99.430 Parlamentarische Initiative (Gross Andreas) Abstimmungskampagnen. Offenlegung höherer Beiträge Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 21. Februar 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Kommission unterbreitet Ihnen den vorliegenden Bericht betreffend die Abschreibung der parlamentarischen Initiative 99.430 (Gross Andreas). Abstimmungskampagnen. Offenlegung höherer Beiträge.

Auftragsgemäss wurden verschiedene Varianten zur Umsetzung der Initiative geprüft, ohne jedoch zu einem befriedigendem Resultat zu kommen. Die Kommission beantragt Ihnen deshalb mit 14:8 Stimmen, die Initiative abzuschreiben.

Die Minderheit der Kommission (Gross Andreas, Bühlmann, Garbani, Hubmann, Marty Kälin, Sommaruga, Tillmanns, Vermot) beantragt, die Initiative an die Staatspolitische Kommission zurückzuweisen und diese mit der Ausarbeitung einer Vorlage zu beauftragen.

21. Februar 2003

Im Namen der Kommission Der Präsident: Charles-Albert Antille

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2003-1024

Bericht 1

Die parlamentarische Initiative Gross Andreas (99.430)

Am 18. Juni 1999 reichte Nationalrat Andreas Gross (SP, ZH) eine parlamentarische Initiative ein. Darin verlangte er, dass die Quellen finanzieller Beiträge an Kampagnen vor Volksabstimmungen gemeldet werden müssen, damit sie öffentlich gemacht werden können. Der Initiant ging davon aus, dass es für die Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen sowie für die Transparenz der demokratischen Auseinandersetzung von zentraler Bedeutung sei, zu wissen, wer wie viel in einem Abstimmungskampf für eine bestimmte Position investiert. Zur Beurteilung einer Werbekampagne sei es wichtig zu wissen, ob sich diese aus vielen kleinen Beiträgen nährt oder von einigen wenigen, dafür umso betuchteren Geldgebern geprägt wird. Der Initiant verwies auf andere Staaten mit direktdemokratischen Verfahren, welche solche Transparenzregeln kennen.

2

Zustimmung durch den Nationalrat und Auftrag an die Subkommission «Medien und Demokratie»

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK) hat der Initiative am 11. November 1999 mit 9:6 Stimmen bei zwei Enthaltungen Folge gegeben. Die Kommissionsmehrheit vertrat die Auffassung, dass die Transparenz der Finanzierung des politischen Lebens ein wesentliches Element der Demokratie darstellen muss. Das gilt umso mehr, als immer mehr Geld in Abstimmungskampagnen investiert wird und investiert werden muss. Die Information über die Herkunft der Gelder sollte nach Ansicht der Kommission helfen, die hinter bestimmten Abstimmungsvorlagen stehenden Interessen zu erkennen und kann damit der Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen dienen. Die Kommission wies darauf hin, dass gerade in den USA, dem klassischen Land des freien Wettbewerbs, derartige Offenlegungspflichten für Abstimmungskampagnen weit verbreitet sind.

Die Kommissionsminderheit erachtete hingegen die Information über die Herkunft von Werbegeldern nicht als derart zentral für die Meinungsbildung vor Volksabstimmungen. Insbesondere machte die Minderheit aber Fragezeichen zur Praktikabilität dieser Offenlegungspflichten. Es gäbe mannigfache Möglichkeiten, die tatsächliche Herkunft der finanziellen Mittel zu verschleiern, indem Zahlungen zum Beispiel anonym oder indirekt erfolgen würden.

Der Nationalrat folgte am 23. März 2000 dem Antrag der Mehrheit der Kommission mit 70:63 Stimmen (AB 2000 N 436). Die SPK wurde in der Folge vom Büro beauftragt, innert zwei Jahren (d.h. bis zur Sommersession 2002) eine Vorlage auszuarbeiten. Die Aufgabe wurde der bereits bestehenden Subkommission «Medien und Demokratie»1 übertragen. Da sich die Umsetzung als nicht einfach erwies, und immer neue Varianten ausgearbeitet werden mussten, hat sich die Ausarbeitung 1

Mitglieder: Gross Andreas (Präsident), Antille, Aeppli Wartmann, Bühlmann, Eberhard, Engelberger, Joder, Leuthard, Weyeneth

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einer Vorlage verzögert. Dazu kam, dass die Subkommission mit anderen anspruchsvollen Geschäften (99.427 Pa.Iv. Stamm Judith sowie Ausarbeitung eines Medienartikels) bereits stark belastet war. So hat die Subkommission seit Anfang 2000 zwar 17mal getagt, konnte sich jedoch lediglich an vier Sitzungstagen mit der hier zur Diskussion stehenden Initiative beschäftigen. Die SPK beantragte deshalb dem Rat eine Verlängerung der Frist um zwei Jahre, welche dieser am 21. Juni 2002 mit 101:84 Stimmen gewährte (AB 2002 N 1122).

3

Prüfung verschiedener Umsetzungsmöglichkeiten

3.1

Information über die Situation in den USA

Da die USA die meisten Erfahrungen mit Offenlegungspflichten haben, wurde Prof.

Silvano Möckli von der Universität St. Gallen zur Erarbeitung einer gemeinsamen Arbeitsgrundlage einbezogen. Insbesondere wurde er mit der Beantwortung folgender Fragen beauftragt: 1.

Welches sind die Einrichtungen und Verfahren der Offenlegung von finanziellen Mitteln für Wahl- und Abstimmungskampagnen auf Bundes- und Gliedstaatenebene in den USA?

2.

Welche Wirkungen wurden damit erzielt?

3.

Was ist bei einer möglichen Übertragung auf die Schweiz zu beachten?

Silvano Möckli präsentierte sein Gutachten am 14. Februar 2001 vor der Subkommission. Der Experte legte dar, dass in den USA auf Bundesebene alle Kandidierenden und Amtsinhaber ihre finanziellen Verhältnisse sowie die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel offen legen. Die Administrierung erfolgt durch eine unabhängige Behörde, die Federal Election Commission (FEC). Auch die Gliedstaaten kennen Offenlegungsbestimmungen. Auf dem Gebiet der Kampagnenregulierung herrscht rege Aktivität, die durch zahlreiche Volksinitiativen verstärkt wird. Seit 1990 haben 30 Gliedstaaten ihre Kampagnenfinanzierungsgesetze geändert.

Die Beurteilung der Wirkungen dieser Gesetze ist nicht einfach. Der Experte stellte fest, dass die Offenlegung bei Wahlen und Abstimmungen durchaus den Entscheid von Wählerinnen und Wählern beeinflussen könne, wenn die Geldquellen zu einem öffentlichen Thema gemacht werden. Auf der anderen Seite würden die Regulierungen auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen wie der Zunahme des «Soft Money» (Spenden in unbegrenzter Höhe für «Basisaktivitäten» der politischen Parteien), die «Independent Expenditures» (Ausgaben ohne Koordination mit den Kandidaten) oder das «Issue Advocacy» (Werbung nicht direkt für Wahlen oder Abstimmungen, sondern indirekt für die Meinungsbildung zu einem bestimmten Streitthema).

Der Experte vertrat die Ansicht, dass sich die Regelungen in den USA nicht einfach auf die Schweiz übertragen lassen. So scheinen Amerikanerinnen und Amerikaner der Offenlegung in verschiedenen Lebensbereichen gelassener gegenüberzustehen als Schweizerinnen und Schweizer. Der Experte erachtete es als sinnvoll, die Offenlegungspflicht in einer Anfangsphase auf Sachabstimmungen auf Bundesebene

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zu beschränken. Mit Umgehungsverhalten wäre seiner Ansicht nach zu rechnen; gleichwohl sollte eine einfache Lösung gewählt werden, weil mit zunehmender Regelungsdichte die Kosten auf allen Seiten rasch ansteigen würden.

3.2

Modell «Deklarationspflicht»

Es wurden in der Folge verschiedene Modelle geprüft, welche eine Offenlegung von Spenden für Kampagnen im Hinblick auf eidgenössische Abstimmungen verlangen.

Grundsätzlich sind drei Modelle denkbar: 1.

Modell: Spenderinnen und Spender müssen ihre Spenden offen legen.

2.

Modell: Wer Spenden zur Durchführung von Kampagnen erhält, muss diese offen legen.

3.

Politische Werbung muss Angaben über ihre Finanzierung erhalten (d.h. auf den Werbeträgern wie Zeitungsinserat oder Plakat muss angegeben sein, wer diese Werbung mit welchen Summen unterstützt hat).

Wenn Deklarationspflichten vorgesehen werden, dann müssen auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten bei Nichtbefolgung oder Umgehung dieser Pflichten vorhanden sein. Genau hier liegt der Schwachpunkt dieser Modelle. Umgehungen wären sehr schwierig nachzuweisen und wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten nicht leicht zu finden. Allenfalls könnte vorgesehen werden, dass das 5fache eines in eine Kampagne investierten und nicht deklarierten Betrages als Busse bezahlt werden müsste.

Allerdings spricht nicht nur das schwer zu lösende Problem der Sanktionen gegen eine Deklarationspflicht, sondern auch die allenfalls für Spender und Spenderinnen prohibitive Wirkung solcher Regelungen. Die Abstimmungsdemokratie lebt davon, dass sich Spender und Spenderinnen finden, welche in Kampagnen investieren, damit überhaupt eine öffentliche Auseinadersetzung stattfinden kann. Es ist deshalb nicht ganz unproblematisch, Regeln aufzustellen, welche mögliche Spenderinnen und Spender, welche lieber nicht an die Öffentlichkeit treten wollen, abhalten könnten.

3.3

Modell «Steuererleichterung»

Modelle, welche eine Deklarationspflicht vorsehen, wurden deshalb nicht mehr in erster Priorität weiter verfolgt. Vielmehr wurde die Lösung darin gesehen, dass mit Anreizen gearbeitet werden müsse. Vorerst wurde nach Möglichkeiten im Steuerrecht gesucht. Die Bundeskanzlei wurde beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung, die folgenden Modelle auszuarbeiten: 1.

Modell: Spenden können von der direkten Bundessteuer abgezogen werden.

2.

Modell: Sowohl die Spender und Spenderinnen als auch die Empfänger und Empfängerinnen können Spenden von der direkten Bundessteuer abziehen.

3.

Modell: Kombination von verschiedenen Möglichkeiten: Abzugsmöglichkeit für Spender und Spenderinnen kombiniert mit Deklarationspflicht der Empfänger und Empfängerinnen.

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Der Bericht der Bundeskanzlei vom 14. Dezember 2001 war ernüchternd. Die Kombinationsmöglichkeit von Steuerabzügen mit Deklarationspflichten wurde darin verneint. Es wurde festgestellt, dass schon nach geltendem Recht Beiträge für Abstimmungskampagnen zum Abzug gebracht werden können. Insbesondere bestehe auch eine grosszügige Steuerpraxis in der Anerkennung von Kampagnenkosten des Polit-Sponsorings als geschäftsmässig begründeter und damit abzugsfähiger Aufwand. Das Steuerrecht stelle somit kein taugliches Mittel zur Durchsetzung des Anliegens der Transparenzschaffung dar. Es wurde deshalb darauf verzichtet, das Modell «Steuererleichterung» weiterzuverfolgen.

3.4

Modell «Radio- und Fernsehsendezeit»

Auf der Suche nach weiteren Anreizlösungen wurde auch ein Modell ausgearbeitet, wonach Parteien und Gruppierungen, welche die eingegangenen Spenden offen legen, mit Sendezeit im Radio oder im Fernsehen belohnt würden. Danach müssten die Radio- und Fernsehveranstalter den in den eidgenössischen Räten vertretenen politischen Parteien sowie der Urheberschaft zustande gekommener Volksinitiativen oder Referenden vor jeder Volksabstimmung angemessene Sendezeit einräumen, um zu den Abstimmungsvorlagen Stellung nehmen zu können. Voraussetzung ist, dass die Partei oder Gruppierung die Herkunft ihrer in den Abstimmungskampf investierten Gelder offen gelegt hat.

Ein informelles Gespräch mit SRG-Generaldirektor Armin Walpen hat ergeben, dass die staatspolitische Begründung dieses Anliegens zwar durchaus anerkannt wird.

Allerdings widerspreche es dem Berufsethos der Medienschaffenden, die Programmgestaltung aus der Hand zu geben. Die Programmgestalter erachten es als ihre Aufgabe, die politischen Sendungen so zu gestalten, dass den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die nötigen Informationen vermittelt werden und wollen diese Aufgabe nicht externen Kreisen überlassen.

Schliesslich wurde auch diese Idee nicht weiterverfolgt, nicht zuletzt auch darum, weil bei dieser Lösung die politischen Parteien im Zentrum stehen. Bei der Transparenzschaffung interessieren aber vielmehr die Abstimmungskomitees.

3.5

Modell «Bundesbüchlein»

Eine weitere Anreizlösung bestünde darin, den Abstimmungskomitees und anderen Organisationen die Möglichkeit zu geben, in den Abstimmungserläuterungen des Bundesrates anzugeben, ob sie für oder gegen die zur Diskussion stehende Vorlage eintreten. Voraussetzung dafür ist, dass sie alle Spenden, welche einen festzulegenden Betrag überschreiten, einer dafür vorgesehenen Stelle melden. Die Beträge werden auf dem Internet veröffentlicht. In der Verordnung über die politischen Rechte wäre festzulegen, in welcher Form diese Angaben im «Bundesbüchlein» gemacht werden.

Mit dieser Lösung kann nicht nur die Transparenz bezüglich der eingesetzten Finanzen gefördert werden, sondern es kann auch ein Beitrag zur Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen geleistet werden. Gerade bei komplexen Vor-

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lagen kann es hilfreich sein, zu wissen, welche Organisationen dahinter stehen und welche nicht.

Dieser Vorschlag wurde eingehend mit dem Vertreter der Bundeskanzlei diskutiert.

Dessen Erläuterungen haben gezeigt, dass die Idee an dem gedrängten Abstimmungskalender scheitert. Bei der Festlegung der Abstimmungstermine sind derart viele Faktoren zu beachten, dass die Drucklegung der Unterlagen häufig sehr kurzfristig nach Festlegung des Termins erfolgen muss.

3.6

Modell «Zugang zu Werbefläche»

Schliesslich blieb eine Idee übrig, welche weiterverfolgt und gesetzestechnisch umgesetzt wurde: Wer Spenden offen legt, erhält einen Teil seiner Kosten für Inserate und Plakate vom Bund zurückerstattet. Damit die Kosten für den Bund niedrig gehalten werden können, bemüht sich dieser um Rabattvereinbarungen mit Unternehmen der Werbe- und Inseratebranche.

Es wurde folgender Artikel 11a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte ausgearbeitet: Art. 11a

Abstimmungskampagnen (neu)

1

Wer im Hinblick auf eidgenössische Volksabstimmungen Plakate oder Inserate publiziert, erhält unter folgenden Bedingungen einen in der Verordnung festzulegenden Teil der Kosten vom Bund zurückerstattet: a.

Das Plakat oder das Inserat bezieht sich auf eine kommende eidgenössische Volksabstimmung. Im Falle einer Abstimmung über eine Verfassungsänderung muss die Festlegung des Abstimmungstermins durch den Bundesrat abgewartet werden. Bei Referenden und bei Volksinitiativen auf Totalrevision der Bundesverfassung ist das Datum der Feststellungsverfügung über das Zustandekommen abzuwarten.

b.

Wer um Rückvergütung des Kostenanteils nachsuchen will, kündigt dies beim Eintreffen der ersten Spende von mehr als 1000 Franken, spätestens aber 30 Tage nach Festlegen des Abstimmungsdatums bei der dafür vorgesehenen Meldestelle an.

c.

Der Inserent oder die Inserentin meldet alle Spender und Spenderinnen, welche seine oder ihre Kampagne mit mehr als 1000 Franken unterstützt haben oder unterstützen werden, sobald die Spenden oder die Spendenzusage eingetroffen ist. Die Daten werden auf der Homepage der Meldestelle veröffentlicht.

d.

Der Inserent oder die Inserentin verpflichtet sich, bis zwei Monate nach der Volksabstimmung, die Rechnung der von ihm oder ihr geführten Kampagne offen zu legen. Darin sind alle eingegangenen Spenden von mehr als 1000 Franken auszuweisen.

e.

Die nachgewiesenen Auslagen für Inserate und Plakate müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zur Summe der offen gelegten Beiträge stehen.

2

Die Meldestelle prüft, ob die Bedingungen erfüllt sind und entscheidet über die Gewährung der Rückerstattung.

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Wer die Bestimmungen betreffend Offenlegung (Abs. 1 Bst. a­e der Bestimmung) erfüllt, kann nach erfolgter Abstimmung einen Teil seiner Auslagen für Plakate und Inserate beim Bund zurückverlangen. Wie hoch dieser Anteil ist, wird in der Verordnung über die politischen Rechte festzulegen sein. Der Prozentsatz wird sinnvollerweise nicht im Gesetz festgehalten, damit er entsprechend den Erfahrungen mit der Praxis und der Lage der Bundesfinanzen angepasst werden kann.

Rückerstattung gibt es nur für Inserate oder Plakate, die sich auf eine kommende Volksabstimmung beziehen. Damit nicht Inserate zu irgendwelchen Themen, die vielleicht einmal Gegenstand einer Volksabstimmung werden können, publiziert werden, muss klar festgelegt werden, ab wann inseriert werden darf, wenn der Rabatt geltend gemacht werden will (Abs. 1 Bst. a).

Voraussetzung für die Rückerstattung ist die Offenlegung der eingegangenen oder zu erwartenden Spenden. Beträge ab 1000 Franken müssen publiziert werden (Abs. 1 Bst. c). Dafür wird eine staatliche Meldestelle eingerichtet. Wo diese Meldestelle genau anzusiedeln ist, kann der Organisationskompetenz des Bundesrates überlassen werden (Art. 43 Abs. 3 RVOG). Wichtig ist, dass die Meldungen auf einfache Weise erfolgen können. Diese Meldungen müssen öffentlich zugänglich sein, zum Beispiel auch im Internet. Die potenziellen Inserenten und Inserentinnen müssen dazu verpflichtet werden, nicht nur bereits erhaltene Beträge anzugeben, sondern auch solche, die ihnen zugesagt worden sind. Kampagnen werden häufig zu einem frühen Zeitpunkt gestartet, wenn noch nicht alle Spenden eingegangen sind.

Wer jedoch eine Kampagne mit Plakaten und Inseraten führen will, muss bestimmte Vorstellungen über die Finanzierung haben, bevor die entsprechenden Auslagen für Plakate und Inserate getätigt werden. Um den Anforderungen des Datenschutzgesetzes zu genügen, wird hier eine explizite gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung der Daten auf dem Internet vorgesehen.

Es wurden zwei Elemente in die Bestimmung eingebaut, welche Missbräuche verhindern helfen sollen: Vergünstigung soll nur erhalten, wer nach dem Abstimmungskampf die Rechnung der dafür vorgesehenen Meldestelle vorlegt und darin die eingegangenen Spenden ab 1000 Franken ausweist (Bst. d). Zusätzlich wird verlangt, dass die nachgewiesenen Auslagen
für Inserate und Plakate in einem ausgewogenen Verhältnis zur Summe der offen gelegten Beträge stehen müssen. Es geht also nicht an, dass ein Komitee 30 000 Franken eingegangene Spenden deklariert, 10 000 Franken Rabatt einholt, und dann in der Rechnung 100 000 Franken Auslagen für Inserate und Plakate nachweist. Wer die Rückvergütung will, muss vollständig alle Beiträge ab der vorgeschriebenen Höhe deklarieren (Bst. e).

Hinter dem Vorschlag stand die Idee, nicht nur eine Motivation für die Herstellung von Transparenz zu schaffen, sondern auch einen vielfältigen Abstimmungskampf zu fördern, indem es durch die finanziellen Erleichterungen mehr Gruppierungen möglich sein sollte, zu inserieren. Bei der Detailberatung hat sich jedoch deutlich gezeigt, dass weder das eine noch das andere Ziel wirklich erreicht werden kann.

Die Details des konkreten Verfahrens wurden eingehend diskutiert und verschiedene Vorgehensmöglichkeiten analysiert. Es hat sich jedoch gezeigt, dass immer schwerwiegende Vollzugsprobleme bestehen bleiben, wie auch immer das Verfahren ausgestaltet wird. Insbesondere folgende Argumente sind gegen die Ergänzung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte mit dem hier präsentierten Artikel aufzuführen:

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1.

Mit dem hier vorgeschlagen Modell wie mit Anreizmodellen generell würden auch finanzkräftige Gruppierungen finanziell unterstützt. Dies dürfte bei den Bürgerinnen und Bürgern kaum auf Akzeptanz stossen.

2.

Verschiedene Gruppierungen würden versuchen, in den Genuss der Vergünstigung zu kommen, ohne allzu transparent sein zu müssen. Je besser organisiert diese Gruppierungen sind, desto besser wird ihnen das gelingen, weil sie langfristige Strategien entwickeln können. Eine gut organisierte Gruppierung könnte zum Beispiel im Hinblick auf Abstimmungen verschiedene Komitees bilden und dafür sorgen, dass die Beiträge zu verschiedenen Komitees fliessen: Die Spenden, die man publizieren will, fliessen in das eine Komitee, solche, die nicht öffentlich gemacht werden wollen, in das andere.

3.

Andere Gruppierungen bleiben lieber intransparent und verzichten gerne auf die Vergünstigung, weil sie über genügend Geldgeber verfügen, um auf dem Markt so stark auftreten zu können, dass sie selber Rabatte mit Vertretern der Inseratebranche aushandeln können, welche allenfalls grosszügiger sind als die vom Bund gewährte Rückerstattung. Die Finanzierung gerade dieser Gruppierungen wäre wohl für die Öffentlichkeit am interessantesten.

4.

Wenn tatsächlich aufgrund der Bundesbeiträge vor Volksabstimmungen mehr inseriert wird, dann wird die Branche aufgrund des steigenden Auftragsvolumens die Preise erhöhen. Ob also langfristig überhaupt eine Vergünstigung herausschaut, ist fraglich.

5.

Da die Inserenten und Inserentinnen erst nach Vorlage der Abschlussrechnung die Vergünstigung zurückerhalten, kann es für nicht sehr finanzkräftige Komitees zu risikoreich werden, auf Kredit zu werben, ohne ganz sicher zu sein, dass sie das Geld bekommen.

6.

Die Offenlegung der Rechnung ist für die Kontrolle unerlässlich. Gerade diese Aufgabe wird jedoch die Meldestelle vor grosse Herausforderungen stellen. Wenn ihrer Ansicht nach eine Rechnung mangelhaft ist und sie deshalb die Rückerstattung des Kostenanteils nicht gewährt, dann wäre mit Beschwerden zu rechnen. Wird dagegen auf das Erfordernis der Offenlegung der Rechnung verzichtet, und eine Rückerstattung gewährt, wenn Beiträge offen gelegt werden, unabhängig davon, ob die Angaben vollständig sind, dann würde das Hauptziel der Vorlage, nämlich die Herstellung von Transparenz endgültig verfehlt: Finanzkräftige Gruppierungen würden dann einfach beim Bund Geld abholen, indem sie unverfängliche Spenden deklarieren, etwas heiklere jedoch nicht.

7.

Es ist nur schwer vorherzusagen, welche Kosten der Bund zu tragen haben wird. Ob die Inseratebranche bereit ist, dem Bund einen Rabatt zu gewähren, weil er Inserate und Plakate subventioniert, ist nicht sicher.

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Schlussfolgerungen der Kommission: Weder Pflicht noch Anreiz zur Herstellung von Transparenz

Die Kommission ist nach Prüfung der verschiedenen Modelle der Ansicht, dass weder eine Offenlegungspflicht noch ein Anreizsystem für die Offenlegung geschaffen werden sollen.

Argumente gegen Offenlegungen wurden schon bei der Vorprüfung der parlamentarischen Initiative vorgebracht. Im Laufe der Umsetzungsarbeiten wurden diese Argumente nicht nur bestätigt, sondern es sind noch neue hinzugekommen. Die wichtigsten Einwände seien hier nochmals genannt: 1.

Die direkte Demokratie der Schweiz lebt davon, dass Private bereit sind, Abstimmungskampagnen zu finanzieren. Wenn niemand die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um eine Kampagne zu machen, dann fehlt die für die Entscheidfindung so wichtige öffentliche Debatte. Offenlegungspflichten können nun aber potenzielle Geldgeber ­ zum Beispiel aus Geschäftsinteresse ­ davon abhalten, einen Abstimmungskampf zu unterstützen.

2.

Um eine Offenlegungspflicht oder ein Anreizsystem für Offenlegungen nicht allzu anfällig für Umgehungen oder Missbräuche zu gestalten, muss eine entsprechende Regelung sehr detailliert sein und ein aufwändiger Kontrollapparat eingerichtet werden.

3.

Damit nicht offen gelegt werden muss, würden vermehrt allgemeine Spenden für unbestimmten Zweck an politische Organisationen getätigt.

4.

Es würden wahrscheinlich vermehrt anonyme Spenden eingehen.

5.

Das Bekanntwerden von Umgehungen oder Missbräuchen würde das Vertrauen in das gesamte politische System schädigen.

6.

Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass die Kenntnis der Finanzierung von Abstimmungskampagnen das Verhalten der Stimmbürger oder Stimmbürgerinnen beeinflusst.

Die Kommission ist somit zum Schluss gekommen, dass es keine sinnvolle, das heisst insbesondere praktikable Umsetzungsmöglichkeit der vorliegenden parlamentarischen Initiative (99.430 Abstimmungskampagnen. Offenlegungen höherer Beiträge) gibt und beantragt die Abschreibung derselben.

Mit der Abschreibung der parlamentarischen Initiative ist auch die Petition der Jugendsession 2000 (01-04). Offenlegung der Abstimmungs- und Wahlbudgets behandelt. Die Petition verfolgt die gleichen bzw. noch weiter gehende Anliegen wie die parlamentarische Initiative.

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5

Argumente der Minderheit: Zustimmung zum Vorschlag des verbilligten Zugangs zu Werbefläche (Ergänzung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte mit einem Artikel 11a)

Die Minderheit ist sich bewusst, dass bisher in der Wissenschaft kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Werbebudget und Abstimmungserfolg nachgewiesen werden konnte (vgl. dazu Moneypulation ...? Bericht zum Postulat 94.3435 Andreas Gross zur Rolle des Geldes in der direkten Demokratie vom 14. Dez. 1998). Im Bericht «Moneypulation ...?» wurde jedoch auch festgestellt, dass dazu aufgrund der mangelnden Transparenz in Fragen der Abstimmungsfinanzierung kaum sinnvolle Analysen gemacht werden können. Gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen Volksabstimmungen im politischen System der Schweiz mutet es nach Ansicht der Minderheit doch sehr seltsam an, dass nicht einmal seitens der Wissenschaft herausgefunden werden kann, wer sich mit wie viel Geld in Abstimmungskampagnen engagiert. Unser System dürfe jedoch nicht in den Ruf der Käuflichkeit geraten. Die These von den unbekannten Geldgebern im Hintergrund, welche das Abstimmungsgeschehen bestimmen, werde bestehen bleiben, solange wir im System einer völligen Intransparenz leben.

Wenn für ein politisches Anliegen grossflächig mit vielen Plakaten und Inseraten geworben wird, dann interessiere die Frage, ob dieses Anliegen sehr breit abgestützt ist und dadurch viele Geldgeber gefunden hat, oder ob ein bis zwei finanzkräftige Geldgeber dahinter stehen. Oder, wenn zum Beispiel über das Elektrizitätsmarktgesetz abgestimmt wird, dann interessiere, ob die Elektrizitätswirtschaft für die eine oder andere Seite Geld gibt. Für den Stimmbürger oder die Stimmbürgerin, welche immer mehr mit komplexen Abstimmungsvorlagen konfrontiert sind, könnten solche Angaben bei der Entscheidfindung behilflich sein. Der Transparenz betreffend die Finanzierung von Abstimmungskampagnen komme deshalb in einer direkten Demokratie eine grosse Bedeutung zu.

Dennoch fehlen in der Schweiz entsprechende Regelungen. Es gebe in der Schweiz keine Offenlegungskultur; Finanzgeber würden sich lieber bedeckt halten. Im Interesse der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen sollte ein erster, kleiner Schritt Richtung vermehrte Transparenz gemacht werden. Im Wissen, dass eine Pflicht zur Offenlegung von Beiträgen an Abstimmungskampagnen im schweizerischen Umfeld kaum akzeptiert und damit wenig wirkungsvoll bleiben würde, sollte mit Anreizen zur Offenlegung gearbeitet werden. Wer seine Geldquellen offen
legt, sollte erleichterten Zugang zur Öffentlichkeit zwecks Darstellung seines Standpunktes erhalten.

Damit würde auch die Forderung nach einer völligen Transparenz aller wichtigen Geldflüsse fallen gelassen. Angesichts der Tatsache, dass Abstimmungskampagnen eine relativ teure Angelegenheit sind, sei jedoch davon auszugehen, dass das Interesse an einer Verbilligung der Kampagne gross sein dürfte. Für gewisse Gruppierungen würde zudem eine umfangreichere Kampagne durch eine Verbilligung überhaupt erst möglich. Wenn dadurch vermehrt verschiedene Gruppierungen mit Inseraten und Plakaten in Erscheinung treten können, läge dies auch im Interesse eines vielfältigen Abstimmungskampfes und somit im Interesse der Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen, welche so mit den verschiedenen Meinungen konfrontiert würden.

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Die Minderheit wehrt sich auch dagegen, dass jeder Versuch, etwas mehr Transparenz herzustellen zu wollen, mit dem Argument der Umgehungsmöglichkeiten sabotiert wird. Wie immer auch Offenlegungspflichten oder Anreizsysteme für Offenlegungen konzipiert würden, sie könnten umgangen bzw. missbraucht werden.

Mit dem vorgeschlagenen Modell des Zugangs zu Werbefläche sollte versucht werden, eine Kultur der Offenlegung zu fördern, in welcher es selbstverständlicher wird, dazu zu stehen, dass man finanziell für ein bestimmtes Projekt einsteht bzw.

dagegen ankämpft. Jeder Kulturwandel brauche seine Zeit und Missbräuche würden stattfinden. Die Bestimmung sei denn auch so konzipiert worden, dass Missbräuche immerhin minimiert werden könnten.

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