00.405 Parlamentarische Initiative SchKG. Schutz gutgläubiger Erwerber Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 23. Juni 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt mit 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

23. Juni 2003

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Anita Thanei

2003-1481

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Parlamentarische Initiative

Die am 23. März 2000 von Nationalrat Jean-Michel Cina eingereichte parlamentarische Initiative verlangt, dass der gutgläubige Erwerber geschützt wird, der von einem Konkursiten zwischen Konkurseröffnung und Publikation bzw. Anmerkung im Grundbuch ein Grundstück erworben hat.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat diese parlamentarische Initiative am 23. Januar 2001 vorgeprüft und mit 9 zu 8 Stimmen beantragt, ihr keine Folge zu geben. Sie war der Auffassung, dass der Gläubigerschutz ein ebenso wichtiges Rechtsgebot wie der Schutz der gutgläubigen Erwerber sei und befürchtete, dass ein Abrücken vom Vorrang des Gläubigerschutzes mehr Personen schädigen würde, weil der Kreis der potenziell Geschädigten bei den Gläubigern grösser ist als bei den gutgläubigen Erwerbern. Eine Minderheit beantragte, der Initiative Folge zu geben.

Am 15. März 2001 hat der Nationalrat der Initiative mit 83 zu 59 Stimmen Folge gegeben1.

Der Nationalrat beauftragte hierauf gestützt auf Artikel 21quater Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG)2 die Kommission für Rechtsfragen mit der Ausarbeitung einer Vorlage.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission für Rechtsfragen befasste sich mit dieser parlamentarischen Initiative an ihren Sitzungen vom 4. September 2002, 17. Februar und 28. April 2003.

Am 23. Juni 2003 nahm sie den beigelegten Gesetzesentwurf mit 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Sie wurde in Ihrer Arbeit gemäss Artikel 21quater Absatz 2 GVG vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

2

Grundzüge des Entwurfs

2.1

Geltendes Recht

2.1.1

Vorrang des Konkursbeschlages

Zwischen der Konkurseröffnung und der Publikation des Konkurses beziehungsweise dessen Anmerkung im Grundbuch vergeht eine gewisse Zeitspanne. Während dieser Zeit kann der Konkursit Vermögenswerte ­ von Interesse sind hier die Immobilien ­ aus der Konkursmasse unrechtmässig veräussern. In einem solchen Fall

1 2

AB 2001 N 230 SR 171.11

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stellt sich die Frage, ob der Konkursbeschlag dem Schutz des guten Glaubens vorgeht oder ob der gutgläubige Erwerber zu schützen ist.

Artikel 204 Absatz 1 SchKG3 regelt, dass Rechtshandlungen, welche der Schuldner nach Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig sind. Gemäss herrschender Lehre gilt diese Ungültigkeit auch gegenüber dem immobiliarsachenrechtlichen Gutglaubensschutz nach Artikel 973 ZGB.4 Die Konsequenz davon ist, dass der Konkursit nach Konkurseröffnung nicht mehr über seine Immobilien verfügen kann beziehungsweise dass eine solche Verfügung auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber unwirksam ist.

2.1.2

Schutz des gutgläubigen Erwerbers

Der gutgläubige Erwerber einer Immobilie ist dem Vorrang des Konkursbeschlages jedoch nicht schutzlos ausgesetzt. Vielmehr sieht das geltende Recht als Ausgleich insbesondere folgende Massnahmen vor: Im Vordergrund steht die in Artikel 176 SchKG vorgesehene unverzügliche Mitteilung der Konkurseröffnung durch das Konkursgericht an das Grundbuchamt. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten wie Telefon, Fax und E-Mail5 kann die Mitteilung ohne weiteres am gleichen oder am folgenden Tag erfolgen. Nach Anmerkung der Konkurseröffnung im Grundbuch ist die entsprechende Verfügungsunfähigkeit des Schuldners für jedermann ersichtlich.

Daneben ermöglicht Artikel 170 SchKG eine sofortige vorläufige Publikation der Konkurseröffnung, das heisst lange vor dem Schuldenruf nach Artikel 232 SchKG und bevor feststeht, in welchem Verfahren der Konkurs abgewickelt werden soll.

Als ultima ratio ist zu Gunsten des gutgläubigen Erwerbers schliesslich die Staatshaftung nach Artikel 5 SchKG gegeben, wenn die Behörden ihre Mitteilungs- und Publikationspflichten nicht zeitgerecht wahrnehmen.

2.2

Vollzugsproblematik

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass zwischen Konkurseröffnung und deren Anmerkung im Grundbuch ­ trotz der vorgeschriebenen unverzüglichen Mitteilungspflicht ­ durchaus mehrere Wochen vergehen können. Für den Erwerber eines 3 4

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Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs; SR 281.1 Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., Bern 1997, § 41, N 10; Jent-Sörensen, Die Tragweite von Art. 204 Abs. 1 nach geltendem und revidiertem SchKG, in: BlSchK 1995, S. 41 ff., S. 47; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., Zürich 1997/1999, Art. 176 N 7 und Art. 204 N 11; Jörg Schmid, in: Honsell/Vogt/Geiser (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Basel 1998, Art. 973 N 16; Roger Giroud, in: Staehelin/Bauer/Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum SchKG, Basel 1998, Art. 176 N 13 und 16 anderer Meinung Heiner Wohlfahrt, in: Staehelin/Bauer/Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum SchKG, Basel 1998, Art. 204 N 26 Diese Kommunikationsmittel sind nach Art. 13 Abs. 4 der Verordnung betreffend das Grundbuch (GBV; SR 211.432.1) zulässig.

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dinglichen Rechts an einer Immobilie bringt dies eine erhebliche Unsicherheit mit sich: Im Vertrauen auf den Grundbuchauszug wird er in der Regel am Tag der grundbuchlichen Anmeldung des entsprechenden Rechtsgeschäfts den vereinbarten Preis bezahlen. Wurde der Konkurs vor dieser Anmeldung eröffnet, ist aber die entsprechende Verfügung des Konkursiten gegenüber den Konkursgläubigern ungültig, das heisst die Veräusserung des entsprechenden dinglichen Rechts ist unbeachtlich. Der «geprellte» Erwerber kann zwar den bezahlten Betrag zurückfordern, sprich als Konkursforderung anmelden. Mangels einer Privilegierung wird seine Forderung jedoch nur in der dritten Klasse kolloziert. Für den Erwerber hat dies in der Regel zur Folge, dass er nur noch einen Bruchteil des bezahlten Betrages zurückerhält oder sogar leer ausgeht. Da dieses Risiko in der Praxis teilweise über Wochen besteht, ist es für den allfälligen Erwerber dinglicher Rechte an einer Immobilie nicht mehr tragbar.

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Kommentar zum Entwurf

Zu Gunsten eines umfassenden Schutzes des Erwerbers diskutierte die Kommission zunächst eine Gesetzesänderung in dem Sinne, dass anstatt des Konkursbeschlags der immobiliarsachenrechtliche Gutglaubensschutz vorgehen solle. Ein solcher Systemwechsel wurde aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Insbesondere wäre das Problem nicht gelöst, sondern lediglich verschoben worden: Wie schon vor der Revision von 1994 würden die Konkursgläubiger das Risiko tragen, dass der Konkursit nach Konkurseröffnung dingliche Rechte an seinen Immobilien veräussert. Das Risiko der Gläubiger würde darin bestehen, dass der Konkursit über den entsprechenden Kaufpreis nach seinem Belieben verfügt, statt das Geld der Konkursmasse abzuliefern.

Daher beschloss die Kommission, das Problem an der Wurzel zu packen: Es ist zu gewährleisten, dass die kritische Zeitspanne zwischen Konkurseröffnung und deren Anmerkung im Grundbuch so kurz wie möglich ist. Es ist daher eine entsprechende gesetzliche Frist festzusetzen.

Für die Bemessung der Frist ist zu bedenken, dass für die Anmerkung im Grundbuch zwei Operationen notwendig sind: erstens die Mitteilung an das Grundbuchamt und zweitens die Vornahme der Anmerkung. Es sind somit zwei Behörden ­ das Konkursgericht und das Grundbuchamt ­ involviert. Eine 24-Stunden-Frist wäre daher zu knapp bemessen. Auch wenn die Wahrung einer solch kurzen Frist dank der heute gängigen Kommunikationsmittel wie Telefon, Fax und E-Mail möglich wäre, würde sie das Risiko einer Staatshaftung beträchtlich erhöhen. Es sollte daher beiden Instanzen für die Vornahme ihrer Pflicht je ein Tag gewährt werden. Die Frist ist somit auf zwei Tage festzusetzen, wobei deren Berechnung nach Artikel 31 SchKG zu erfolgen hat.

Um auch das Restrisiko während der verbleibenden kritischen Zeitspanne von zwei Tagen auszuschliessen, kann der Erwerber auf den Tag der Abwicklung des Rechtsgeschäfts hin vom Konkursamt eine Bestätigung einholen, dass über den Veräusserer kein Konkurs eröffnet beziehungsweise ihm keine Nachlassstundung gewährt wurde und auch keine diesbezügliche Verhandlung angesetzt ist. Ein solches Vorgehen wird in einigen Kantonen bereits heute gehandhabt.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die beantragte Änderung hat für den Bund und die Kantone keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

5

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 122 der Bundesverfassung6 ist der Bund für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zuständig.

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SR 101

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