02.087 Bericht des Bundesrates über den Stand und die weitere Ablösung militärischer Einsätze durch zivile Hilfe in Kosovo (in Erfüllung von Art. 2 des Bundesbeschlusses über die Schweizer Beteiligung an der KFOR vom 12. Dezember 2001) vom 29. November 2002

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht über den Stand und die weitere Ablösung militärischer Einsätze durch zivile Hilfe in Kosovo mit dem Antrag, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. November 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

1408

2002-2123

Übersicht Im Bundesbeschluss vom 12. Dezember 2001 über die Schweizer Beteiligung an der KFOR (Kosovo Force) ist in Artikel 2 festgelegt worden, dass der Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung bis am 31. Dezember 2002 Bericht erstatten soll «über den Stand und die weitere Ablösung militärischer Einsätze durch zivile Hilfe».

Im folgenden Bericht geht es nicht um die Rechtfertigung des SWISSCOY-Einsatzes; diese politische Diskussion ist im Parlament anlässlich der Verlängerung des SWISSCOY-Einsatzes bis Ende 2003 bereits geführt worden, und der Entscheid des Parlamentes ist in dieser Hinsicht unmissverständlich. Der Antrag, betreffend SWISSCOY-Einsatz per Ende 2002 einen Zwischenbericht vorzulegen wird begrüsst. Es ist es wichtig, dass bei friedensfördernden Einsätzen Rechenschaft darüber gegeben wird, welches die konkreten Zielvorgaben sind. Die Aufträge der SWISSCOY werden laufend überprüft und an die wechselnden Gegebenheiten vor Ort angepasst. Es ist auch richtig, die Perspektiven für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung aufzuzeigen und zu prüfen, welche Optimierungsmassnahmen sich im Zusammenspiel zwischen den zivilen und militärischen Mitteln ergeben. Es geht dabei aber nicht darum, mit diesem Bericht bereits eine Verlängerung des SWISSCOY-Einsatzes präjudizieren zu wollen, das wird Gegenstand einer separaten Botschaft des Bundesrates an das Parlament sein.

Solange die Statusfrage ungelöst bleibt, ist in Kosovo ein Ende der internationalen Militärpräsenz nicht absehbar, und die Konfliktlösungsstrategie der Staatengemeinschaft wird sich auf eine langfristige Militärpräsenz im Balkan abstützen müssen. In der Anfangsphase der UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) leistete die SWISSCOY, in Ergänzung ihres militärisch logistischen Grundauftrags, im Rahmen der humanitären Soforthilfe genietechnische Unterstützung und trug mit ihrer Brückenbau-Kapazität zur Wiederherstellung des Verkehrsnetzes bei. Sie hat sich dabei als geschätzter und verlässlicher militärischer Partner der zivilen Hauptakteure der schweizerischen Kooperationsprogramme in Kosovo, vor allem der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und der Abteilung Humanitäre Hilfe und Schweizerisches Korps für humanitäre Hilfe (HH + SKH) erwiesen.

Mit der Verlagerung des zivilen schweizerischen
Engagements weg von der humanitären Soforthilfe hin zum Wiederaufbau gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Strukturen verringern sich dementsprechend auch die SWISSCOYTätigkeiten in der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Der Ablösungsprozess ist also bereits jetzt im Gange. Die Umstrukturierung der KFOR auf anfangs Dezember 2002 hat für die SWISSCOY keine unmittelbaren Auswirkungen. Die vom Parlament bewilligte und seit Oktober 2002 umgesetzte Optimierung des SWISSCOY-Einsatzes entspricht der adaptierten NATO-Planung für die KFOR. Die eigenen Sicherheitsbedürfnisse werden selbst abgedeckt, und zusätzlich führt der mechanisierte Infanteriezug der SWISSCOY innerhalb des Einsatzraumes der österreichischen Task Force Strassenkontrollen und Patrouillen durch. Eine Fortführung der Beteiligung an der KFOR und damit ein Beitrag zur Stabilisierung in Kosovo liegt im Interesse

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der Schweiz. Im Bereich der zivilen Wiederaufbauhilfe zählt die Schweiz auf bilateraler Ebene zu den Hauptakteuren. Die militärische Beteiligung an der KFOR ist ein Teil des gesamten Schweizer Engagements, das einen Beitrag zur Stabilisierung in der Region leistet. Ein Wiederaufflammen des Konfliktes in Kosovo würde erneut einen Flüchtlingsstrom in die Schweiz zur Folge haben.

Im Hinblick auf den SWISSCOY-Einsatz ab 2004 wird der Bundesrat voraussichtlich in der Frühjahrssession 2003 eine entsprechende Botschaft überweisen, die in der Sommer- und Herbstsession 2003 von den Räten beraten und verabschiedet wird. Solange die UNMIK die militärische Unterstützung durch die KFOR als nötig erachtet, erwartet die internationale Gemeinschaft von der Schweiz, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch militärisch zur Stabilisierung des Balkans beiträgt. Es werden deshalb laufend Überlegungen angestellt, wie der SWISSCOYEinsatz optimiert werden kann, wobei es nicht um eine zusätzliche Erweiterung des vom Parlament bewilligten Kontingentumfanges geht.

Wird die Nischenstrategie der Schweiz fortgesetzt, sind dort sinnvoll Schwerpunkte zu setzen, wo die Hauptherausforderung für die internationale Gemeinschaft und die Schweiz liegt, das heisst bei der Eindämmung der organisierten Kriminalität.

Die Verfügbarkeit von personellen Ressourcen vorausgesetzt, können Militärpolizei und Nachrichtendienst potentielle Aufgabenbereiche sein für einen erweiterten Schweizer Beitrag zur Unterstützung der zivilen Polizei.

Die im nachstehenden Bericht erwähnten Angaben beziehen sich auf den Stand von Ende August 2002.

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

International

Die völkerrechtliche Grundlage für das internationale Engagement in Kosovo ist die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999, welcher die Bundesrepublik Jugoslawien zugestimmt hat. Aufgrund ebendieser Zustimmung sind alle in der Resolution 1244 getroffenen Massnahmen als friedenserhaltende Massnahmen zu betrachten, auch diejenigen, die unter Kapitel VII der UNO-Charta (Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffhandlungen) erfolgen.

Die UNO-Resolution 1244 ermächtigt in Absatz 10 den UNO-Generalsekretär, «mit Unterstützung der zuständigen internationalen Organisationen eine internationale zivile Präsenz in Kosovo zu errichten, um eine Interimsverwaltung für Kosovo zu schaffen, unter der die Bevölkerung eine wesentliche Autonomie innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien erhält, und die eine Übergangsverwaltung bestimmen wird, während sie die Errichtung von provisorischen demokratischen Institutionen der Selbstverwaltung vorantreibt und überwacht, um die Bedingungen für ein friedliches und normales Leben für alle Bewohner in Kosovo zu sichern.» Auf dieser Grundlage wurde die Mission der Vereinten Nationen zur Übergangsverwaltung in Kosovo (UNMIK/United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) zusammen mit dem Personal der internationalen Polizei und den multinationalen Streitkräften KFOR (Kosovo Force) eingesetzt.

Kaum je hat sich die UNO mit einer derartigen Herausforderung konfrontiert gesehen wie am Ende des bewaffneten Konflikts um Kosovo im Juni 1999. Angesichts der Kleinheit des Territoriums ­ Kosovo ist viermal kleiner als die Schweiz ­ und einer Einwohnerzahl von rund zwei Millionen mag dies erstaunen. Doch dieser Provinz und ihren kosovoalbanischen Menschen war während den Jahren serbischer Repression viel Leid und Schaden zugefügt worden.

Während sich die militärische Präsenz der KFOR rasch zu etablieren vermochte, weil ein militärischer Verband von Einsatzbeginn an organisiert ist und unabhängig vom Standort funktioniert, musste die zivile Präsenz unter UNMIK gleichsam bei Null beginnen. Ohne die Unterstützung durch die KFOR, welche im Rahmen der zivil-militärischen Kooperation (CIMIC) manche zivile Aufgaben wahrnahm, hätte UNMIK in der Anfangsphase einen schwereren Stand gehabt.

Neben der fruchtbaren zivil-militärischen Kooperation bewährte
sich auch das erstmals angewandte System der «interlocking agencies». Das UNHCR (Office of the United Nations High Commissioner for Refugees/Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) übernahm die Führungsrolle im humanitären Bereich, die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) bei den Menschenrechten und beim Aufbau der Institutionen, die EU beim Wiederaufbau, und die UNO sorgte sich um die zivile Administration und versah die ganze Struktur mit einem gemeinsamen Dach in der Person des Sondervertreters des UNOGeneralsekretärs.

1411

1.2

Auswirkungen auf die Schweiz

Die Schweiz war direkt konfrontiert mit der Krise in Kosovo. Deshalb ist es in ihrem Interesse, zur Stabilität der Länder Südosteuropas beizutragen und so die Flüchtlingsströme in die Schweiz schon in ihren Ursprungsländern zu reduzieren.

Bis zum Ende des bewaffneten Konflikts im Jahre 1999 kamen über 50 000 Personen als Flüchtlinge in die Schweiz. Die Schweizer Unterstützungsprogramme in Kosovo waren zuerst vorwiegend humanitärer Natur. Seit 2001 richten sie sich mehr und mehr aus auf die Entwicklung einer pluralistischen Gesellschaft und der freien Marktwirtschaft.

Am 23. Juni 1999 fällte der Bundesrat den Grundsatzentscheid, sich militärisch an der Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) zu beteiligen. Dies nicht als isolierte Massnahme, sondern als Teil des ganzen Paketes, das sich des akuten Flüchtlings- und Vertriebenenproblems in der Schweiz annimmt, Soforthilfe im Kosovo vorsieht und einen Beitrag zur Stabilisierung der Region leistet. Seit Oktober 1999 steht die Swiss Company (SWISSCOY), eine massgeschneiderte Dienstkompanie mit zusätzlichen Stabs- und Unterstützungselementen, im Rahmen der KFOR im Einsatz.

Deren militärisch-logistische Hauptaufgaben zu Gunsten der KFOR sind Trinkund Brauchwasseraufbereitung, Transporte, sanitätsdienstliche Unterstützung und Betriebsstoffversorgung. Die SWISSCOY ist im Gebiet der Multinationalen Brigade Süd (MNB-S) unter der Verantwortung der deutschen Bundeswehr im Grossraum Prizren eingesetzt und erbringt ihre Leistungen für das österreichische Kontingent (AUCON) in der MNB-S. Die SWISSCOY ist weder der NATO noch dem AUCON unterstellt, sondern der AUCON zur Zusammenarbeit zugewiesen. Interne Strukturen, Personal- und Disziplinarwesen bleiben unter Schweizer Kontrolle.

Im Dezember 2001 hat die Bundesversammlung beschlossen, den Einsatz der Schweizer Armee zur Unterstützung der multinationalen KFOR bis zum 31. Dezember 2003 zu genehmigen. Aufgrund der vom Schweizer Volk am 10. Juni 2001 genehmigten Änderung des Artikels 66 des Militärgesetzes sind seit Oktober 2002 die SWISSCOY-Angehörigen mit einer persönlichen Waffe (Sturmgewehr, Pistole, Maschinenpistole, bei Bedarf auch Pfefferspray) ausgerüstet, um die eigenen Sicherheitsbedürfnisse selbst abdecken zu können. Zudem verfügt die SWISSCOY über einen mechanisierten Infanteriezug mit fünf Radschützenpanzern und
über ein Lufttransportelement (Transporthelikopter SUPER PUMA). Damit die SWISSCOY die bisherigen Aufgaben weiterhin erfüllen und die Sicherungsaufgaben sowie die Aufgaben des Lufttransportelementes übernehmen kann, ist der Bestand seit Oktober 2002 von 160 auf maximal 220 Personen aufgestockt worden.

2

Lageentwicklung und Perspektiven in Kosovo

2.1

Strategisch/politisch

Mit der Konsolidierung des Regimewechsels in Belgrad hat sich die militärische Sicherheitslage für die KFOR grundlegend verbessert. Eine Eskalationsgefahr, die von einer unkontrollierten Armeeführung hätte drohen können, ist nun gebannt. Im Vergleich zu Bosnien-Herzegowina war die internationale Präsenz 1999 in Kosovo mit einem noch umfassenderen Aufbaubedarf konfrontiert. Wegen der offenen Statusfrage fehlt zudem sowohl der albanischen Bevölkerung als auch der serbi1412

schen Minderheit der Rahmen für die Gestaltung ihrer politischen Zukunft. Damit fehlen Vertrauen und Willen für den Aufbau eines multiethnischen Systems, was sich wiederum in der geringen Rückkehrrate der Minderheiten widerspiegelt.

Die innere Sicherheit, aber auch das internationale Umfeld Kosovos, sind durch ethnisch motivierte Gewalt und organisierte Kriminalität bedroht. Der Nordteil der Stadt Mitrovica bleibt weiterhin unter Kontrolle von serbischen Gruppen, die Belgrads Unterstützung geniessen. Albanische Politiker, darunter verschiedene Exponenten der früheren UÇK (Ushtria Çlirimtare e Kosoves/Befreiungsarmee des Kosovo), haben Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Einen kriminellen Hintergrund haben auch die bewaffneten albanischstämmigen Gruppen, welche unter dem Deckmantel von politischen Zielen an Kosovos Grenzen operieren. Solche Kreise haben kein Interesse an einem funktionierenden Rechtsstaat, wie ihn die internationale Gemeinschaft anstrebt.

Die Verantwortung für die innere Sicherheit liegt immer noch ausschliesslich in den Händen der internationalen Präsenz, und die Polizei der UNMIK verfügt über echte Polizeigewalt. Mit einer Stärke von 4500 internationalen Beamten obliegt ihr die Schaffung einer einheimischen Polizeiorganisation. Diese Polizisten werden von der OSZE ausgebildet und von der UNMIK sukzessive in die Erfüllung ihrer Aufgaben einbezogen.

Die UNMIK hat ihre Mittel und Strukturen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität verstärkt. Eine verbesserte Informationsbeschaffung soll die Informationsbasis für Massnahmen von Polizei und KFOR erweitern und das für die Strafverfolgung notwendige Beweismaterial verbessern. Die Rechtsprechung leidet aber weiterhin unter einem Mangel an qualifiziertem einheimischem und internationalem Personal.

Die ethnischen Spannungen, aber auch das Vorgehen der internationalen Präsenz gegen die organisierte Kriminalität oder Kriegsverbrecher führen immer wieder zu Unruhen. Für den Ordnungsdienst verfügt die UNMIK über einige spezialisierte Polizeieinheiten. Sie können durch die Multinational Specialised Units (MSU) der KFOR, welche unter anderem aus Carabinieri und französischen Gendarmen bestehen, unterstützt werden.

Neben diesen spezialisierten Einheiten wird aber auch die reguläre KFOR zur Unterstützung der UNMIK-Polizei
eingesetzt. In der Regel handelt es sich um Einsätze analog der Schweiz, bei denen das Militär eine «äussere Absperrung» sicherstellt, um spezialisierte Kräfte für den eigentlichen Polizeieinsatz freizustellen. Dank ihrem hohen Grad an fachtechnischer Ausbildung sind die Spezialisten des SWISSCOY-Militärpolizeidetachements sehr gefragt und leisten Unterstützung im kriminalistischen Bereich.

Die Durchsetzung von Recht und Ordnung stellt eine anspruchsvolle Aufgabe für die KFOR-Soldaten dar, auf welche nur wenige Kontingente wirklich vorbereitet sind. Bei den truppenstellenden Staaten besteht deshalb eine unterschiedliche Bereitschaft, sich an solchen Aufgaben zu beteiligen und ihre Soldaten einer erhöhten Gefährdung auszusetzen. Obwohl ihr Auftrag an sich keine Polizeiaufgaben umfasst, wird die KFOR auch längerfristig nicht um die Unterstützung der zivilen Polizei herumkommen.

1413

2.2

Operationell

Die NATO ist bisher in Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Mazedonien das militärische Fundament des internationalen Krisenmanagements, während die EU immer mehr die Federführung für die längerfristige wirtschaftliche und politische Stabilisierung des Balkans übernommen hat. Die Neuausrichtung der amerikanischen Interessen und der atlantischen Allianz führt nun aber de facto zu einer Europäisierung der Militärpräsenz im Balkan.

2.2.1

Optimierter Mitteleinsatz kompensiert Bestandesreduktion

Auf die NATO-Interventionen, welche die Kriegshandlungen in Bosnien-Herzegowina und Kosovo beendeten, folgten zwei friedensunterstützende Operationen unter UNO-Mandat mit anfangs 60 000, respektive 40 000 Mann. Während die KFOR ihren Originalbestand seit 1999 annähernd behalten hat, ist die Stabilization Force (SFOR) in Bosnien-Herzegowina seit dem Beginn im Jahre 1995 mittlerweile auf 18 000 Mann gesunken.

Mitte Juni 2002 haben sich die truppenstellenden Staaten auf ihre Beiträge zur KFOR und zur SFOR geeinigt. Der Sollbestand der SFOR wird von 18 000 auf 12 000 sinken, derjenige der KFOR von 38 000 auf 32 000. Mit dem sukzessiven Truppenabbau im Balkan werden zusätzliche Kapazitäten für andere friedensfördernde Operationen, beispielsweise in Afghanistan, frei. Speziell die USA, welche mit knapp 8000 Mann an SFOR und KFOR beteiligt sind, versuchen eine Bindung ihrer Truppen durch jahrelange Friedenseinsätze zu verhindern.

Bei der KFOR konnten die ursprünglich geplante Bestandesreduktion und das Rationalisierungspotential nicht vollständig ausgeschöpft werden. Die neue KFORStruktur, welche auf Dezember 2002 umgesetzt wird, ist Teil der Reduktion mit dem Ziel, die KFOR mittelfristig auf ca. 20 000 Angehörige zu reduzieren, was annähernd einer Halbierung entspricht.

Mit dem geplanten Abbauschritt reduziert die NATO ihre Truppen in BosnienHerzegowina und in Kosovo auf insgesamt 44 000 Mann. Die geschwundene Bedrohung durch die jugoslawische Armee erlaubt den Abzug des Grossteils der Artillerie, Kampfpanzer und -helikopter. Die KFOR wird Mitte 2003 ihren neuen Bestand von 32 000 erreichen. Durch die Zusammenlegung von Brigaden können Stabs- und Führungselemente eingespart werden. Die Schlagkraft der NATO-Präsenz wird mit den folgenden Rationalisierungsmassnahmen aufrecht erhalten: ­

1414

Die Einheiten der SFOR und der KFOR sollen im Bedarfsfall möglichst auf dem Verantwortungsgebiet beider Missionen eingesetzt werden können. Mit diesem regionalen Ansatz stehen für die Bewältigung unvorhergesehener Ereignisse in einem Einsatzgebiet immer noch genügend Truppen zu Verfügung. Das Verschieben von Kontingenten zwischen SFOR und KFOR ist allerdings nur mit jenen nationalen Kontingenten möglich, deren Regierungen ihre Einwilligung gegeben haben und kommt für die SWISSCOY gemäss den bestehenden Grundlagen nicht in Frage.

­

Die Bereitstellung einer operativen Reserve ausserhalb des Einsatzgebietes erlaubt eine kurzfristige Verstärkung von SFOR und KFOR. Die strategische Reserve, welche bisher zur Verfügung stand, wird beibehalten.

­

Die Kompetenzen des regionalen NATO-Kommandos in Neapel, welches die SFOR und die KFOR führt, werden verstärkt, um dem flexibleren Einsatzkonzept Rechnung zu tragen.

­

Verstärkte nachrichtendienstliche Mittel gewährleisten den zielgerichteten und zeitgerechten Schutz und Einsatz der Truppen.

­

Multinationale Unterstützungselemente vermindern Doppelspurigkeiten zwischen einzelnen Staaten und erlauben eine Rationalisierung bei der Logistik und anderen Unterstützungsfunktionen.

­

Die militärischen Polizeiformationen, welche für den Ordnungsdienst eingesetzt werden können, werden auf ihren Sollbestand erhöht und später aufgestockt.

Die Aufrechterhaltung des britischen und französischen Führungsanspruchs auf eine multinationale Brigade (MNB) führte dazu, dass nur Deutschland und Italien ihre beiden MNB zusammenlegen. In der neuen MNB Südwest, welcher auch das Schweizer Kontingent angehört, stellen sie alternierend den Kommandanten. Grossbritannien schliesst nicht aus, bereits ab Mitte 2003 die Verantwortung für seine multinationale Brigade abzugeben und seine Präsenz auf ein Bataillon zu reduzieren, um Truppen für andere Einsätze zur Verfügung zu haben. Mit dem Abzug von schwerem Material wie Kampfpanzer wurde bereits vor einiger Zeit begonnen.

2.2.2

Fortdauerndes Engagement der Nicht-NATO-Staaten

Neben den 19 NATO-Staaten sind an SFOR und KFOR auch 22 Nicht-NATOStaaten mit insgesamt 6000 Soldaten beteiligt. Der Truppenabbau betrifft in erster Linie NATO-Mitgliedstaaten. Die Mehrheit der Nicht-NATO-Staaten, mit Ausnahme von Russland, beabsichtigen nach dem bisherigen Stand der Planung keine Reduktion ihrer Kontingente und wollen ihr Engagement beibehalten.

Unter den europäischen Nicht-NATO-Staaten in der KFOR stellen Finnland, Schweden und Österreich die grössten Kontingente. Schweden und Finnland verfügen über 750, respektive 800 Soldaten in Kosovo. Das finnische Bataillon wird ohne Restriktionen dem Kommandanten KFOR als taktische Reserve zur Verfügung stehen und kann deshalb auf dem ganzen Einsatzgebiet der KFOR eingesetzt werden. Finnland trägt mit einem elektronischen Aufklärungsdetachement zum nachrichtendienstlichen Aufkommen der KFOR bei.

Das österreichische Kontingent (AUCON) behält seinen Bestand von über 500 Mann. Es wird seine Aufgabe weiterhin in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Kontingent erbringen. AUCON ist befugt, Einsätze im ganzen Einsatzgebiet der KFOR zu leisten ­ allerdings nur im Umfang einer Kompanie. Österreich beabsichtigt, ähnlich wie die Schweiz, einen oder zwei Transporthelikopter nach Kosovo zu verlegen. Über das dazu benötigte Personal hinaus wird das österreichische Kontingent jedoch nicht verstärkt.

1415

Da die geplanten Reduktionen schwergewichtig auf NATO-Staaten fallen, gewinnen die Kontingente aus Nicht-NATO-Staaten an Bedeutung. Sie wollen deshalb stärker in die Entscheidungsprozesse der Operationen im Balkan einbezogen werden. Insbesondere Schweden, Finnland und Österreich verlangen eine verbesserte Einbindung in die Bereiche Nachrichten und Operationen sowie die Entsendung von Verbindungsoffizieren in das regionale Hauptquartier in Neapel, wo die Entscheidungen auf operativer Stufe gefällt werden.

Die Kooperation zwischen verschiedenen Nicht-NATO-Staaten mit einzelnen oder mehreren NATO-Mitgliedern wird auch ausserhalb der aktuellen NATO-Operationen im Balkan verstärkt. In Skandinavien gibt es Pläne zur Schaffung einer NORDIC Brigade, die sich aus dem NATO-Mitglied Norwegen und den beiden Nicht-NATO-Staaten Finnland und Schweden zusammensetzen würde. In Kosovo könnte diese Brigade zu einem späteren Zeitpunkt die von den Briten geführte multinationale Brigade ersetzen.

Das Österreichische Bundesheer wird in Zukunft bei Auslandeinsätzen noch stärker mit Deutschland kooperieren. Diese verstärkte Zusammenarbeit, wie sie bereits für den Einsatz der Friedenstruppen in Afghanistan aufgenommen wurde, soll bereits während der Ausbildung und den Vorbereitungen für gemeinsame Auslandeinsätze stattfinden. Ähnliche Absichten und Bestrebungen gibt es auch zwischen den neuen NATO-Mitgliedern Tschechien und Polen und dem NATO-Kandidat Slowakei. Ein tschechisch-slowakisches Bataillon ist bereits im Kosovo im Einsatz, und die Zusammenarbeit hat sich bewährt. Nun soll zusammen mit Polen eine multinationale Brigade mit 2500 Mann geschaffen werden.

Im Rahmen der Aufgaben, welche die UN-Resolution 1244 den verschiedenen internationalen Akteuren zuweist, obliegt der KFOR die Kriegsverhinderung sowie die Garantie eines stabilen Umfelds, in welchem internationale und nicht-staatliche Organisationen den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbau des Kosovo unterstützen. Seit Einsatzbeginn der KFOR hat sich die Sicherheitslage im Kosovo substanziell verbessert. Die kosovarische Bevölkerung will die fortdauernde Präsenz der KFOR, weil das Vertrauen in die eigenen Führer, Sicherheit für alle zu schaffen, noch nicht ausreicht. Die Hauptaufgabe der KFOR wird demnach auf absehbare Zeit darin bestehen,
das Sicherheitsgefühl der lokalen Bevölkerung zu stärken und sie zu ermuntern, in die eigene Zukunft zu investieren. Diesem Zweck dient die Wahrnehmung folgender Aufgaben, welche für die KFOR während der nächsten Jahre im Vordergrund stehen werden: ­

Demonstration des Engagements der internationalen Gemeinschaft für die Zukunft des Kosovo durch sichtbare Präsenz der KFOR-Truppen;

­

Erhaltung eines sicheren Arbeitsumfelds für Angehörige von internationalen und Nicht-Regierungs-Organisationen;

­

Unterstützung der zivilen Polizei im Vorgehen gegen Personen, die Kriegsverbrechen oder organisierter Kriminalität bezichtigt werden, primär durch Bereitstellen von Kräften für Durchsuchungen, Abriegelung und Reserveeinsätzen;

­

Kontrolle des Kosovo Protection Korps, der zivilen Auffangorganisation der ehemaligen Widerstandsbewegung UÇK;

1416

­

Überwachung und physische Kontrolle des Zwischengeländes zwischen regulären Grenzübergängen, primär um Zufluss und Ausfuhr illegaler Waffen zu unterbinden;

­

Schwergewichte der Patrouillenaktivität in Zonen, in welchen vertriebene Personen wiederansiedeln.

Damit unterscheidet sich das zukünftige Einsatzspektrum der KFOR von der Auftragslage 1999 vor allem in drei wesentlichen Bereichen: ­

Abbau und Rückzug der schweren Truppenverbände und Unterstützungswaffen;

­

Aufgabe des statischen Sicherheitsdispositivs;

­

De facto Aufgabe von Infrastrukturprojekten im Rahmen zivil-militärischer Zusammenarbeit.

Dieser zukünftigen Aufgabenstellung entspricht der Umbau der KFOR. Es kommt hinzu, dass die Zunahme militärischer Verpflichtungen, wie zum Beispiel in Afghanistan, verbunden mit bestehender militärischer Überdehnung der Kräfte eine Vielzahl von KFOR-Staaten zwingt, sich missionsmässig zu konzentrieren.

2.3

Erwartungen an die Schweiz

Von einem Staat wird erwartet, dass er sich an der Verminderung der Risiken mitbeteiligt, von denen er direkt betroffen ist. Eine Verlagerung aller finanziellen Mittel ausschliesslich auf zivile Organisationen und Projekte würde international nicht als gleichwertig eingestuft. Im weiteren erhöht ein militärisches personelles Engagement vor Ort die Sichtbarkeit des schweizerischen Beitrages und wird ­ sowohl international wie auch national ­ auf andere Art wahrgenommen, als ein rein ziviles Engagement.

Die internationale Gemeinschaft erwartet auch von der Schweiz, dass sie in Kosovo im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Entlastung der Partner beiträgt. Es würde von der internationalen Gemeinschaft kaum verstanden, wenn die Schweiz, bei einem Verteidigungsbudget von rund 4 Milliarden Franken pro Jahr, einen Einsatz beenden würde, welcher rund 40 Millionen Franken pro Jahr, also rund 1 % des Budgets, kostet.

3

Aktivitäten der Schweiz im Kosovo

3.1

Zivil

In Kosovo hat die Schweiz ihre Tätigkeiten 1991 mit humanitärer Hilfe aufgenommen und hat 1998 an der von der OSZE geführten Überprüfungsmission (KVM/Kosovo Verification Mission) teilgenommen. Auf bilateraler Ebene zählt die Schweiz zu den Hauptakteuren im Bereich der humanitären und Wiederaufbauhilfe.

Hauptziele des internationalen Engagements sind kurzfristig die Rückkehr der Flüchtlinge und langfristig die Entschärfung der Spannungen und die Verbesserung der Lebensbedingungen.

1417

Zivile Hauptakteure der schweizerischen Kooperationsprogramme in Kosovo sind hauptsächlich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit der Abteilung Humanitäre Hilfe und Schweizerisches Korps für humanitäre Hilfe (HH + SKH) und der Abteilung für die Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS (AZO), das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), das einen grossen Teil der DEZA-Programme finanziert, das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) im Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) und die Politische Abteilung IV, Menschliche Sicherheit, im EDA. Die Schweizer Unterstützung konzentriert sich auf die nachstehenden aufgeführten Bereiche.

3.1.1

Humanitäre Hilfe

Von 1999 bis 2001 wurden mehr als 100 Millionen Franken (davon rund 55 Mio.

vom BFF zu Gunsten von Rückkehrprogrammen für Flüchtlinge) für humanitäre Unterstützungsaktionen eingesetzt. Die wichtigsten Projekte waren: ­

Aushändigung von Materialhilfe für Notunterkünfte (30 000 sogenannte «Shelter modules» für mehr als 32 000 Rückkehrer),

­

Abgabe von 1700 Rindern an bedürftige Familien,

­

Wiederaufbau und Erneuerung von mehr als 1200 Wohnhäusern für rund 15 000 Personen,

­

Aufbau sozialer Strukturen, vor allem Schulen (34 Schulgebäude für rund 10 000 Schüler),

­

Wiederinstandstellung von 6 Strassen und 33 Brücken,

­

Wiederaufbau von Wasserversorgungen (ab 2000 durch AZO und seco) und Sanierung der Landwirtschaft durch Saatgutlieferungen für 15 000 Familien und durch 1750 Vieheinheiten für rund 1000 Familien.

­

Zudem wurden das UNHCR, das IKRK und das Welternährungsprogramm finanziell unterstützt.

Mit einem Budget von rund 5 Millionen Franken wird die humanitäre Unterstützung im Jahr 2002 fortgeführt, wobei das Schwergewicht auf soziale Institutionen (Schulen und psychiatrische Kliniken) und Einrichtungen der ethnischen Minderheiten gelegt wird.

3.1.2

Technische Zusammenarbeit

Im Bereich technische Zusammenarbeit hat sich in den Jahren 1999 bis 2001 die DEZA (AZO) mit 33,5 Millionen Franken und das seco mit 12,3 Millionen engagiert. Schwerpunkt der Aktivitäten waren:

1418

3.1.2.1

Förderung des öffentlichen Sektors (AZO)

Mit der Aktualisierung der Kataster und der Unterstützung des «Housing and Property Directorate» wird dazu beigetragen, die Besitzverhältnisse zu klären, was eine Voraussetzung zur Stabilität und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau in Kosovo ist.

Dazu kommen Beiträge zur Einrichtung eines Einwohnerregisters, Reform der Strafvollzugbehörden, Fortbildung der Lehrerschaft (durch die Unterstützung der Stiftung «Kosovo Education Center») und Mitwirkung beim öffentlichen Radio (vormals Radio Blue Sky, seit dem 1. Juli 2002 zweites Programm des Radio RTK).

3.1.2.2

Schaffung von Einkommensquellen und Entwicklung des privaten Sektors (AZO)

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Möglichkeiten in Kosovo ist eine Grundvoraussetzung zur Stabilisierung der Region. Die Schweiz bietet Unterstützung im Bereich der Landwirtschaft, namentlich indem sie die Gemüseproduzenten ermuntert und ihnen hilft, auf die Marktnachfrage zu reagieren. Zudem hilft sie kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) mit Ausbildung und Beratung und finanziert Geldinstitute, die mit KMU arbeiten.

3.1.2.3

Verbesserung der Infrastruktur und Förderung der öffentlichen Dienste (seco, AZO)

Um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern, setzt die Schweiz hydraulische Installationen wieder in Stand, um die Wasserversorgung in den Städten in Südostkosovo zu gewährleisten und baut Wasserzuleitungen in den ländlichen Gebieten. Sie stellt den lokalen Verwaltungen ein Software-Programm für Wasserbewirtschaftung zur Verfügung und beteiligt sich am Wiederaufbau der elektrischen Installationen in der gleichen Region.

Die DEZA, das seco und das BFF haben ein mittelfristiges Konzept (2002­2004) für ihre Tätigkeiten beschlossen, das eine Konsolidierung der Tätigkeiten in den oben erwähnten Bereichen vorsieht (Infrastruktur, privater und öffentlicher Sektor).

Die Übergabe der Projektverantwortung an lokale Institutionen hat Vorrang in den Zusammenarbeitsprogrammen. Das Budget der AZO für 2002 beträgt 12,6 Millionen Franken, davon kommen 10 Millionen vom BFF. In den kommenden Jahren wird dieser Beitrag schrittweise reduziert.

3.1.3

Förderung des Rechtsstaates und der Demokratie

Seit 2001 ist die Frage der Minderheiten und der Aussöhnung als übergreifendes Thema behandelt worden. Im Rahmen des Möglichen berücksichtigt das Zusammenarbeitsprogramm der DEZA, des seco und des BFF die Frage der Minderheiten.

Spezielle Projekte zu Gunsten der serbischen Minderheit und anderer wurden umgesetzt.

1419

Dazu kommen die Aktivitäten der Politischen Abteilung menschliche Sicherheit (PA IV) im EDA. Vom gesamten Engagement in der Höhe von 7 Millionen Franken im Jahre 2001 entfielen rund 4 Millionen Franken auf die zivilen Schweizer Experten bei der UNMIK und bei der OSZE-Mission in Kosovo (Experten für Demokratisierung, Menschenrechte, zivile Verwaltung und Wahlen). Dazu gehören auch die sogenannten CIVPOL-Einsätze, wo Schweizer Polizisten und Grenzwächter (zurzeit neun Personen) in der UNMIK polizeiliche Aufgaben wahrnehmen, beziehungsweise die örtliche Polizei begleiten und ausbilden. Insgesamt wurden 3 Millionen Franken ausgegeben für Projekte in den Bereichen Rechtsstaat, Minenräumung (850 000 Fr.), Minderheiten und Versöhnung (Dialog auf lokaler Stufe, geleitet von Nichtregierungs-Organisationen) sowie im Bereich unabhängiger Medien (Radio und Presse der Minderheiten).

Im Zuge einer allgemeinen Neuausrichtung der Aktivitäten und der Reduktion der internationalen Präsenz sieht die PA IV für 2002 einen Aufwand in der Grössenordnung von 4,5 Millionen Franken vor, der grösste Teil davon für die zivilen Experten. Mit Ausnahme des Minenräumungsprogrammes, das nicht verlängert wird, führt die PA IV ihre Projekte in Kosovo weiter. In den kommenden Jahren dürfte das Engagement der PA IV parallel zum Engagement der internationalen Organisationen zurückgehen.

Tabellarische Übersicht der zivilen Hilfe der Schweiz im Kosovo 1999­2002 (in Mio. Fr.)

Jahr

DEZA-AZO DEZA-HH

1999 Rechnung

BFF/DEZA-HH BFF/AZO Total

2001 Budget

2002 Budget

2003 Planung

2,2

1,4

2,6

2,6

5,0

29,0

6,0

3,0

1,0

1,0

0,56

11,74

13,0

5,0

7,8

7,73

4,5

k.A.

15,0

3,0

2,0

15,0

10,0

6,5

54,538

34,1

19,5

seco PA IV

2000 Rechnung

28,090

37

5,0

8,2

72,090

60,89

7,198

Quelle: «Schweizerische Hilfe für Südosteuropa» Abkürzungen: DEZA-AZO: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und Abteilung für die Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS (EDA); HH: Abteilung Humanitäre Hilfe (EDA); seco: Staatssekretariat für Wirtschaft (EVD); PA IV: Politische Abteilung IV Menschliche Sicherheit (EDA); BFF: Bundesamt für Flüchtlinge (EJPD)

1420

3.2

Militärisch

Die SWISSCOY ist Teil der KFOR und damit derjenigen Organisation, welche im Kosovo Sicherheit für die Bevölkerung und die internationalen Akteure schafft. Alle Angehörigen der Schweizer Kompanie sind Freiwillige. Seit Einsatzbeginn entstammten im Schnitt rund 90 % eines Kontingents der Miliz. Die SWISSCOY erbringt seit Oktober 1999 logistische Leistungen zu Gunsten des österreichischen mechanisierten Bataillons, welches im Rahmen der multinationalen Brigade Süd ­ unter deutscher Leitung ­ die Task Force DULJE stellt. Der logistische Grundauftrag der SWISSCOY entspricht im wesentlichen nach wie vor dem durch den Bundesrat im Juni 1999 verabschiedeten Mandat und umfasst Strassentransporte, Betriebsstofflieferung, Wasserproduktion und Verteilung, Reparaturdienste sowie Genieunterstützung. Die besondere Stärke der SWISSCOY liegt im hohen professionellen Können ihrer Angehörigen, welches auf die Besonderheiten des Milizsystems zurückzuführen ist.

3.2.1

Unterstützung Schulhausbau

Der kritische Zustand der Infrastruktur des Kosovo erforderte in der Anfangsphase des KFOR-Einsatzes den Einsatz militärischer Mittel zu Gunsten ziviler Projekte.

Erste Priorität nach Beginn des Einsatzes war die Schaffung von «Dach über dem Kopf» für den Winter. Die SWISSCOY beteiligte sich an den Schulhaus-Projekten in Laniste und Donaj, die im Frühjahr 2000 an die Benutzer übergeben wurden. An diesen zwei Projekten beteiligten sich US Aid, CRS/Caritas USA mit 280 000 DM, die SWISSCOY mit 90 000 DM. Im Winter 1999/2000 wurden in Zusammenarbeit mit Caritas Schweiz ca. 6000 m3 Brennholz verteilt und/oder die Verteilung durch die lokale Bevölkerung organisiert und überwacht.

3.2.2

Brückenbau

Schon bald, vor allen anderen Nationen zog sich die SWISSCOY vom eigentlichen (zivilen) Hochbau zurück. Die Ära des Bauens von Behelfsbrücken begann im Frühjahr 2000. Mit dem Einsatz des Genie-Know-hows und dem Material der ausgemusterten DIN-Brücken der Schweizer Armee stand ein sehr geeignetes Mittel zur Verfügung. Dabei entwickelte sich eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit der DEZA. Mittel und Wissen sowie grosse Erfahrung wurden von beiden Seiten kooperativ zum Einsatz gebracht. Die dabei entstandene «Swiss Connection» brachte hochstehende Qualität nach Kosovo in Form von Brücken und Übergängen, die von der einheimischen Bevölkerung und der KFOR benutzt werden.

Insgesamt wurden gemeinsam 23 Brücken oder Übergänge erstellt, wobei die totale Länge, bei einer Lastklasse von 50 Tonnen, 326 m beträgt. In Zusammenarbeit mit der DEZA wurden 21 Objekte erstellt, wobei DEZA-Spezialisten die Oberleitung und die Gesamtverantwortung hatten. Daneben wurden zwei Feste Brücken 69 (FB 69) eingebaut und nach 2 bzw. 10 Monaten wieder ausgebaut. Die vorläufig letzte DIN-Brücke wurde vom sechsten Kontingent (im Einsatz vom April bis September 2002) fertiggestellt. Ein Viertel aller Brücken wurden im Auftrag der 1421

KFOR erstellt, auch wenn die Finanzierung zum Teil über die DEZA erfolgte (CIMIC).

Die SWISSCOY betreibt seit Mai 2001 den Bridge Park KFOR. Sämtliche militärischen Behelfs- und Logistikbrücken werden im Camp Casablanca gelagert, gewartet und für einen neuen Einsatz zusammengestellt. Dadurch sind die Genie-Soldaten der SWISSCOY unter anderem auch auf weltweit führenden modernsten Produkten des Brückenbaus, wie zum Beispiel Mabe&Johnson ausgebildet. Weiterhin aktuell bleibt der Einsatz der Festen Brücke 69 (FB 69). Drei vollständige Brückensätze befinden sich im Camp Casablanca. Die Einsätze erfolgen jeweils auf Antrag der KFOR.

3.2.3

Weitere Bautätigkeiten

Rund 30 Armeebaracken 51 aus Reservebeständen wurden in den Einsatzraum gebracht. Davon wurden 22 Baracken in Zusammenarbeit mit DEZA und UNMIK für Poststellen, Kindergärten, Anästhesie-Lehrgebäude und Stationen für «fliegende Ärzte» aufgebaut und übergeben. In der Regel wurden die Fundamente sowie notwendige Erschliessungsarbeiten durch den späteren Besitzer oder Nutzniesser erstellt. Erst nach dieser Eigenleistung wurde durch «SWISSCOY-Workers», Einheimische, die von der SWISSCOY angestellt waren, unter Schweizer Leitung das Gebäude aufgestellt (Hilfe zur Selbsthilfe).

Zur Unterstützung der Bewachungstätigkeiten an der Grenze zu Albanien und zur Überwachung des Raumes Prizren hat die SWISSCOY zu Gunsten des deutschen KFOR-Kontingentes (GECON) respektive der Multinationalen Brigade Süd zwei Materialseilbahnen gebaut und übergeben.

Für die Personalaufstockung ab dem siebten Kontingent musste die Kapazität des Camps erweitert werden. Die Bauten für das schweizerische Detachement auf dem Heeresfliegerstützpunkt Toplicane wurden in Zusammenarbeit mit Spezialisten der Luftwaffe geplant und umgesetzt. Roh- und Koffermaterial für den Strassenbau ist seit dem Beginn des Einsatzes Mangelware. Im Raum Suva Reka konnte ein Steinbruch von der KFOR gepachtet werden. Die Angehörigen der SWISSCOY sind die einzigen, welche zivilen Sprengstoff einsetzen dürfen. Während die SWISSCOY den Steinbruch betreibt, hat die Bundeswehr einen Steinbrecher angeschafft und betreibt diesen im Camp Casablanca.

Neben dem bereits erwähnten Betrieb des Steinbruchs wird die SWISSCOY mehr und mehr für Sprengarbeiten im Bereich «Offenhalten» von Strassen zu Gunsten der KFOR eingesetzt. So werden immer wieder Findlinge gesprengt, welche Zufahrtsoder Passstrassen gefährden oder gänzlich unpassierbar machen. Diese Arbeiten werden in der Regel im Rahmen von deutschen CIMIC-Projekten ausgeführt.

1422

3.2.4

Ab 2003 reduzierte Bautätigkeit

Neben der laufenden Instandhaltung des dreijährigen Camps liegt das Schwergewicht des schweizerischen Genieeinsatzes der SWISSCOY in der Unterstützung anderer Kontingente im Bau von logistischer und Führungsinfrastruktur sowie beim behelfsmässigen Unterhalt militärisch unverzichtbarer Verbindungswege.

Die SWISSCOY-Bautätigkeit im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit (CIMIC) beruht auf folgenden Grundsätzen: ­

sie erfolgt subsidiär zum Einsatz der zivilen Mittel, wenn diese nicht mehr ausreichen;

­

die Einsatzverantwortung liegt beim EDA (DEZA) oder einer anderen zivilen Stelle;

­

die von der SWISSCOY zu erbringende Hilfeleistung wird konzeptionell im Einvernehmen mit der DEZA oder einer anderen zivilen Stelle erarbeitet;

­

«Hilfe zur Selbsthilfe» (Leistungen der SWISSCOY bedingen immer Leistungen der einheimischen Nutzniesser oder Partner);

­

Zusammenarbeit und Finanzierung wenn immer möglich durch Partner (Drittmittelfinanzierung);

­

Tätigkeiten erfolgen immer unter militärischer Leitung;

­

Grundsatz der Neutralität gegenüber den vormals kämpfenden Parteien;

­

Projekte müssen immer sicherheits- und entwicklungspolitische Aspekte berücksichtigen;

­

partnerschaftliche Zusammenarbeit und Koordination mit Gruppen anderer Länder und Hilfsorganisationen vor Ort sind anzustreben;

­

Fördern der Bewegungsfreiheit der operativen Kräfte durch Schaffen eines positiven zivilen Umfeldes.

Die Zeit der Nothilfe in Kosovo ist vorbei. Die CIMIC-Tätigkeiten in der MNB-S fokussieren sich immer mehr in Richtung Unterstützung des Wiederaufbaus von Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen. Der CIMIC-Bereich wird daher für die SWISSCOY kleiner. Dies war voraussehbar und entspricht dem Grundverständnis von CIMIC. Die Kurve der CIMIC-Tätigkeiten geht im Verhältnis zurück, mit der das Wachstum und die Entwicklung hin zum normalen Leben im Einsatzland zunehmen.

Deutschland hat mit CIMIC-Zentren, die in der Regel mit vier Mann besetzt sind, gute Erfahrungen gemacht. Diese CIMIC-Zentren sind nach wie vor die Ansprechstationen für die lokale Bevölkerung. Besonders für Minderheiten und ärmere Leute sind dies wichtige, vertrauenschaffende Institutionen. Daneben sind diese für die Informationsbeschaffung ein wichtiges Mittel. Es zeigt sich, auch aus den Erfahrungen in der SFOR, dass CIMIC-Zentren bis gegen Ende einer Mission unabdingbar sind. Die zivile Implementierung will man von deutscher Seite aus klar der UNMIK überlassen. Neue Bereiche und Betätigungsfelder werden deshalb nicht in Angriff genommen. In Österreich sieht man die Sachlage etwas anders: Internationalen Wirtschaftsverbänden und dem zivilen Gewerbe soll mit einzelnen CIMIC-Projekten

1423

die Türen geöffnet werden. Das im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz, wo die Wirtschaftshilfe klar getrennt ist von den Aufgaben der militärischen Seite.

Analog zu den deutschen Erkenntnissen soll der CIMIC-Bereich der SWISSCOY soweit als möglich reduziert und zivile Infrastrukturaufgaben zivilen Institutionen überlassen werden. Bereits jetzt wird im Camp Casablanca ein CIMIC-Zentrum betrieben, das die SWISSCOY mit einem CIMIC-Assistenten unterstützt. Der Schweizer CIMIC-Bereich wird deshalb reduziert auf Planungsunterstützung und Vermitteln von Fachwissen in enger Koordination mit zivilen Institutionen (DEZA).

Rechnung/Budget der SWISSCOY-Einsätze 1999­2003 (in Mio. Fr.)

1999 Rechnung

2000 Rechnung

2001 Rechnung

2002 Budget

2003 Budget

14,65

31,2

28,2

33,0

37,5

Auf den ersten Blick scheint diese tabellarische Zusammenfassung der Aussage zu widersprechen, dass die militärischen Einsätze dort, wo möglich von ziviler Hilfe abgelöst werden. Dazu ist aber festzustellen, dass mit der Erhöhung des Kontingentes sowie dem Einsatz eines mechanisierten Infanteriezuges und eines Helikopterdetachements ab Oktober 2002 auch die entsprechenden Budgetrubriken grösser sind als die Rechnungszahlen für die Jahre 2000 und 2001.

Bisher erbrachte Logistikleistungen der SWISSCOY-Kontingente 1 bis 6 Leistung

Kont 1

Kont 2

Kont 3

Kont 4

Kont 5

Kont 6*

Total

MP Einsätze 50 68 94 140 287 201 840 Verkehrs51 52 84 90 164 121 562 kontrollen Unfälle 4 19 7 42 17 34 123 Wasser m3 Trinkw.

7 645 9 902 12 593 13 693 11 121 8 381 63 335 Brauchw.

3 487 6 283 4 798 3 952 4 197 3 645 26 362 Transporte Kilometer 356 295 421 000 510 377 400 275 354 894 393 778 2 436 619 Pers-Trsp 2 357 2 850 3 465 4 480 5 239 4 840 23 231 San D Patienten** 510 908 1 652 2 105 1 418 523 7 116 davon CH 325 408 341 593 502 234 2 403 MEDEVAC k.A.

11 30 20 13 9 83 Kom D Diensttage 28 500 28 500 28 500 28 500 20 396 23 501 211 897 Betriebsstoff in Litern 1 104 000 1 602 813 1 645 325 1 321 617 1 818 900 1 114 117 8 606 772

1424

Quelle: Chef Logistik SWISSCOY-Kontingente 1 bis 6.

* Stand Ende August 2002 (Kontingent 1: Oktober 1999 bis März 2000; Kontingent 2: April 2000 bis September 2002; Kontingent 3: Oktober 2000 bis März 2001; Kontingent 4: April 2001 bis September 2001; Kontingent 5: Oktober 2001 bis März 2002; Kontingent 6: April 2002 bis Oktober 2002; Kontingent 7: ab Oktober 2002 bis März 2003).

** Unter dem Begriff «Patienten» sind medizinische Dienstleistungen aller Art, also auch ambulante Behandlungen und die Abgabe von Medikamenten und Sanitätsmaterial zu verstehen.

Abkürzungen: Kont: Kontingent; MP: Militärpolizei; Pers-Trsp: Personentransporte; San D: Sanitätsdienst; MEDEVAC: Medical evacuation (Verwundetentransport); Kom D: Kommissariatsdienst.

3.2.5

Erweitertes Einsatzspektrum

Eine Erweiterung hat das Einsatzspektrum hingegen durch die Entsendung eines Transporthelikopters SUPER PUMA sowie eines mechanisierten Infanteriezugs erfahren. Die Entsendung eines Helikopters war bereits 1999 als Option entwickelt worden. Damals standen im Einsatzraum aber ausreichend Lufttransportmittel zur Verfügung, welche zwischenzeitlich jedoch abgezogen wurden. Der Infanteriezug befähigt die SWISSCOY zum Kontingentsschutz sowie allgemein zur Sicherheit im Einsatzraum beizutragen. Diese zusätzlichen Elemente erforderten eine Anpassung des Kontingentsbestandes, der vom Parlament auf maximal 220 Personen ab Oktober 2002 festgesetzt wurde.

Die SWISSCOY operiert in drei Bereichen unter nationalen Auflagen: ­

Der Helikopterbetrieb wird bei erhöhter Bedrohung sofort eingestellt. Dieser Restriktion sind auch die Lufttransportelemente Deutschlands und Österreichs unterworfen.

­

Der Einsatz des mechanisierten Infanteriezuges ausserhalb des Einsatzraums der Task Force DULJE unterliegt im Einzelfall der Bewilligung durch den Führungsstab der Armee. Damit wird einerseits sichergestellt, dass der Zug auch für Partner nützliche Leistungen erbringt, andererseits ist aber gewährleistet, dass keine Einsätze befohlen werden, welche mit nicht zu beurteilenden Risiken verbunden wären.

­

Die SWISSCOY darf nicht in der Sicherheitszone zu Serbien eingesetzt werden. Unter dieser Auflage operiert auch das österreichische Kontingent.

Die Tätigkeiten, welche die SWISSCOY zu Gunsten ihrer KFOR-Partner erbringt, können vor Ort nicht durch zivile Anbieter erbracht werden.

4

Möglichkeiten und Grenzen des künftigen SWISSCOY-Engagements der Schweiz

Eine politisch stabile Balkanregion liegt im strategischen Interesse der Schweiz. In allen Bereichen des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens werden die Staaten der Region noch auf Jahre hinaus auf internationale Unterstützung angewiesen sein.

1425

Hilfe zur Selbsthilfe bedingt auch in Zukunft, dass dem Sicherheitsbedürfnis der Angehörigen aller Ethnien besonders Rechnung getragen wird. Physische Sicherheit deckt auch in Kosovo ein Grundbedürfnis ab, welches nicht durch wirtschaftliche Zusammenarbeit oder humanitäre Hilfe substituiert werden kann. Militärische Präsenz zur Schaffung von Sicherheit wird auch weiterhin erforderlich bleiben. Trotz des Aufbaus einer nationalen kosovarischen Polizei wird diese noch auf absehbare Zeit nur durch internationale bewaffnete Kräfte gewährleistet werden können.

Die kritische Grösse für den Einsatz der SWISSCOY wird auch in Zukunft das Personal darstellen. Entsprechender politischer Wille vorausgesetzt, sollte die Schweizer Armee in der Lage sein, das gegenwärtige Engagement noch für mindestens zwei Jahre beibehalten zu können. Die Zahlen der Anmeldungen für einen freiwilligen SWISSCOY-Einsatz sind tendenziell wieder leicht zunehmend. Bereits jetzt stellt allerdings die Rekrutierung in gewissen Bereichen beträchtliche Herausforderungen: ­

Offiziere für multinationale Kommandostäbe (Task Force DULJE und Brigadestab);

­

Helikopterwartungspersonal;

­

Ärzte.

Folgende Eigenheiten unseres schweizerischen Milizsystems schaffen dabei Rahmenbedingungen, welche den Pool an Personen, die für militärische Auslandeinsätze im Rahmen der Friedensförderung in Frage kommen, begrenzt halten: ­

Prinzip der Freiwilligkeit, auch für militärisches Berufspersonal;

­

Absorption des militärischen Berufspersonals für Ausbildungsbedürfnisse in der Schweiz, dadurch auch in Zukunft weitestgehende Abhängigkeit von Freiwilligenmeldungen aus der Miliz;

­

Festlegung der Gehalts- und Zulagenstruktur durch VBS-externe Stellen.

Daraus folgt, dass die Armee unter den aktuellen Rahmenbedingungen kaum in der Lage sein dürfte, ihr SWISSCOY-Engagement kurz- oder mittelfristig zu erhöhen.

Zusätzliche Möglichkeiten ergeben sich in Hinblick auf die Armee XXI. Mit einem politischen Entscheid könnte Durchdienern nach abgeschlossener Grundausbildung, freiwillig und bei entsprechender Qualifizierung, der Friedensförderungseinsatz erlaubt werden. Das würde die Voraussetzung schaffen, um das im Armeeleitbild XXI definierte Ziel zu erreichen, ein Schweizer Bataillon im friedensfördernden Einsatz auf Dauer alimentieren zu können.

4.1

Konsequenzen bis Mitte 2003

Mit den Optimierungsmassnahmen (Personalaufstockung ab Oktober 2002 von 160 auf maximal 220 Personen, mechanisierter Infanteriezug und Helikopterdetachement) kommt die SWISSCOY den Bedürfnissen der adaptierten NATO-Operationsplanung entgegen. Da die SWISSCOY nun in der Lage ist, Sicherungsaufgaben selbst zu übernehmen, wird für die KFOR der Nutzen von AUCON als taktische Reserve erhöht. Reorganisation und Bestandesreduktion der KFOR haben keine grundlegenden Auswirkungen auf das österreichische Kontingent oder auf den

1426

Standort Suva Reka, die zusätzlichen Handlungsbedarf für die SWISSCOY ergeben würden.

Für den Zeitraum des vom Parlament bewilligten SWISSCOY-Einsatzes bis Ende 2003 (Kontingente 7 und 8) drängt sich weder eine Änderung des Auftrags noch der Zusammensetzung auf.

4.2

Möglichkeiten nach 2003

Die Schweiz war von allen westeuropäischen Staaten am direktesten von den Auswirkungen der Kosovokrise betroffen und beherbergt auch heute anteilsmässig mehr Menschen aus Kosovo als andere Staaten. Ein fortlaufender Beitrag der Schweiz zur KFOR liegt im sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz. Es geht nicht nur darum, neue Kampfhandlungen und Flüchtlingswellen zu verhindern, sondern auch die Nebenwirkungen der ungelösten Probleme, wie die organisierte Kriminalität und den politischen Extremismus von Albanern in der Schweiz an den Wurzeln zu bekämpfen.

Auch bei einer mittelfristig absehbaren Reduktion der KFOR auf 32 000 Mann werden vergleichbare Nicht-NATO-Staaten ihr Kontingent nicht unter BataillonsGrösse senken. Der erwartete NATO-Beitritt einer grösseren Anzahl osteuropäischer Staaten wird zwar namhafte Ressourcen für die Umsetzung des Beitritts absorbieren, dürfte aber auf die Dauer ihr Engagement auf dem Balkan eher festigen. Die zukünftige KFOR dürfte somit vermehrt von kleineren europäischen Staaten bestückt werden, während die grösseren NATO-Staaten ihre Mittel zu Gunsten anderer Aufgaben abziehen werden. Eine Beibehaltung des Schweizer Kontingents in seinem vorgesehenen Umfang würde diesem Trend entsprechen.

Die kleineren Kontingente der Nicht-NATO-Staaten sind in der Regel nicht direkt den multinationalen Brigaden unterstellt, sondern sind Teil eines anderen Kontingentes. Nur grosse Kontingente in der Stärke eines Bataillons wie diejenigen Schwedens, Finnlands oder Österreichs sind direkt auf Stufe Brigade angesiedelt.

Ohne eine Verstärkung auf Bataillonsgrösse wird das Schweizer Kontingent Teil einer Einheit eines anderen NATO- oder Nicht-NATO-Staates bleiben.

Die bisherige Zusammenarbeit mit Österreich hat sich für das Schweizer Engagement in der KFOR bewährt. Von der zunehmend engeren Anbindung Österreichs an Deutschland in den Bereichen Ausbildung und Führung profitiert letztlich auch die Schweiz. Die Restrukturierungen verleihen der neuen MNB Südwest noch einen ausgeprägteren multinationalen Charakter als ihrer Vorgängerin.

Die SWISSCOY erbringt seit Beginn ihrer Mission zu Gunsten der AUCON spezialisierte Dienstleistungen, namentlich Unterstützungsfunktionen im Bereich Logistik und Genie. Die Bereitstellung eines Transporthelikopters entspricht dieser Nischenstrategie. Im
Polizeibereich stellt die Schweiz neben zivilen Polizisten für die UNMIK (CIVPOL) auch ein Militärpolizei-Detachement im Rahmen der SWISSCOY.

Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität wird immer mehr zu einer der wichtigsten Aufgaben der internationalen Präsenz in Kosovo. Sie ist aber grundsätzlich eine Aufgabe der zivilen Polizei. Es dürfte deshalb in erster Linie sinnvoll sein, das schweizerische Engagement zukünftig im Bereich der CIVPOL sowie durch 1427

anderweitige polizeiliche Zusammenarbeit zu verstärken. Auch wenn die UNMIK weiterhin auf die Unterstützung durch die KFOR angewiesen sein wird, ist es ein unbestrittener Grundsatz, dass die militärische Präsenz zusehends durch zivile Komponenten der Friedensförderung abgelöst wird. Es ist für einen erfolgreichen Friedensprozess essentiell, dass die Gewährleistung der inneren Sicherheit möglichst bald von einer rein zivilen Polizei übernommen wird.

Neben der Militärpolizei, welche kriminal- und sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, können auch nachrichtendienstliche Mittel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dienen. Die SWISSCOY verfügt bereits über ein MilitärpolizeiDetachement. Für die nachrichtendienstliche Beschaffung und Aufklärung besitzt sie jedoch keine Mittel.

Anlässlich der Überprüfung der Operation in Kosovo hat die NATO die Aktivitäten der organisierten Kriminalität auf dem Gebiet der MNB Südwest als Problem identifiziert. Dort liegen die gebirgigen Grenzen zu Mazedonien und Albanien, welche für den Schmuggel von grosser Bedeutung sind. Die Bekämpfung solcher Aktivitäten ist nicht zuletzt auch für die Schweiz, die auf eigenem Boden von der albanischen organisierten Kriminalität betroffen ist, von Bedeutung.

Die Schweizer Armee verfügt zwar über Drohnen für die Luftbildaufklärung und über modernste operativ-taktische elektronische Aufklärungssysteme, welche eine Überwachung der drahtlosen Kommunikationsverbindungen in dieser Zone ermöglichen würden. Ein operationeller Einsatz dieses Aufklärungssystems mit einer Nachhaltigkeit von sechs Monaten und mehr ist aus personellen Gründen (Verfügbarkeit von entsprechendem Fachpersonal) nur schwer zu realisieren.

Zudem müsste zuerst eingehend abgeklärt werden, ob nicht der Verdacht entstehen könnte, dass die Schweiz im Rahmen von friedensfördernden Einsätzen in ihrem eigenen Interesse nachrichtendienstlichen Aktivitäten nachgeht. Dass unser Land mit seinen friedensfördernden Einsätzen einen sehr guten Ruf geniesst, ist auch auf den Umstand zurückzuführen, dass die Schweiz innerhalb der Missionen keine eigenen politischen Interessen verfolgt.

5

Schlussbemerkungen

In der Anfangsphase der UNMIK leistete die SWISSCOY im Rahmen der humanitären Soforthilfe genietechnische Unterstützung (Schulhausbau) und trug mit ihrer Brückenbau-Kapazität zur Wiederherstellung des Verkehrsnetzes bei. Sie hat sich dabei als geschätzter und verlässlicher militärischer Partner der zivilen Hauptakteure der schweizerischen Kooperationsprogramme in Kosovo, vor allem der DEZA und des HH + SKH, erwiesen. Mit der Verlagerung des zivilen schweizerischen Engagements weg von der humanitären Soforthilfe hin zum Wiederaufbau gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Strukturen minimieren sich auch die SWISSCOY-Tätigkeiten in der zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Solange die Statusfrage ungelöst bleibt, ist in Kosovo ein Ende der internationalen Militärpräsenz nicht absehbar. Die Konfliktlösungsstrategie der Staatengemeinschaft wird sich auf eine langfristige Militärpräsenz im Balkan abstützen müssen. Die grösste Bedrohung der Sicherheit und politischen Stabilisierung in Kosovo ist die kriminelle und ethnische Gewalt. Die KFOR wird weiterhin die zivile Polizei der 1428

UNMIK bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und im Ordnungsdienst unterstützen müssen.

Der Truppenabbau und die Zusammenlegung von multinationalen Brigaden der KFOR betrifft in erster Linie Einheiten von NATO-Staaten, während die NichtNATO-Staaten generell ihre Kontingentsgrössen behalten. Das vergrössert ihre Bedeutung und rechtfertigt einen verstärkten Einfluss in den Führungsstrukturen.

Diese Umstrukturierung hat für die SWISSCOY keine unmittelbaren Auswirkungen.

Die vom Parlament ab Oktober 2002 bewilligte Optimierung des SWISSCOY-Einsatzes geht in Richtung der adaptierten NATO-Planung für die KFOR.

Eine Fortführung der Beteiligung an der KFOR und damit ein Beitrag zur Stabilisierung des Balkans liegt im Interesse der Schweiz. Die mit Österreich gewählte Zusammenarbeit bleibt zweckmässig. Im Hinblick auf den SWISSCOY-Einsatz ab 2004 wird der Bundesrat voraussichtlich in der Frühjahrssession 2003 eine entsprechende Botschaft über eine allfällige Weiterführung des SWISSCOY-Einsatzes überweisen, die in der Sommer- und Herbstsession 2003 von den Räten beraten und verabschiedet wird. Solange die UNMIK die militärische Unterstützung durch die KFOR als nötig erachtet, erwartet die internationale Gemeinschaft auch von der Schweiz, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten engagiert. Es werden deshalb laufend Überlegungen angestellt, inwiefern der SWISSCOY-Einsatz optimiert werden kann. Dabei geht es nicht um eine zusätzliche Erweiterung des vom Parlament am 12. Dezember 2001 bewilligten Kontingentumfanges.

Wird die Nischenstrategie der Schweiz fortgesetzt, sind dort sinnvoll Schwerpunkte zu setzen, wo die Hauptherausforderung für die internationale Gemeinschaft und die Schweiz liegt, das heisst bei der Eindämmung der organisierten Kriminalität. Die Verfügbarkeit von personellen Ressourcen vorausgesetzt, können Militärpolizei und Nachrichtendienst potentielle Aufgabenbereiche sein für einen Schweizer Beitrag zur Unterstützung der zivilen Polizei.

1429