03.074 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Appenzell Innerrhoden und Aargau vom 19. November 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Zürich, Glarus, Solothurn, Appenzell Innerrhoden und Aargau mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. November 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-2019

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Übersicht Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Die Gewährleistung wird erteilt, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Erfüllt eine kantonale Verfassungsbestimmung diese Anforderungen, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt eine kantonale Verfassungsnorm eine dieser Voraussetzungen nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Zürich: ­

Schulpflege;

im Kanton Glarus: ­

Neuorganisation der Jugendstrafrechtspflege;

­

gegenseitige Unterstützungspflicht;

im Kanton Solothurn: ­

kleineres Quorum für das Veto gegen Verordnungen des Regierungsrates;

im Kanton Appenzell Innerrhoden: ­

Verantwortlichkeit von Verwaltungsbeamten;

im Kanton Aargau: ­

Verkleinerung des Grossen Rates und Reform der Wahlkreise.

Alle Änderungen entsprechen Artikel 51 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

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Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Zürich

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben in der Volksabstimmung vom 24. November 2002 der Änderung von Artikel 62 Absatz 5 der Kantonsverfassung mit 190 147 Ja gegen 171 143 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 5. Februar 2003 ersucht der Regierungsrat des Kantons Zürich um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Schulpflege

1.1.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 62 Abs. 5 5 Die Gemeindeschulpflege leitet und beaufsichtigt die Schulen der Gemeinde. In jedem Bezirk besteht ausserdem mindestens eine Bezirksschulpflege. Der Kantonsrat kann einzelne Gemeinden der Bezirksschulpflege eines andern Bezirks unterstellen, wenn besondere Verhältnisse es erfordern.

Neuer Text Art. 62 Abs. 5 5 Die Schulpflege leitet und beaufsichtigt die Schulen der Gemeinde.

Die Verfassungsänderung steht im Zusammenhang mit dem Erlass eines neuen Volksschulgesetzes im Kanton Zürich. Während das Volksschulgesetz in der Abstimmung verworfen wurde, haben die Stimmberechtigten die Änderung der Verfassung angenommen. Durch die Verfassungsänderung wird die Bezirksschulpflege, die eine Aufsichtsfunktion hatte, aufgehoben.

1.1.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Nach Artikel 62 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die Kantone für das Schulwesen zuständig. Die Organisation der Aufsicht über die Schulen bewegt sich im Rahmen dieser Kompetenz. Die vorliegende Änderung verletzt daher weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht, weshalb ihr die Gewährleistung zu erteilen ist.

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1.2

Verfassung des Kantons Glarus

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Glarus haben in der Landsgemeinde vom 4. Mai 2003 der Änderung der Artikel 110 und 112 der Kantonsverfassung (Neuorganisation der Jugendstrafrechtspflege) zugestimmt. In der gleichen Landsgemeinde haben sie der Änderung von Artikel 124 Absatz 2 und der Ergänzung der Kantonsverfassung durch Artikel 126a (Gegenseitige Unterstützungspflicht) zugestimmt.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2003 ersucht der Regierungsrat des Kantons Glarus um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Neuorganisation der Jugendstrafrechtspflege

1.2.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 110 Jugendstrafrechtspflege Das Jugendgericht, bestehend aus dem Präsidenten und zwei Richtern, das Jugendamt und der Jugendanwalt üben in erster Instanz die Jugendstrafrechtspflege aus.

Art. 112 Obergericht Das Obergericht urteilt in Zivil- und Strafsachen und in der Jugendstrafrechtspflege als letzte, in Zivilsachen auch als einzige kantonale Instanz durch: a. das Gesamtgericht, bestehend aus dem Präsidenten und sechs Mitgliedern; b. die Obergerichtskommission, bestehend aus dem Präsidenten und zwei Mitgliedern.

Neuer Text Art. 110 Jugendstrafrechtspflege Die Jugendanwaltschaft übt in erster Instanz die Jugendstrafrechtspflege aus. Rechtsmittelinstanz ist die Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts.

Art. 112 Obergericht Das Obergericht urteilt in Zivil- und Strafsachen als letzte, in Zivilsachen auch als einzige kantonale Instanz. Es besteht aus dem Präsidenten und sechs Mitgliedern.

Durch die neuen Bestimmungen wird die Jugendstrafrechtspflege reorganisiert. Das Jugendamt und das Jugendgericht werden aufgehoben, dagegen wird die Rolle der Jugendanwaltschaft verstärkt. Beschwerdeinstanz gegen Entscheide der Jugendanwaltschaft ist künftig die Strafgerichtskommission des Kantonsgerichts.

1.2.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Nach Artikel 123 Absatz 2 BV sind die Kantone für die Organisation der Gerichte, die Rechtsprechung in Strafsachen sowie den Straf- und Massnahmenvollzug zuständig, soweit ein Bundesgesetz nichts anderes vorsieht. Die Kantone sind dabei verpflichtet, die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte, die in den Artikeln 9 Absatz 4 und 14 Absatz 1 des UNO-Paktes II (SR 0.103.2), in den Artikeln 5 Absatz 4 und 6 Absatz 1 EMRK (SR 0.101) sowie in 8090

Artikel 30 Absatz 1 BV verankert sind, und die Verfahrensrechte, die sich aus diesen internationalen und nationalen Bestimmungen ergeben, einzuhalten. Massgebend für diesen Bereich ist zudem das Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention, SR 0.107), namentlich dessen Artikel 40.

Im vorliegenden Fall wird durch die Verfassungsrevision die Organisation der richterlichen Gewalt in horizontaler und vertikaler Richtung geändert. Die Kompetenzen des erstinstanzlichen Gerichts werden in der Person des Jugendanwalts konzentriert, was zur Beschleunigung des Verfahrens beiträgt. Artikel 40 Absatz 2 Buchstabe b iii der Kinderrechtskonvention verlangt, dass die Beurteilung einer Jugendstrafsache durch eine unabhängige, unparteiliche Instanz erfolgt. Das bedeutet, dass auch in Jugendstrafverfahren die urteilende Instanz von den administrativen Ermittlungsbehörden getrennt sein muss (vgl. dazu die Botschaft zur Kinderrechtskonvention, BBl 1994 V 69). Die Schweiz hat jedoch zu diesem Punkt einen Vorbehalt angebracht und ist daher nicht an diese Verpflichtung gebunden (siehe dazu Vorbehalt der Schweiz zu Art. 40 der Kinderrechtskonvention, BBl 1994 V 70 und 73 f.). Da die vorliegende Änderung weder der Bundesverfassung noch sonstigem Bundesrecht widerspricht, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.2.3

Gegenseitige Unterstützungspflicht

1.2.3.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 124 Abs. 2 2 Das Gesetz legt die Grundsätze der Bewirtschaftung und Nutzung der Tagwensgüter fest und bestimmt, welche Leistungen der Tagwen und die Ortsgemeinde einander zur Erfüllung ihrer Aufgaben erbringen müssen.

Neuer Text Art. 124 Abs. 2 2 Das Gesetz legt die Grundsätze der Bewirtschaftung und Nutzung der Tagwengüter fest.

Art. 126a Gegenseitige Unterstützungspflicht (neu) Das Gesetz regelt die gegenseitige Unterstützungspflicht von Tagwen, Orts-, Schul- und Fürsorgegemeinde.

Das geltende Recht sieht eine gegenseitige Unterstützungspflicht nur zwischen Ortsgemeinde und Tagwen vor. Die Verfassungsänderung dehnt diese Verpflichtung auf die Schulgemeinde und die Fürsorgegemeinde aus, um Defizite zu vermeiden. Die verschiedenen Gemeinden werden, mit Ausnahme der Kirchgemeinden, in dieser Hinsicht als finanzrechtliche Einheit behandelt.

1.2.3.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Die Regelung des Gemeindewesens fällt in die Organisationskompetenz der Kantone. Die Bundesverfassung selbst schützt nämlich nicht direkt den Bestand der Gemeinden; dieser wird durch die kantonalen Verfassungen garantiert (Bundesge8091

richtsentscheid vom 23. Dez. 1970, in: ZBl 1971, 427 ff. und Bundesgerichtsentscheid vom 5. Nov. 1997, in: ZBl 1998, 423 ff.). Die vorliegende Revision hat überdies ausschliesslich die Schuldensanierung der verschiedenen Gemeinden des Kantons Glarus zum Ziel, ohne den Bestand der Gemeinden in Frage zu stellen. Da sie nichts der Bundesverfassung oder sonstigem Bundesrecht Widersprechendes enthält, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.3

Verfassung des Kantons Solothurn

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Solothurn haben in der Volksabstimmung vom 29. Juni 2003 der Änderung von Artikel 79 Absatz 3 der Kantonsverfassung mit 46 655 Ja gegen 10 380 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2003 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Solothurn um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2

Kleineres Quorum für das Veto des Grossen Rates gegen Verordnungen des Regierungsrates

1.3.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 79 Abs. 3 3 25 Kantonsräte können innert 60 Tagen gegen eine vom Regierungsrat beschlossene Verordnung oder Verordnungsänderung Einspruch einlegen. Wird der Einspruch durch die Mehrheit der anwesenden Kantonsräte bestätigt, so ist die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen. Das Kantonsratsgesetz regelt das nähere Verfahren.

Neuer Text Art. 79 Abs. 3 3 17 Kantonsräte können innert 60 Tagen gegen eine vom Regierungsrat beschlossene Verordnung oder Verordnungsänderung Einspruch einlegen. Wird der Einspruch durch die Mehrheit der anwesenden Kantonsräte bestätigt, so ist die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen. Das Kantonsratsgesetz regelt das nähere Verfahren.

Durch die Änderung der Verfassung wird das Quorum für das Veto des Grossen Rates gegen Verordnungen des Regierungsrates geändert. Dieses Recht steht künftig 17 Abgeordneten statt wie bisher 25 zu. Diese Änderung ist eine Konsequenz der Verkleinerung des Grossen Rates von 144 auf 100 Mitglieder, die am 3. März 2002 von den Stimmberechtigten beschlossen wurde. Sie ergibt sich durch eine mathematische Umrechnung; im Übrigen wird die Regelung nicht geändert.

1.3.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Die Kantone sind verpflichtet, sich nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu organisieren; bei der Verwirklichung dieses Grundsatzes besteht jedoch ein grosser Gestaltungsspielraum. «Die Art und Weise, wie die Kantone diesen Grundsatz in 8092

ihrem Verfassungsrecht organisatorisch verwirklichen, fällt denn auch in ihre Kompetenz» (BBl 1995 I 977). Sie organisieren namentlich in freier Weise die zweckmässigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gewalten. Im vorliegenden Fall führt Artikel 79 Absatz 3 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986 ein Vetorecht des Grossen Rates ein. Dieses erlaubt es (in seiner bisherigen Form) 25 Abgeordneten, innerhalb von 60 Tagen zu verlangen, dass eine Verordnung dem Grossen Rat vorgelegt wird, der die Verordnung an den Regierungsrat zurückweisen kann (Botschaft über die Gewährleistung der Verfassung des Kantons Solothurn, BBl 1987 II 649). Diese Bestimmung, deren Originalität damals hervorgehoben wurde, wird durch die vorliegende Änderung nicht in Frage gestellt. Es wird lediglich das Quorum herabgesetzt (17 statt 25), um dieses an die neue Anzahl von Mitgliedern des Grossen Rates anzupassen (100 statt 144). Die Anpassung gibt zu keinen Diskussionen Anlass. Sie wird zu einer Begünstigung der kleinen Parteien führen. Da die vorliegende Änderung zur gleichen Zeit in Kraft treten wird wie die Reduktion der Zahl der Mitglieder des Grossen Rates, wird der Zusammenhang in zeitlicher Hinsicht gewahrt. Da die Änderung weder der Bundesverfassung noch sonstigem Bundesrecht widerspricht, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.4

Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell Innerrhoden haben an der ordentlichen Landsgemeinde vom 27. April 2003 der Aufhebung von Artikel 11 Absatz 2 der Kantonsverfassung zugestimmt. Mit Schreiben vom 29. April 2003 ersuchen Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell Innerrhoden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Verantwortlichkeit von Verwaltungsbeamten

1.4.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 11 Abs. 2 2 Die Verantwortlichkeit jedes Verwaltungsbeamten erstreckt sich bis zur Rechnungsabgabe.

Neuer Text Art. 11 Abs. 2 Aufgehoben

Heute ist die Verantwortlichkeitsregelung auf Verordnungsstufe durch einen Verweis auf die Bestimmungen des allgemeinen Haftpflichtrechts im Obligationenrecht geregelt. Artikel 11 Absatz 2 der Kantonsverfassung ist daher hinfällig geworden, weshalb er aufgehoben wird.

8093

1.4.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Die Regelung der Verantwortlichkeit der Behördenmitglieder und Angestellten des Kantons liegt in der Kompetenz der Kantone (Art. 3 und 43 BV). Die vorliegende Änderung bewegt sich vollkommen in diesem Rahmen. Da sie weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.5

Verfassung des Kantons Aargau

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Aargau haben in der Volksabstimmung vom 18. Mai 2003 der Änderung der Paragraphen 76 Absatz 2 und 77 Absatz 2 der Kantonsverfassung mit 98 238 Ja gegen 55 649 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 11. Juni 2003 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Aargau um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Verkleinerung des Grossen Rates und Reform der Wahlkreise

1.5.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text § 76 Abs. 2 2 Er* besteht aus 200 Mitgliedern.

§ 77 Abs. 2 Wahlkreise sind die Bezirke. Sie können als solche durch Gesetz unterteilt werden.

2

Neuer Text § 76 Abs. 2 2 Er* besteht aus hundertvierzig Mitgliedern.

§ 77 Abs. 2 Wahlkreise sind die Bezirke. Diese können durch Gesetz zu Wahlkreisverbänden zusammengefasst werden.

2

Die vorliegende Änderung reduziert die Mitgliederzahl des kantonalen Parlaments und ermächtigt den Gesetzgeber, Wahlkreise zu Wahlkreisverbänden zusammenzufassen.

* *

D.h. der Grosse Rat D.h. der Grosse Rat

8094

1.5.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Die Festlegung der Zahl der Mitglieder des kantonalen Parlaments fällt in die Organisationskompetenz der Kantone, ebenso die Aufteilung in Wahlkreise (Art. 3 und 43 BV). Dabei haben die Kantone jedoch gewisse bundesrechtliche Grundsätze zu beachten, namentlich den in den Artikeln 8 und 51 Absatz 1 erster Satz BV verankerten Grundsatz der politischen Gleichberechtigung der Bürgerinnen und Bürger sowie den Anspruch auf unverfälschte Willenskundgabe nach Artikel 34 Absatz 2 BV.

Die Änderung von § 76 Absatz 2 der Aargauer Verfassung reduziert die Zahl der Mitglieder des Parlaments von 200 auf 140. Diese Massnahme bewirkt eine Erhöhung der für einen Sitz notwendigen Stimmen. Sie bewirkt ebenso eine Erhöhung der Zahl von Wählerinnen und Wählern, die nicht im Parlament vertreten werden und deren Stimme ohne Einfluss bleibt. Die Änderung könnte bewirken, dass kleine Wahlkreise benachteiligt werden und damit die Bundesverfassung verletzt wird. Aus diesem Grund ermöglicht die Änderung von § 77 Absatz 2 der Kantonsverfassung dem Gesetzgeber, Wahlkreisverbände zu bilden, um auch den kleinsten Bezirken eine befriedigende Vertretung der Bevölkerung und der Region im Parlament zu garantieren.

Der Kanton Bern kennt ebenfalls eine entsprechende Massnahme (vgl. Art. 73 Abs. 4 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 und Art. 24a ff. des bernischen Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980, angenommen mit der Änderung vom 18. Jan. 1994), die sich bewährt hat. Bei der Reduktion der Anzahl Sitze im Parlament kann die Bildung von Wahlkreisverbänden gar ein unabdingbares Korrektiv zum Schutz von Minderheiten darstellen (zur Frage der Bildung von Wahlkreisverbänden siehe BGE 129 I 193 E. 6 und 197 E. 7 sowie die dort zitierte Rechtsprechung und Lehre). Da die vorliegende Änderung weder der Bundesverfassung noch sonstigem Bundesrecht widerspricht, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

2

Verfassungsmässigkeit

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

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