Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem KP4-Weizen in Lindau (ZH) Bewilligungsgesuch vom 4. Januar 2001 der ETH Zürich, vertreten durch das Institut für Pflanzenwissenschaften Verfügung vom 20. Dezember 2002 Referenz-Nr. B00003

A.

Sachverhalt

1. Am 4. Januar 2001 reichte die Gesuchstellerin ein Gesuch für einen Freisetzungsversuch mit transgenem KP4-Weizen ein. Die vorgesehene Versuchsfläche misst ca. 90 m2. Ziel des Versuchs ist es, die fungizide Wirkung von gentechnisch verändertem, KP4 («Killer Protein 4») exprimierendem Weizen gegenüber dem samenbürtigen Erreger des Weizenstinkbrandes (Tilletia tritici) unter Feldbedingungen zu prüfen. Vorversuche im Gewächshaus haben gezeigt, dass derart transformierte Weizenpflanzen eine verringerte Anfälligkeit gegenüber diesem Pilz besitzen.

Die für den Versuch vorgesehenen Weizenpflanzen sind gentechnisch verändert worden, indem zwei Fragmente aus dem pUC19-Plasmid als Vektor ins Genom integriert wurden. Diese Fragmente enthalten namentlich: a.

DNA-Sequenzen mit jeweils einem funktionellen Gen für das Killer-Protein 4 (KP4), dessen Expression vom Mais-Ubiquitin-Promoter kontrolliert und vom 35S Terminator des Blumenkohlmosaikvirus beendet wird;

b.

DNA-Sequenzen für eine Toleranz gegen das Herbizid Phosphinothricin.

Dazu wurde das bar-Gen aus dem Bodenbakterium Streptomyces hygroscopicus transferiert, das zwischen dem Actin-Promoter aus Reis und dem 35STerminator des Blumenkohlmosaikvirus liegt;

c.

DNA-Sequenzen für eine Antibiotikaresistenz. Nach Aussagen der Gesuchsstellerin ist ziemlich sicher, dass mehrere Kopien des bla-Gens, das eine Resistenz gegen Ampicillin codiert, ins Weizengenom mitübertragen wurden;

2. Das BUWAL stellte am 19. Januar 2001 das Gesuch folgenden Stellen zu:

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a.

den Bundesämtern für Gesundheit (BAG), für Landwirtschaft (BLW) und für Veterinärwesen (BVET), der Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS), der Eidg. Ethikkommission für Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und der Baudirektion des Kantons Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), KSF/Fachstelle für biologische Sicherheit zur Stellungnahme; der EFBS und dem AWEL wurden zudem spezifische Fragen zur Umweltverträglichkeit gestellt;

b.

dem Staatssekretariat für Wirtschaft, Arbeitsinspektorat, und der Schweiz.

Unfallversicherungsanstalt (SUVA) zur Information;

c.

der Gemeindeverwaltung Lindau mit der Auflage, es während 30 Tage für alle interessierten Personen aufzulegen.

2002-2775

3. Am 30. Januar 2001 wurde der Eingang des Gesuchs in Form eines Kurzbeschriebs im Bundesblatt (BBl 2001 196) publiziert und das Dossier ohne vertrauliche Unterlagen im BUWAL während 30 Tagen zur Einsichtnahme für alle interessierten Personen aufgelegt.

4. Nach verschiedenen Nachforderungen, welche den involvierten Bundesämtern und Fachstellen fristgerecht zugestellt worden waren, und nach Eingang deren Stellungnahmen (Näheres siehe Verfügung vom 20. Februar 2001: nachfolgend Verfügung), hat das BUWAL am 20. November 2001 das Gesuch abgewiesen, weil nach seiner Auffassung: ­

die von der Gesuchstellerin vorgenommene Risikobewertung wegen ungenügender Kenntnis des Organismus und ungenügender Abklärung seiner Wechselwirkung mit der Umwelt keine ausreichenden Aussagen über eine Gefährdung der Umwelt erlaubte (Ziffer B.2.1.2.1. und B.2.1.2.2. der Verfügung);

­

das als Marker verwendete Antibiotikaresistenz-Gen gegen Ampicillin unnötig sei und weil angesichts der in der Umwelt vorhandenen kumulativen Effekte und langfristigen Prozesse und insbesondere der Komplexität der Bodenmikroflora sowie der diesbezüglich grossen Unwissenheit und Unsicherheit ein schwer einzuschätzendes Risiko zurückbleibe und sich deshalb aufgrund des Vorsorgeprinzips ergebe, dass unnötige Risiken zu vermeiden seien (B.2.1.2.3. der Verfügung);

­

die Sicherheitsvorkehrungen gegen die Möglichkeit eines Pollenfluges ungenügend seien (B.2.1.2.4. der Verfügung), weshalb sich aus der Risikobewertung nicht ergebe, dass der Freisetzungsversuch den Menschen und die Umwelt nicht gefährden könne.

5. Am 31. Dezember 2001 erhob die Gesuchstellerin Beschwerde gegen den Entscheid des BUWAL und beantragte, es sei die Bewilligung zu erteilen, eventuell sei das BUWAL zur neuen Beurteilung zu verpflichten. In ihrer Beschwerde verpflichtete sich die Gesuchstellerin, sich den Auflagen und Bedingungen der Fachstellen zu unterwerfen (Ziff. 290 der Beschwerde) und deshalb die im Anhang der Beschwerde aufgeführten Auflagen und Bedingungen im Falle einer Bewilligungserteilung zu befolgen. Es seien dies alle von der EFBS, der EKAH, dem BAG, dem BLW, dem BVET, dem AWEL/ZH sowie dem externen Experten vorgeschlagenen Massnahmen, die sicherheitsrelevant sein könnten und auch nach Berücksichtigung der zweiten, abschliessenden Beantwortung auf die Nachforderung noch Sinn machen würden (Ziffer 291).

6. Am 12. September 2002 hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die Beschwerde gutgeheissen (Ziffer 1 Dispositiv) und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Dabei hat das UVEK das BUWAL angewiesen, das Gesuch gutzuheissen und nur noch die notwendigen Auflagen und Bedingungen festzulegen (Ziffer 2 Dispositiv). Das UVEK hat seinen Entscheid im Wesentlichen damit begründet:

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­

dass von der Stellungnahme der EFBS, die den beantragten Freisetzungsversuch unter Bedingungen und Auflagen als zulässig erachtet hatte, nur aus triftigen Gründen abgewichen werden dürfe;

­

dass das BUWAL in allen Punkten keine solchen Gründe namhaft gemacht habe, womit es ohne triftigen Grund von der Stellungnahme der EFBS abgewichen sei;

­

dass daher das BUWAL unangemessene Anforderungen an das Gesuch und unverhältnismässige Sicherheitsanforderungen hinsichtlich des möglichen Auskreuzens durch Pollenflug gestellt habe;

­

dass die Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen keine Umweltgefährdung darstelle.

7. Am 14. Oktober 2002 ist der Entscheid des UVEK vom 12. September 2002 in formelle Rechtskraft erwachsen.

8. Mit Schreiben vom 1. November 2002 wurde der Gesuchstellerin im Sinne der Gewährung des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit geboten, sich zu den festzulegenden Auflagen und Bedingungen zu äussern.

9. Mit Schreiben vom 4. November 2002 erklärten die Rechtsvertreter der Gesuchstellerin, dass diese an den in der Beschwerdeschrift aufgeführten Auflagen und Bedingungen festhalte.

10. Mit Schreiben vom 6. November 2002 hat das BUWAL davon Kenntnis genommen.

11. Mit Schreiben vom 18. November 2002 hat die Gesuchstellerin mitgeteilt, dass sie weitere Laborexperimente zur Biosicherheit durchgeführt hätte. U.a. seien die KP4-Expressionskassette komplett sequenziert, die spezifische Aktivität des KP4 bestimmt, die KP4-Expression differenziell überprüft, Experimente über das Wirkungsspektrum und über Nebenwirkungen vorgenommen, Antikörper getestet und die Verdauungsresistenz geprüft worden. Zu den von der EFBS vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen hinsichtlich des unvorhergesehenen Ereignisses führten sie aus, dass sie sich im Stande sehen, diese auch tatsächlich auszuführen.

12. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 wurden das BAG, das BLW, BVET und das AWEL zum Entwurf des Entscheids angehört. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2002 hat das BAG bis zum 17. Dezember 2002 Fristverlängerung beantragt. Das BLW und der Kanton Zürich haben mit Schreiben vom 13. Dezember, das BVET und das BAG mit Schreiben vom 17. Dezember 2002 zum Entwurf positiv Stellung genommen.

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B.

1.

1.1

Erwägungen Beurteilung aufgrund des Umweltschutzgesetzes Rechtliche Grundlagen

1. Nach Artikel 29a des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG) darf mit Organismen nur so umgegangen werden, dass sie, ihre Stoffwechselprodukte oder Abfälle die Umwelt oder mittelbar den Menschen nicht gefährden können. Wer gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen, die nicht für Verwendungen in der Umwelt in Verkehr gebracht werden dürfen, im Versuch freisetzen will, benötigt eine Bewilligung des Bundes (Art. 29e Abs. 1 USG). Nach Artikel 29e Absatz 2 USG erlässt der Bundesrat Vorschriften über die Anforderungen und das Verfahren für die Erteilung der Bewilligung für Freisetzungsversuche.

2. Wer gentechnisch veränderte, pathogene oder andere nach Artikel 5 der Einschliessungsverordnung vom 25. August 1999 als potenziell gefährdend eingestufte Organismen im Versuch freisetzen will, benötigt eine Bewilligung des BUWAL (Art. 7 Abs. 1 Freisetzungsverordnung vom 25. August 1999 [FrSV]). Nach Artikel 19 Absatz 1 FrSV erteilt das BUWAL die Bewilligung, wenn die Beurteilung des Gesuchs, insbesondere der Risikobewertung, ergibt, dass nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung der Freisetzungsversuch den Menschen und die Umwelt nicht gefährden kann und wenn die Bundesämter für Gesundheit (BAG), für Veterinärwesen (BVET) und für Landwirtschaft (BLW) auf Grund der Beurteilung des Gesuchs anhand ihrer spezialgesetzlichen Vorschriften dem Freisetzungsversuch zustimmen.

3. Gemäss Artikel 9 Absatz 1 FrSV hat das Gesuch u.a. die Massnahmen zur zeitlichen und räumlichen Begrenzung des Umgangs in der Umwelt zu enthalten, wie Überwachungs- und Kontrollmassnahmen, Massnahmen zur Abfallentsorgung und Notfallpläne (Bst. c i.V.m. Anh. 4 Ziff. 4 FrSV) und einen Überwachungsplan, damit mögliche schädliche oder lästige Einwirkungen des Freisetzungsversuchs auf den Menschen und die Umwelt während und nach dem Versuch frühzeitig festgestellt werden können (Bst. d).

4. Nach Artikel 19 Absatz 3 FrSV verknüpft das BUWAL die Bewilligung mit den erforderlichen Bedingungen und Auflagen zum Schutz des Menschen und der Umwelt. Es kann insbesondere verlangen, dass das Versuchsgebiet gekennzeichnet, eingezäunt oder besonders abgesichert wird (Bst. a), und auf Kosten der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers anordnen, dass zusätzlich zum Überwachungsplan (Art. 9 Abs. 1 Bst. d FrSV) das Versuchsgebiet und
dessen Umgebung während und nach dem Versuch überwacht werden. Weiter kann das BUWAL anordnen, dass Proben genommen und untersucht werden (Bst. b) und die Durchführung und Überwachung des Versuchs auf Kosten der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers von einer Begleitgruppe (Art. 27 FrSV) kontrolliert wird (Bst. c), sowie Zwischenberichte verlangen (Bst. d).

5. Nach Artikel 12 FrSV muss die Bewilligungsinhaberin oder der Bewilligungsinhaber dem BUWAL spätestens 90 Tage nach Abschluss des Freisetzungsversuchs Bericht erstatten. Der Bericht umfasst insbesondere die Daten und Ergebnisse der Überwachung betreffend die Einwirkungen des Freisetzungsversuchs auf den Menschen und die Umwelt.

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6. Das BUWAL überwacht die Durchführung der Freisetzungsversuche (Art. 27 Abs. 1 FrSV). Es kann zu diesem Zweck eine Begleitgruppe einsetzen, in der insbesondere der Kanton, in dem der Freisetzungsversuch stattfindet, Einsitz nehmen kann. Die Begleitgruppe kontrolliert durch Stichproben die Durchführung des Freisetzungsversuchs vor Ort, führt darüber Protokoll und teilt das Ergebnis der Überwachung dem BUWAL mit (Art. 27 Abs. 2 FrSV).

1.2

Beurteilung

1. Für die Stellungnahmen mit den Auflagen und Bedingungen der EFBS, der EKAH und des AWEL verweisen wir auf die Verfügung vom 20. November 2001 (Ziffer B.2.1.1.).

2. Mit dem Entscheid vom 12. September 2002 hat das UVEK festgehalten, dass das Umweltrisiko des beantragten Freisetzungsversuchs grundsätzlich tragbar und dieser damit grundsätzlich zulässig ist. Für die Festlegung der technischen Einzelheiten über die adäquaten Begleitmassnahmen hat es den Entscheid über den beantragten Freisetzungsversuch an das BUWAL zurückgewiesen.

3. a.

Die technisch und betrieblich möglichen Begleitmassnahmen sind aktenkundig. Sie ergeben sich aus dem Entscheid vom 12. September 2002 des UVEK, wonach insbesondere die Vorschläge der in der Freisetzungsverordnung genannten Fachstellen zu berücksichtigen seien (Ziff. 3), aus den Gesuchsunterlagen und den Eingaben der Gesuchstellerin während des Beschwerdeverfahrens und aus den in Ziffer 1.1. genannten direkt anwendbaren Vorschriften der Freisetzungsverordnung.

b.

Mit Schreiben vom 1. November 2002 wurde der Gesuchstellerin im Sinne der Gewährung des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit geboten, sich zu den festzulegenden Auflagen und Bedingungen nochmals zu äussern. Mit Schreiben vom 4. und 18. November 2002 hat die Gesuchstellerin auf ihre Beschwerdeschrift vom 31. Dezember 2001 verwiesen, worin sie sich verpflichtet hat, sich den von den Fachstellen geforderten Auflagen und Bedingungen zu unterziehen, alle in den Gesuchsunterlagen beschriebenen Sicherheitsmassnahmen durchzuführen, die Öffentlichkeit transparent über den Freisetzungsversuch zu informieren, die in den Gesuchsunterlagen beschriebenen Biosicherheitsversuche durchzuführen, die Ergebnisse der Experimente zugänglich zu machen, die in den Gesuchsunterlagen vorgeschlagenen Überwachungsmassnahmen sowie Massnahmen zum Monitoring durchzuführen und aussergewöhnliche oder unerwartete Ereignisse unverzüglich zu melden.

4. a.

Die von der Gesuchstellerin im Gesuch, in den ergänzenden Unterlagen, in der Beschwerdeschrift und im Schreiben vom 18. November 2002 vorgeschlagenen Bedingungen und Auflagen umfassen sämtliche von den angehörten Fachstellen vorgeschlagenen Massnahmen. Sie dienen dem Zweck, die Umwelt und den Menschen durch den Versuch nicht zu gefährden (Art. 19 Abs. 1 Bst. a FrSV), und finden daher ihre gesetzliche Grundlage in Artikel 29a und 29e USG, Artikel 9 i.V.m. Anhang 4 i.V.m. Artikel 19 FrSV sowie Artikel 12 FrSV. Aus der Sicht der Gesuchstellerin sind sie als

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Folge der von ihr vorgenommenen Risikobewertung des Freisetzungsversuchs geeignet, notwendig und zumutbar, um eine Gefährdung der Umwelt und des Menschen auszuschliessen (Art. 19 Abs. 1 Bst. a FrSV). Das BUWAL hat diese Massnahmen überprüft. Aus seiner Sicht sind keine Gründe ersichtlich, von dieser Beurteilung abzuweichen, und sind auch keine weiteren Massnahmen erkennbar. Die von der Gesuchstellerin genannten Massnahmen sind klar formuliert, weshalb sie hier im Einzelnen nicht wiederholt werden müssen. Indes sind einige Präzisierungen notwendig.

b.

aa. Die Gesuchstellerin hat in ihrem Gesuch festgehalten, dass die Versuchsfläche während der Blütezeit der gentechnisch veränderten Organismen mit Pollenzelten gesichert sei. Das UVEK hat in seinem Entscheid vom 12. September 2002 festgehalten, dass das Risiko einer durch Pollenflug vermittelten Auskreuzung der transgenen Versuchspflanzen und damit eine Umweltschädigung infolge dieser Pollenzelte tragbar und das Restrisiko, d.h. eine mögliche Schädigung durch ein ausserordentliches Ereignis grundsätzlich hinzunehmen sei. Im Falle eines ausserordentlichen Ereignisses sei indes insbesondere das von der EFBS vorgeschlagene Notfallkonzept, wobei allenfalls in Nachbarrechte eingegriffen werden müsste, eine adäquate Massnahme, damit ein Eindringen des Pollens in die natürlichen Kreisläufe unterbunden werden könne (Erw. 2.3.4.5.). Dieses Notfallkonzept sieht vor, dass nach einem ausserordentlichen Ereignis (Unwetter, Sturm, Sabotageakt), das eine Auskreuzung durch Pollenflug ermöglicht, im Umkreis von 200m angebautes Erntegut weder als Basissaatgut noch als zertifiziertes Saatgut oder als Vermehrungsmaterial für den Wiederanbau im eigenen Betrieb verwendet werden darf.

bb. Mit Schreiben vom 18. November 2002 hat sich die Gesuchstellerin ausführlich zum vom UVEK als notwendig bezeichneten und von der EFBS vorgeschlagenen Notfallplan geäussert. Die Gesuchstellerin führt dazu aus, dass sie dafür sorgen werde, allen Anforderungen an einen Notfallplan der EFBS zu entsprechen, und auch mit den Nachbarn in Kontakt treten werde, damit diese keinen materiellen Schaden davontragen würden. Entsprechende Abreden sollen das Verfahren zur Räumung der betroffenen Flächen wie auch die Entschädigung der Bauern einschliessen.

cc. Festzuhalten ist somit, dass die Versuchsfläche u.a. mit Pollenzelten abzudecken und gegenüber Sabotageakten genügend zu sichern ist (Art. 19 Abs. 3 FrSV), dass die nach einem Sturm oder Unwetter kontaminierten Flächen im Umkreis von 200m zu räumen sind und dass das kontaminierte Material zu vernichten ist, soweit es nicht im geschlossenen System weiter verwendet werden soll. Verpflichtet zur Durchführung dieser Massnahmen ist die Gesuchstellerin (Art. 9 i.V.m.

Anh. 4 Ziff. 4 i.V.m. Art. 19 FrSV). Ist sie bei einem ausserordentlichen Ereignis nicht in der Lage dieses Notfallkonzept in allen
Einzelheiten durchzuführen, insbesondere weil sie mit den möglichen betroffenen Nachbarn keine vertraglichen Abmachungen auf Räumung der kontaminierten Flächen vorweisen kann, wird die Vollzugsbehörde unter Kostenfolgen zu Lasten der Gesuchstellerin das Notwendige ver79

anlassen. Trifft die Gesuchstellerin mit Nachbarn Vereinbarungen, so hat sie diese der Vollzugsbehörde vor Versuchsbeginn zur Kenntnis zu bringen.

c.

aa. Das BUWAL ist die Vollzugsbehörde zur Überwachung der Durchführung des Freisetzungsversuches (Art. 27 Abs. 1 FrSV). Da die Überwachung der Durchführung des Freisetzungsversuches lokale Kenntnisse und hohe zeitliche Präsenz erfordert, wird das BUWAL entsprechend Artikel 27 Absatz 2 FrSV eine Begleitgruppe einsetzen. Diese soll die Durchführung des Freisetzungsversuchs überwachen, insbesondere soll sie kontrollieren, ob die Gesuchstellerin die Vorschriften der Freisetzungsverordnung sowie die Auflagen und Bedingungen dieser Verfügung einhält. Die Gesuchstellerin hat der Begleitgruppe insbesondere die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und ihr den Zutritt zu allen Räumen und Versuchsflächen zu gewähren, die für den Versuch verwendet werden. Die Begleitgruppe hat keine Verfügungskompetenz; sie erstattet über ihre Ergebnisse dem BUWAL Bericht.

Sind aufgrund des vorgefundenen Sachverhalts Massnahmen notwendig, informiert sie das BUWAL unverzüglich. Die Begleitgruppe wird sich aus maximal fünf Personen zusammensetzen. Die Kosten der Begleitgruppe gehen Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe c FrSV zufolge zu Lasten der Gesuchstellerin und werden nach Abschluss des Versuchs durch das BUWAL erhoben. Die Gebührenbemessung und die anrechenbaren Auslagen richten sich dabei nach Artikel 36 ff. FrSV und der Verordnung vom 15. Oktober 2001 über die Gebühren für Dienstleistungen nach der Freisetzungsverordnung (SR 814.911.36; VGFrSV).

bb. Die Gesuchstellerin hat die im Dispositiv aufgeführten Unterlagen und allfällige Vereinbarungen mit den Nachbarn (oben 4b.cc.) dem BUWAL einzureichen.

1.3

Gebühren

1. a.

Wer eine Dienstleistung oder eine Verfügung des BUWAL nach der Freisetzungsverordnung veranlasst, muss eine Gebühr bezahlen (Art. 36 Abs. 1 FrSV). Nach Artikel 37 FrSV erlässt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die Gebührenansätze u.a. für das Bewilligen von Freisetzungsversuchen. Das UVEK hat am 15. Oktober 2001 gestützt auf Artikel 37 FrSV die Verordnung über die Gebühren für Dienstleistungen nach der Freisetzungsverordnung (SR 814.911.36; VGFrSV) erlassen. Gemäss deren Artikel 1 beträgt die Gebühr für Bewilligungen von Freisetzungsversuchen zwischen 1000 Franken und 20 000 Franken. Sie wird nach Aufwand bemessen.

b.

Wer eine Dienstleistung oder eine Verfügung des BUWAL nach der FrSV veranlasst, muss ebenfalls die Auslagen bezahlen (Art. 36 FrSV). Nach Art. 38 FrSV gelten die Kosten, die durch Beweiserhebung, wissenschaftliche Untersuchungen, besondere Prüfungen oder die Beschaffung von Unterlagen verursacht werden (Bst. b), oder Kosten für Arbeiten, die das BUWAL von Dritten erstellen lässt (Bst. e), als Auslagen.

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2. a.

Die Beurteilung des Gesuches abzüglich der Aufwendungen, die nur für den abweisenden Entscheid erforderlich gewesen sind, hat insgesamt 90 Arbeitsstunden beansprucht. Bei einem in der Bundesverwaltung üblichen und auch in Art. 1 Abs. 3 VGFrSV vorgesehenen Stundenansatz von 120 Franken belaufen sich die Gebühren somit total auf 10 800 Franken.

b.

Das BUWAL hat den Kanton Zürich beauftragt, die Umweltrisiken vertieft abzuklären, und dafür einen Betrag von 3000 Franken vereinbart. Entsprechend Artikel 38 Buchstabe b und e FrSV hat die Gesuchstellerin für diesen Betrag aufzukommen.

2.

Beurteilung des Freisetzungsversuches aufgrund der vom BAG, BVET und BLW betreuten Gesetze

1. Für die Stellungnahmen des BVET und des BLW verweisen wir auf die Verfügung vom 20. November 2001 (Ziffer B.2.2.). Die beiden Ämter konnten dem Freisetzungsversuch zustimmen; sie haben keine Auflagen und Bedingungen gefordert.

2. Das BAG kommt in seinen Stellungnahmen vom 4. September und 17. Oktober 2001 zum Schluss, dass die Unterlagen für eine wissenschaftliche Beurteilung des Gesuchs aus gesundheitsrechtlichen Gründen ausreichen würden und der Versuch nach heutigem Kenntnisstand keine direkte Gefährdung des Menschen darstelle. Das BAG könne deshalb dem Vorhaben zustimmen, wenn sichergestellt sei, dass keine Körner der Mantelsaat-Pflanzen und der transgenen Versuchspflanzen in die Nahrungskette gelangen würden. Im Falle aussergewöhnlicher Ereignisse oder neuer Erkenntnisse verlangt das BAG eine sofortige Information seiner Fachstellen.

C.

Entscheid

Aufgrund dieser Erwägungen und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen wird verfügt: 1. Das Gesuch der ETH Zürich, vertreten durch das Institut für Pflanzenwissenschaften, seinerseits vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl. Natw. ETH Stefan Kohler, Rechtsanwälte Pestalozzi, Lachenal, Patry, Löwenstrasse 1, 8001 Zürich, vom 4. Januar 2001 zur Freisetzung von gentechnisch verändertem KP4-Weizen wird mit folgenden Auflagen und Bedingungen bewilligt: a.

Während des Versuchs führt die Gesuchstellerin alle im Gesuch, in den ergänzenden Unterlagen, in der Beschwerdeschrift und im Schreiben vom 18. November 2002 vorgeschlagenen Massnahmen durch, zu denen insbesondere gehören: aa. Die Gesuchstellerin deckt zur Vermeidung der Pollenverbreitung während der Blütezeit die KP4-Weizenpflanzen mit einem pollendichten Gewebe (Pollenzelte) ab;

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bb. sie überdeckt die Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaat mit einem Vogelnetz, verwehrt kleinen Nagetieren den Zutritt zu den Versuchspflanzen mit Blechen und befestigt oberhalb der niedrigsten Stelle der Umrandung ein Fliegengitter, damit Keimlinge nicht abgeschwemmt werden; cc. sie umgibt die gentechnisch veränderten Pflanzen mit einer Mantelsaat von 2 m Breite; dd. sie pflanzt in unterschiedlicher Entfernung zur Versuchsfläche männliche sterile Weizenpflanzen an, um zu prüfen, ob sie gentechnisch veränderte Körner tragen; nach Abschluss der Prüfung sind diese Weizenpflanzen in einer Abfallverbrennungsanlage sachgerecht zu entsorgen, soweit diese nicht für weitere Untersuchungen im geschlossenen System benötigt werden; sie berichtet dem BUWAL über die Erkenntnisse; ee. sie stellt sicher, dass im Umkreis von 60m kein Weizen-Saatgut produziert wird; ff. sie schneidet alle Ähren der Versuchspflanzen und der Mantelsaat vor der Reife ab und entsorgt diese sachgerecht in einer Abfallverbrennungsanlage, soweit sie diese nicht für weitere Untersuchungen im geschlossenen System benötigt; gg. sie stellt sicher, dass keine Pflanzen der Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaat oder deren Samen in Verkehr oder in die Nahrungskette gelangen können; hh. sie stellt durch Abschrankungen und andere Massnahmen sicher, dass keine Pflanzen oder Bestandteile davon ausgerissen oder entwendet werden können und dass die Versuchsfläche nicht von Unberechtigten betreten werden kann; Passanten sind durch Informationsschilder auf diesen Umstand aufmerksam zu machen; ii. sie stellt sicher, dass kontaminierte Geräte autoklaviert werden, kontaminiertes Pflanzenmaterial sachgerecht in einer Abfallverbrennungsanlage vernichtet wird, soweit dieses nicht für weitere Untersuchungen im geschlossenen System benötigt wird, und dass nach Abschluss des Versuchs der Boden der Versuchsfläche einschliesslich der Mantelsaatfläche umgepflügt und thermisch behandelt wird; jj. sie überprüft täglich die Versuchsfläche und meldet ausserordentliche Ereignisse, wie Stürme, Unwetter, die ein Entweichen von Pollen nach sich ziehen könnte, oder wie Sabotageakte (z.B. Betreten des Versuchsgeländes, Entwendung von Pflanzen, Zerstörung des Feldes etc.)

unverzüglich dem BUWAL (PD Dr. Georg Karlaganis, 079 415 99 62, oder Dr. Hans Hosbach, 031 322 54 36) und der Koordinationsstelle für Störfallvorsorge des AWEL (043 322 10 50);

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kk. sie ergreift bei einem ausserordentlichen Ereignis die im Notfallplan vorgesehen Massnahmen, soweit sie dazu in der Lage ist, andernfalls wird die Vollzugsbehörde die erforderlichen Massnahmen veranlassen; innerhalb von zwei Wochen müssen die von einem ausserordentlichen Ereignis betroffenen Flächen geprüft und allenfalls geräumt, kontaminierte Geräte autoklaviert sowie kontaminiertes Pflanzenmaterial und kontaminierte Erde sachgerecht in einer Abfallverbrennungsanlage vernichtet werden, soweit diese nicht für weitere Untersuchungen im geschlossenen System benötigt werden. Sie meldet die Erledigung dieser Arbeiten den obgenannten Personen des BUWAL.

b.

Die Gesuchstellerin führt alle im Gesuch, in den ergänzenden Unterlagen, in der Beschwerdeschrift und im Schreiben vom 18. November 2002 vorgeschlagenen Biosicherheitsversuche durch, insbesondere gehören dazu folgende Massnahmen: aa. Die Gesuchstellerin reicht vor Beginn des Freisetzungsversuchs dem BUWAL ein Konzept zu den Biosicherheitsversuchen ein. Diese betreffen den horizontalen Gentransfer, den Pollenflug und die Auskreuzung, die Toxizität und die Selektionsvorteile von Mikroben sowie die Nebenwirkungen auf Mykorrhiza und die pleiotrope Genexpression; bb. sie startet diese Biosicherheitsversuche während des Freisetzungsversuchs; cc. sie informiert über Zwischenergebnisse möglichst so, dass sie für den Überwachungsprozess genutzt werden können; dd. sie erstellt nach Abschluss der Untersuchungen einen Schlussbericht über die Ergebnisse der Untersuchungen und übermittelt diesen dem BUWAL.

c.

Die Gesuchstellerin übermittelt dem BUWAL vor Versuchsbeginn Angaben über die Bepflanzungen der an die Versuchsstation angrenzenden Nutzflächen und Informationen über eine allfällige Nutzung der Erntegüter als Basissaatgut.

d.

Die Gesuchstellerin analysiert nach Abschluss des Freisetzungsversuchs verschiedene Bodenproben auf das Vorhandensein von Transgenen und erstattet dem BUWAL Bericht über diese Resultate.

e.

Die Gesuchstellerin beobachtet zudem nach Abschluss des Freisetzungsversuchs während eines Jahres das Umfeld der Versuchsfläche nach keimenden Weizenpflanzen. Sie teilt die Ergebnisse der Analyse und der Beobachtung dem BUWAL schriftlich mit.

f.

Die Gesuchstellerin erstellt ferner innert 90 Tagen nach Abschluss des Freisetzungsversuchs einen Bericht, der: aa. die Wirksamkeit der Sicherheitsmassnahmen (einzeln und in Kombination) bewertet. Insbesondere ist das Verhältnis des Aufwandes für die verschiedenen Sicherheitsmassnahmen (Isolationsabstände, Mantelsaat, Pollenzelte, usw.) und die damit gewonnene Sicherheit abzuschätzen; bb. Auskunft gibt über den tatsächlichen Ablauf des Freisetzungsversuchs, die wichtigsten daraus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Einwirkungen auf Mensch und Umwelt.

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g.

Die Gesuchstellerin übermittelt neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit den transgenen Weizenlinien, welche die Risiken für Mensch und Umwelt betreffen, unverzüglich an das BUWAL;

h.

Die Gesuchstellerin stellt der Begleitgruppe die für die Überwachung des Freisetzungsversuchs notwendigen Unterlagen zur Verfügung und gewährt ihr den Zutritt zu allen Räumen und Versuchsflächen, die im Zusammenhang mit dem Freisetzungsversuch verwendet werden. Die Zusammensetzung und der genaue Auftrag der Begleitgruppe wird der Gesuchstellerin vor Versuchsbeginn zugestellt.

2. Die Gebühren werden festgesetzt auf 10 800 Franken, die Auslagen auf 3000 Franken. Sie gehen zu Lasten der Gesuchstellerin. Die Rechnungstellung erfolgt durch das BUWAL.

3. Gegen diese Verfügung kann innert 30 Tagen ab ihrer Eröffnung beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), 3003 Bern, Beschwerde erhoben werden (Art. 50 VwVG).

Zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat, sowie jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das Bundesrecht zur Beschwerde ermächtigt (Art. 54 USG i.V.m. Art. 48 VwVG).

Die Beschwerdefrist beginnt für Parteien, denen dieser Entscheid persönlich eröffnet wird, an dem auf den Eingang der schriftlichen Ausfertigung folgenden Tag, für die andern Parteien an dem auf die Publikation folgenden Tag zu laufen.

Die Beschwerdeschrift ist im Doppel einzureichen. Sie hat die Begehren, deren Begründungen mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden bzw. der sie vertretenden Person zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind der Beschwerde beizulegen, soweit die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer sie in Händen hält.

Die Verfügung und die Entscheidunterlagen können innerhalb der Beschwerdefrist beim BUWAL, Abt. Stoffe, Boden, Biotechnologie, Worblentalstrasse 68, 3063 Ittigen, zu den üblichen Bürozeiten eingesehen werden. Telefonische Voranmeldung unter der Nummer 031/322 93 49.

4. Der Entscheid wird eingeschrieben eröffnet: ­

der Gesuchstellerin (Rechtsanwälte Dr. Marcus Desax und lic.iur. et dipl.

Natw. ETH Stefan Kohler, Rechtsanwälte Pestalozzi, Lachenal, Patry, Löwenstrasse 1, 8001 Zürich),

­

der Gemeinde Lindau (ZH),

und im Bundesblatt publiziert (VwVG Art. 36).

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5. Mitteilung zur Kenntnis an: ­

Generalsekretariat UVEK

­

Bundesamt für Gesundheit

­

Bundesamt für Landwirtschaft

­

Bundesamt für Veterinärwesen

­

Staatssekretariat für Wirtschaft, Arbeitsinspektorat

­

Schweiz. Unfallversicherungsanstalt

­

Baudirektion des Kanton Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), KSF/Fachstelle für biologische Sicherheit

­

Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit

­

Eidg. Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich

14. Januar 2003

Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Der Direktor: Philippe Roch

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