03.060 Botschaft über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge (Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) vom 19. September 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2002 P

02.3422

BVG. Überschussverteilung, Schwankungsreserven, Beitragspausen (N 03.10.2002, SP-Fraktion)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. September 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-1761

6399

Übersicht Hauptsächlich aus konjunkturellen Gründen (andauernde Verluste auf den Finanzmärkten, ungenügende Erträge bei den Vermögensanlagen und Währungsverluste) befindet sich derzeit fast jede zweite Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung. Um den Handlungsspielraum solcher Vorsorgeeinrichtungen mit Deckungslücken vor allem im obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge zeitlich und materiell zu erweitern, soll vom gesetzlichen Erfordernis der jederzeitigen 100-prozentigen Deckung sämtlicher Verpflichtungen unter gewissen Bedingungen abgewichen werden können und der Katalog von Massnahmen, die zur Behebung einer Unterdeckung ergriffen werden können, erweitert werden.

Die Einführung dieser zusätzlichen Massnahmen soll wie bisher im Entscheidungsund Verantwortungsbereich der Vorsorgeeinrichtungen liegen und deren Kompetenz zur freien Gestaltung der Finanzierung ihrer Leistungen nicht einschränken.

Um einen zeitlichen Druck zur Wiederherstellung der vollen Deckung zu mildern und damit den Einsatz von einschneidenden Massnahmen zu vermeiden, sollen die Vorsorgeeinrichtungen über einen angemessenen Zeitraum zur Behebung der Unterdeckung verfügen können. Sie dürfen in dieser Zeit aber nicht untätig bleiben, sondern müssen die gebotenen Massnahmen einleiten. Bei der Anwendung von Massnahmen sind besondere Regeln zu beachten.

Es werden folgende Massnahmen vorgeschlagen, die im BVG und im Freizügigkeitsgesetz ausdrücklich verankert werden sollen: 1.

Kompetenz der Vorsorgeeinrichtung, während der Dauer der Unterdeckung Beiträge von Arbeitgeber sowie Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zur Behebung der Unterdeckung zu erheben. Im überobligatorischen Bereich sind diese Beiträge an das Einverständnis des Arbeitgebers gebunden. Ein solcher Beitrag soll auch von Rentnern und Rentnerinnen eingefordert werden können. Rentenleistungen im obligatorischen Bereich dürfen nicht geschmälert werden. Die Beitragsleistungen und die temporäre Kürzung der Rentenleistungen im vor- und überobligatorischen Bereich sind den besonderen Regeln der Massnahmen unterworfen, unterstehen jedoch grundsätzlich den Schranken privatrechtlicher Vertragsregeln;

2.

Kompetenz der Vorsorgeeinrichtung, während der Dauer der Unterdeckung auf den BVG-Altersguthaben einen tieferen Zins als den BVG-Mindestzinssatz zu vergüten;

3.

Befugnis des Bundesrates, auf Verordnungsstufe Bestimmungen zu erlassen, welche die Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung in die Lage versetzen, Missbräuche im Bereich der Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge zu verhindern;

4.

Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Behebung der Unterdeckung und zur Finanzierung anderer Leistungen und Kosten bei der Berechnung der Austrittsleistung, damit die gewünschte Sanierungswirkung erzielt werden kann und strukturelle Unterdeckungen vermieden werden können;

6400

5.

Möglichkeit, Einlagen in ein gesondertes Arbeitgeberbeitragsreservekonto zu leisten, sofern diese dazu dienen, durch einen zeitlich befristeten Verwendungsverzicht Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung abzuwenden.

Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung gesamthaft gut aufgenommen. Unbestritten ist, dass von den verschiedenen Bestimmungen diejenige über die Abweichung vom Grundsatz der jederzeitigen Sicherheit (Art. 65a BVG) am meisten Zustimmung findet. Indem diese Bestimmung eine zeitlich begrenzte Unterdeckung zulässt, ermögliche sie die sinnvolle Umsetzung von Massnahmen. Der im Gesetzesentwurf vorgeschlagene Massnahmenkatalog (Art. 65b Abs. 3 BVG) wird viel differenzierter beurteilt. Die Reaktionen reichen von einfacher Akzeptanz über bedingte Zustimmung bis zum Widerspruch. Dem hohen Grad an Zustimmung zu den wesentlichen Aspekten der Vorlage stehen zahlreiche und diverse Vorbehalte im Einzelnen entgegen.

6401

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Im Unterschied zur AHV, die nach dem Umlageverfahren finanziert wird, beruht die berufliche Vorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Bei diesem Verfahren wird das Alterskapital, aus dem die Altersrente finanziert wird, während der Zugehörigkeit zur Vorsorgeeinrichtung durch jährliche Spar- und Zinsgutschriften geäufnet (Beitragsprimat). Dieses Finanzierungsverfahren ist von der Teuerung bzw. von der allgemeinen Lohnzuwachsrate und dem Zinssatz und damit vom Vermögensertrag abhängig. Idealerweise wird die Geldentwertung während der Ansparperiode durch die laufende Kapitalverzinsung wettgemacht, damit am Ende eines 40-jährigen Berufslebens eine Altersrente zur Verfügung steht, welche zusammen mit der AHVRente das verfassungsrechtliche Ziel (Art. 113 Abs. 2 Bst. a Bundesverfassung), nämlich die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise, gewährleistet. Dabei wird modellmässig unterstellt, dass die Altersrente gemäss dem Bundesgesetz vom 25. Juni 19821 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) 36 Prozent des letzten koordinierten Lohnes erreichen soll. Es wird weiter davon ausgegangen, dass das angesparte Kapital nicht durch Vermögensverluste geschmälert wird (Substanzerhalt). Das kennzeichnende Merkmal der 2. Säule ist ihre langfristige Perspektive.

Der Zinsanteil dürfte bei einem Zinssatz von 4 Prozent am Ende des Sparprozesses gemäss BVG rund 40 Prozent des angesparten Alterskapitals ausmachen. Die Bedeutung dieses sogenannten «dritten Beitragszahlers» lässt sich auch anhand der Zahlen der Pensionskassenstatistik 20002 veranschaulichen. Die reglementarischen Beiträge der Versicherten betrugen im Jahr 2000 10,4 Milliarden Franken und die direkten Beiträge der Arbeitgeber 16,7 Milliarden Franken, total 27,1 Milliarden Franken. Im Vergleich dazu belief sich die Nettoperformance der Anlagen auf 20,1 Milliarden Franken.

Die Anlagesituation hat sich für die Vorsorgeeinrichtungen aufgrund der seit September 2000 erodierenden Aktienbörsen und aufgrund der Währungsentwicklung verschlechtert. Viele Vorsorgeeinrichtungen erzielten bis Frühjahr 2003 auf ihren Vermögensanlagen Null- oder negative Performances. So fehlten für die gesetzlich geforderten Zinsgutschriften und die Finanzierung des technischen Zinssatzes die notwendigen Mittel. Da die Vermögensverluste auch nicht mehr durch die Auflösung von Wertschwankungsreserven gedeckt werden konnten, entstanden zwangsläufig Unterdeckungen.

1 2

SR 831.40 «Die berufliche Vorsorge in der Schweiz», Pensionskassenstatistik 2000, herausgegeben vom Bundesamt für Statistik, Neuenburg, 2002, Seite 17 f.

6402

1.2

Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen

Eine vom Eidgenössischen Departement des Innern mit Stichtag 31. Dezember 2001 durchgeführte Erhebung zeigte, dass die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen und der Lebensversicherer als angespannt bezeichnet werden musste. Da sich die Aktienmärkte seither weiter negativ entwickelten und sich Währungsverluste zunehmend belastend auswirkten, hat sich die finanzielle Lage bis 31. Dezember 2002 weiter zugespitzt. Die Auswertungen zum Risiko Check-up 2003 der Complementa Investment-Controlling AG von August 2003 zeigen, dass der durchschnittliche Deckungsgrad der an der Umfrage beteiligten Vorsorgeeinrichtungen per 31. Dezember 2002 97,7 Prozent betrug (Vorjahr 109,4 %). 45 Prozent (Vorjahr 11 %) der beteiligten Vorsorgeeinrichtungen waren per Stichtag nicht in der Lage, das notwendige Vorsorgekapital mit dem dafür verfügbaren Vermögen vollständig zu decken. 6 Prozent der privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen verfügten über einen Deckungsgrad, der die 90-Prozentmarke nicht erreicht. 38 Prozent (Vorjahr 48 %) der beteiligten Vorsorgeeinrichtungen wiesen einen Deckungsgrad von mehr als 100 Prozent aus, verfügten aber nur über eine eingeschränkte Risikofähigkeit (d.h. die Wertschwankungsreserven dürften erfahrungsgemäss nicht ausreichen, um innerhalb eines Jahres auftretende Vermögensschwankungen auszugleichen). Nur gerade 17 Prozent (Vorjahr 41 %) der Kassen wiesen Ende 2002 einen genügenden Finanzierungsgrad auf beziehungsweise verfügten vermutlich über genügende Wertschwankungsreserven.

Nach der weiteren Verschlechterung der finanziellen Lage im Jahr 2002 dürfte nach den Trendschätzungen dank der Entwicklung der Kapitalmärkte vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2003 der durchschnittliche Deckungsgrad leicht angestiegen sein. Die Anzahl der Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung dürfte sich auf 40 Prozent zurückgebildet haben, die Anzahl derjenigen ohne genügende Wertschwankungsreserven dürfte wieder bei 41 Prozent liegen. Die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen bleibt somit nach wie vor angespannt.

1.3

Problemstellung

1.3.1

Jederzeitige Sicherheit: eine unrealisierbare Forderung des geltenden Rechts?

Nach Artikel 65 Absatz 1 BVG müssen die Vorsorgeeinrichtungen jederzeit Sicherheit dafür bieten, dass sie die übernommenen Verpflichtungen erfüllen können.

Diese Bestimmung gilt sowohl für die obligatorische wie für die erweiterte Vorsorge, die von registrierten Einrichtungen durchgeführt wird (vgl. Art. 48 und 49 Abs. 2 BVG). Sie gilt jedoch nicht für die ausschliesslich in der vor- oder überobligatorischen Vorsorge tätigen Personalfürsorgestiftungen, wie z.B. reine Kadervorsorgestiftungen (vgl. Art. 89bis Abs. 6 Zivilgesetzbuch, ZGB3).

Die Botschaft des Bundesrates vom 19. Dezember 19754 zum BVG hält zum heutigen Artikel 65 Absatz 1 BVG (Art. 63 Abs. 1 des Entwurfs vom 19.12.1975) u. a.

Folgendes fest: Diese Bestimmung «enthält den obersten Grundsatz, den alle Vor3 4

SR 210 BBl 1976 I 264

6403

sorgeeinrichtungen, privatrechtliche wie öffentlichrechtliche, berücksichtigen müssen. Es besteht kein Unterschied darin, ob ein Kollektivversicherungsvertrag vorliegt oder ob die Vorsorgeeinrichtung die Risiken selbst trägt. Die übernommenen Verpflichtungen müssen jederzeit vollumfänglich abgesichert sein, d. h. die Vorsorgeeinrichtungen dürfen auch nicht vorübergehend auf diese Sicherheit verzichten.

Es handelt sich dabei um den gesamten Versicherungsbestand und nicht nur um die fälligen oder die voraussichtlich fällig werdenden Leistungen. Jede Vorsorgeeinrichtung, die die Risiken selbst trägt, muss deshalb entsprechende Rückstellungen machen. Werden die Risiken einer Versicherungseinrichtung übertragen, so nimmt diese die notwendigen Rückstellungen vor.» Angesichts der zu beobachtenden Entwicklung an den Aktienmärkten erweist sich die Forderung nach Artikel 65 Absatz 1 BVG als zu eng. Würde man dieser Vorschrift der jederzeitigen Vollfinanzierung aller übernommenen Verpflichtungen strikte nachleben, wären Anlagen in volatilen Märkten wie Aktien und Liegenschaften kaum möglich, da das Ausmass zukünftiger Wertschwankungen und demzufolge auch die Bildung entsprechender Reserven hinsichtlich Höhe nicht voraussehbar ist. Nach Auflösung der Wertschwankungsreserven müssten die Vorsorgeeinrichtungen bei Erwartung weiterer Werteinbussen ihre Aktienbestände zur Unzeit veräussern und somit Verluste realisieren, damit sie nicht in eine Unterdeckung fallen. Durch den Verkauf werden die Aktien unwiederbringlich ihrer Gewinnchancen beraubt. Werteinbussen bei den anderen Sachwerten wie den Liegenschaften, welche nicht mindere Ausmasse annehmen können, kann nicht sofortiger Einhalt geboten werden, da die Verkaufsabwicklungen zeitaufwändig sind und der damit verbundene Wegfall von laufenden Mietzinseinnahmen zudem zu Liquiditätsproblemen führen kann. Bei den festverzinslichen Anlagen wären bei steigenden Zinsen und damit fallenden Kursen die gleichen Massnahmen zu treffen, obwohl bei ausreichender Bonität damit gerechnet werden kann, dass am Ende der Laufzeit die Obligationen ohne Werteinbussen zur Rückzahlung gelangen. Die Einhaltung der jederzeitigen, vollständigen Deckung könnte letztlich nur mit unverhältnismässig hohen Kosten erkauft werden und widerspräche den geltenden Grundsätzen bei der Vermögensanlage
in der beruflichen Vorsorge, welche aus Sicherheitsüberlegungen auch eine angemessene Verteilung der Risiken verlangen. Ferner hat die Vorsorgeeinrichtung die Erwirtschaftung eines genügenden Ertrags zu verfolgen (Art. 71 Abs. 1 BVG). Dieses Ziel kann nur dann sinnvoll erreicht werden, wenn der Anlagehorizont sich mit den Strukturen der Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtung und damit deren Vorsorgeplan deckt.

Die Anlagen sind daher unter Beachtung einer längerfristigen Perspektive und ungeachtet kurz- oder mittelfristiger Kursausschläge zu tätigen. Um den offensichtlichen Zielkonflikt ­ jederzeitige Sicherheit und eine auf Dauer angelegte Anlagestrategie ­ zu lösen, sollte eine vorübergehende Unterdeckung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 65a BVG, Besonderer Teil, Ziff. 2.1.3).

Liegt eine Unterdeckung vor, muss die Vorsorgeeinrichtung nach Artikel 44 Absatz 2 und 3 der Verordnung vom 18. April 19845 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) diese selbst beheben und die zuständige Aufsichtsbehörde über die Unterdeckung und die dagegen ergriffenen 5

SR 831.441.1

6404

Massnahmen informieren. Der Sicherheitsfonds BVG tritt erst dann für Deckungslücken ein, wenn die Vorsorgeeinrichtung zahlungsunfähig ist. Diese Verordnungsbestimmung verweist implizit auf die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung.

Der Vorschlag der Zulassung einer gesetzlich verankerten, temporären Unterdeckung und dessen Modalitäten orientiert sich an der Richtlinie 2003/41/EG vom 3. Juni 20036 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Diese Richtlinie geht wie das schweizerische Recht vom Grundsatz einer jederzeitigen vollen Deckung der Verbindlichkeiten aus (Art. 15). Sie gibt jedoch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, von diesem Grundsatz abzuweichen. Voraussetzung ist aber immer, dass eine Vorsorgeeinrichtung einen konkreten und realisierbaren Plan vorlegt, aus dem hervorgeht, wie die volle Deckung in einem angemessenen Zeitraum wieder hergestellt werden kann (Art. 16).

1.3.2

Einheitlicher Begriff der Unterdeckung

Wann eine Unterdeckung beziehungsweise eine Deckungslücke vorliegt, sahen bis zur Inkraftsetzung des geänderten Artikels 44 Absatz 1 BVV 2 (Anhang) am 1. Juli 2003 weder das Gesetz noch die Ausführungsverordnung ausdrücklich vor. Es bestand auch keine einheitliche Aufsichtspraxis in dieser Frage. Es galt, den Begriff der Unterdeckung einheitlich festzulegen und damit die Voraussetzung für eine einheitliche Meldepflicht der Vorsorgeeinrichtungen bei Unterdeckung zu schaffen.

Im geänderten Artikel 44 Absatz 1 BVV 2 und im dazugehörenden Anhang wurden die Einzelheiten für die Ermittlung der Unterdeckung festgelegt. Danach liegt ein Deckungsgrad von 100 Prozent dann vor, wenn das notwendige Vorsorgekapital durch das am Bilanzstichtag dafür verfügbare Vorsorgevermögen gedeckt ist. Eine Unterdeckung besteht dann, wenn der Deckungsgrad die 100-Prozent-Marke nicht erreicht. Das notwendige Vorsorgekapital umfasst je nach Vorsorgeplan die individuellen Spar- und Deckungskapitalien, welche die erworbenen Ansprüche der Versicherten und die laufenden Leistungen der Rentner und Rentnerinnen garantieren, sowie versicherungstechnische Rückstellungen zur Deckung des Langleberisikos, die Rückstellung für gesetzlich vorgeschriebene, zukünftige Rentenanpassungen etc. Das dafür verfügbare Vorsorgevermögen umfasst die zum Marktwert bilanzierten Aktiven, vermindert um Verbindlichkeiten, wie passive Rechnungsabgrenzungen und Arbeitgeberbeitragsreserven. Die kontrovers diskutierte Frage, ob dem dafür verfügbaren Vorsorgevermögen auch die für die Wertschwankungen reservierten Mittel zuzurechnen sind, wurde schliesslich bejaht. Eine Unterdeckung kann daher erst nach Auflösung der Wertschwankungsreserven eintreten.

6

Die Richtlinie 2003/41/EG wird auf den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten (voraussichtlich im Herbst 2003).

6405

1.3.3

Allgemeine Grundsätze für Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung

Bei der Festlegung von Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung sind die allgemein gültigen und die für die berufliche Vorsorge besonderen Grundsätze der Verwaltungspraxis zu beachten. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch auf die vom Bundesrat mit Wirkung ab 1. Juli 2003 erlassene Änderung der BVV 27 und die Weisungen über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge vom 21. Mai 20038 verwiesen.

1.3.3.1

Grundsatz der Eigenverantwortung

Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung der Vorsorgeeinrichtung: Das oberste paritätische Organ muss je nach dem Grad der Unterdeckung die notwendigen Massnahmen treffen und die zuständige Aufsichtsbehörde darüber informieren (vgl.

Art. 44 BVV 2). Das Führungsorgan soll sich hierbei auf die Vorschläge des Experten für berufliche Vorsorge9, allenfalls weiteren Fachpersonen wie Anlageexperten und der Revisionsstelle abstützen. Eine Unterdeckung erfordert von der Vorsorgeeinrichtung vorab eine erhöhte Sorgfaltspflicht und erhöhte Anforderungen in Bezug auf Transparenz und Information.

1.3.3.2

Analyse der Ursache der Unterdeckung und die Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts als Daueraufgabe der Vorsorgeeinrichtung

Bei einer Unterdeckung sind vorab deren Ursachen zu analysieren. Ergibt sich aus dieser Analyse, dass neben den Vermögensverlusten (konjunkturelle Ursache) auch eine ungenügende Finanzierungsgrundlage (strukturelle Ursache) die finanzielle Lage belastet hat und/oder belasten würde, ist als erstes die Finanzierung beziehungsweise die Leistungsseite zu prüfen und entsprechend anzupassen. Das finanzielle Gleichgewicht ist beispielsweise dann nicht gewährleistet, wenn ein Risikobeitrag erhoben wird, welcher den Risikoverlauf nur ungenügend deckt. Die Beobachtung und Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts ist eine Daueraufgabe der Vorsorgeeinrichtung.

Die Vorsorgeeinrichtung soll keine Leistungsverbesserungen beschliessen, welche zukünftig nur mit hohen Sollrenditen finanzierbar sind. Sie hat prioritär und laufend die Finanzierung zu regeln, da im obligatorischen Bereich die Leistungen vorgeschrieben sind und damit rigiden Leistungsverpflichtungen mit flexiblen Finanzierungsmodellen begegnet werden soll. Es gilt, Unterdeckungen aufgrund von unge-

7 8 9

AS 2003 1725 BBl 2003 4314 Gemäss Art. 53 Abs. 2 BVG muss jede Vorsorgeeinrichtung periodisch durch einen anerkannten Experten für berufliche Vorsorge überprüfen lassen, ob sie ihren Verpflichtungen jederzeit nachkommen kann und ob ihre reglementarischen Bestimmungen über Leistungen und die Finanzierung den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

6406

nügender Finanzierung zu vermeiden. Dazu gehört auch, rechtzeitig Wertschwankungsreserven in genügender Höhe zu bilden und soweit möglich, Ertragsausfallreserven zu äufnen.

1.3.3.3

Generelle Grundsätze

Die Massnahmen sollen insbesondere: ­

gesetzeskonform sein, insbesondere: ­ keine wohlerworbenen Rechte verletzen; ­ keine ungesetzliche Rückwirkung haben;

­

dem Grad der Unterdeckung angemessen sein (siehe dazu die Erläuterungen im Besonderen Teil, Ziff. 2.1.4);

­

wirksam, nachvollziehbar und nachhaltig sein;

­

im Rahmen eines ausgewogenen Massnahmenkonzeptes eingesetzt werden (siehe dazu die Erläuterungen im Besonderen Teil, Ziff. 2.1.4);

­

ursachenadäquat sein (Unterdeckungen stehen in Zusammenhang mit den Sparguthaben und Deckungskapitalien; Minderverzinsungen wirken sich direkt auf das Vorsorgekapital aus und sind daher geeigneter als Beiträge, welche lohnabhängig sind);

­

verhältnismässig sein (siehe dazu die Erläuterungen im Besonderen Teil, Ziff. 2.1.4);

­

administrativ realisierbar und innert angemessener Frist zur Behebung der Unterdeckung führen (siehe dazu die Erläuterungen im Besonderen Teil, Ziff. 2.1.4).

1.3.3.4

Aufgaben der Aufsichtsbehörde

Aufgrund der Weisungen vom 21. Mai 200310 hat die Aufsichtsbehörde zu prüfen, ob ein Massnahmenkonzept mit einem Sanierungsplan zur Behebung der Unterdeckung und ein Umsetzungskonzept vorliegen; zudem prüft sie die Rechtmässigkeit dieser Konzepte. Sie kontrolliert, ob im Konzept die Mittel zur Erreichung der Ziele schlüssig dargelegt sind. Das Konzept muss Angaben in Bezug auf die Einhaltung der obgenannten Grundsätze, über die erwartete Wirksamkeit und den geplanten Zeitplan enthalten und erste verbindliche Schritte zur Behebung der Unterdeckung aufzeigen sowie verbindliche Angaben darüber machen, wie und in welchem zeitlichen Rahmen die Vorsorgeeinrichtung die Aufsicht über den Fortgang unterrichten wird. Die Aufsichtsbehörde vergewissert sich, dass die Akteure (oberstes paritätisches Organ der Vorsorgeeinrichtung, Kontrollstelle, Experte für berufliche Vorsorge) gemäss gesetzlicher Rollenverteilung einbezogen sind und prüft insbesondere, ob das Massnahmenkonzept unter Einbezug des Experten für berufliche Vorsorge und allenfalls weiterer Fachexperten erstellt wurde und die entsprechenden Beschlüsse des obersten paritätischen Organs vorliegen. Sie über10

BBl 2003 4314

6407

wacht und prüft die regelmässige Berichterstattung der Vorsorgeeinrichtung über die Wirkung der Massnahmen.

Für Sammeleinrichtungen, welche die autonome Vermögensanlage auf Stufe Vorsorgewerk zulassen, gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für die autonomen Vorsorgeeinrichtungen. Die Aufsichtsbehörden prüfen, ob ein Massnahmenkonzept mit einem Sanierungsplan auf der Stufe Vorsorgewerk vorliegt.

1.3.4

Ungenügende Möglichkeiten zur Behebung von Unterdeckungen nach geltendem Recht

Vorab ist zu präzisieren, dass die Massnahmen, von welchen hier die Rede ist, eine bereits bestehende Unterdeckung beheben sollen.

Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, Deckungslücken zu beheben. Einschneidenden Massnahmen fehlen entweder teilweise die gesetzliche Grundlage oder die notwendigen Schranken, oder Gesetzesbestimmungen behindern ihre Wirksamkeit.

Eine der ersten Massnahmen dürfte sein, dass zukünftige Leistungsverbesserungen wie Mehrverzinsung, gesetzlich nicht vorgeschriebene Erhöhungen der laufenden Renten, Überbrückungsfinanzierungen, Beitragspausen und Beitragsreduktionen unter dem Vorbehalt anderslautender richterlicher Entscheide zu widerrufen und die entsprechenden Rückstellungen zugunsten der Behebung der Unterdeckung aufzulösen sind.

Dazu dürfte auch der Widerruf freiwilliger Leistungen in Bezug auf Sozialpläne und Frühpensionierungen gehören beziehungsweise die Auflösung dafür gebildeter Rückstellungen.

Nach heutiger Rechtslage könnten die Anlagestrategie an die veränderten Verhältnisse angepasst, Überschüsse aus Risikoversicherungen verwendet, Reserven für zukünftige Rentenerhöhungen aufgelöst, der Beitrag für Sondermassnahmen verwendet oder entsprechende Rückstellungen aufgelöst werden, wobei die Einhaltung von Artikel 70 BVG betreffend Verbesserung der Leistungen an die Eintrittsgeneration gewährleistet sein muss.

Möglich ist auch, die reglementarisch vorgesehenen künftigen Leistungen (Anwartschaften) zu kürzen, sofern dies in den Reglementen so geregelt ist oder die formellen Voraussetzungen einer Reglementsänderung erfüllt sind, wobei die bereits erworbenen Leistungen und die obligatorischen Leistungen nicht beeinträchtigt werden dürfen. Laufende Renten im obligatorischen Bereich dürfen ohne gesetzliche Grundlage nicht gekürzt werden.

Eine ausschliesslich im Obligatorium tätige Vorsorgeeinrichtung, welche die nach dem BVG gesetzlich vorgeschriebenen Minimalleistungen erbringt, hat nach heutiger Rechtslage faktisch nur eine Möglichkeit, eine Unterdeckung zu beheben. Sie muss entsprechende Sanierungsbeiträge erheben. Damit diese Beiträge zur Behebung einer Unterdeckung wirksam eingesetzt werden können, ist eine Anpassung von Artikel 17 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 199311 über die Freizügigkeit

11

SR 831.42

6408

in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG,) unerlässlich.

Der Arbeitgeber kann weder gesetzlich noch reglementarisch dazu verpflichtet werden, mehr als die gesamten Beiträge aller seiner Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu leisten (Art. 66 Abs. 1 BVG). Die Erhebung eines einseitig vom Arbeitgeber zu finanzierenden Beitrages oder eines Beitrags, der ihn mehr belastet als die Versicherten, bedarf ­ soweit nicht im Anschlussvertrag, in den Statuten oder im Reglement bereits vorgesehen ­ seiner Einwilligung.

Bleibt noch die Unterschreitung des Mindestzinssatzes. Bei reinen BVG-Kassen ist eine solche Unterschreitung nach der geltenden Rechtslage nicht möglich. Bei umhüllenden Kassen12 im Beitragsprimat ist eine reduzierte Verzinsung oder Nullverzinsung nach dem Anrechnungsprinzip möglich und zwar in Analogie zum Verzicht auf die gesetzliche Anpassung der laufenden Invaliden- und Hinterlassenenrenten (vgl. BGE 127 V 264). Diese Anrechnung ist jedoch nur solange möglich, als die reglementarischen Austrittsleistungen diejenigen nach Artikel 17 FZG und der BVG-Schattenrechnung13 übersteigen. Sie findet somit nach der heutigen Rechtslage ihre gesetzliche Schranke in den Zinspflichten nach Artikel 17 Absätze 1 und 4 FZG beziehungsweise Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung vom 3. Oktober 199414 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung).

Der Anwendungsbereich gewisser Massnahmen ist durch Artikel 17 FZG erheblich eingeschränkt. Nach Artikel 17 Absätze 1 und 4 FZG sind dem austretenden Versicherten neben den eingebrachten Eintrittsleistungen samt Zinsen sämtliche eigenen Beiträge sowie ein Zuschlag mitzugeben. Von den zuschlagsberechtigten Beiträgen können unter bestimmten Bedingungen gewisse Beiträge wie Risikobeiträge (für Invalidität und Tod) abgezogen werden. Deren Aufzählung im Gesetz ist abschliessend: Die Sanierungsbeiträge fehlen (siehe dazu die Erläuterungen im Besonderen Teil, Ziff. 2.1.5).

1.3.5

Rechtsetzungsbedarf

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vor- und überobligatorischen Bereich eine Vorsorgeeinrichtung über mehr Handlungsspielraum verfügt als im Obligatorium. Massnahmen wie beispielsweise die Auflösung von Reserven für Sondermassnahmen oder für zukünftige Rentenerhöhungen sind einmalige Massnahmen, also nicht wiederholbar. Andere sind, wie oben bereits erwähnt, ohne Anpassung gesetzlicher Bestimmungen in ihrer Wirkung eingeschränkt oder ohne neue Gesetzesbestimmungen nicht anwendbar. Bei andauernder schwacher Ertragslage der Vor12

13

14

Gewährt eine Vorsorgeeinrichtung mehr als die Mindestleistungen gemäss BVG, kann sie die obligatorische und die überobligatorische Vorsorge im Rahmen eines umfassenden Vorsorgereglements durchführen (= erweiterte Vorsorge in einer umhüllenden Kasse).

Mit der Schattenrechnung haben registrierte Vorsorgeeinrichtungen, die Mehrleistungen (in der erweiterten Vorsorge) erbringen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass in ihren Leistungen die obligatorischen Mindestleistungen enthalten sind (Hans Michael Riemer, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 1985, S. 39).

SR 831.425

6409

sorgeeinrichtung bleiben die Unterdeckungen bestehen. Daher soll den Vorsorgeeinrichtungen ermöglicht werden, zusätzliche wirksame Massnahmen zu ergreifen. Es sind einschneidende Massnahmen, die dann zur Anwendung kommen sollen, wenn weniger weit reichende Massnahmen allein nicht zum Ziel führen oder dann, wenn diejenigen, welche gemäss heutiger Rechtslage möglich sind, ausgeschöpft sind.

Die Einführung dieser zusätzlichen Massnahmen soll im Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Vorsorgeeinrichtungen liegen und die freie Gestaltung der Finanzierung soll gemäss Artikel 49 Absatz 2 somit bestehen bleiben.

Um einen zeitlichen Druck zur Wiederherstellung der vollen Deckung zu mildern und damit den Einsatz erheblicher Massnahmen zu vermeiden, sollen die Vorsorgeeinrichtungen über einen angemessenen Zeitraum zur Behebung der Unterdeckung verfügen können. Sie dürfen in dieser Zeit aber nicht untätig bleiben, sondern müssen die gebotenen Massnahmen einleiten.

Um die Handlungsfähigkeit der Vorsorgeeinrichtungen, welche sich in einer Unterdeckung befinden, zu erhöhen, werden u. a. folgende Massnahmen vorgeschlagen, die im BVG und im FZG ausdrücklich verankert werden sollen: 1.

Kompetenz der Vorsorgeeinrichtung, während der Dauer der Unterdeckung einen Beitrag zur Behebung der Unterdeckung zu erheben. Ein solcher Beitrag soll auch von Rentnern und Rentnerinnen eingefordert werden können (vgl. Art. 65b Abs. 3 Bst. a und b BVG);

2.

Kompetenz der Vorsorgeeinrichtung, während der Dauer der Unterdeckung auf den BVG-Altersguthaben einen tieferen Zins als den BVG-Mindestzinssatz zu vergüten (vgl. Art. 65b Abs. 3 Bst. c BVG);

3.

Befugnis des Bundesrates, auf Verordnungsstufe Bestimmungen zu erlassen, welche Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung in die Lage versetzen, Missbräuche im Bereich der Bestimmungen über die Wohneigentumsförderung (vgl. Art. 30f Abs. 1 und 2 BVG) zu verhindern;

4.

Abzugsfähigkeit der Beiträge zur Behebung der Unterdeckung bei der Berechnung der Austrittsleistung, damit die gewünschte Wirkung erzielt werden kann (vgl. Art. 17 Abs. 2 Bst. h FZG);

5.

Möglichkeit, Einlagen in ein gesondertes Arbeitgeberbeitragsreservekonto zu leisten, sofern diese dazu dienen, durch einen zeitlich befristeten Verwendungsverzicht Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung abzuwenden (vgl. Art. 65c BVG).

Die Einzelheiten zu diesen gesetzlich vorgesehenen Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung werden in den Erläuterungen (im Besonderen Teil) kommentiert.

Die neuen Artikel und nachträglich auch Artikel 65 Absatz 2 BVG sollen auch für umhüllende Vorsorgeeinrichtungen anwendbar sein. Sie werden daher in Artikel 49 Absatz 2 BVG Eingang finden. Damit sie auch für nicht registrierte Kassen, die im Vorsorgefall einen Anspruch auf Leistungen gewähren, also auch bei reinen Kaderkassen, Gültigkeit haben, werden sie grundsätzlich dem Geltungsbereich des FZG unterstellt. Dies geschieht durch deren Aufnahme in Artikel 5 Absatz 2 BVG.

6410

1.3.6

Nicht berücksichtigte Revisionsbegehren

1.3.6.1

Kürzung der Austrittsleistung

Eine Kürzung der Austrittsleistung um den versicherungstechnischen Fehlbetrag (z.B. unter analoger Anwendung von Art. 19 FZG im Fall einer Teilliquidation), wie sie von einem Teilnehmer der Vernehmlassung vorgebracht wurde, ist in materieller Hinsicht problematisch, da dies wie beim Verkauf einer Aktie einer Realisierung eines Verlustes gleichkommt, ohne dass der Austretende ­ und dies im Gegensatz zu den Verbleibenden ­ an einer möglichen Gewinnchance teilnehmen kann. In rechtlicher Hinsicht stünde einer Anwendung der klare Wortlaut von Artikel 19 FZG entgegen.

Unterdeckungen sind direkt mit dem Börsengeschehen verknüpft, welches ­ wie täglich zu erfahren ist ­ grossen Schwankungen ausgesetzt ist. Eine Kürzung der Austrittsleistung bedeutet für Austretende, dass die Risiken von langfristigen Anlagen sie ungemildert und unvermittelt treffen.

Das vom Ständerat in der Wintersession 2002 überwiesene Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S 02.3640), das die Gleichbehandlung der Teilliquidation und der Freizügigkeit hinsichtlich Abzugsmöglichkeit von Fehlbeträgen verlangt, bedarf vertiefter Abklärungen und wird gesondert behandelt werden. In diesem Zusammenhang werden neben der Abzugsmöglichkeit von Fehlbeträgen bei der Austrittsleistung auch der Abzug beim Bezug von Kapital statt Rente und der Abzug bei weiteren Kapitalbezügen zu prüfen sein.

1.3.6.2

Dauerhafte Kürzung laufender Renten

Der Auffassung einiger an der Vernehmlassung teilnehmenden Organisationen, dass Rentenkürzungen generell möglich beziehungsweise dem freien Entscheid des Stiftungsrates überlassen sein sollten, wird nicht Rechnung getragen. Die Rentner und Rentnerinnen müssen auf die erworbenen Ansprüche zählen können, denn nur so ist ihr Vertrauen in die berufliche Vorsorge und in die Zukunft gesichert. Eine dauerhafte Kürzung des Rentenanspruchs soll daher nicht möglich sein, obwohl dies eine sehr wirksame Massnahme zur Behebung einer Unterdeckung darstellen würde.

Die Erhaltung des Leistungsziels der beruflichen Vorsorge ist grundsätzlich höher zu gewichten als die Stabilität einer Beitragshöhe. Das BVG als Rahmengesetz basiert auf Leistungsvorgaben und überlässt die Gestaltung und die Verantwortung der Finanzierung und damit die Festlegung der Beiträge den Vorsorgeeinrichtungen.

Vorsorgeeinrichtungen dürfen bei einer Unterdeckung nicht aus der Verantwortung entlassen werden, da die Festlegung der Anlagestrategie und die Festlegung von Mehrleistungen zu den nicht delegierbaren Aufgaben des obersten paritätischen Organs der Vorsorgeeinrichtung zählt. Die Möglichkeit von Leistungskürzungen darf die Vorsorgeeinrichtung keinesfalls dazu verleiten, bei ihren Leistungsversprechen eine geringere Sorgfalt anzuwenden. Die Vorsorgeeinrichtungen haben bereits heute die Möglichkeit, Leistungen, welche über das gesetzliche Minimum hinausgehen, nicht reglementarisch zuzusichern, sondern von der finanziellen Lage der Einrichtung abhängig zu machen. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis auch Gebrauch gemacht.

6411

1.3.6.3

Erhebung von Garantieprämien durch Lebensversicherer und Vorsorgeeinrichtungen

Die Auswirkungen negativ performender Finanzmärkte haben die Bedeutung von Wertschwankungsreserven und Reserven für die Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Renditen augenscheinlich gemacht. Ob die Bildung solcher Reserven beziehungsweise die Finanzierung ungenügender Erträge in Bezug auf den technischen Zinssatz und den Mindestzinssatz mittels Prämien (Lebensversicherer) von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite wünschbar ist, soll losgelöst vom Problem der Unterdeckung behandelt werden. Konsequenterweise wurde der Vorschlag der Lebensversicherer, die Erhebung solcher Beiträge zu ermöglichen und im Austrittsfall zum Abzug zuzulassen, abgelehnt.

In diesen Kontext gehört der Vorschlag, den Beitrag für die Bildung von Reserven für die steigende Lebenserwartung in den Beitragskatalog von Artikel 17 Absatz 2 FZG aufzunehmen. Auch diesem Wunsch wurde nicht entsprochen.

Die Frage der Abzugsfähigkeit von Beiträgen, die zur Bildung von Reserven erhoben werden, steht in engem Zusammenhang mit der Frage der Behandlung von Reserven bei einer Teilliquidation und fällt in die gleiche Thematik wie die Kürzung der Austrittsleistung nach Ziffer 1.3.6.1, welche in Erfüllung des Postulats der SGK-S (02.3640) im Rahmen einer Expertise und der daraus resultierenden Empfehlung zu behandeln ist.

1.3.6.4

Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung bei öffentlich-rechtlichen Kassen mit und ohne Garantiezusagen

Wie in der Vernehmlassung gewünscht, sei hier festgehalten, dass die Sanierungsmassnahmen generell auch für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen zugelassen sind. Dies geschieht durch die Unterstellung der neuen Artikel unter den Geltungsbereich des FZG. Für öffentlich-rechtliche Kassen ohne Garantiezusagen haben die neuen Bestimmungen somit Gültigkeit, vorbehalten bleiben gesetzliche Schranken, die für diese öffentlich-rechtlichen Kassen spezifisch sind. Der zusätzliche Wunsch, die Massnahmen explizit auf anlagebedingte Unterdeckungen zu beschränken, wurde hingegen nicht erfüllt, da die Unterscheidung zwischen einer konjunkturellen und strukturellen Unterdeckung im Einzelfall schwierig ist. Sämtliche Massnahmen sind jedoch an die Voraussetzung des Vorhandenseins einer Unterdeckung gebunden. In dem Ausmass, als Garantiezusagen vorhanden sind, besteht keine Unterdeckung im Sinne dieser Vorlage.

1.4

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Am 3. Juni 2003 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren15. Dieses wurde wegen der Dringlichkeit des Geschäfts bis zum 4. Juli 2003 befristet.

15

BBl 2003 3748

6412

Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung gesamthaft gut aufgenommen. Unbestritten ist, dass von den verschiedenen Bestimmungen diejenige über die Abweichung vom Grundsatz der jederzeitigen Sicherheit (Art. 65a BVG) am meisten Zustimmung findet. Indem diese Bestimmung eine zeitlich begrenzte Unterdeckung zulässt, ermögliche sie erst die sinnvolle Umsetzung der Massnahmen.

Der im Gesetzesentwurf vorgeschlagene Massnahmenkatalog (Art. 65b Abs. 3 BVG) wird viel differenzierter beurteilt. Die Möglichkeit, von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite Sanierungsbeiträge sowie von Rentnerinnen und Rentnern einen Beitrag zur Behebung einer Unterdeckung zu erheben, sowie die Möglichkeit der Unterschreitung des BVG-Mindestzinssatzes rufen unterschiedliche ­ manchmal sogar diametral entgegengesetzte ­ Stellungnahmen hervor. Die Reaktionen reichen von einfacher Akzeptanz über bedingte Zustimmung bis zum Widerspruch.

Die sehr breite Zustimmung (56 von 62 Teilnehmenden) wird meistens mit der Notwendigkeit, Massnahmen zu treffen, begründet und der Feststellung, dass der Entwurf einen rechtlichen Rahmen schaffe, der den Vorsorgeeinrichtungen einen unerlässlichen Handlungsspielraum ermögliche. Eines der häufigsten Argumente zugunsten der Vorlage besteht denn auch folgerichtig in der notwendigen Flexibilität, welche durch die Zulassung einer zeitlich begrenzten Unterdeckung eingeführt werde. Eine sehr hohe Zahl von Teilnehmenden räumt ein, dass das bestehende Erfordernis der jederzeitigen Sicherheit unrealistisch geworden sei.

Ein anderer Vorzug der Vorlage wird in grossem Ausmass darin gesehen, dass sie die Sanierungslast gerecht auf sämtliche Parteien verteile und somit vermieden werde, dass eine bestimmte Kategorie oder Gruppe stärker als andere belastet werde.

Dieser Punkt gibt indes Anlass zu divergierenden Stellungnahmen, welche in den spezifischen Vernehmlassungen zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen bestätigt werden.

Dem hohen Grad an Zustimmung zu den wesentlichen Aspekten der Vorlage stehen somit zahlreiche und diverse Vorbehalte im Einzelnen entgegen.

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Nationalrat überwies am 3. Oktober 2002 eine Motion der Sozialdemokratischen Fraktion (BVG. Überschussverteilung, Schwankungsreserven, Beitragspausen; 02.3422) als Postulat. Es wird in diesem Vorstoss verlangt, dass Beitragspausen oder Beitragsreduktionen aufgrund von temporären Überschüssen untersagt werden sollen. Überschüsse sollen zur Sicherstellung des Verfassungsauftrages sowie zur Verbesserung der Leistungen für die Eintrittsgeneration, die Gewährung von Teuerungszulagen auf Altersleistungen und für die Stabilität der Vorsorgeeinrichtung eingesetzt werden. Die Zulässigkeit von temporären Beitragssenkungen oder Beitragspausen zulasten der Überschüsse ist umstritten. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat am 9. Oktober 2000 Richtlinien erlassen, welche temporäre Beitragsreduktionen oder Beitragspausen unter bestimmten Bedingungen zulassen.

Zu diesen Bedingungen gehört insbesondere, dass solche Beitragsreduktionen oder -pausen in den Statuten oder im Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorgesehen und vom obersten paritätischen Organ beschlossen worden sind. Ausserdem muss der Vorsorgezweck der Vorsorgeeinrichtung gesichert und erfüllt sein. Dies bedeutet insbesondere, dass die Vorsorgeeinrichtung über ausreichende versicherungstechni6413

sche Rückstellungen und Wertschwankungsreserven verfügt, dass ausreichende Rückstellungen für den Teuerungsausgleich auf Hinterlassenen- und Invalidenrenten vorhanden sind und die Eintrittsgeneration in den Genuss der gesetzlich vorgesehenen Leistungsverbesserungen kommen kann16.

Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in einem Urteil vom 26. November 2001 die Frage der Zulässigkeit von temporären Beitragsreduktionen nicht eindeutig beantwortet. Aus seinen Erwägungen ergibt sich immerhin, dass das Versicherungsgericht Beitragsreduktionen oder Beitragspausen bei Leistungsprimatkassen als zulässig erachtet, weil bei diesen Kassen die Leistungshöhe sichergestellt ist. Das Gericht bringt bei Beitragsprimatkassen aber erhebliche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit von Beitragsreduktionen oder Beitragspausen zum Ausdruck, da bei diesen Kassen die Versicherten das Risiko für die Erreichung des Leistungsziels tragen und Überschüsse daher primär für die Verbesserung der Leistungen einzusetzen sind. Letztlich beschränkt sich das Eidg. Versicherungsgericht aber darauf, festzuhalten, dass es unzulässig ist, mit dem Vermögen der Pensionskasse einseitig den Arbeitgeber zu entlasten17.

Das BVG legt ­ wie erwähnt ­ die Finanzierung der Leistungen in die Verantwortung der Vorsorgeeinrichtungen. Wenn sie einerseits für ihre finanzielle Sicherheit Gewähr bieten müssen, soll es ihnen auch nicht grundsätzlich untersagt werden, Beiträge zeitweise zu reduzieren oder auf die Erhebung von Beiträgen zu verzichten, wenn ihre gesetzlichen und reglementarischen Leistungspflichten durch den Vermögensertrag gedeckt werden können. Selbstverständlich ist es Aufgabe der verantwortlichen Organe der Vorsorgeeinrichtung, temporäre Beitragspausen zu widerrufen, wenn die Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung eingeschränkt ist. Dafür ist aber keine Gesetzesänderung nötig. Diese Verpflichtung ergibt sich schon aus dem geltenden Artikel 65 BVG.

2

Besonderer Teil: Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

2.1

Änderung des BVG

2.1.1

Art. 30f BVG (neu): Einschränkungen während einer Unterdeckung

Der bisherige Artikel 30f BVG im Abschnitt Wohneigentumsförderung wird unverändert zu Artikel 30g. Mit der neuen Bestimmung von Artikel 30f Absatz 2 wird dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, die Möglichkeiten der Verpfändung und des Vorbezugs von Vorsorgeguthaben zum Zweck der Wohneigentumsförderung (WEF) sowie die Rückzahlung auf Verordnungsstufe zeitlich und betragsmässig einzuschränken oder ganz zu verweigern, falls eine Vorsorgeeinrichtung eine Unterdeckung aufweist.

16 17

Mitteilungen des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) über die berufliche Vorsorge Nr. 54 vom 9.10.2000.

BGE 128 II 24, E. 3 und 4

6414

Die Vorsorgeeinrichtung soll damit die Möglichkeit haben, in ihrem Reglement Einschränkungen vorzusehen, welche verhindern, dass durch WEF-Vorbezüge beispielsweise die anteilsmässige Kürzung der Austrittsleistung, wie sie für den Fall einer Gesamt- und Teilliquidation vorgesehen ist, unterlaufen werden kann.

Mit der Einschränkung soll grundsätzlich nicht in die Lebensplanung von Versicherten eingegriffen werden, welche die Mittel der beruflichen Vorsorge in die Planung des Erwerbs von Wohneigentum eingerechnet haben. Dasselbe gilt für Versicherte, die für die Zeit nach der Pensionierung ihre Hypothekarzinsbelastungen reduzieren wollen, denen es aufgrund des Zahlungsaufschubs aber verwehrt ist, rechtzeitig die gewünschte Amortisation zu machen und denen es gleichzeitig aufgrund von Reglementsbestimmungen verunmöglicht ist, die Amortisation von Hypotheken durch den Bezug des Alterskapitals (Kapital- statt Rentenoption) zu bewerkstelligen. Es soll aber verhindert werden können, dass Versicherte, die einer Vorsorgeeinrichtung angehören, welche zur Behebung einer Unterdeckung beispielsweise eine Nullzinsrunde beschliessen muss, einen Teil ihres Altersguthabens zu Amortisationszwecken aus der Vorsorgeeinrichtung abziehen. Durch den Vorbezug entgehen der Vorsorgeeinrichtung Vermögenserträge, welche wegen fehlender Verzinsungspflicht direkt Sanierungszwecken zugeführt werden könnten. Es wäre gegenüber Versicherten ohne Wohneigentum stossend, wenn solche Vorbezüge nach Aufhebung von Zinsreduktionen gleich wieder einbezahlt werden könnten.

Die Voraussetzungen dieser flankierenden Massnahme wird gemäss Absatz 2 durch eine Verordnungsbestimmung näher umschrieben, wobei es ausschliesslich darum geht, Missbräuche im obigen Sinn zu verhindern.

Die Änderung des Artikels 6 Absätze 1, 5 und 6 der Verordnung vom 3. Oktober 199418 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV), welche am 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist, zielt in diese Richtung, ist aber aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in ihrer Wirkung eingeschränkt. Danach kann die Vorsorgeeinrichtung bei Unterdeckung die Auszahlung bis zwölf Monate nach Einreichung des Gesuchs aufschieben. Bei einer erheblichen Unterdeckung kann diese Frist noch weiter hinausgeschoben werden, jedoch nur dann, wenn der Vorbezug der Rückzahlung
von Hypothekardarlehen dient und wenn die Vorsorgeeinrichtung die Meldepflichten nach Artikel 44 Absätze 3 und 4 BVV 2 erfüllt.

Dazu gehört insbesondere, dass über die Dauer dieser Massnahme informiert wird.

Eine dem Artikel 30f BVG entsprechende Vorschrift erfolgt in Artikel 331f des Obligationenrechts19 für die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge im überobligatorischen Bereich.

2.1.2

Änderung von Art. 5 Abs. 2 und 49 Abs. 2 BVG

Der Zweck einer Vorsorgeeinrichtung besteht in der Gewährung von Leistungen bei Alter, Tod und Invalidität. Diese Leistungen gemäss BVG sind als Minimalleistungen in den Artikeln 13­26 des Gesetzes und den Artikeln 11­27 BVV 2 umschrieben. So ist der Sparprozess durch die Höhe der vorgegebenen Altersgutschriften (in Prozenten eines vorgeschriebenen koordinierten Lohnes) und die Vorgabe des 18 19

SR 831.411 SR 220

6415

Mindestsatzes für die jährliche Verzinsung des Altersguthabens bestimmt. Die Umwandlung des im Zeitpunkt der Pensionierung angesparten Kapitals in eine lebenslängliche Altersrente wird ebenfalls vorgegeben, indem die Höhe des Umwandlungssatzes (Art. 14 Abs. 1 BVG) in Prozenten festgelegt ist.

Im Gegensatz zu diesen klaren, gesetzlichen Vorgaben der Mindestleistungen hat der Gesetzgeber die Gestaltung der Finanzierung grundsätzlich den Vorsorgeeinrichtungen überlassen (Art. 49 Abs. 1 BVG) und ihnen damit eine sehr hohe Eigenverantwortung übertragen. So bestehen z.B. keine detaillierten Regeln über Beitragshöhe oder Beitragsarten.

Nach Artikel 65 Absatz 1 BVG müssen die Vorsorgeeinrichtungen das Beitragssystem und die Finanzierung so regeln, dass die Sicherheit der übernommenen Verpflichtungen und die gesetzlichen Mindestleistungen gewährleistet sind und nach Absatz 2 die Leistungen im Rahmen dieses Gesetzes bei Fälligkeit erbracht werden können. Nach der geltenden Rechtslage ist Artikel 65 Absatz 2 BVG in der weitergehenden Vorsorge und für nicht registrierte Vorsorgeeinrichtungen nicht anwendbar. Da der Sicherheitsfonds im Insolvenzfall seit 1997 auch überobligatorische Ansprüche bis zu einem bestimmten Plafond (Leistungen basierend auf dem 1,5-fachen des maximalen BVG-Jahreslohnes, d.h. zur Zeit 113 940 Franken; vgl.

Art. 56 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 BVG) sicherzustellen hat, soll Artikel 65 Absatz 2 BVG nicht mehr nur auf das BVG-Minimum beschränkt bleiben. Artikel 5 Absatz 2 und 49 Absatz 2 BVG sind deshalb durch Erwähnung dieser Bestimmung zu ergänzen.

In Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 49 Absatz 2 sollen somit diejenigen Bestimmungen des Obligatoriums aufgelistet sein, welche auch für den vor- und überobligatorischen Bereich Gültigkeit haben.

Damit die zusätzlichen Bestimmungen über die finanzielle Sicherheit von Artikel 65a, 65b und 65c BVG, auch für die nicht registrierten Vorsorgeeinrichtungen wie beispielsweise reine Kadervorsorgekassen und die erweiterte Vorsorge gelten, werden diese Bestimmungen in Artikel 5 Absatz 2 BVG dem Geltungsbereich des FZG unterstellt und in Artikel 49 Absatz 2 integriert.

Von dieser Regelung ausgenommen ist Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe a erster Satz und Buchstabe c BVG. Die Erhebung von Beiträgen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Arbeitnehmerinnen
im vor- und überobligatorischen Bereich und in der erweiterten Vorsorge unterstehen grundsätzlich vertragsrechtlichen Bestimmungen und richten sich somit nach den Bestimmungen des Reglements oder der Statuten oder nach den Anschlussverträgen. In diesem Bereich ist das Einverständnis des Arbeitgebers Voraussetzung. Da der Mindestzinssatz bei nicht registrierten Kadervorsorgeeinrichtungen beziehungsweise im vor- und überobligatorischen Bereicht grundsätzlich nicht anwendbar ist, wurde Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe c ebenfalls nicht in Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 49 Absatz 2 aufgenommen. Artikel 69 Absatz 2 BVG als lex specialis für öffentlich-rechtliche Körperschaften hat nach wie vor Gültigkeit.

6416

2.1.3

Art. 65a BVG (neu): Zeitlich befristete Unterdeckung

Mit Absatz 1 wird die Ausnahme zum Grundsatz der Sicherheit nach Artikel 65 Absatz 1 BVG geregelt, wonach die Vorsorgeeinrichtung sämtliche übernommenen Verpflichtungen jederzeit erfüllen können muss. Einer Vorsorgeeinrichtung soll es möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende, d. h. zeitlich begrenzte Unterdeckung aufzuweisen. Liegt eine Unterdeckung vor, so ist die Sicherheit im Sinne von Artikel 65 Absatz 1 BVG nur noch beschränkt gewährleistet. Dabei ist zu beachten, dass die jederzeitige Sicherheit auch ohne Vorliegen von Deckungslücken beeinträchtigt sein kann. Immer muss es das Ziel der Vorsorgeeinrichtung sein, die jederzeitige Sicherheit ­ sofern diese nicht gewährleistet ist ­ wieder herzustellen.

Mit dieser neuen Bestimmung soll gesetzlich geregelt werden, was für die Massnahmen nach Artikel 44 BVV 2 unabdingbar erscheint, nämlich die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung. Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung machen nur dann Sinn, wenn ihnen genügend Zeit zur Wirkung gewährt wird.

Die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung scheint auch in Bezug auf das Finanzierungssystem der 2. Säule, dem Kapitaldeckungsverfahren, besser gerecht zu werden.

Die berufliche Vorsorge zeichnet sich durch einen langen Sparprozess (rund 40 Jahre) und einen langen Vermögensverzehr (rund 20 Jahre Rentenbezug) aus.

Diese auf einen langen Zeithorizont hin ausgerichtete Verpflichtungsstruktur verlangt nach einer entsprechend auf eine längere Dauer ausgerichteten Anlagestrategie. Dazu gehören Engagements in volatilen Anlagen wie Aktien und Liegenschaften, welche die Aufrechterhaltung einer jederzeitigen Sicherheit verunmöglichen können. Dies gilt insbesondere bei unerwartet hohen Kurseinbussen, welche kurzfristig nur durch unverhältnismässig hohe Wertschwankungsreserven gedeckt werden könnten.

Eine Unterdeckung aufgrund von Vermögenseinbussen ist immer ein Sicherheitsrisiko, da die Erholung der Märkte weder in zeitlicher Hinsicht noch in ihrem Ausmass voraussehbar ist. Daher sind Unterdeckungen mit der nötigen Sorgfalt zu begegnen und dadurch wird verständlich, dass eine Unterdeckung nur zeitlich begrenzt möglich sein soll.

Absatz 1 umschreibt zwei Bedingungen, nach welchen eine Vorsorgeeinrichtung eine zeitlich begrenzte Unterdeckung aufweisen kann: ­

Es muss einerseits sichergestellt sein, dass die Leistungen im Rahmen des Gesetzes bei Fälligkeit erbracht werden können. Damit wird das Erfordernis der genügenden Liquidität im Sinne von Artikel 65 Absatz 2 ausdrücklich als Voraussetzung festgehalten. Bei einer Gesamt- und Teilliquidation werden sämtliche oder Teile der Leistungen fällig. Wenn ein wesentliches Risiko einer Gesamt- oder Teilliquidation besteht, sind alle Vorkehrungen zu treffen, damit eine Unterdeckung vermieden werden kann.

Besteht bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eine Unterdeckung und besteht ein wesentliches Risiko einer Gesamt- oder Teilliquidation ist dies bei der Festlegung der Massnahmen zu berücksichtigen.

6417

­

Die Vorsorgereinrichtung muss andererseits Massnahmen ergreifen, damit eine Volldeckung in angemessener Frist wieder hergestellt werden kann. In Bezug auf die angemessene Frist sei auf die entsprechenden Anmerkungen in den Weisungen des Bundesrates vom 21. Mai 200320 über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge und die Erläuterungen zum neuen Artikel 65b dieses Gesetzes verwiesen.

Bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen löst die Kündigung eines Anschlussvertrages durch den Arbeitgeber bereits eine Teilliquidation aus (vgl. Art. 23 Abs. 4 FZG). Stiftungen mit Vollversicherungsverträgen können wegen den garantierten Leistungen der Versicherungseinrichtungen nicht in Unterdeckung fallen. Artikel 65 Absatz 1 und 2 sowie die neuen Artikel 65a, 65b und 65c BVG etc. sind daher nicht von Belang. Demgegenüber können Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, bei denen Vorsorgewerke das Anlagerisiko selber tragen, durchaus auch Deckungslücken aufweisen. Bei der Wahl der Finanzierung haben diese Einrichtungen den Besonderheiten der Anschlussverträge hinsichtlich Auflösungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen.

In Absatz 2 soll die Vorsorgeeinrichtung neu auf Gesetzesstufe verpflichtet werden, die Unterdeckung und die dagegen ergriffenen Massnahmen der Aufsichtsbehörde zu melden. Diese Meldepflicht war im bisherigen Artikel 44 Absatz 2 BVV 2 bereits enthalten und wurde im aktuell gültigen Artikel 44 Absatz 3 präziser gefasst. Dessen generelle Bedeutung soll jedoch durch Einführung auf Gesetzesstufe unterstrichen werden.

Die Aufsichtsbehörde nimmt hierbei lediglich Aufgaben der Rechtskontrolle und der Beratung wahr (keine Ermessenskontrolle, vgl. auch Ziff. 1.3.3.4). Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung bedürfen somit keiner behördlichen Genehmigung, wie dies z.B. bei der Feststellung der Teilliquidation (vgl. Art. 23 Abs. 1 FZG) der Fall ist.

Gleichzeitig soll auf Gesetzesstufe die Informationspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, den Versicherten, Rentnern und Rentnerinnen ausdrücklich angemerkt werden und ihr damit die gebührende Gewichtung zugewiesen werden. Die Aufsichtsbehörde, der Arbeitgeber und die Destinatäre sind nach einem vom obersten paritätischen Organ erlassenen Reportingkonzept laufend über die Massnahmen und deren Umsetzung zu orientieren.

2.1.4

Art. 65b BVG (neu): Massnahmen bei Unterdeckung

Absatz 1 verankert neu auf Gesetzesstufe den Grundsatz der Eigenverantwortung (und auch der Haftung) der Vorsorgeeinrichtung bei der Behebung einer Unterdeckung, wie er in der bisherigen Fassung von Artikel 44 Absatz 1 beziehungsweise in der neuen Fassung von Artikel 44 Absatz 2 BVV 2 geregelt ist. Dass der Sicherheitsfonds Leistungen grundsätzlich erst bei Insolvenz sicherstellt, ergibt sich auch aus Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe b BVG.

In Absatz 2 werden die Bedingungen für die Festlegung von Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung präzisiert. Es gibt so wenig allgemeingültige Massnahmen, 20

BBl 2003 4314, insbes. S. 4316 f., Ziffer 226.

6418

so wenig es identische Vorsorgeeinrichtungen gibt, d. h. jede Massnahme muss der individuellen Situation der Vorsorgeeinrichtung in zeitlicher und materieller Hinsicht angemessen sein. Als Kriterien werden in nicht abschliessender Aufzählung aufgeführt: Vermögens- und Verpflichtungsstrukturen (d. h. Aktiv- und Passivseite) und daraus abgeleitet die Art der Vorsorgepläne (z. B. Beitrags- oder Leistungsprimat), die Altersstruktur sowie die Entwicklung des Bestandes der Destinatäre (Versicherte, Rentner und Rentnerinnen). Letzteres umfasst auch das Risiko einer Gesamt- oder Teilliquidation. Die Massnahmen müssen somit absehbaren, zukünftigen Ereignissen (wie ein Besitzerwechsel, die Auslagerung von Produktionseinheiten, die Verkäufe von Firmenteilen, der generelle Abbau wie auch die Schaffung neuer Stellen usw.) Rechnung tragen.

Bei der Festlegung von Massnahmen muss insbesondere der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt werden. Verhältnismässigkeit bedeutet, dass einschneidende Massnahmen erst ergriffen werden müssen, wenn andere, weniger weit gehende Massnahmen nicht zum Ziel führen. Bei verbesserter Lage sind die Massnahmen entsprechend zu lockern. Besteht die Aussicht, dass die Unterdeckung durch andere Massnahmen als diejenigen, wie sie vom Gesetz neu vorgeschlagen werden sollen, behoben werden kann und kann ferner davon ausgegangen werden, dass die Ursachen, welche zur Unterdeckung geführt haben, rein vorübergehender Natur sind, so sind unter Umständen einstweilen keine einschneidende Massnahmen notwendig.

Verhältnismässigkeit bedeutet gleichzeitig, dass die Massnahmen für die Betroffenen nicht zu unzumutbaren Härten führen dürfen. In diesem Sinne ist das wirtschaftliche Umfeld des Arbeitgebers zu beachten. Verhältnismässigkeit bedeutet ferner, dass beispielsweise zu berücksichtigen ist, wer und in welchem Ausmass von Leistungen aus freiwilligen Mitteln profitieren konnte. Wurden zum Beispiel Beitragspausen aus überschüssigen Vermögenserträgen finanziert, jedoch keine entsprechenden Rentenerhöhungen oder Mehrverzinsungen gewährt, ist dies bei der Festlegung der Beiträge zu beachten.

Dass die Massnahmen dem Grad der Unterdeckung angemessen sein müssen, ist ebenfalls ein Ausfluss der Verhältnismässigkeit. Je grösser die Unterdeckung, desto entschiedener müssen Massnahmen ergriffen werden. Die
Unterdeckung kann in eine geringe und eine erhebliche unterteilt werden. Eine erhebliche Unterdeckung muss in der Regel bei einer Deckungslücke von 10 Prozent als gegeben betrachtet werden. Über diese Richtgrösse hat sich der Experte für berufliche Vorsorge zu äussern. Aufgrund der individuellen Situation der Vorsorgeeinrichtung kann eine erhebliche Unterdeckung bereits bei einer geringeren Deckungslücke eintreten.

Die Massnahmen sollen in ein Gesamtkonzept integriert sein und soweit möglich als Gesamtheit wirken, wobei die Verhältnismässigkeit sowohl in Bezug auf die einzelne Massnahme wie auch in Bezug auf das Gesamtkonzept zu würdigen ist. Deren Umsetzung und Wirkung soll laufend überprüft werden können.

Die Massnahmen müssen ausserdem ­ auch dies ein Element der Verhältnismässigkeit ­ geeignet sein, die Unterdeckung innerhalb einer angemessenen First zu beheben. Das Erfordernis der Geeignetheit bedingt zwangsläufig die Angabe der Dauer, in welcher Massnahmen greifen sollen und die Information, bis wann die Behebung der Unterdeckung möglich sein soll. Diese Informationen sind der zuständigen Aufsichtsbehörde im Rahmen des neuen Artikels 65a Absatz 2 BVG (vgl. neuer Art. 44 Abs. 3 BVV 2) mitzuteilen.

6419

Die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit ist auch bestimmend für die Vorsorgeeinrichtung zur Festlegung der Dauer der Sanierungsperiode. Die Übergangsbestimmung gemäss Artikel 27 Absatz 3 FZG sieht vor, dass versicherungstechnische Fehlbeträge innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten abgebaut sein müssen. Übernimmt man diese Wertung des Gesetzgebers, dürfte die Sanierungsperiode fünf bis sieben Jahre dauern, jedoch nur in Ausnahmefällen zehn Jahre überschreiten.

In Absatz 3 wird in den Buchstaben a­c die ausdrückliche formalgesetzliche Grundlage für drei je nachdem unterschiedlich wirksame Massnahmen geschaffen: erstens die Erhebung von Beiträgen zur Behebung einer Unterdeckung beim Arbeitgeber und den Versicherten, zweitens die Einforderung eines Beitrags zur Behebung einer Unterdeckung bei Rentnern und Rentnerinnen sowie drittens die Möglichkeit, den BVG-Mindestzinssatz zu unterschreiten. Je nach Ausgestaltung der Vorsorgeeinrichtung ist die kumulierte Anwendung dieser Massnahmen die zweckmässigste und möglicherweise im Sinne der Verhältnismässigkeit einer alternativen Anwendung vorzuziehen. Der entsprechende Entscheid obliegt dem obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung.

Diese Massnahmen haben gemeinsam, dass sie sich auf einen Beschluss des obersten paritätischen Organs stützen müssen und nur während der Dauer der Unterdeckung angewendet werden können. Werden sie neu eingeführt, bedürfen sie einer reglementarischen Grundlage, welche unter Beachtung der entsprechenden Normen erlassen wird, und sie unterstehen dem Rückwirkungsverbot.

Die genannten Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung sind nicht anwendbar bei Vorsorgeeinrichtungen mit Vollversicherungsverträgen, die mit Versicherungsgesellschaften abgeschlossen werden, da bei diesen Einrichtungen der Versicherer aufgrund des Kollektivversicherungsvertrages die Garantie für die Leistungen übernimmt und die Vorsorgeeinrichtung somit nicht in eine Unterdeckung fällt.

Absatz 3 Buchstaben a und b Erachtet der Experte für berufliche Vorsorge im Rahmen dieses Gesetzes die Ergreifung von einschneidenden Massnahmen als notwendig und führen andere Massnahmen nicht zum gewünschten Ziel, hat die Vorsorgeeinrichtung die Möglichkeit, für eine beschränkte Zeit einen Beitrag zur Behebung einer Unterdeckung (à fonds perdu) beim Arbeitgeber
(im überobligatorischen Bereich ist das Einverständnis des Arbeitgebers erforderlich) und den Destinatären (Versicherte, Rentner und Rentnerinnen) zu erheben. Zu beachten ist hierbei die Kann-Formulierung.

Zuständig für den Beschluss ist das oberste paritätische Organ der Vorsorgeeinrichtung. Der neue Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe a und b bindet diese Beschlüsse an die Voraussetzungen, wie sie in Artikel 65b Absatz 2 vorgegeben sind. Zurzeit prüft eine Expertenkommission unter Leitung von Prof. Jürg Brühwiler Vorschläge zur inhaltlichen und organisatorischen Optimierung der Aufsicht im Sinne einer prudenziellen Aufsicht. In diesem Rahmen sind auch Vereinbarungen zwischen der Vorsorgeeinrichtung und der Aufsichtsbehörde denkbar.

Wenn das oberste paritätische Stiftungsorgan die Erhebung zeitlich befristeter Beiträge zur Behebung einer Unterdeckung beschliesst und das Einverständnis zur Erhebung von Beiträgen im vor- und überobligatorischen Bereich vorliegt, sind diese von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch zu entrichten. In Abweichung von Artikel 66 Absatz 1 BVG und Artikel 331 Absatz 3 OR muss ein solcher 6420

Beitrag des Arbeitgebers mindestens gleich hoch sein wie die Summe der Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Wegen der zeitlichen Beschränkung muss die Parität innerhalb dieser Beitragsart gewährleistet sein und erstreckt sich nicht auf die Gesamtheit verschiedener Beiträge. Damit wird vermieden, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einseitig Sanierungsbeiträge leisten müssen, wenn aufgrund von reglementarischen Mehrleistungen des Arbeitgebers eine Anrechnung erfolgen könnte. Dies ist zu vermeiden, da die bisherige Gesamtsumme der Beiträge im Rahmen des finanziellen Gleichgewichts bereits für bestehende Leistungen reserviert sein dürfte. Artikel 66 Absatz 1 letzter Satz ist nach wie vor zu beachten, dasselbe gilt für die Inkassoregeln nach den Absätzen 2 und 3. Auf eine Aufteilung der Beiträge im Verhältnis 2 zu 1 ­ wie dies in der Vernehmlassung zum Ausdruck kam ­ wird verzichtet. Desgleichen soll die Möglichkeit, Beiträge bei der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite zu erheben nicht allein davon abhängig sein, dass diese von Beitragspausen profitiert haben.

Eine dauerhafte Kürzung laufender Rentenleistungen ruft grosse Bedenken in Bezug auf den Vertrauensschutz hervor. Der Schutz dieses Vertrauens kann jedoch im Fall einer Unterdeckung diametral zum Prinzip der Opfersymmetrie und der Verhältnismässigkeit stehen und ist entsprechend zu gewichten. Bei Vorsorgeeinrichtungen mit einem hohen Anteil an Rentendeckungskapitalien können Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber nur bedingt einen wirksamen Beitrag zur Behebung der Unterdeckung leisten. Da die Beiträge vom versicherten Lohn erhoben werden, der Grad der Unterdeckung jedoch nach Massgabe des Vorsorgekapitals berechnet ist, kann die Wirksamkeit als Verhältnis zwischen versicherter Lohnsumme und Vorsorgekapital dargestellt werden. Angesichts der in dieser Hinsicht individuell stark voneinander abweichenden Kassen sind die Wirkung und der Einsatz der Sanierungsbeiträge individuell verschieden.

Ein Vorsorgekapital, welches nicht voll durch die dafür verfügbaren Vermögenswerte gedeckt ist, wird versicherungstechnisch in ein Vorsorgekapital der Versicherten und in ein Vorsorgekapital Renten unterschieden. Die Behebung einer Unterdeckung bei den Rentendeckungskapitalien allein durch Sanierungsbeiträge der
Versicherten stellt eine einseitige Solidaritätsleistung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zugunsten der Rentner und Rentnerinnen dar.

Je nach Anteil der Rentenkapitalien am gesamten Vorsorgekapital und dem Grad der Unterdeckung müssten vom Arbeitgeber und von den Versicherten unbotmässig hohe Beiträge einverlangt werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass in Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe b auch ein Beitrag von den Rentnern und Rentnerinnen vorgesehen ist. Diese sollten vor dem Entscheid angehört werden. Die Vorsorgeeinrichtung hat sie rechtzeitig zu informieren und über die Dauer und das Ausmass der Massnahme auf dem Laufenden zu halten. Aufgrund der Tragweite einer solchen Massnahme für die Rentner und Rentnerinnen ist es wünschbar, dass die Vorsorgeeinrichtungen ein Anhörungsrecht beziehungsweise ein Mitspracherecht einführen und ein solches Recht institutionalisieren. Auf eine entsprechende Regelung auf Gesetzesstufe wird aufgrund der Ergebnisse der 1. BVG-Revision verzichtet.

Das Gesetz sieht keine dauerhafte Kürzung des Rentenanspruchs vor. Eine dauerhafte Rentenkürzung würde eine unmittelbare Reduktion des Rentendeckungskapitals auslösen und damit unmittelbar eine Verbesserung des Deckungsgrads bewirken. Dies ist aber nicht Ziel dieser gesetzlichen Bestimmung. Wollte man die Rente 6421

später wieder auf den bisherigen Stand erhöhen, benötigte die Vorsorgeeinrichtung gleich viele Mittel, wie sie bei der Reduktion «gewonnen» hatte. Die Vorsorgeeinrichtung würde daher wegen der hohen Kosten nur schwer die Renten wieder auf den ursprünglichen Stand anheben können. Dies soll vermieden werden.

Die Erhebung eines Beitrags zur Behebung einer Unterdeckung wird daher keine direkte Auswirkung auf das Rentendeckungskapital haben und zeitigt nur eine mittelbare und weit weniger grosse Wirkung in Bezug auf die Behebung der Unterdeckung. Die Beitragslösung hat aber den Vorteil, dass im Todesfall der Anspruch des Ehegatten und der Anspruch auf Kinderrenten sich am ursprünglichen Rentenbetrag der verstorbenen Person orientieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei einer Erholung der Finanzmärkte dieser Beitrag rasch gestoppt werden kann. Die bisherige Rente käme wieder zur vollen Auszahlung, ohne dass Mittel zur Verstärkung der Rentendeckungskapitalien benötigt würden und erneut eine Gefahr der Unterdeckung entstünde. Der Beitrag zur Behebung einer Unterdeckung, welcher eine Behebung der Unterdeckung in kleinen Schritten darstellt und der sinnvollerweise in monatlichen Teilbeträgen von der Rente in Abzug gebracht wird, soll zeitlich terminiert sein und könnte je nach Alter unterschiedlich hoch ausfallen.

Dabei ist zu unterstreichen, dass es sich wegen des Vertrauensschutzes bei diesem Beitrag nur um eine massvolle Massnahme handeln darf, die nur solange dauern kann, bis die Unterdeckung behoben ist. Massvoll bedeutet auch, dass die Rente, welche nach Abzug des Beitrags zur Behebung der Unterdeckung ausbezahlt wird, die Höhe der BVG-Stammrente (d.h. die Monatsrente, die anlässlich der Pensionierung aufgrund des Altersguthabens nach Artikel 15 BVG und dem gesetzlichen Umwandlungssatz errechnet wurde beziehungsweise erstmals zur Auszahlung gelangte), nicht unterschreiten darf. Ebenfalls geschützt sind die aufgelaufenen, gesetzlich vorgesehenen Rentenanpassungen bei den Invalidenrenten (vgl. Art. 36 Abs. 1 BVG).

Damit kann der Beitrag in einer reinen BVG-Kasse nicht höher als die seit Rentenbeginn aufgelaufenen Rentenerhöhungen sein, vorausgesetzt, dass sie nicht durch gesetzliche oder zwingende reglementarische Bestimmungen geschützt sind.

In der vor- und überobligatorischen Vorsorge sind die
privatrechtlichen Vertragsregeln zu beachten. Die Höhe des Beitrags ist daher abhängig von den Abänderungsklauseln beziehungsweise Sanierungsklauseln desjenigen Reglementes, welches im Zeitpunkt der Pensionierung Gültigkeit hatte. Eine heutige Reglementsänderung, welche eine Kürzung der reglementarischen Stammrente zur Folge hätte, dürfte aufgrund des Vertrauensschutzes einer gerichtlichen Überprüfung kaum Stand halten. Allein das Rückwirkungsverbot dürfte einer solchen Lösung entgegenstehen. Der Beitrag dürfte letztlich so festzusetzen sein, dass er sich im Rahmen der seit Rentenbeginn aufgelaufenen Rentenerhöhungen bewegt. Sind diese Rentenanpassungen aufgrund zwingender reglementarischer Bestimmungen erfolgt, dürften auch diese aufgrund des Vertrauensprinzips nicht geschmälert werden.

Der Beitrag der Rentner und Rentnerinnen kann mit den laufenden Renten verrechnet werden.

Damit der Beitrag zulasten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gemäss Buchstabe a die gewünschte Wirkung hat, muss er nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe g FZG vom zuschlagsberechtigten Beitrag (d.h. dem Beitrag, auf dem der Alterszuschlag nach Art. 17 Abs. 1 FZG gewährt wird) abgezogen werden können.

6422

Artikel 17 FZG ist entsprechend anzupassen (vgl. die Erläuterungen zur Änderung von Art. 17 Abs. 2 FZG, Ziff. 2.2).

Die Beiträge zur Behebung einer Unterdeckung zulasten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen können wie die übrigen paritätischen Beiträge vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden (vgl. Art. 81 BVG). Der Abzug des Beitrags zulasten der Rentner und Rentnerinnen kann nicht unter diese Bestimmung subsummiert werden, da diese weder als Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gelten. Da dieser Beitrag ebenfalls steuerlich privilegiert sein soll, wurde die Abzugsmöglichkeit vom steuerbaren Einkommen in einem neuen Artikel 81a festgelegt. Gleichzeitig werden Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) und Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG, SR 642.14) angepasst.

Absatz 3 Buchstabe c In einer BVG-Kasse dürfte für die Behebung einer Unterdeckung die nach Buchstabe c geschaffene Möglichkeit der Unterschreitung des Mindestzinssatzes nach Artikel 12 BVV 2 im Vordergrund stehen. Danach kann die Vorsorgeeinrichtung das Altersguthaben (BVG-Obligatorium) während eines beschränkten Zeitraums zu einem tieferen als dem obligatorischen Satz von derzeit 3,25 Prozent (gültig seit dem 1.1.2003) verzinsen. Der Vermögensertrag kann so statt für die Verzinsung der Altersguthaben direkt und ursachenadäquat zur Verlustdeckung eingesetzt werden.

Erreicht der Ertrag die Höhe des gesetzlichen Mindestzinssatzes, bewirkt er im gleichen Umfang eine Reduktion der Unterdeckung beim Vorsorgekapital der Versicherten.

Diese Massnahme zielt auf die Vorsorgekapitalien der Versicherten, betrifft aber nicht die Deckungskapitalien bei den Leistungsprimatkassen und ebenfalls nicht die Rentendeckungskapitalien, welche einem technischen Zinssatz unterstehen.

Auch diese Massnahme ist eine Kann-Vorschrift und ist auf Gesetzesstufe geregelt, da sie eine Mindestleistung gemäss BVG zeitlich befristet aussetzt. Diese gesetzlich erlaubte Massnahme kann so eine Minder- oder Nullverzinsung bewirken, wobei der Mindestzinssatz gemäss Artikel 12 BVV 2 neu in allen Belangen mit Ausnahme der Festsetzung des Verzugszinses durch denjenigen
Zins ersetzt werden kann, der vom obersten paritätischen Organ festgelegt wird. Ein Negativzins ist nicht zulässig, da eine Kürzung des Altersguthabens mit Stand am Ende des Vorjahres und den während des laufenden Jahres gutgeschriebenen Spargutschriften und anderen Einlagen nicht erlaubt ist.

Die Aufsichtsbehörde, der Arbeitgeber und die Versicherten sind über die Unterschreitung des Mindestzinssatzes, deren Wirksamkeit und deren voraussichtliche Dauer zu orientieren und über den Fortgang laufend zu informieren. Damit die Unterschreitung des Mindestzinssatzes in allen betroffenen Bereichen mit Ausnahme des Verzugszinses (Art. 7 FZV) wirksam werden kann, sind beispielsweise Artikel 12 BVV 2 und Artikel 6 Absatz 2 FZV (in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 und 4 FZG, Mindestbetrag bei Austritt) und Artikel 8a FZV (Zinssatz bei der Teilung der Austrittsleistung infolge Scheidung) anzupassen.

Die Unterschreitung des Mindestzinssatzes als Massnahme zur Behebung einer Unterdeckung erlaubt es, den ordentlichen Mindestzinssatz nach Artikel 12 BVV 2 6423

so anzusetzen, dass er sich nur nach den Anlagemöglichkeiten richten muss und so der uneingeschränkten Zweckerfüllung dient. Dadurch kann auch verhindert werden, dass die Vorsorgeeinrichtungen ohne Unterdeckung als Vorgabe einen zu niedrigen Zinssatz erhalten. Der Mindestzinssatz kann so festgelegt werden, wie es der Gesetzgeber in der 1. BVG-Revision in Artikel 15 BVG wünscht, nämlich ohne Berücksichtigen der finanziellen Lage beziehungsweise ohne dem Ausmass von vorhandenen Unterdeckungen. Damit wird eine saubere Trennung zwischen Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung und einem angemessenen Zinsertrag ermöglicht.

Die Unterschreitung des Mindestzinssatzes ist periodengerecht anzuwenden, das bedeutet, dass das Rückwirkungsverbot zu beachten ist.

2.1.5

Art. 65c BVG (neu): Arbeitgeberbeitragsreserven mit Verwendungsverzicht bei Unterdeckung

Da die Rentner und Rentnerinnen wegen des Vertrauensschutzes nur einen beschränkten Beitrag zur Behebung einer Unterdeckung leisten können, soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die allfällige ungleiche Verteilung der Lasten auf die Versicherten, Rentner und Rentnerinnen auszugleichen. Er soll auch mithelfen können, Solidaritätsleistungen innerhalb der Versicherten zu mindern.

Zu diesem Zweck kann der Arbeitgeber nach Absatz 1 Einlagen zugunsten einer gesondert ausgewiesenen Arbeitgeberbeitragsreserve machen und diese nach Absatz 2 mit einem zeitlich befristeten Verwendungsverzicht belegen. Damit verzichtet der Arbeitgeber darauf, die Reserve zur Bezahlung von Arbeitgeberbeiträgen heranzuziehen und/oder für die Finanzierung von Übergangsrenten zu verwenden oder sonstwie zu mindern. Er kann auch die bereits bestehende, ordentliche Arbeitgeberbeitragsreserve mit einem zeitlich befristeten Verwendungsverzicht versehen, muss den so belasteten Betrag jedoch auf das gesonderte Konto «Arbeitgeberbeitragsreserve mit Verwendungsverzicht» umbuchen. Die Einlagen dürfen nur in Höhe des Fehlbetrages einbezahlt werden. Neben einer reglementarischen Grundlage muss eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber vorliegen. Die Vertragsbedingungen sind im Anhang zur Jahresrechnung zu nennen.

Die Garantiezusage in Form eines Verwendungsverzichts bewirkt wegen seiner zeitlichen Befristung keine Behebung der Unterdeckung. In der kaufmännischen Bilanz wird die «ordentliche Arbeitgeberbeitragsreserve» (ohne Verwendungsverzicht) und die «Arbeitgeberbeitragsreserve mit Verwendungsverzicht» ungeschmälert als Schuld ausgewiesen und damit bleibt die Unterdeckung als Fehlbetrag in der Bilanz bestehen. In der versicherungstechnischen Bilanz wird der Experte für berufliche Vorsorge jedoch die Mittel für die gesonderte «Arbeitgeberbeitragsreserve mit Verwendungsverzicht» dem verfügbaren Vermögen zurechnen und die Revisionsstelle wird in ihrem Bericht darauf hinweisen.

In dem Masse wie ein zeitlich befristeter Verwendungsverzicht vorliegt, sind auch keine Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung einzuführen. Die mit einem zeitlich befristeten Verwendungsverzicht belastete Arbeitgeberbeitragsreserve muss mindestens solange bestehen bleiben, als eine Unterdeckung vorliegt. Wann dieses Sonderkonto spätestens und in welchem Umfang aufzulösen beziehungsweise wann 6424

der vom Verwendungsverzicht freigewordene Betrag in die ordentliche Arbeitgeberbeitragsreserve überführt werden muss, wird vom Bundesrat geregelt. Der späteste Zeitpunkt dürfte dann sein, wenn genügend Wertschwankungsreserven gebildet sind und die Risikofähigkeit nach Artikel 50 BVV 2 erreicht ist. Nach der Übertragung der Mittel aus dem Sonderkonto in das ordentliche Konto müssen diese solange mit fälligen Arbeitgeberprämien verrechnet werden, bis das ordentliche Reservekonto die durch kantonale oder eidgenössische Steuerbestimmungen vorgegebene Höhe erreicht (in der Regel das 5-fache der jährlichen Arbeitgeberprämie).

Solange die ordentliche Reserve einen höheren Betrag ausweist, sind Direktzahlungen der Firma zur Finanzierung von Arbeitgeberprämien steuerlich nicht als geschäftsmässig begründeter Aufwand zugelassen. Das ordentliche Reservekonto kann neben Beitragsleistungen den in der Praxis üblichen Zwecken dienen.

Das Reservekonto mit Verwendungsverzicht wird nicht verzinst.

Eine Aufhebung des zeitlich befristeten Verwendungsverzichts vor Erreichen eines Deckungsgrads von 100 Prozent ist nicht zulässig. Anderslautende vertragliche Abmachungen sind nicht gültig. Soll die Behebung der Unterdeckung allein durch die positive Entwicklung auf den Anlagemärkten erfolgen, ist eine Vorhersage des dazu benötigten Zeitrahmens nicht möglich. Wäre die vorzeitige Aufhebung des Verwendungsverzichts zugelassen, müssten in einem Zeitpunkt, der weit in der Zukunft liegen könnte, nachträglich noch Massnahmen ergriffen werden. Die dannzumaligen Voraussetzungen für die Ergreifung geeigneter Massnahmen könnten im Gegensatz zum gegenwärtigen Zeitpunkt erheblich divergieren: zulasten der Versicherten, zulasten der Rentner und Rentnerinnen und was nicht auszuschliessen ist, auch zulasten des Arbeitgebers. Da die Unterdeckung zudem innerhalb von zehn Jahren zu beheben ist, könnten wegen vorzeitiger Verzichtsaufhebung noch für eine kurze Dauer einzuführende Massnahmen gravierende Auswirkungen haben.

Der maximale Betrag der beiden Arbeitgeberbeitragsreservekonti zusammen darf den von den Steuerbehörden vorgegebenen Grenzwert (3­5-faches der Arbeitgeberjahresprämie) und den ursprünglichen mit dem Verwendungsverzicht erfassten Betrag nicht übersteigen. Der Experte für berufliche Vorsorge hat sich im Anhang zur Bilanz
über die Rechtmässigkeit der Aufhebung des Verwendungsverzichts zu äussern und nach Bedarf der Steuerbehörde zu bestätigen.

Nach Absatz 3 regelt der Bundesrat im Sinne obiger Ausführungen die Detailbestimmungen. Darunter fallen insbesondere Einzelheiten in Bezug auf die Aufhebung des Verwendungsverzichts und die Verrechnungspflicht mit fälligen Arbeitgeberbeiträgen, wenn das ordentliche Reservekonto einen zu hohen Stand aufweist und über den Gesamtbetrag. Gleichzeitig regelt er, was mit den Arbeitgeberbeitragsreserven bei einer Gesamt- beziehungsweise Teilliquidation geschieht. Bei einer Gesamtliquidation verfallen sämtliche Arbeitgeberbeitragsreserven zugunsten der Vorsorgeeinrichtung. Bei einer Teilliquidation ist nur die Arbeitgeberbeitragsreserve tangiert, welche mit einem Verwendungsverzicht belastet ist. Der Verwendungsverzicht wird in dem Umfang definitiv, als die Unterdeckung dem auszuscheidenden Vorsorgevermögen zuzuordnen ist. In diesem Umfang ­ und nur in diesem Umfang ­ werden die Mittel aus dem Arbeitgeberbeitragsreservekonto mit Verwendungsverzicht zugunsten der im Rahmen einer Teilliquidation austretenden Versicherten aufgelöst.

6425

2.1.6

Änderung von Art. 81 BVG: Abzug der Beiträge des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer

Die in Artikel 17 Absatz 2 neu aufgenommenen Arbeitnehmerbeiträge, welche vom altersabhängigen Zuschlag gemäss Absatz 1 ausgenommen sind, sind gestützt auf Artikel 81 BVG bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden abziehbar. Damit ist auch der Beitrag der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Behebung einer Unterdeckung nach Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe a miteingeschlossen. Eine Änderung des Artikel 81 Absatz 2 für die Steuerabzugsfähigkeit dieser Beiträge ist daher nicht notwendig. Vorbehalten bleibt die Änderung von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG).

Die entsprechenden Beiträge der Arbeitgeber gelten als Geschäftsaufwand, Artikel 81 Absatz 1 als Gesetzesgrundlage ist dafür ebenfalls ausreichend.

Um allfälligen Unklarheiten entgegenzuwirken, werden in Artikel 81 Absatz 1 neben den Beiträgen der Arbeitgeber neu auch die Einlagen in die Arbeitgeberbeitragsreserven nach Artikel 65c erwähnt.

2.1.7

Art. 81a BVG (neu): Abzug des Beitrags der Rentnerinnen und Rentner

Der Steuerabzug des Beitrags der Rentnerinnen und Rentner zur Behebung einer Unterdeckung nach Artikel 65b Absatz 3 Buchstabe b wird wegen dessen Besonderheit ­ es handelt sich wirtschaftlich betrachtet um eine temporäre Rentenkürzung ­ und weil er keine entsprechende Beitragspflicht des Arbeitgebers auslöst, in einem separaten Artikel geregelt.

2.2

Änderung des Freizügigkeitsgesetzes: Art. 17 Abs. 2­4 FZG

Artikel 17 Absatz 2 FZG erfährt sowohl rein redaktionelle wie auch materielle Änderungen. So werden aus Gründen der Übersichtlichkeit die Aufwendungen zur Deckung von Sondermassnahmen im Sinne von Artikel 70 BVG in den Beitragskatalog unter Buchstabe d aufgenommen. Absatz 3 entfällt.

Eine wichtige Änderung in Absatz 2 betrifft den Bedarfsnachweis der abzugsberechtigten Beiträge, gemäss Absatz 1, derjenigen Beiträge also, die im Freizügigkeitsfall dem Versicherten nicht mitgegeben werden müssen. Dieser Nachweis ist für sämtliche Beiträge zu führen und kann nur erfolgen, wenn die Beiträge und die entsprechenden tatsächlichen Aufwendungen in der Jahresrechnung gesondert ausgewiesen sind. Der Nachweis der Kosten bei neubeginnenden Renten (auch in Kapitalform) an Invalide, Witwen und Waisen basiert nur in einzelnen Fällen auf detaillierten Berechnungen, sondern beruht auf Schätzungen des Experten für berufliche Vorsorge. Dieser Nachweis kann daher in der Form von Schätzungen und im Anhang zur Jahresrechnung aufgeführt werden. Weiter ist zu beachten, dass nivellierte Beiträge die Regel darstellen, also nicht exakt und nicht zeitgerecht den

6426

Kosten folgen. Der Bedarfsnachweis kann daher auf einer mehrjährigen Beobachtungsgrundlage basieren.

Ferner werden neu die Buchstaben d­g und damit neue abzugsberechtigte Beiträge (mit Ausnahme von Bst. d, der dem bisherigen Absatz 3 entspricht) hinzugefügt. Die Vorsorgeeinrichtung hat sicherzustellen, dass eine genügende Finanzierung der Leistungen vorliegt. Finanzierung und Leistungen sollen im Gleichgewicht sein. Da Kürzungen laufender und anwartschaftlicher Leistungen vermieden werden sollen, muss der Vorsorgeeinrichtung ermöglicht werden, Kosten dem Arbeitgeber und den Versicherten zu belasten bzw. in Form von paritätischen Beiträgen einzufordern.

Die Erweiterung des Katalogs durch zusätzliche, abzugsberechtigte Beiträge kann nicht den Zweck haben, weitere Beiträge zu generieren. Es bleibt vielmehr zu wünschen, dass die Arbeitgeber sich auch weiterhin zugunsten der Vorsorgeeinrichtungen in grosszügiger Weise verpflichtet fühlen. In wirtschaftlich schwierigen Anlageperioden soll jedoch die Möglichkeit solcher Beitragserhebungen gegeben sein, wobei eine Entlastung der Kasse nur dann wirksam ist, wenn diese Beiträge bei Austritt nicht mitgegeben werden müssen und auch nicht das Vorsorgekapital erhöhen.

Absatz 2 Buchstabe d (neu) übernimmt aus redaktionellen Gründen aus dem bisherigen Absatz 3 den Beitrag zur Deckung von Sondermassnahmen gemäss Artikel 70 BVG, so dass Absatz 3 überflüssig wird.

Absatz 2 Buchstaben e und f (neu): Beiträge für Verwaltungskosten und für Kosten des Sicherheitsfonds Es ist Praxis, dass z.B. die Lebensversicherer die Verwaltungskosten in Rechnung stellen. Dies geschieht zumeist in Form von Risikobeiträgen21, möglich ist auch die Finanzierung aus Überschüssen. Bei den Vorsorgeeinrichtungen ist es vielfach so, dass der Arbeitgeber diese Kosten allein trägt, indem er die im Auftragsverhältnis übernommene Geschäftsführung kostenlos erbringt. Vielfach wurden diese Kosten durch Vermögenserträge finanziert. In ertragsschwachen Perioden ist die letztere Möglichkeit nicht mehr gegeben und kann zu Unterdeckungen führen.

Bei autonomen und halbautonomen Kassen fallen Vermögenserträge allein bei der Vorsorgeeinrichtung an und damit zugunsten der Destinatäre (Versicherte und Rentner und Rentnerinnen). Dies steht im Gegensatz zu den Lebensversicherern, welche zumeist als
börsenkotierte Aktiengesellschaften sowohl den Aktionären wie den Destinatären ihrer Versicherungsleistungen verpflichtet sind. Es versteht sich von selbst, dass die Verwaltungskosten gedeckt sein sollen, nicht aber eine Gewinnquelle darstellen dürfen. Der Bedarfsnachweis ist daher sowohl bei den Lebensversicherern wie auch von den Vorsorgeeinrichtungen zu erbringen. Da nur eine pauschalierte Beitragserhebung möglich ist, sollte mit diesen Beiträgen eine gesonderte Rückstellung gebildet werden können, wobei die effektiven Kosten gemäss Betriebsrechnung laufend abgebucht würden.

21

Die Finanzierung der Verwaltungskosten in Form von Risikobeiträgen ist ab dem Inkrafttreten der 1. BVG-Revision ausgeschlossen. Aufgrund der Transparenzbestimmungen sind die Verwaltungskosten und die Beiträge zur Deckung dieser Kosten ausdrücklich auszuweisen.

6427

Absatz 2 Buchstabe g (neu): Beitrag zur Behebung einer Unterdeckung Es handelt sich hierbei um den Beitrag des Versicherten, welcher der Behebung einer Unterdeckung dient und dadurch charakterisiert ist, dass er à fonds perdu geleistet wird (Art. 65b Abs. 3 Bst. a BVG).

Grundsätzlich gilt, dass die verschiedenen Beiträge ­ so sie bei der Berechnung der Austrittsleistung zum Abzug zugelassen sind ­ im Reglement gesondert aufgeführt werden müssen und deren Höhe in Prozenten festgelegt sein muss (Abs. 2). Es ist zudem das Verbot der Rückwirkung und die üblichen formalrechtlichen Vorgaben bei Reglementsänderungen zu beachten.

Diese Beiträge sollen in Analogie zu den Risikobeiträgen (Beiträge zur Ausfinanzierung der neu zu laufen beginnenden Invalidenrenten und Leistungen im Todesfall) steuerlich privilegiert sein. Es handelt sich hierbei um Kollektivbeiträge und nicht um einen gutzuschreibenden Beitrag im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 FZG und sollen daher im Austrittsfall bei der Vorsorgeeinrichtung verbleiben.

Absatz 3 wird gestrichen, weil der Beitrag zur Deckung von Sondermassnahmen gemäss Artikel 70 BVG neu in Absatz 2 Buchstabe d platziert wird.

Absatz 4 entspricht materiell der heutigen Regelung. Wegen der Erweiterung von Artikel 17 Absatz 2 (Bst. e­g) erfolgte eine Präzisierung in dem Sinne, als die genannten Beiträge gemäss den Buchstaben e­g trotz Abzugsmöglichkeit keine Verzinsungspflicht auslösen und auch nicht Bestandteil des dafür nicht verwendeten Teils der Beiträge sind.

2.3

Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)22: Art. 33 Abs. 1 Bst. d

Durch die Nennung weiterer Arbeitnehmerbeiträge, welche gemäss Artikel 17 Absatz 2 abzugsberechtigt sind, sind auch Beiträge aufgenommen worden, welche nicht unmittelbar zum Erwerb von Ansprüchen führen, sondern eine Kostenbeteiligung (z.B. Verwaltungskosten, Beitrag an den Sicherheitsfonds) darstellen. Damit auch diese Beiträge vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können beziehungsweise allfällige Ungewissheiten geklärt sind, wird der entsprechend einschränkende Wortlaut in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe d DBG gestrichen.

In Bezug auf die Arbeitgeberbeiträge beziehungsweise die Einlagen des Arbeitgebers in die Arbeitgeberbeitragsreserve ist eine Änderung nicht notwendig, da der entsprechende Absatz 1 Buchstabe b des Artikels 59 DBG über den geschäftsmässig begründeten Aufwand nicht einschränkend formuliert ist.

22

SR 642.11

6428

2.4

Änderung des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)23: Art. 9 Abs. 2 Bst. d

Es wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.3 verwiesen.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone

Es sind indirekte Konsequenzen für die Bundes- und Kantonsfinanzen in zwei Bereichen möglich. Erstens könnten sich finanzielle Folgen ergeben, die auf die Funktion von Bund und Kantonen als Arbeitgeber in den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen zurückzuführen sind. Belastungen oder auch Entlastungen für Bund und Kantone sind aufgrund der Vorlage allerdings dann möglich, wenn die Vorsorgeeinrichtung nach dem Grundsatz der geschlossenen Kasse bilanziert wird und keine Garantieverpflichtungen gegenüber der Vorsorgeeinrichtung bestehen und sofern das oberste paritätische Organ der Vorsorgeeinrichtung im Rahmen seiner neuen Kompetenzen Massnahmen beschliesst, welche einen Einfluss auf die Beiträge des Arbeitgebers an die Vorsorgeeinrichtung haben. Es ist aufgrund des vorhandenen Handlungsspielraums nicht möglich, diese Auswirkungen zu quantifizieren. Zweitens ist im Zusammenhang mit der Vorlage mit Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer und den direkten Steuern der Kantone und Gemeinden zu rechnen. Diese ergeben sich vor allem im Falle der Erhebung von Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern oder auch vom Beitrag der Rentnerinnen und Rentner zur Behebung der Unterdeckung. Solche Beiträge sind steuerabzugsberechtigt. Auch diese möglichen Auswirkungen können nicht quantifiziert werden. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass diese Mindereinnahmen je nach Grad der Unterdeckungen in der zweiten Säule über die Zeit ein spürbares Ausmass im Bundeshaushalt und in den Kantonshaushalten erreichen.

Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen für Bund und Kantone.

3.2

Auswirkungen auf die Informatik

Wird die Möglichkeit der auf Gesetzesstufe vorgeschlagenen Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung beziehungsweise einer Minderverzinsung wahrgenommen, sind diese bei den Vorsorgeeinrichtungen EDV-mässig umzusetzen.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Mit dem vorgeschlagenen Massnahmenpaket soll die Stabilität des Systems der 2. Säule gestärkt und das Vertrauen in seine Stabilität erhalten bleiben. Letztere hängt stark von der Entwicklung der Börsen- und Finanzmärkte ab und zwar in dem 23

SR 642.14

6429

Masse, als die Vorsorgeeinrichtungen in letzter Zeit der Vermögensperformance eine zunehmende Bedeutung beimassen und zu diesem Zweck ihr Vermögen in vermehrtem Masse in Anlagen mit erhöhter Volatilität diversifizierten. Gemäss der neusten veröffentlichten Pensionskassenstatistik24 haben die Aktien und Partizipationsscheine unter Einbezug der kollektiven Anlagen im Jahr 2000 die Obligationen und Kassascheine erstmals als bisher wichtigste Anlageform abgelöst. Ihr Anteil am Gesamtportefeuille betrug 25,2 Prozent für die privaten Einrichtungen und 29,6 Prozent für die öffentlichen Einrichtungen, was einem Gesamtvolumen von 160,9 Milliarden Franken entspricht. Die entsprechenden Anteile der Anlagen in Obligationen und Kassascheinen beliefen sich auf 28,5 respektive 21,8 Prozent und erreichten ein Gesamtvolumen von 152,6 Milliarden Franken.

Die seit dem Höchststand im Jahr 2000 aufgetretene sehr starke Abschwächung der Anlagemärkte weist die Besonderheit auf, dass die negative Entwicklung der Börsen mit einem Rückgang der Zinssätze für risikoarme Anlagen wie z. B. Bundesobligationen einherging. Parallel dazu hat die Aufwertung des Schweizer Frankens im Vergleich zum Dollar und, weniger ausgeprägt, gegenüber dem Euro dazu beigetragen, die Anlagen in Fremdwährungen zu schwächen. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grössenverhältnisse hat diese sehr ungünstige Kumulation der Ereignisse direkte Auswirkungen auf mehr als die Hälfte des Portefeuilles der Vorsorgeeinrichtungen, was das Auftreten von Unterdeckungen und die Notwendigkeit erklärt, auf verschiedene Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung zurückgreifen zu können.

Mit den vorgeschlagenen Massnahmen soll ein Ausgleich zwischen verschiedenen Zielkonflikten gefunden werden.

In der unsicheren Lage der Finanzmärkte darf nicht erwartet werden, dass sich die Probleme im Zusammenhang mit der Unterdeckung der Vorsorgeeinrichtungen durch eine Verbesserung der Anlagesituation lösen. Ohne Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung riskiert man eine weitere Absenkung des Deckungsgrades und damit die Gefahr von Stiftungsinsolvenzen. Wird eine Vorsorgeeinrichtung zahlungsunfähig, so muss sie von der Aufsichtsbehörde liquidiert werden und der Sicherheitsfonds der beruflichen Vorsorge stellt die Leistungen bis zu einem versicherten Verdienst in der Höhe
des 1,5-fachen des oberen Grenzbetrages gemäss Artikel 8 Absatz 1 BVG sicher. Der Sicherheitsfonds wird finanziert durch Beiträge aller Vorsorgeeinrichtungen, die nach Massgabe der reglementarischen Austrittsleistungen und der 10-fachen Summe der Rentenbeträge berechnet werden25. Seit 2003 beträgt der Beitrag 0,04 Prozent dieser Berechnungsgrundlage. Mit diesen Beiträgen kann der Sicherheitsfonds Insolvenzleistungen von rund 170 Millionen Franken ausrichten. Die jährliche Höhe der Insolvenzleistungen ist erheblichen Schwankungen unterworfen. Im Jahr 2002 wurden Leistungen in der Höhe von 106,3 Millionen Franken ausgerichtet. Stiftungsinsolvenzen aufgrund von anlagebedingten Vermögensverlusten fallen derzeit noch nicht ins Gewicht. Sollte sich dies aber ändern, was bei fortdauernder ungünstiger Entwicklung der Anlagemärkte der Fall sein könnte, wäre mit erheblich höheren Insolvenzzahlungen zu rechnen. Der Sicherheitsfonds verfügt bewusst nicht über eine nennenswerte Fondsreserve. Er müsste 24 25

«Die berufliche Vorsorge in der Schweiz», Pensionskassenstatistik 2000, herausgegeben vom Bundesamt für Statistik, Neuenburg, 2002, S. 22 f.

Artikel 16 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG (SFV, SR 831.432.1).

6430

für nicht durch laufende Beiträge gedeckte Insolvenzleistungen Kredite aufnehmen und zwangsläufig die Beiträge erhöhen. Eine Zunahme von Insolvenzleistungen des Sicherheitsfonds kann aber schon aus systematischen Gründen keine Lösung sein.

Sie führen nämlich letztlich zu einer Verstärkung der Umlagekomponente in der beruflichen Vorsorge: Es ist die gesamte Versichertengemeinschaft, welche die Mittel für die Finanzierung von Leistungen aufbringen müsste, welche sich aus der ungenügenden Finanzierung einzelner Vorsorgeeinrichtungen ergäbe. Noch schwerer dürfte allerdings die Vertrauenskrise wiegen, welche sich im Falle einer grösseren Zahl von Zwangsliquidationen wegen Zahlungsunfähigkeit ergäbe.

Die Vorsorgeeinrichtungen sind für ihre finanzielle Stabilität selbst verantwortlich.

Sie können und wollen diese Verantwortung auch wahrnehmen, weshalb sie weder an die Versichertengemeinschaft noch an die öffentliche Hand delegiert werden soll.

Dies setzt aber auch voraus, dass die Vorsorgeeinrichtungen in die Lage versetzt werden, eine Unterdeckung zu beheben.

Indem die Verpflichtung, eine Deckungslücke zu beheben, aufrechterhalten bleibt, jedoch eine zeitlich beschränkte Unterdeckung zugelassen wird, soll dadurch eine strukturierte Sanierung in der Zeit ermöglicht und eine allzu grosse ökonomische Auswirkung zu einem Zeitpunkt verhindert werden, da die Umstände sowohl für die Vorsorgeeinrichtungen als auch für die Versicherten und Arbeitgeber ungünstig sind. Im Zusammenhang mit dieser fundamentalen Charakteristik der Vorlage müssen die ökonomischen Konsequenzen eingeschätzt werden. Die Auswirkungen, welche man aufgrund der Verminderung des frei verfügbaren Einkommens der Versicherten und Begünstigten befürchten könnte, wird relativiert durch die Möglichkeit der Vorsorgeeinrichtungen mit Unterdeckung, in einer gewissen Zeitspanne ihre neuen, vorgesehenen Massnahmen zu organisieren. Dies gilt auch für Unternehmen im Falle von freiwilligen Zuwendungen und für die paritätisch übernommenen Beiträge als Arbeitgeber. Eine zu harte Belastung durch die sofortige Beseitigung der Unterdeckung wird zugunsten einer geplanten und differenzierten Strategie vermieden. Ansonsten könnte dies zum Beispiel zu einem noch weiter wachsenden Druck auf die Investitionsneigung führen, die schon durch die ungünstige Konjunktur
geschwächt ist und dies zu einem Zeitpunkt, in dem die Margen der Unternehmen schon sehr eng sind.

Die vorgeschlagene Vorlage beabsichtigt auch eine möglichst ausgeglichene Verteilung der ökonomischen Auswirkungen. Aufgrund der Ausweitung des Geltungsbereichs auf die Gesamtheit der Akteure erlauben die vorgeschlagenen Massnahmen eine Verteilung der Lasten, welche vermeidet, dass ein bestimmter Kreis alleine die zeitlich beschränkte Sanierung tragen muss. Die vorgeschlagenen Massnahmen verhindern so eine Opfer-Asymmetrie, welche sektoriell zu ausgeprägte ökonomische Folgen hätte.

Die Vorlage legt die Wahl und die Verantwortung bei der Anwendung von Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung eindeutig in den Kompetenzbereich der Vorsorgeeinrichtungen. Da das Ausmass von Unterdeckungen stark variieren kann, kann nicht erwartet werden, dass alle betroffenen Vorsorgeeinrichtungen sämtliche neuen Möglichkeiten, über die sie verfügen, ausschöpfen und sie nach den gleichen Modalitäten anwenden. Die Ursache von Unterdeckungen, das Risikoprofil und das variable Verhältnis zwischen Versicherten und den Rentnern und Rentnerinnen werden eine sehr differenzierte Handhabung des Massnahmenkatalogs bestimmen.

Daraus folgt, dass dessen gesamte ökonomische Auswirkung schwer beziffert wer6431

den kann. Andererseits erscheint es klar, dass die direkten Kosten der Anwendung dieser Massnahmen durch die Vorsorgeeinrichtungen sehr beschränkt bleiben werden, da deren Durchführung keine strukturellen Änderungen bewirken, welche erhebliche Investitionen nach sich zögen.

Um die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu begrenzen, weisen die vorgeschlagenen Massnahmen einen gemeinsamen Nenner auf: Sie sind ohne Ausnahme strikte auf eine bestimmte Dauer limitiert, d.h. solange eine Unterdeckung besteht.

Schliesslich haben es auch Bundesrat und Parlament in der Hand, durch die ökonomisch korrekte Festsetzung der entscheidenden Eckwerte die Problematik der Unterdeckungen zu entschärfen. Die Vorlage ergänzt somit den Entscheid des Bundesrates, den BVG-Mindestzinssatz mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage wurde im Bericht für die Legislaturperiode 1999­200326 nicht angekündigt. Wegen der nach wie vor angespannten finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen soll diese Vorlage raschestmöglich dem Parlament vorgelegt werden, damit ein Inkrafttreten unter Beachtung der Referendumsfrist auf den 1. Juli 2004 möglich wird.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Recht des Europarates weist zur Zeit keine der mit der vorliegenden Botschaft beantragten Gesetzesänderung entsprechende Regelung auf. Was jedoch die Europäische Union anbelangt, so haben der Rat und das Europäische Parlament am 3. Juni 2003 die Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung verabschiedet27. Diese Richtlinie stellt einen ersten Schritt in Richtung Errichtung eines inneren (Gemeinschafts-)Markts der beruflichen Vorsorgeordnung dar, der auf europäischer Ebene organisiert wird. Indem der Grundsatz der Vorsicht (prudent person rule) als dahinterliegendes Prinzip in der Kapitalanlage aufgestellt und den Einrichtungen ermöglicht wird, grenzüberschreitend tätig zu sein, sucht die EU die Neuorientierung des Sparens in Richtung Bereich der beruflichen Vorsorgeordnung zu fördern. Die Richtlinie betrifft die Einrichtungen, welche Vorsorgeleistungen anbieten, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung stehen und durch Kapitalisierung finanziert werden. Sie beschlägt weder die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme noch die im Umlageverfahren finanzierten Systeme und ist auch nicht auf die rein individuellen Vorsorgesparpläne anwendbar.

Die durch die Einrichtungen zur betrieblichen Altersversorgung gedeckten Risiken variieren stark von einem Mitgliedstaat zum andern. Die Mitgliedstaaten, in denen die Einrichtungen niedergelassen sind, dürften daher die Berechnung der techni26 27

BBl 2000 2276 Die Richtlinie 2003/41/EG wird auf den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten (voraussichtlich im Herbst 2003).

6432

schen Rückstellungen zusätzlichen, detaillierteren Regeln unterstellen als die in der Richtlinie vorgesehenen. Der Besitz angemessener Aktiven und in genügendem Umfang zur Deckung von technischen Rückstellungen schützt die Interessen der Angeschlossenen und Begünstigten des Vorsorgesystems im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Einrichtung. Wenn die Einrichtung nicht grenzüberschreitend tätig ist, dürften die Mitgliedstaaten eine Teildeckung nur unter der Bedingung bewilligen, dass ein adäquater Plan zur Wiederherstellung einer vollständigen Deckung aufgestellt wird.

Die Richtlinie sieht insbesondere vor, dass jede Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge jederzeit über ausreichende und angemessene Vermögenswerte zur Deckung der technischen Rückstellungen für sämtliche von ihnen verwalteten Altersversorgungssysteme verfügen muss (Art. 16 Par. 1). Ein Mitgliedstaat kann jedoch einer Einrichtung für einen begrenzten Zeitraum gestatten, nicht über genügend Aktiven zu verfügen, um die technischen Rückstellungen zu decken. In diesem Falle muss die Einrichtung einen konkreten und realisierbaren Plan vorlegen, wie die zur vollständigen Deckung der technischen Rückstellungen erforderlichen Vermögenswerte innerhalb eines angemessenen Zeitraums wiederbeschafft werden sollen. Dieser Plan wird den Angeschlossenen oder ihren Vertretern zur Verfügung gestellt und muss von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates genehmigt werden. Zudem muss bei der Erstellung des Plans die besondere Situation der Einrichtung berücksichtigt werden, insbesondere die Aktiv-Passiv-Struktur, ihr Risikoprofil, ihr Liquidationsplan, das Altersprofil der Versorgungsberechtigten, die Spezifizität neugeschaffener Systeme und von Systemen, die von einer nicht bestehenden oder teilweisen Kapitaldeckung zur vollständigen Kapitaldeckung übergehen (Art. 16 Par. 2). Die Richtlinie stellt indes keine Normen auf, was die Art von Massnahmen anbelangt, die die Einrichtungen zur betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen ihres Wiederbeschaffungsplans treffen können. Schliesslich müssen im Fall einer grenzüberschreitenden Tätigkeit die technischen Rückstellungen für die verwalteten Vorsorgesysteme jederzeit vollständig kapitalgedeckt sein (Art. 16 Par. 3).

Es ist anzumerken, dass die Richtlinie nur den über die obligatorischen Leistungen hinausgehenden
Bereich der beruflichen Vorsorge, also die erweiterte Vorsorge, betreffen würde. Die Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge, die gemäss dieser Vorlage in das BVG eingeführt werden sollen, sind in allgemeiner Hinsicht mit der Richtlinie der Gemeinschaft kompatibel.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die vorgeschlagenen Änderungen des BVG und des FZG stützen sich auf Artikel 113 Absätze 1­4 der Bundesverfassung (BV)28. Der Revisionsentwurf deckt sich mit diesen Bestimmungen.

Artikel 113 Absatz 3 BV ist die einzige ausdrückliche verfassungsrechtliche Finanzierungsvorschrift für die berufliche Vorsorge und hat zum Ziel, die Aufteilung der Beiträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber fest28

SR 101

6433

zulegen (paritätische Finanzierung). Artikel 65 Absatz 3 Buchstabe a BVG erfüllt diese Voraussetzung. Die oben genannte Finanzierungsvorschrift der Bundesverfassung ist ferner weder in Bezug auf die Finanzierungsarten noch in Bezug auf die Beitragszahler abschliessend. Folgerichtig hat der Gesetzgeber in Beobachtung der verfassungsrechtlichen Vorgabe die Gestaltung der Finanzierung grundsätzlich in den Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Vorsorgeeinrichtung gelegt.

Wird der Beitrag der Rentnerinnen und Rentner als temporäre Leistungskürzung betrachtet, entspricht die Ausgestaltung der Gesetzesbestimmung den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Würde die Behebung einer Unterdeckung bei den Rentendeckungskapitalien allein den Versicherten und dem Arbeitgeber angelastet, würde dies dem Gebot der Gleichbehandlung der Destinatäre zuwiderlaufen. Die vorgegebenen Schranken sind ferner so ausgelegt, dass kein Eingriff in geschützte Stammrenten der Rentnerinnen und Rentner vorliegt und damit der Vertrauensschutz gewahrt ist.

Die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Art. 33 Abs. 1 Bst. d DBG) und des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Art. 9 Abs. 2 Bst. d StHG) haben Artikel 111 Absatz 2 und 3 sowie Artikel 129 BV als verfassungsrechtliche Grundlage.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Nachfolgend werden die neu eingeführten Delegationen an den Bundesrat aufgelistet.

In Artikel 30f Absatz 2 BVG und 331f Absatz 2 OR wird dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, die Voraussetzungen und den Umfang von Einschränkungen während der Dauer einer Unterdeckung in Bezug auf den Vorbezug und die Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge zum Zweck der Wohneigentumsförderung sowie der Rückzahlung sowohl im obligatorischen wie im überobligatorischen Bereich zu umschreiben.

In Artikel 65c Absatz 3 BVG regelt der Bundesrat die Einzelheiten betreffend Arbeitgeberbeitragsreserven mit einem zeitlich befristeten Verwendungsverzicht. Er regelt die Aufhebung des Verzichts und die entsprechende Umbuchung auf das ordentliche Reservekonto. Er regelt die Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtung und des Arbeitgebers der laufenden Verrechnung mit fälligen Arbeitgeberbeiträgen, den möglichen Gesamtbetrag der Arbeitgeberbeitragsreserven und deren Behandlung bei einer Gesamt- beziehungsweise Teilliquidation.

6434

7

Verhältnis zum ATSG

Das auf den 1. Januar 2003 in Kraft gesetzte Bundesgesetz vom 6. Oktober 200029 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist ­ von wenigen Ausnahmen abgesehen, welche die Koordination und die Vorleistungspflicht betreffen30 ­ auf die berufliche Vorsorge grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Art. 2 ATSG). Die vorgeschlagenen Änderungen des BVG und des FZG betreffen weder die Koordination noch die Vorleistungspflicht und haben deshalb keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des ATSG im Bereich der beruflichen Vorsorge.

29 30

SR 830.1 Vgl. Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 66 vom 17.1.2003, Rz 397.

6435

6436