Beurteilung künftiger Gesuche auch die Kriterien des Nutzens und der Wissenschaftlichkeit mit einbezogen werden.

7391

Baudirektion des Kanton Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), KSF/Fachstelle für biologische Sicherheit In seiner Stellungnahme vom 10. September 2003 hält das AWEL fest, dass in der Umweltverträglichkeitsprüfung immer noch gewisse Punkte (virale Rekombination, horizontaler Gentransfer von kp4) fehlen. Weiterhin stehe dem Risiko, das dem Kanton Zürich aufgrund des möglichen ökologischen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und politischen Gefahrenpotenzials erwachsen kann, nur dann ein erwiesener Gewinn gegenüber, wenn Erkenntnisse der vorgeschlagenen Biosicherheitsforschung für die Beurteilung der kommenden Freisetzungsgesuche genutzt werden könnten. Die Verwendung des Antibiotikaresistenzgens stelle für das AWEL dabei einen gewichtigen Nachteil des Forschungsvorhabens dar; es hält dabei explizit fest, dass dies nur gerechtfertigt werden könne, wenn substanzielle Erkenntnisgewinne in der Biosicherheitsforschung erreicht würden. Das AWEL verlangt von der Gesuchstellerin die Durchführung umfassender Sicherheitsmassnahmen und die Information des AWEL über Ergebnisse von weiteren Versuchen, die parallel zum Freisetzungsversuch an transgenem Weizen geplant sind und darüber, welche Linien ­ segregierend oder nicht segregierend ­ zum Einsatz kommen. Die von der Gesuchstellerin nachträglich eingereichten Projekte zur Biosicherheitsforschung seien zu befürworten und die Experimente sollten vor oder während des Freisetzungsversuchs durchgeführt werden, damit die Ergebnisse für den Überwachungsprozess genutzt werden könnten.

Im Rahmen eines kantonalen Mitberichtverfahrens kommen die einzelnen kantonalen Ämter zu folgenden Schlüssen: ­

Das Amt für Landschaft und Natur hält an seiner ursprünglichen Stellungnahme fest. Es gibt zu bedenken, dass der Versuch in nächster Nähe zu landwirtschaftlich genutzten Flächen mit potenziellen Hybridisierungspartnern geplant sei, und stimmt dem Versuch nur bedingt zu.

­

Das Kantonale Laboratorium kommt ergänzend zu der Stellungnahme vom 21. August 2001 zu dem Schluss, dass für eine abschliessende Beurteilung zur Toxizität des KP4-Proteins im Sinne der gesetzlichen Vorschriften die Grundlagen fehlen. Unter den gegebenen Bedingungen sei eine Auskreuzung der möglicherweise toxischen Eigenschaften nicht auszuschliessen, weshalb das Gesuch aus lebensmittelrechtlicher Sicht abzulehnen sei.

­

Der kantonsärztliche Dienst hält an seiner usprünglichen Stellungnahme fest.

Danach wurde das Gesuch und insbesondere die Risikobewertung in wesentlichen Bereichen als dürftig bewertet, insbesondere in Bezug auf die Abklärungen zur Toxikologie und über die Problematik des Ampicillinresistenzgens. Weiterführende Arbeiten mit diesen Pflanzen, insbesondere Vorbereitungsarbeiten im Hinblick auf das Inverkehrbringen, seien völlig auszuschliessen. Weiterführende Arbeiten mit diesen Pflanzen seien völlig auszuschliessen, sollte der Versuch dennoch bewilligt werden, dürfe diesem Umstand auf keinen Fall präjudizierende Bedeutung zukommen.

­

Das kantonale Veterinäramt erhebt aus der Sicht seiner direkten Zuständigkeiten keine Einwände.

In der Stellungnahme vom 25. September 2003 kommt das AWEL zu dem Schluss, dass die in den Einsprachen zitierte Literatur voraussichtlich keine Erkenntnisse enthalte, welche eine Neubeurteilung der bisherigen Risikobewertung erforderlich 7392

machen würden. Mögliche Auswirkungen im Boden, Auskreuzungsdistanzen sowie Instabilitäten im Erbgut beurteilt das AWEL wie folgt: Um den Ausgangszustand wieder herzustellen, dürfen keine neuen, durch einen möglichen horizontalen Gentransfer entstandenen rekombinanten Bakterien vorkommen. Der Boden sei deshalb während und nach dem Versuch auf das Vorhandensein des KP-Gens sowie von rekombinanten Bakterien zu untersuchen und diese seien zu vernichten. Eine Pollenverfrachtung bis 1000 m wurde einmal gefunden, allerdings ausgehend von einem sehr grossen Feld. Das AWEL hält deshalb an seiner Beurteilung der Risikosituation vom 10. September 2003 fest. Schwierigkeiten bei der Transformation bei Weizen haben keine Bedeutung für die Beurteilung der Risikosituation.

2.2.1.2

Einsprachen

Es gingen Einsprachen vom Ehepaar Grossmann-Keller und IP-Suisse, vertreten durch Fürsprecher Lorenz Hirni, von der Arbeitsgruppe «Lindau gegen GentechWeizen», vertreten durch Herrn Kurt Schweizer jun., sowie von Greenpeace Schweiz ein.

Neben grundsätzlichen Bedenken gegenüber gentechnischen Manipulationen und gegenüber Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen (d.h. das Verhalten von GVO in komplexen Ökosystemen sei nicht vorhersehbar und berge grundsätzlich eine Gefahr) wurde in diesen Einsprachen geltend gemacht, dass die Zielsetzung des Versuches nicht klar sei, dass der Sinn und der Nutzen des Versuches, insbesondere unter Berücksichtigung der Resultate der Versuche in der Vegetationshalle, nicht gegeben seien, dass bei Weizen Pollenflugdistanzen bis zu 1000 m gefunden worden seien, dass Auskreuzungen auf Wildpflanzen, Weizen und Roggen nicht ausgeschlossen werden können und dies verheerende Auswirkungen auf Wildpflanzenpopulationen haben könne, dass eine Verbreitung von Pollen bzw.

von transgenen Material durch Insekten, Vögel, Säugetiere, ablaufendes Regenwasser sowie durch den Menschen nicht in der Risikobewertung berücksichtigt worden seien, dass Verbreitung von transgenem Material im Boden in bis zu 75 cm Tiefe und deren Persistenz nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen zu verbieten sei und dass die Sicherheitsmassnahmen (Pollenzelte und deren Sturmtauglichkeit, 200 m Sicherheitsabstand, oberflächliches Abflammen des Bodens) ungenügend seien. Diese Ausführungen seien nicht abschliessend und umfassen die Ausführungen der Beschwerde ans UVEK vom 29. Januar 2003. Die Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentechweizen» und Greenpeace machen darüber hinaus geltend, dass fundierte Angaben zur Verbreitung des KP4 Proteins sowie zu seiner Toxizität gegenüber den Tierstämmen Articulata, Vertebrata und Mollusca fehlen. Des weiteren führt die Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentechnweizen» an, dass die Dynamik des Auskreuzens (Pollenkonzentration in Bezug zum Abstand zur Pollenquelle) nicht abzuschätzen sei und Greenpeace legt dar, dass der Organismus nicht gut beschrieben sei, und dass gentechnische Veränderungen bei Weizen oft zu unvorhergesehenen Effekten im Erbgut (u.a.

Instabilitäten, Neuanordnung des Erbgutes) führen.

Soweit nötig wird in der Beurteilung auf die einzelnen Argumente der verschiedenen Fachstellen und Einsprechenden eingegangen.

7393

2.2.1.3

Beurteilung durch das BUWAL

1. In Übereinstimmung mit der EFBS vertritt das BUWAL die Auffassung, dass der Freisetzungsversuch zu einem frühen Zeitpunkt erfolgt: Die unvollständige Charakterisierung der Pflanzen und die fehlende Nachweismethode des KP4-Proteins in den Pflanzen schmälert den potenziellen Erkenntnisgewinn. Ferner hätten die Ergebnisse aus dem Vorversuch in der Vegetationshalle von der Gesuchstellerin besser berücksichtigt werden können: In einem Experiment im Jahr 2001 wiesen die KP4-Weizenpflanzen keine erhöhte Pilzresistenz auf, im Gegenteil, sie waren sogar leicht stärker vom Pilz befallen als die Ausgangssorten.

2. Die Gesuchstellerin hat in ihrem Gesuch die Sicherheit des geplanten Experiments auf folgende Aspekte hin überprüft: ­

Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus;

­

Möglichkeit des Pollenflugs und dessen Konsequenzen;

­

die Eigenschaften des KP4 Proteins: natürliche Verbreitung, Wirkungsspektrum, Toxizität gegenüber Nicht-Zielorganismen;

­

Persistenz und Verbreitung von gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial im Boden; die Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Marker.

a. Nach Auffassung der Gesuchstellerin kann nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung der beantragte Freisetzungsversuch unter den im Gesuch, in den Nachforderungen, im Schreiben vom 18. November 2002 und den Ergänzungen vom 27. Juni 2003 vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen den Menschen und die Umwelt nicht gefährden. Aus ihrer Sicht sind diese Auflagen und Bedingungen daher integraler Bestandteil der von ihr vorgenommenen Risikobewertung.

b. Auch für das BUWAL sind die oben aufgeführten vier Aspekte für den Entscheid ausschlaggebend. Sie werden nachfolgend geprüft. Das BUWAL hat dabei die jeweils vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen ebenfalls geprüft: Sie dienen dem Zweck, die Umwelt und den Menschen durch den Versuch nicht zu gefährden (Art. 19 Abs. 1 Bst. a FrSV), und finden daher ihre gesetzliche Grundlage in Artikel 29a und 29e USG, Artikel 9 i.V.m. Anhang 4 i.V.m. Artikel 19 FrSV sowie Artikel 12 FrSV. Sie sind geeignet und notwendig, um eine Gefährdung der Umwelt und des Menschen auszuschliessen (Art. 19 Abs. 1 Bst. a FrSV), und sie sind für die Gesuchstellerin auch offensichtlich zumutbar.

Bei der Prüfung des Gesuchs werden jeweils die von der Gesuchstellerin beantragten Sicherheitsmassnahmen als Bestandteil des Versuchs vorausgesetzt. Nur dort, wo das BUWAL andere Massnahmen als die Gesuchstellerin notwendig erachtet, wird darauf eingegangen.

3a. Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus. Basis für eine Risikobewertung ist die Ermittlung des Schädigungspotenzials von Organismen unter Berücksichtigung derer Eigenschaften (Anhang 4, Ziff. 1 FrSV). Beim KP4 Weizen fehlt die Angabe der Anzahl der eingefügten Gensequenzen und es ist teilweise nicht bekannt, ob die Gensequenzen exprimiert werden. Auch ist die Konzentration des KP4-Proteins in den Pflanzen in Abhängigkeit von Zeit und Ort nicht bekannt, was aus grundsätzlichen Risikoüberlegungen kritisch zu bewerten ist. Aufgrund der kleinen Versuchsfläche, der geringen Anzahl von Pflanzen, die freigesetzt werden sollen, und durch die vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen wird das mögliche

7394

Schadensausmass so verringert, dass auch aus Sicht des BUWAL das Risiko unter diesem Aspekt tragbar erscheint.

b. Möglichkeit des Pollenflugs und dessen Konsequenzen. Weizen ist ein überwiegender Selbstbefruchter mit Fremdbefruchtungsraten von 1 bis 2 %, wobei diese bei günstigen Umweltbedingungen auf 3.7 bis 9,7 % steigen können (Consensus Document on the biology of Triticum aestivum (bread wheat); OECD, ENV/JM/ MONO(99)8). Das Ausmass der Fremdbefruchtung ist nicht nur abhängig von Umweltbedingungen, sondern auch von der Weizensorte, wobei besonders die Morphologie der Blüte hervorzuheben ist (Waines JG & Hedge SG, Intraspecific gene flow in bread wheat as affected by reproductive biology and pollination ecology of wheat flowers; Crop Science 43: 451­463; 2003). Mögliche Kreuzungspartner sind ­ neben Weizen ­ Hartweizen und Triticale sowie die Wildpflanze Zylindrischer Walch, Aegilops cylindrica (Guadagnuolo R, Savova-Bianchi D & Felber F, Gene flow from wheat (Triticum aestivum L.) to jointed goatgrass (Aegilops cylindrica Host.), as revealed by RAPD and microsatellite markers, Theor. Appl.

Genet. 103: 1­8, 2001). Auch ist spontanes Auskreuzen auf Roggen möglich, wobei die F1 Hybriden meist steril sind (Torgersen H, Ökologische Effekte von Nutzpflanzen ­ Grundlagen für die Beurteilung transgener Pflanzen?; Bundesministerium für Umwelt Monographien Band 74, Wien 1996; Consensus Document on the biology of Triticum aestivum (bread wheat); OECD, ENV/JM/MONO(99)8;). 30 bis 80 % des Pollens wird ausserhalb der Blüte abgegeben (Consensus Document on the biology of Triticum aestivum (bread wheat); OECD, ENV/JM/MONO(99)8; Waines JG & Hedge SG, Intraspecific gene flow in bread wheat as affected by reproductive biology and pollination ecology of wheat flowers; Crop Science 43: 451­463; 2003).

Seine Befruchtungsfähigkeit ist kurz und übersteigt selbst bei optimalen Bedingungen kaum 3 Stunden. Es kann davon ausgegangen werden, dass unter normalen Feldbedingungen die Befruchtungsfähigkeit nicht länger als 30 Minuten andauert (Consensus Document on the biology of Triticum aestivum (bread wheat); OECD, ENV/JM/MONO(99)8). Weizenpollen können über relativ grosse Distanzen verfrachtet werden (vgl. Feil B. & Schmid J.E., Pollenflug bei Mais, Weizen und Roggen, Hrsg. von dem Schweiz. Saatgut-Produzentenverband
SSPV, Z-Saatgut Suisse und Internutrition, Shaker Verlag, Aachen 2001). Die Distanz, über die Pollenflug und Auskreuzung stattfindet, ist abhängig von der Grösse des Feldes und damit von der Grösse der Pollenquelle (Eastham K & Sweet J, Genetically modified organisms (GMOs: the significance of gene flow through pollen transfer, Environmental issue report No 28, European Environment Agency, Copenhagen, 2002). Ausgehend von einer sehr grossen Pollenquelle konnten z.B. noch in 1000 m Distanz lebensfähige Pollen in Pollenfallen gefunden werden (Virmani SS & Edwards IB, Current status and future prospects for breeding hybrid rice and wheat; A.dv. Agron. 36: 145­214; 1983) und Auskreuzung wurde noch in 150 m und 400 m Abstand festgestellt (Feil B. & Schmid J.E., Pollenflug bei Mais, Weizen und Roggen, Shaker Verlag, Aachen 2001). Für den Anbau von GVO-Weizen würde dies bedeuten, dass ein vergleichsweise grosser Abstand zu Flächen eingehalten werden muss, auf denen Hybridsaatgut erzeugt bzw. dessen männlich sterile Komponente vermehrt wird. Wenn Weizen angebaut wird, welcher grosse Mengen Pollen produziert und zudem eine hohe Selbstbefruchtungsrate aufweist, wie es in der landwirtschaftlichen Praxis die Regel ist, dürfte aber ein Abstand von ca. 50 m genügen, um den Anteil transgener Körner unter 0,5 % zu halten (Feil B. & Schmid J.E., Pollenflug bei Mais, Weizen und Roggen; Shaker Verlag, Aachen 2001).

7395

Bei der vorliegenden Freisetzung handelt es sich um einen kleinflächigen Versuch, bei dem die Pollenquelle sehr klein ist (ca. 1600 transgene Pflanzen insgesamt). Das BUWAL erachtet es deshalb als unwahrscheinlich, dass Pollen 1000 m weit fliegen und in dieser Distanz Auskreuzungen stattfinden. Zusätzlich wird die Möglichkeit eines Pollenflugs eingeschränkt, indem die transgenen Pflanzen während der Blütezeit mit den vorgeschlagenen pollendichten Zelten abgedeckt werden. Diese sind auf ihre Standhaftigkeit bei starken Winden getestet worden. In Bezug auf Wildpflanzen geht das BUWAL nach der von der Gesuchstellerin vorgelegten Pflanzenliste des Kantons Zürich davon aus, dass Ae. cylindrica nicht im Umfeld der Versuchsfläche vorkommt. Gesamthaft beurteilt deshalb das BUWAL das Risiko einer durch Pollenflug vermittelten Auskreuzung der transgenen Pflanzen und damit eine dauerhafte Verbreitung der gentechnischen Eigenschaften in andere Organismen (Art. 8 Abs. 1 FrSV) bei normalem Versuchsverlauf als tragbar.

Für den nicht planmässig verlaufenden Freisetzungsversuch, sei es im Falle eines ausserordentlichen Ereignisses wie Sturm oder Unwetter, sei es im Falle anderer nicht planmässig verlaufender Ereignisse wie Reissen des Zeltstoffes oder Lösen der Verankerung der Zelte, sind zusätzliche geeignete Massnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer Verbreitung von transgenem Pflanzenmaterial zu vermindern. So sind vor Beginn des Versuches im Umkreis von 500 m alle Anpflanzungen von Weizen, Roggen und Triticale sowie im unmittelbaren Umfeld der Versuchsfläche das Auftreten von Ae. cylindrica zu registrieren. Sollte trotz aller präventiven Sicherheitsmassnahmen der Freisetzungsversuch nicht planmässig verlaufen und transgener Pollen freigesetzt werden, so sind im Umkreis von 60 m der Körnerbesatz von Weizen, Roggen, Triticale und gegegenenfalls Ae. cylindrica zu vernichten und im Umkreis von 200 m darf angebautes Erntegut nicht als Vermehrungsmaterial, weder als Basissaatgut, zertifiziertes Saatgut noch für den Wiederanbau im eigenen Betrieb verwendet werden. Verpflichtet zur Durchführung dieser Massnahmen ist die Gesuchstellerin (Art. 9 i.V.m. Anh. 4 Ziff. 4 i.V.m. Art. 19 FrSV). Ist sie bei einem nicht planmässigen Ereignis nicht in der Lage, dieses Notfallkonzept in allen Einzelheiten durchzuführen,
insbesondere weil sie mit den möglichen betroffenen Nachbarn keine vertraglichen Abmachungen vorweisen kann, wird das BUWAL unter Kostenfolgen zu Lasten der Gesuchstellerin das Notwendige veranlassen. Der Kanton Zürich trifft unter Kostenfolge zu Lasten der Gesuchstellerin das Notwendige im Falle der schweren, unmittelbaren Gefahr oder Störung im Falle zeitlicher Dringlichkeit. Trifft die Gesuchstellerin mit Nachbarn Vereinbarungen, so hat sie diese dem BUWAL vor Versuchsbeginn zur Kenntnis zu bringen.

c. Toxizität und natürliche Verbreitung des KP4 Proteins. Das KP4 Protein stammt aus einem Virus, das Brandpilze der Gattung Ustilaginales befällt. Nach den von der Gesuchstellerin vorgelegten Daten und Untersuchungen hemmt es das Wachstum von pilzlichen Schaderregern, indem es den Ca++-Transport durch die Zellmembran und damit die biologische Signalübertragung beeinträchtigt. Der Effekt kann durch die Gabe von externem Ca++ aufgehoben werden. Die von der Gesuchstellerin vorgelegten Daten und die von ihr zitierte Fachliteratur belegen ausserdem, dass Bakterien und Pilze ausserhalb der Gattung Ustilaginales nicht empfindlich gegenüber KP4 reagieren. Ausserdem liegen Daten zu Einwirkungen auf Zellkulturen von Hamstern, Insekten und menschlichen Nierenzellen vor, die keinen Hinweis auf negative Effekte ergeben. Dagegen fehlen Untersuchungen zu Nebenwirkungen gegenüber Vertebraten und Articulaten. Der Hinweis auf den langen, folgenlosen Verzehr von «Quitlacoche» (Maiskolben, die mit Brandpilzen infiziert sind), die in 7396

Südamerika traditionell als Viehfutter verfüttert und auch als vom Mensch als Delikatesse verspeist werden, wird vom BUWAL nicht als Sicherheitsindiz anerkannt, da nicht bekannt ist, ob und in welchem Masse die Brandpilze tatsächlich von Viren befallen waren. Einer wissenschaftlichen Publikation zufolge sind nämlich nur 3 bis 5 % aller untersuchten Brandpilzstämme infiziert (Koltin Y. & Day P.R. (1975), Specificity of Ustilago maydis Killer Proteins; in: Applied Microbiology 30, Seite 694­696).

Bei der Beurteilung hat das BUWAL berücksichtigt, dass die Versuchspflanzen weder für den menschlichen Verzehr noch für die Verwendung als Viehfutter bestimmt sind. Aufgrund der noch offenen Fragen zur Toxizität des KP4 Proteins darf das KP4 Protein nicht in die Nahrungskette gelangen. Das BUWAL erachtet dies mit den von der Gesuchstellerin beantragten Sicherheitsmassnahmen als hinreichend erfüllt. Des weiteren ist auch die geringe Versuchsgrösse in die Beurteilung mit einzubeziehen, die mögliche Nebenwirkungen auf Nicht-Zielorganismen lokal auf wenige Organismen eingrenzt. Eine Beeinträchtigung von Populationen von Organismen oder ein Aussterben irgendeiner Art von Organismen (Art. 8 FrSV) ist also nicht zu erwarten. Ausserdem sind Nebenwirkungen gegenüber Insekten Untersuchungsgegenstand dieses Versuches. Gesamthaft kommt das BUWAL deshalb zu dem Schluss, dass die fehlenden Angaben zur Toxizität des KP4 Proteins zwar zu bemängeln, das Risiko, das von den KP4 Weizenpflanzen dieses Versuchs für Mensch und Umwelt ausgeht, jedoch tragbar ist.

d. Persistenz und Verbreitung von gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial im Boden. Bei der Freisetzung des KP4 Weizens wird Pflanzenmaterial in den Boden eingebracht, wo es frei und uneingeschränkt zu Wechselwirkungen mit der Umwelt, insbesondere den Bodenorganismen, kommt. Aufgrund der Kenntnisse über die Vorgänge im Boden ist davon auszugehen, dass Pflanzenmaterial von Mikro- und Makroorganismen (z.B. Regenwürmer) in tiefere Bodenzonen verfrachtet wird. Mit dem Wissen, dass DNA (Gay P, The biosafety of antibiotic resistance markers in plant transformation and dissemination of genes through horizontal gene flow; in: Custers R. (ed.): Safety of genetically engineered crops, VIP publication, Jo Bury VIB, Zwijnaarde, 2001) und Proteine (Tapp H & Stotzky G, Dot blot
enzyme-linked immunosorbent assay for monitoring the fate of insecticidal toxins from Bacillus thuringiensis in soi. Applied and Environmental Microbiology 61(2): 602­609, 1995; Koskella J & Stotzky G, Microbial utilization of free and clay-bound insecticidal toxins from Bacillus thuringiensis and their retention of insecticidal activity after incubation with microbes, Applied and Environmental Microbiology 63(9): 3561­3568, 1997) je nach Bodenbedingungen lange Zeit im Boden überdauern können, ist weiterhin in Betracht zu ziehen, dass das KP4 Gen und das KP4 Protein unter Umständen lange im Boden verbleiben. Die Konsequenzen könnten sein, dass es zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen auf Bodenorganismen, v.a. auf Bodenpilze, sowie zu einem Transfer des KP4 Gens auf Mikroorganismen kommt. Dieser sogenannte horizontaler Gentransfer ist bislang im Freiland noch nicht nachgewiesen worden und nach Berechnungen extrem unwahrscheinlich (Schlüter K & Potrykus I, Horizontaler Gentransfer von transgenen Pflanzen zu Mikroorganismen (Bakterien und Pilzen) und seine ökologische Relevanz, in: Schulte E & Käppeli O (eds.), Gentechnisch veränderte krankheits- und schädlingsresistente Nutzpflanzen ­ eine Option für die Landwirtschaft?, Schwerpunktprogramm Biotechnologie des Schweizerischen Nationalfonds, Bern, 1996). In Anbetracht der immensen Anzahl an Bodenorganismen und der taxonomischen und phylogenetischen Befunde bei Mikroor7397

ganismen, die belegen, dass horizontaler Gentransfer bei diesen eine wichtige Rolle in der Evolution gespielt hat (Hanselmann K, Horizontaler Gentransfer in Prokaryoten ­ Evolutionsökologische Implikationen für die Biosicherheitsforschung, Perspektiven der Biosicherheit, Bern, 5. April 2002), ist er gleichwohl nicht auszuschliessen. Die Möglichkeit einer Verbreitung des KP4 Gens auf diese Weise ist also durchaus gegeben.

Bei der Beurteilung der Persistenz und der Verbreitung ist jedoch auch die kleine Versuchsfläche und die geringe Anzahl an freigesetzten Pflanzen zu berücksichtigen. Mögliche Nebenwirkungen des KP4 Proteins wären zeitlich und insbesondere örtlich sehr stark beschränkt und es ist nicht davon auszugehen, dass Populationen geschützter oder für das betroffenen Ökosystem wichtiger Organismen beeinträchtigt würden, es zum Aussterben irgendeiner Art von Organismen oder zu einer Beeinträchtigung der Funktionen, insbesondere der Fruchtbarkeit des Bodens (Art. 8 Abs. 1 FrSV) kommen würde.

Dagegen erachtet es das BUWAL als nicht vollkommen ausgeschlossen, dass es zu einer dauerhaften Verbreitung von Eigenschaften kommen kann. Die Gesuchstellerin wird deshalb verpflichtet, zur Verminderung dieser Verbreitung nach Beendigung des Versuches das Feld durch eine Hitzebehandlung zu sterilisieren. Zusätzlich hat sie während des Versuches sowie noch mindestens zwei Jahre nach Abschluss des Versuches die Persistenz sowie einen möglichen horizontalen Gentransfer des KP4 Gens auf Mikroorganismen zu überprüfen. Die von der Gesuchstellerin vorgeschlagenen Massnahme des Umpflügens zwischen den Hitzebehandlungen wird vom BUWAL dabei als problematisch angesehen, weil diese Massnahme für das Ziel, alle Pflanzenreste im Boden zu vernichten, keine massgebliche Verbesserung bringt. Denn durch diese Massnahme könnten unter Umständen Körner in tiefere Bodenschichten transportiert werden, überdauern und zu einem späteren Zeitpunkt unkontrolliert keimen. Auf das Umpflügen muss deshalb verzichtet werden. Mit diesen zusätzlichen Sicherheitsauflagen erachtet das BUWAL das Risiko für den Boden deshalb als tragbar.

e. Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Marker. Es ist nicht auszuschliessen, dass das verwendete Antibiotikaresistenzgen über den Transfer auf Mikroorganismen im Boden verbreitet wird. Die Verwendung
und Freisetzung von Antibiotikaresistenzgenen ist deshalb grundsätzlich zu bemängeln.

In Betracht zu ziehen ist nach Auffassung des BUWAL jedoch neben der geringen Feldgrösse und der geringen Anzahl der freigesetzten Pflanzen, dass die Antibiotikaresistenzgene natürlicherweise bereits in Bodenmikroorganismen vorhanden sind (Gay P, The biosafety of antibiotic resistance markers in plant transformation and dissemination of genes through horizontal gene flow; in: Custers R. (ed.): Safety of genetically engineered crops, VIP publication, Jo Bury VIB, Zwijnaarde, 2001).

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber kürzlich das Risiko einer versuchweisen Freisetzung von Antibiotikaresistenzgenen nicht als derart umweltgefährdend bewertet, dass die Verwendung von solchen Genen sofort zu unterlassen wären. Damit hat der Gesetzgeber dem Vollzug für eine bestimmte Frage doch noch Kriterien an die Hand gegeben, die das BUWAL zu berücksichtigen hat.

f. Insgesamt ergibt sich aus den Gesuchsunterlagen somit, dass der KP4 Weizen grundsätzlich ernst zu nehmende Risiken für Mensch und Umwelt erzeugen kann.

Aufgrund der verfügten Sicherheitsmassnahmen und unter Berücksichtigung der kleinen Fläche und der geringen Anzahl an Pflanzen kann das Risiko einer Gefähr7398

dung von Mensch und Umwelt aber als tragbar erachtet werden. Damit ist der Versuch mit den verfügten Sicherheitsmassnahmen zuzulassen.

4. Das BUWAL ist die Vollzugsbehörde zur Überwachung der Durchführung des Freisetzungsversuches (Art. 27 Abs. 1 FrSV). Da die Überwachung der Durchführung des Freisetzungsversuches lokale Kenntnisse und hohe zeitliche Präsenz erfordert, wird das BUWAL entsprechend Artikel 27 Absatz 2 FrSV eine Begleitgruppe einsetzen. Diese soll die Durchführung des Freisetzungsversuchs überwachen, insbesondere soll sie kontrollieren, ob die Gesuchstellerin die Vorschriften der Freisetzungsverordnung sowie die Auflagen und Bedingungen dieser Verfügung einhält. Die Gesuchstellerin hat der Begleitgruppe insbesondere die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und ihr den Zutritt zu allen Räumen und Versuchsflächen zu gewähren, die für den Versuch verwendet werden. Die Begleitgruppe hat keine Verfügungskompetenz; sie erstattet über ihre Ergebnisse dem BUWAL Bericht. Sind aufgrund des vorgefundenen Sachverhalts Massnahmen notwendig, informiert sie das BUWAL unverzüglich. Die Begleitgruppe wird sich aus maximal fünf Personen zusammensetzen. Die Kosten der Begleitgruppe gehen Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe c FrSV zufolge zu Lasten der Gesuchstellerin und werden nach Abschluss des Versuchs durch das BUWAL erhoben. Die Gebührenbemessung und die anrechenbaren Auslagen richten sich dabei nach Artikel 36 ff. FrSV und der Verordnung vom 15. Oktober 2001 über die Gebühren für Dienstleistungen nach der Freisetzungsverordnung (SR 814.911.36; VGFrSV).

2.2.1.4

Gebühren

1a. Wer eine Dienstleistung oder eine Verfügung des BUWAL nach der Freisetzungsverordnung veranlasst, muss eine Gebühr bezahlen (Art. 36 Abs. 1 FrSV).

Nach Artikel 37 FrSV erlässt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die Gebührenansätze u.a. für das Bewilligen von Freisetzungsversuchen. Das UVEK hat am 15. Oktober 2001 gestützt auf Artikel 37 FrSV die Verordnung über die Gebühren für Dienstleistungen nach der Freisetzungsverordnung (SR 814.911.36; VGFrSV) erlassen. Gemäss deren Artikel 1 beträgt die Gebühr für Bewilligungen von Freisetzungsversuchen zwischen 1000 und 20 000 Franken. Sie wird nach Aufwand bemessen.

b. Wer eine Dienstleistung oder eine Verfügung des BUWAL nach der FrSV veranlasst, muss ebenfalls die Auslagen bezahlen (Art. 36 FrSV). Nach Artikel 38 FrSV gelten die Kosten, die durch Beweiserhebung, wissenschaftliche Untersuchungen, besondere Prüfungen oder die Beschaffung von Unterlagen verursacht werden (Bst. b), oder Kosten für Arbeiten, die das BUWAL von Dritten erstellen lässt (Bst.

e), als Auslagen.

2a. Die Beurteilung des Gesuches hat insgesamt 90 Arbeitsstunden beansprucht.

Nach dem in Artikel 1 Absatz 3 VGFrSV vorgesehenen Stundenansatz von CHF 120.­ belaufen sich die Gebühren somit total auf CHF 10 800.­.

b. Das BUWAL hat den Kanton Zürich beauftragt, die Umweltrisiken vertieft abzuklären, und dafür einen Betrag von 3000 Franken vereinbart. Entsprechend Artikel 38 Buchstabe b und e FrSV hat die Gesuchstellerin für diesen Betrag aufzukommen.

7399

2.2.2

Beurteilung des Freisetzungsversuches aufgrund anderer Erlasse

1. Nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b FrSV erteilt das BUWAL die Bewilligung, wenn u.a. das BAG, das BVET und das BLW auf Grund der Beurteilung des Gesuchs der Durchführung des Freisetzungsversuchs zustimmen.

2a. Wie bereits ausgeführt (B.2.c.), handelt es sich bei Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b FrSV um eine Konkretisierung von Artikel 41 Absatz 2 i.V.m. Absatz 3 USG (vgl. Seiler, a.a.O., Rz. 47 ad Art. 29e). Es geht mithin um eine Koordination der Anwendung verschiedener Gesetze im konkreten Einzelfall, die von verschiedenen Ämtern vollzogen werden. Eine Mitwirkung der anderen Ämter am Entscheid über das vorliegende Gesuch ist daher nur soweit möglich, als die von ihnen vollzogenen Gesetze überhaupt auf den konkreten Fall anwendbar sind. Es geht mithin um das anwendbare Recht.

b. Regelungen über Freisetzungsversuche finden sich nur noch im Epidemiengesetz vom 18. Dezember 2003 (EpG) (vgl. auch Seiler, a.a.O., Rz. 7 ff. ad Art. 29e), das vom BAG vollzogen wird. Das EpG regelt die nötigen Massnahmen um Menschen vor Erregern, einschliesslich gentechnisch veränderter Organismen, zu schützen.

Erreger sind nach Artikel 2 EpG pathogene Organismen; vorliegendenfalls handelt es sich indes nicht um das versuchsweise Freisetzen von pathogenen Organismen.

Das BAG hat daher festgehalten, dass das Epidemiengesetz in casu nicht anwendbar ist.

c. Regelungen, die sodann das Ausbringen von Organismen in die Umwelt verbieten (z.B. Quarantäneorganismen, Tierseuchen), wären ebenfalls zu beachten. Solche Regelungen finden sich im Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966, das vom BVET vollzogen wird, und im Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998, das vom BLW vollzogen wird. Diese beiden Gesetze regeln den Schutz vor solchen pathogene Organismen, weshalb diese Bestimmungen, wie das BVET für seinen Bereich explizit ausführt, auf den vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar sind.

d. Das BAG hat zudem vorsorglich darauf hingewiesen, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel einer Bewilligungspflicht nach dem Lebensmittelgesetz unterliegen, weshalb keine Körner der Mantelsaat-Pflanzen und der transgenen Versuchspflanzen in die Nahrungskette gelangen dürfen.

3. Das BAG vertritt zudem die Auffassung, dass es aufgrund des Umweltschutzgesetzes ermächtigt sei, den Gesundheitsschutz zu beurteilen. Das Umweltschutzgesetz
regelt indessen neben dem Schutz der Umwelt nur den indirekten Gesundheitsschutz des Menschen (Art. 1 i.V.m. Art. 7 USG). Für seinen Vollzug bei Freisetzungsversuchen ist ausschliesslich das BUWAL zuständig (Art. 42 i.V.m. Art. 41 Absatz 2 und 3 USG). Das BAG ist hingegen für den direkten Gesundheitsschutz des Menschen zuständig (siehe auch Organisationsverordnung des EDI), der durch spezielle Normen ausserhalb des USG geregelt sein müsste. Für Freisetzungsversuche finden sich indes keine Normen, die den direkten Gesundheitsschutz regeln, weshalb Freisetzungsversuche an den direkten Gesundheitsschutz keine Anforderungen erfüllen muss. Aus diesem Grund können die Ausführungen des BAG zum direkten Schutz der Gesundheit des Menschen nicht als Begründung der Zustimmung gelten.

4. Ausser den Vorschriften des Umweltschutzgesetzes finden im vorliegenden Verfahren somit keine weiteren Vorschriften Anwendung, weshalb der Freiset-

7400

zungsversuch diese nicht verletzen kann. BAG, BVET und BLW haben deshalb auch keine Einwände gegen den Versuch.

2.2.3.

Rechtsethische Bemerkungen der EKAH

Die EKAH führt an, dass aus ethischen Gründen auf einen Freisetzungsversuch verzichtet werden solle. Sie führt dabei als Kriterium die wissenschaftliche Qualität und den Sinn des Freisetzungsversuchs an. Zur Begründung verweist sie auf die Bewilligungsverfahren für Tierversuche und für die klinische Forschung am Menschen. Wie die EKAH zurecht ausgeführt hat, bilden diese Kriterien nicht Gegenstand der Bewilligungsvoraussetzung eines Freisetzungsversuches. Sie können daher für diesen Bewilligungsentscheid nicht berücksichtigt werden (vgl. Christoph Errass, a.a.O., S. 343). Die Beurteilung von Einzelfällen erlaubt aber immerhin die notwendige rechtsethische Überprüfung staatlichen Handelns im Bereich der Gentechnologie im ausserhumanen Bereich (vgl. Rainer J. Schweizer, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, Rz. 21 ad Art. 24novies). Das BUWAL ist daher gehalten, die Bemerkung der EKAH in den Rechtssetzungsprozess einzubringen (vgl. Christoph Errass, a.a.O., S. 343 m.w.H.).

C.

Entscheid

Aufgrund dieser Erwägungen und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen wird verfügt: 1. Das Gesuch der ETH Zürich, vertreten durch das Institut für Pflanzenwissenschaften, seinerseits vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl. Nat. ETH Stefan Kohler, Rechtsanwälte Pestalozzi, Lachenal, Patry, Löwenstrasse 1, 8001 Zürich, vom 4. Januar 2001 zur Freisetzung von gentechnisch verändertem KP4-Weizen wird mit folgenden Auflagen und Bedingungen bewilligt: a.

Es wird eine Begleitgruppe eingesetzt, bestehend aus 5 Personen. Die Kosten der Begleitgruppe gehen zulasten der Gesuchstellerin. Die Begleitgruppe überwacht den Versuch, erstattet dem BUWAL Bericht und beantragt gegebenenfalls Massnahmen. Sie hat keine Verfügungsbefugnis.

b.

Die Gesuchstellerin nennt der Begleitgruppe alle am Versuch beteiligten Personen und stellt ihr die für die Überwachung des Freisetzungsversuchs notwendigen Unterlagen und Materialien zur Verfügung. Insbesondere informiert sie die Begleitgruppe laufend über neue Erkenntnisse zum KP4 Weizen. Sie gewährt der Begleitgruppe den Zutritt zu allen Räumen und Versuchsflächen, die im Zusammenhang mit dem Freisetzungsversuch verwendet werden. Die Zusammensetzung und der genaue Auftrag der Begleitgruppe wird der Gesuchstellerin vor Versuchsbeginn zugestellt.

c.

Vor Versuchsbeginn führt die Gesuchstellerin folgende Massnahmen durch: aa. Die Gesuchstellerin übermittelt der Begleitgruppe Angaben über die Bepflanzungen der an die Versuchsstation angrenzenden Nutzflächen und Informationen über eine allfällige Nutzung der Erntegüter als Saat7401

bb.

cc.

dd.

ee.

d.

7402

gut. Im Umkreis von 500 m sind alle Anpflanzungen von Weizen (getrennt nach Sommer- und Winterweizen), Roggen und Triticale sowie in unmittelbarer Umgebung der Versuchsfläche gegebenenfalls das Auftreten von Ae. cylindrica zu registrieren und diese Daten mindestens eine Woche vor Aussaat dem BUWAL vorzulegen. Diese Registrierung umfasst explizit die Anpflanzungen innerhalb der Versuchstation (Versuchsfelder, Sortengarten etc.). Die Produktion von Saatgut der oben genannten Sorten ist explizit auszuweisen.

Die Gesuchstellerin stellt sicher, dass im Umkreis von 60 m kein Saatgut der oben genannten Sorten produziert wird und bestätigt dies der Begleitgruppe.

Die Gesuchstellerin legt der Begleitgruppe mindestens 2 Wochen vor Versuchsbeginn basierend auf den Protokollen und den vorbereitenden Sitzungen im Frühling 2003 konkrete Einsatz- und Notfallpläne für das Eintreten eines ausserordentlichen Ereignisses vor. Ausserordentliche Ereignisse sind insbesondere ein Zerstören der Zelte infolge eines Unwetters oder Sturms oder jegliche Sabotageakte.

Die Gesuchstellerin legt der Begleitgruppe mindestens 1 Woche vor Versuchsbeginn ein Konzept zu den Untersuchungen zur Biosicherheit vor. Dieses beinhaltet insbesondere die Untersuchungen des Bodens und der Mantelsaat.

Die Gesuchstellerin weist das am Versuch beteiligte Personal ein und stellt mit der Unterschrift aller am Versuch beteiligten Personen sicher, dass es die zu treffenden Massnahmen kennt und befolgt.

Während des Versuches führt die Gesuchstellerin folgende Massnahmen durch: aa. sie stellt durch Abschrankungen und andere Massnahmen sicher, dass keine Pflanzen oder Bestandteile davon ausgerissen oder entwendet werden können und dass die Versuchsfläche nicht von Unberechtigten betreten werden kann; Passanten sind durch Informationsschilder auf diesen Umstand aufmerksam zu machen.

bb. sie überdeckt die Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaat mit einem Vogelnetz, verwehrt kleinen Nagetieren den Zutritt zu den Versuchspflanzen mit Blechen und befestigt oberhalb der niedrigsten Stelle der Umrandung ein Fliegengitter, damit Keimlinge nicht abgeschwemmt werden.

cc. sie besucht täglich die Versuchsfläche und kontrolliert den Versuch auf Unregelmässigkeiten; in der Zeit der Pollenproduktion überwacht sie die Versuchsfläche rund um die Uhr.

dd. sie deckt zur Vermeidung der Pollenverbreitung während der Blütezeit die KP4-Weizenpflanzen mit pollendichten Geweben (Pollenzelte) ab.

ee. sie umgibt die gentechnisch veränderten Pflanzen mit einer Mantelsaat von 2 m Breite; zur Überprüfung der Wirksamkeit der pollendichten Zelte hat die Gesuchstellerin den Körnerbesatz von Pflanzen der Mantelsaat auf den Gehalt an gentechnisch veränderter DNA zu analysieren.

ff. sie stellt sicher, dass keine Pflanzen der Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaat oder deren Samen in Verkehr oder in die Nahrungskette gelangen können.

gg. sie entnimmt Bodenproben zur Überwachung der Verbreitung von gentechnisch veränderter DNA im Boden.

hh. sie führt ein Logbuch, in dem alle Tätigkeiten betreffend Freisetzungsversuch vermerkt werden und hält die Begleitgruppe während der gesamten Dauer des Versuches auf dem Laufenden.

ii. sie informiert die Begleitgruppe über Zwischenergebnisse der durchgeführten Untersuchungen möglichst so, dass sie für den Überwachungsprozess genutzt werden können.

e.

Im Falle eines ausserordentlichen Ereignisses führt die Gesuchstellerin folgende Massnahmen durch und meldet diese den unter aa. aufgeführten Personen: aa. sie meldet ausserordentliche Ereignisse, wie Stürme, Unwetter, die ein Entweichen von Pollen nach sich ziehen könnte, oder wie Sabotageakte (z.B. Betreten des Versuchsgeländes, Entwendung von Pflanzen, Zerstörung des Feldes etc.) unverzüglich dem BUWAL (PD Dr. Georg Karlaganis, 079 415 99 62, oder Dr. Hans Hosbach, 031 322 54 36, oder Dr. Andrea Raps, 031 322 22 38) und der Koordinationsstelle für Störfallvorsorge des AWEL (043 322 10 50).

bb. sie ergreift bei einem ausserordentlichen Ereignis die im Notfallplan vorgesehen Massnahmen, soweit sie dazu in der Lage ist, andernfalls wird die Vollzugsbehörde die erforderlichen Massnahmen veranlassen; innerhalb von zwei Wochen müssen die von einem ausserordentlichen Ereignis betroffenen Flächen geprüft und allenfalls geräumt, kontaminierte Geräte autoklaviert sowie kontaminiertes Pflanzenmaterial und kontaminierte Erde sachgerecht in einer Abfallverbrennungsanlage vernichtet werden, soweit diese nicht für weitere Untersuchungen im geschlossenen System benötigt werden.

cc. Nach Eintritt eines ausserordentlichen Ereignisses, welches ein Entweichen von Pollen nach sich gezogen hat, sind im Umkreis von 60 m der Körnerbesatz von Weizen, Roggen, Triticale und gegegenenfalls Ae.

cylindrica zu vernichten. Weiter darf im Umkreis von 200 m angebautes Weizenerntegut nicht als Vermehrungsmaterial, weder als Basissaatgut, zertifiziertes Saatgut noch für den Wiederanbau im eigenen Betrieb verwendet werden.

dd. Nach Eintritt eines ausserordentlichen Ereignisses, welches eine Abschwemmung von Samen vor der Keimung oder Keimlingen zur Folge hat, ist die umliegende Fläche, die davon betroffen ist, mit einem geeigneten Herbizid, z.B. Glyphosat, zu behandeln. Der Einsatz von Paraquat ist verboten.

f.

Während des Versuchs und nach dem Versuch führt die Gesuchstellerin zudem folgende Massnahmen durch und berichtet über diese der Begleitgruppe: aa. vor Erreichen der vollen Samenreife sind alle Ähren, die Pilzsporen enthalten, von einer kompetenten Person abzuschneiden und so zu verpacken, dass keine Körner oder Sporen entweichen können; anschliessend sind alle Pflanzen aus den Teilparzellen vollständig auszugraben und zu entfernen, in Kehrichtsäcke zu verpacken und in einer Kehrichtverbrennungsanlage sachgerecht zu entsorgen.

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bb. die Samen der Pflanzen aus der Mantelsaat sind nach der Reife abzuernten und zur Überprüfung der Tauglichkeit der Pollenzelte auf gentechnische Veränderungen zu analysieren; anschliessend sind sie in einer Kehrichtverbrennungsanlage zu entsorgen; die Pflanzen sind ebenfalls vollständig zu entfernen und in einer Kehrichtverbrennungsanlage sachgerecht zu entsorgen.

cc. sämtliche Arbeitsgeräte sind sorgfältig zu reinigen und, wenn immer möglich, zu autoklavieren.

dd. nach Entfernung des gesamten Pflanzenmaterials ist die Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaatfläche thermisch zu behandeln.

ee. Die Gesuchstellerin analysiert die entnommenen Bodenproben auf das Vorhandensein von Transgenen.

g.

Die Gesuchstellerin beobachtet zudem nach Abschluss des Freisetzungsversuchs während eines Jahres das Umfeld der Versuchsfläche nach keimenden Weizenpflanzen; gekeimte Weizenpflanzen sind auszugraben, auf die gentechnische Veränderung hin zu analysieren, und sachgerecht durch Autoklavieren oder in einer Kehrichtverbrennungsanlage zu entsorgen. Die Versuchsfläche ist anschliessend mit einem geeigneten Herbizid, z.B.

Glyphosat, zu behandeln. Die Gesuchstellerin teilt die Ergebnisse der Analyse und der Beobachtung der Begleitgruppe schriftlich mit.

h.

Die Gesuchstellerin prüft die Massnahmen der thermischen Behandlung des Bodens auf ihre Effizienz, indem sie mindestenens 2 Jahre lang in verschiedenen Abständen nach der Behandlung Bodenproben nimmt und auf den Verbleib der Transgene im Boden hin überprüft. Sie erstattet über die jeweiligen Ergebnisse der Begleitgruppe schriftlich Bericht.

i.

Die Gesuchstellerin erstellt ferner innert 90 Tagen nach Abschluss des Freisetzungsversuchs einen Bericht zu Handen der Begleitgruppe, der: aa. Auskunft gibt über den tatsächlichen Ablauf des Freisetzungsversuchs, die wichtigsten daraus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, über die Untersuchungen des Bodens und der Mantelsaat und die Einwirkungen auf Mensch und Umwelt.

bb. die Wirksamkeit der Sicherheitsmassnahmen (einzeln und in Kombination) bewertet. Insbesondere ist das Verhältnis des Aufwandes für die verschiedenen Sicherheitsmassnahmen (Isolationsabstände, Mantelsaat, Pollenzelte, usw.) und die damit gewonnene Sicherheit abzuschätzen;

j.

Die Gesuchstellerin übermittelt neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit den transgenen Weizenlinien, welche die Risiken für Mensch und Umwelt betreffen, unverzüglich an das BUWAL und das BAG.

2. Die Gebühren werden festgesetzt auf CHF 10 800.­, die Auflagen auf CHF 3000.­. Sie gehen zu Lasten der Gesuchstellerin. Die Rechnungstellung erfolgt durch das BUWAL.

3. Gegen diese Verfügung kann innert 30 Tagen ab ihrer Eröffnung beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), 3003 Bern, Beschwerde erhoben werden (Art. 50 VwVG).

Zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat, sowie 7404

jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das Bundesrecht zur Beschwerde ermächtigt (Art. 54 USG i.V.m. Art. 48 VwVG).

Die Beschwerdefrist beginnt für Parteien, denen dieser Entscheid persönlich eröffnet wird, an dem auf den Eingang der schriftlichen Ausfertigung folgenden Tag, für die andern Parteien an dem auf die Publikation folgenden Tag zu laufen.

Die Beschwerdeschrift ist im Doppel einzureichen. Sie hat die Begehren, deren Begründungen mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden bzw. der sie vertretenden Person zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind der Beschwerde beizulegen, soweit die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer sie in Händen hält.

Die Verfügung und die Entscheidunterlagen können innerhalb der Beschwerdefrist beim BUWAL, Abt. Stoffe, Boden, Biotechnologie, Worblentalstrasse 68, 3063 Ittigen, zu den üblichen Bürozeiten eingesehen werden. Telefonische Voranmeldung unter der Nummer 031 322 93 49.

4. Der Entscheid wird eingeschrieben eröffnet: ­

der Gesuchstellerin (Rechtsanwälte Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl.

Nat. ETH Stefan Kohler, Rechtsanwälte Pestalozzi, Lachenal, Patry, Löwenstrasse 1, 8001 Zürich)

­

der Gemeinde Lindau (ZH)

­

Lorenz Hirni, Fürsprecher

­

Kurt Schweizer jun.

­

Greenpeace Schweiz,

­

Baudirektion des Kanton Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), KSF/Fachstelle für biologische Sicherheit

und im Bundesblatt publiziert (Art. 19 Abs. 4 FrSV).

5. Mitteilung zur Kenntnis an: ­

Bundesamt für Gesundheit

­

Bundesamt für Landwirtschaft

­

Bundesamt für Veterinärwesen

­

Staatssekretariat für Wirtschaft, Arbeitsinspektorat

­

Schweiz. Unfallversicherungsanstalt

­

Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit

­

Eidg. Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich

11. November 2003

Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Der Direktor: Philippe Roch

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