Einflussnahme des Bundes auf die Kostendämpfung im Bereich des Krankenversicherungsgesetzes ­ Untersuchung anhand von zwei ausgewählten Beispielen Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 5. April 2002 vom 30. September 2002

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) gibt dem Bundesrat Gelegenheit, sich zu ihrem Bericht vom 5. April 2002 über die Einflussnahme des Bundes auf die Kostendämpfung im Bereich des Krankenversicherungsgesetzes zu äussern. Gestützt auf Artikel 46 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) unterbreiten wir Ihnen unsere Stellungnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. September 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2002-2157

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen hat die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates an zwei Beispielen, der Spitalplanung und dem gesamtschweizerischen Einzelleistungstarif für Arztleistungen TARMED, überprüft, ob und wie die Träger des Bundes ihre Handlungsmöglichkeiten wahrnehmen und welche Auswirkungen ihre Aktivitäten im Hinblick auf das im Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) festgeschriebene Kosteneindämmungsziel haben. Zwar stellt die Kommission zusammenfassend fest, dass das KVG dem Bund in den allermeisten Fällen nur indirekte Einflussmöglichkeiten auf die Kostenentwicklung einräumt. Sie hält weiter fest, dass zahlreiche Kostendämpfungsmassnahmen von mehreren Trägern umzusetzen sind und dass, neben dem Bund und den Kantonen, insbesondere den Krankenversicherern und den Leistungserbringern eine wesentliche Rolle zukommt.

Die Kommission ist der Auffassung, dass das Kostendämpfungsziel auch wegen einiger durch das Gesetz selbst bewirkter Anreize nicht erreicht werden konnte.

Zwecks der Verbesserung der Zusammenarbeit sowie der Korrektur falscher Anreize hat die Kommission Empfehlungen formuliert. Auf diese bezieht sich die nachfolgende Stellungnahme.

2

Würdigung der Schlussfolgerungen der Geschäftsprüfungskommission

2.1

Gesetzgebung

Empfehlung 1: Vermehrter Einsatz von prospektiven Evaluationen Die Geschäftsprüfungskommission unterstützt die Wirkungsanalysen im Auftrag des BSV und dessen Absicht, die Kostenentwicklung in nächster Zeit in den Vordergrund zu stellen. Sie empfiehlt einen vermehrten Einsatz von prospektiven Evaluationen bei der Vorbereitung komplexer Reformvorhaben im KVG-Bereich sowie eine Verbesserung der statistischen Grundlagen in Zusammenarbeit mit den Kantonen.

Bereits jetzt erfolgt eine prospektive Analyse der Konsequenzen im Vorfeld jeder Gesetzesänderung. So sind im Anhang zur Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 (BBl 1992 I 93) ­ als Ergebnis von Schätzungen und Expertenmeinungen ­ Angaben über die Kostenfolgen enthalten. Eine Evaluation der Kostenfolgen wird ebenfalls im Rahmen der Zulassung von neuen Leistungen durchgeführt. Die Empfehlung der Geschäftsprüfungskommission zum vermehrten Einsatz prospektiver Evaluationen ist daher nicht zuletzt im Sinne einer Professionalisierung dieser Evaluationen zu begrüssen. Es ist jedoch nicht immer möglich, die erwünschten Angaben und Informationen auf professionelle Weise zu erheben und zu erlangen. Weil für prospektive Evaluationen oft die grundlegenden Daten fehlen, muss auf Schätzungen abgestellt werden, welche sich wiederum auf Hypothesen stützen. Die Resultate sind in diesen Fällen als Grös400

senordnungen zu verstehen und ermangeln der erwünschten Präzision. Basis für prospektive Evaluationen bilden insbesondere statistische Daten und statistisch signifikante Wirkungszusammenhänge. Weiter besteht eine Schwierigkeit darin, dass der Zugriff auf gewisse, für eine Evaluation an sich erforderliche Daten wegen des Datenschutzes blockiert ist. Problematisch ist es auch, unabhängige Experten und Expertinnen zu finden, die eine solche Evaluation vornehmen können. Abgesehen von diesen technischen Schwierigkeiten bringen die Evaluationen umfangreiche Arbeiten mit sich, welche die Ressourcen aller Beteiligten übersteigen.

Der Bundesrat hat in verschiedenen Antworten auf parlamentarische Vorstösse, welche den Statistikbereich betreffen, ausgeführt, dass ihm die Verbesserung der Grundlagen ein Anliegen sei. Bei der Gesundheitsstatistik sind denn auch im Hinblick auf den Vollzug des KVG in den letzten Jahren zusätzliche Ressourcen für den Ausbau der betreffenden Statistiken bereitgestellt worden. Insbesondere die zu Aufsichtszwecken im Rahmen des KVG wie auch die für die Finanzierung und Steuerung des Gesundheitswesens benötigte Information beruht jedoch auf komplexen Analysemodellen und erfordert hohe Zuverlässigkeit der Daten. Dies hat trotz der getroffenen Massnahmen zu Vollzugsproblemen geführt, so dass gewisse, selbst dringende Vorhaben zurückgestellt werden mussten. Mit Schreiben vom 27. Mai 2002 zu Handen der Geschäftsprüfungskommission hat die Schweizerische Kommission für Gesundheitsstatistik auf diese Problematik hingewiesen; die Geschäftsprüfungskommission hat ihrerseits in einem Schreiben vom 4. Juli 2002 an die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit sowie die Finanzkommissionen betont, dass aussagekräftige Statistiken für den ganzen Gesundheitsbereich, insbesondere jedoch auch für den Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes, von zentralster Bedeutung sind. Abschliessend ist festzustellen, dass auf Grund der gegebenen Ressourcenlage dem erforderlichen Ausbau der Gesundheitsstatistik enge Grenzen gesetzt sind.

Im Rahmen des Projekts «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» ist ferner eine neue Plattform im Aufbau, das Schweizerische Gesundheitsobservatorium, das vorhandene Gesundheitsinformationen aufbereiten und analysieren soll. Es bezweckt, Bund, Kantone und weitere
Institutionen im Gesundheitswesen bei ihrer Planung, Entscheidfindung und in ihrem Handeln zu unterstützen, kann jedoch ebenfalls nur soweit tätig werden, als die statistischen Grundlagen vorliegen. Es bedarf der Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren, um die Wirkungsweise des Systems zu erforschen und zur Transparenz beizutragen.

2.2

Bundesrätliche Rechtsprechung

Empfehlung 2: Übertragung der Rechtsprechungsfunktion an das Bundesverwaltungsgericht Der Kommission für Rechtsfragen wird empfohlen, die Rechtsprechungsfunktion des Bundesrates, welche dieser im Bereich des Krankenversicherungsgesetzes ausübt, an das geplante Bundesverwaltungsgericht zu übertragen. Seine Rechtsprechungsfunktion erlaube dem Bundesrat keine politische Führung. Er könne nur in Einzelfällen und erst im Nachhinein reagieren und die Vereinheitlichung von Planungskriterien und die Harmonisierung unter den Kantonen seien erschwert. Dazu

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sei das Vertrauensverhältnis zwischen Bund und Kantonen durch die bundesrätliche Rechtsprechung beeinträchtigt.

Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001 (BBl 2001 4202) im Grundsatz zugunsten der Übertragung der von der Kommission zitierten Rechtsprechungsfunktion an das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen. Die Diskussionen über den entsprechenden Gesetzesvorschlag sind im Parlament noch nicht abgeschlossen. Die Haltung des Bundesrates ist durch zwei Faktoren begründet: Erstens begrüsst er es, wenn er von seinen regierungsfremden Rechtsprechungsaufgaben entlastet wird, da in den letzten Jahren die Anzahl der Beschwerden aus dem Bereich des Krankenversicherungsgesetzes sehr hoch war. Zweitens verlangt die Rechtsweggarantie ohnehin, dass Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich durch ein Gericht entschieden werden. Spezifische Gründe für eine gesetzliche Ausnahme liegen nicht vor, auch wenn Beschwerden nach Artikel 53 KVG eine gewisse politische Tragweite aufweisen.

Mit der Übertragung der Rechtsprechungsfunktion an ein Gericht verbunden ist die Abgabe der Rechtsprechungskompetenz des Bundesrates im bedeutenden Bereich der Beschwerden gegen Entscheide von Kantonsregierungen. Zwar ist sich der Bundesrat bewusst, dass im Sinne der Gewaltentrennung eine Vermischung von Rechtsprechungs- und Rechtssetzungsfunktion zu vermeiden ist. Dennoch kann er die Meinung der Geschäftsprüfungskommission nicht vollumfänglich teilen, wonach diese Massnahme die Möglichkeit des Bundesrates zur politischen Führung verstärke. Der Bericht der Geschäftsprüfungskommission zeigt nämlich gerade auf, dass die Akteure des Bundes qualitativ keine grossen Handlungsspielräume haben. Entgegen der Ansicht der Kommission dürfte es für den Bundesrat ohne Rechtsprechungsfunktion eher schwieriger werden, politischen Druck auszuüben sowie die Einheitlichkeit der Umsetzung eines Bundesgesetzes in diesem sensiblen Bereich zu gewährleisten.

Empfehlung 3: Vermehrte politische Steuerung im Dienste der Kostendämpfung Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat, den Handlungsspielraum, den er wegen der Abgabe seiner Rechtsprechungsfunktion erhält, im Sinne einer vermehrten politischen Steuerung im Dienste der Kostendämpfung konsequent zu nutzen.

Es ist primär Aufgabe der zuständigen
Behörden und der Vertragspartner darauf zu achten, dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige Versorgung zu möglichst günstigen Kosten sichergestellt ist (Art. 43 Abs. 6 KVG). Die Sicherstellung von Qualität und Wirtschaftlichkeit des Systems beziehungsweise der im System erbrachten Leistungen liegt auf der Ebene der Definition der Leistungen, der Tarifierung der Leistungen und der Leistungserbringung. Nach Artikel 43 Absatz 7 KVG kann aber auch der Bundesrat Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur sowie für die Anpassung der Tarife aufstellen, damit die Tarife der genannten Zielsetzung möglichst gerecht werden. Dadurch ist es möglich, dass der Bundesrat nicht erst im Zeitpunkt der Genehmigung von gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstrukturen nach Artikel 43 Absatz 5 KVG, d.h. nachdem die Tarifpartner die Verhandlungen schon abgeschlossen haben, sondern schon bei Erarbeitung des Tarifs Einfluss nimmt. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass der Erlass derartiger Bestimmungen Zeit in Anspruch nimmt und daher eine zeitliche Verzögerung nach sich zieht.

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Im Rahmen der Beratungen der zweiten Teilrevision KVG (Botschaft des Bundesrates vom 18. September 2000; BBl 2001 741) wurde zudem die Diskussion über die Regelungsmöglichkeiten des Bundes im Spitalplanungsbereich geführt. Aufgrund der verfassungsmässigen Kompetenzzuordnung liegen diese heute allein bei den Kantonen. Im Rahmen der Beratungen zur zweiten Teilrevision des KVG wird sich zeigen, wie weit es die eidgenössischen Räte für vertretbar halten, die bis anhin geltenden Grundsätze weniger restriktiv zu interpretieren und dem Bundesrat damit mehr Spielraum einzuräumen.

2.3

Zusammenarbeit unter den Behörden und Institutionen im Gesundheitswesen

Empfehlung 4: Intensivierung der Zusammenarbeit unter den Behörden und Institutionen im Gesundheitswesen Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat, sich für eine bessere Zusammenarbeit unter den Behörden und Institutionen im Gesundheitswesen einzusetzen. Insbesondere dem Projekt «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» soll genügend politisches Gewicht gegeben werden.

Wie bereits aus der Antwort zur Empfehlung 1 hervorgeht, strebt der Bundesrat eine bessere Zusammenarbeit mit den Kantonen und anderen Organisationen des Gesundheitswesens an, wie dies ansatzweise schon im Rahmen des Projektes «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» verwirklicht wird. Der Bund setzt dazu namhafte Mittel ein und beteiligt sich zudem direkt im Teilprojekt «Angebotsplanung», das mit dem Ziel der besseren Koordination des Angebotes im Spitalbereich bzw. der Spitzenmedizin angelaufen ist. Das ebenfalls im Rahmen dieses Projektes lancierte Gesundheitsobservatorium wird zur Zeit vom Bund getragen und ist beim Bundesamt für Statistik angesiedelt; Kantone und weitere Partner im Gesundheitswesen werden bei der Implementierung einbezogen. Eine Ausdehnung der Einflussnahme des Bundes im Tarifbereich und im Bereich der Spitalplanung ist, wie schon in Zusammenhang mit der Empfehlung 3 bemerkt wurde, zu begrüssen. Dies soll aber unter Wahrung der Autonomie der Tarifpartner und der Kantone sowie ihrer Rolle im Rahmen der Krankenversicherung erfolgen, da diese Autonomie Grundsatz des KVG und Voraussetzung für dessen Funktionieren ist. Aus Sicht des Bundesrates wäre es heikel, wenn sich der Bund um einzelne Tarifverträge oder um einzelne Spitalplanungen der Kantone kümmern würde. Dies wäre materiell und von der Kompetenzordnung her nicht machbar. Der Bund soll eine Rolle einnehmen, in der er die Kantone und die Institutionen des Gesundheitswesens unterstützt, beratend wirkt und koordiniert, damit diese ihre Aufgaben im Hinblick auf eine von allen Partnern getragene Zielsetzung erfüllen können.

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2.4 Postulat 1:

Spitalplanung Verstärkung der interkantonalen Spitalplanung

Die Kommission stellt fest, dass die bundesrätliche Rechtsprechung zur Spitalplanung kaum Anreize zu einer interkantonalen Koordination schafft und sich vorwiegend auf die optimale Nutzung der Ressourcen eines bestimmten Kantons bezieht.

Auch das KVG enthalte Anreize für eine autarke und unkoordinierte Planung. Dem Bundesrat wird empfohlen zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie Anreize für eine stärkere interkantonale Spitalplanung geschaffen werden können.

Der Spitalbereich hat sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt, ohne dass der Optimierung des Systems genügende Beachtung geschenkt wurde. Diese Situation hat zu Überkapazitäten, Doppelspurigkeiten und ungenügender Koordination geführt, mit finanziellen Folgen für die Kostenträger Versicherung und Staat. In dieser Situation wurde die Einführung eines Instruments der staatlichen Regulierung als Voraussetzung für die Zulassung der Spitäler nötig: Die Spitäler (sowie analog auch die Pflegeheime) haben nicht nur personelle und infrastrukturelle Voraussetzungen zu erfüllen, sondern müssen auch auf der aufgrund der Planung erstellten Liste aufgeführt sein (Art. 39 KVG). Die Planung soll im Hinblick auf eine bedarfsgerechte Versorgung erstellt werden, das heisst mit dem Ziel, das Angebot der Nachfrage anzupassen. Zudem soll sie eine Koordination und eine Optimierung des Leistungsangebotes bewirken. Einerseits soll mit einem bedarfsgerechten Angebot der Anreiz vermindert werden, Patienten und Patientinnen unnötig und länger als nötig zu hospitalisieren, was wiederum zu einem Kosteneindämmungseffekt auf der Nachfrageseite führt. Andererseits sollen die Leistungserbringung koordiniert und optimiert und so die Produktionskosten auf der Angebotsseite gesenkt werden. Interkantonale Spitalplanungen sind in diesem Sinne seit der Einführung des KVG angestrebt. Die interkantonale Spitalplanung soll Synergien und die Zusammenarbeit fördern. Trotzdem ist nach Inkrafttreten des KVG eine vermehrte Kantonalisierung der Spitalstrukturen erfolgt.

Die zweite Teilrevision des KVG soll die Anreize neu setzen, so dass die interkantonale Spitalplanung attraktiv wird: Indem jene Leistungen, welche in einem Spital, welches auf der Liste des Wohnsitzkantons der versicherten Person aufgeführt ist, je hälftig durch die Versicherung und den Kanton übernommen werden sollen,
macht das Gesetz keinen Unterschied mehr zwischen innerkantonaler und ausserkantonaler Behandlung. Zudem sind alle Leistungen, welche zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbracht werden, zu planen. Einer interkantonalen Planung entgegen wirken können die Standortvorteile, welche die Kantone aus dem Betrieb eines Spitals ziehen (Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Aufträge für Zulieferbetriebe). Dies ist der Anreiz, welcher auch im Falle der Leistungsfinanzierung nicht im Sinne der Kosteneindämmung wirkt. Sollte der Bundesrat durch die zweite Teilrevision des KVG die Kompetenz zur Formulierung von Kriterien im Bereich der Planung erhalten, könnte er seine Einflussnahme dennoch verstärken.

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Der Bundesrat hat sich in diesem Rahmen bereit erklärt, das Postulat vom 5. April 2002 (02.3175) anzunehmen und einen Bericht zu den Möglichkeiten des Bundes im Bereich der interkantonalen Spitalplanung zu erstellen. Diese Arbeiten sind indessen mit den Arbeiten im Nachgang zur zweiten Teilrevision, d.h. dem Übergang zur leistungsbezogenen Spitalfinanzierung und der damit verbundenen Verstärkung des Planungsinstruments zu koordinieren.

Festzuhalten ist zudem, dass neben den Arbeiten im Rahmen des eingangs erwähnten Projektes «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» die Vorschläge im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (Botschaft des Bundesrates vom 14. November 2001, BBl 2002 2291 ff.)

zu einer Förderung der interkantonalen Spitalplanungen führen sollen, indem der Bund die Kantone oder zumindest einige von ihnen zur Zusammenarbeit im Rahmen von interkantonalen Verträgen verpflichten könnte, im Bereich Spitzenmedizin und Spezialkliniken gemeinsam zu planen.

Empfehlung 5: Schaffung bzw. Erhöhung der Planungssicherheit Nach Ansicht der Kommission sollte der Bundesrat vermehrt von vornherein das Gespräch mit den Kantonen suchen, um seine Vorstellungen über die Anforderungen an die Spitalplanungen bekannt zu geben. Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz zu prüfen, wie er die Erwartungs- und Planungssicherheit der Akteure im Bereich der Spitalplanung schaffen bzw. erhöhen kann.

Die Kantone subventionieren die Spitäler und sind wegen der Prämienverbilligung auch vom kantonalen Prämienniveau berührt. Sie haben darum ein Interesse, kostendämpfend zu handeln und ihren grossen Spielraum bei der Spitalplanung für die Regulierung des Angebotes zu nutzen. Es ist also Aufgabe der Kantone, die Spitalplanung als Instrument der Kostendämpfung im Interesse der Prämienzahler und ­zahlerinnen sowie der Steuerzahler und ­zahlerinnen anzuwenden. Der Bundesrat kann sich im Rahmen seiner Rechtsprechung über Planungskriterien äussern und die Kantone auf die Folgen deren Nichtberücksichtigung aufmerksam machen. Von Seiten der kantonalen Behörden sind im Spitalbereich Koordination, Reduktion von Überkapazitäten, die Verminderung von Doppelspurigkeiten, Entscheide über die Mindestgrösse
der Spitäler und die Anpassung des Angebotes an den Bedarf erforderlich. Weil die Gesundheitsversorgung in den Kompetenzbereich der Kantone fällt, ist bei der Fällung der notwendigen Entscheide im Grundsatz auf die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung abzustellen: Mit dem Entscheid über die Versorgung wird auf das Niveau der Kosten bzw. der Prämien Einfluss genommen. Es kann nur Aufgabe der kantonalen Behörden sein, eine Planung zu erstellen und die Bevölkerung auf die Kostenfolgen dieser oder einer alternativen Planung zu informieren.

Der Bundesrat hat, im Rahmen der geltenden Gesetzgebung, infolge seiner bisherigen Rechtsprechung nur noch begrenzt die Möglichkeit, die Wirkung der Planung im Hinblick auf die Kosteneindämmung zu optimieren. Er kann aber seine privilegierte Situation ausnutzen, dank der Übersicht über die verschiedenen kantonalen Planungen. Im Rahmen seiner Entscheidpraxis kann er sich schon heute über die Anforderungen an eine bedarfsgerechte Planung äussern. Bei seinen Entscheiden berücksichtigt der Bundesrat die bundesstaatliche Kompetenzordnung und schreibt

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den Kantonen nicht vor, wie sie ihre Spitalplanung zu gestalten haben. Im Rahmen der Rechtsprechung und in seinen Erwägungen zu den Merkmalen einer bedarfsgerechten Spitalplanung hat der Bundesrat die meisten Punkte der Spitalplanung in Anwendung des geltenden Gesetzes ausführlich erklärt, so dass ein Bedarf an weiteren Erläuterungen nicht mehr allzu gross sein dürfte. Bereits im Vorfeld der Einführung des KVG hat der Bund im Übrigen über die anstehenden Änderungen und deren Umsetzung mit den Kantonen Diskussion geführt, die Erarbeitung von konkreteren Anforderungen indessen alleine den zuständigen Kantonen überlassen. Die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz hat diesbezüglich Empfehlungen abgegeben, allerdings erst kurz vor Ablauf der Frist für die Erstellung der Planungen und Listen. Hinsichtlich der Umsetzung der zweiten Teilrevision KVG ist eine engere Zusammenarbeit mit den Kantonen wünschbar.

Postulat 2:

Vorbereitung des Übergangs zur Leistungsplanung

Die Kommission erachtet die Kapazitätsplanung als kein adäquates Instrument, um das Ziel der Kosteneindämmung zu erreichen, weil mehr die erbrachten Leistungen als die vorhandenen Kapazitäten Kosten verursachen. Der Bundesrat wird beauftragt, die Einführung der Leistungsplanung zu prüfen und hierfür das Bundesamt für Sozialversicherung zu veranlassen, frühzeitig und in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen ein Konzept zur Einführung der Leistungsplanung zu erarbeiten.

Auch dieses Postulat vom 5. April 2002 (02.3176) wurde vom Bundesrat entgegen genommen. Wie in Bezug auf das Thema der interkantonalen Spitalplanung ist der Bundesrat auch in Bezug auf die Leistungsplanung bereit, einen Bericht erstellen zu lassen. Dabei wird der Einbezug der beteiligten Partner im Gesundheitswesen erforderlich sein. Zudem wird der Autonomie der Tarifpartner grosses Gewicht beizumessen sein.

Bereits in seiner Botschaft zur zweiten Teilrevision des KVG hat der Bundesrat ausgeführt, dass das vorgeschlagene Finanzierungssystem mit einer besseren Bedarfsplanung im Sinne der Planung von Leistungen einhergehen müsse und dass nicht mehr allein auf die bestehenden Kapazitäten, das heisst auf die Betten, abgestellt werden könne. Zur Zeit sind die empirischen und epidemiologischen Kenntnisse, welche für die Leistungsplanung erforderlich sind, noch lückenhaft. Damit alle nach KVG zu erbringenden Leistungen geplant werden können, ist die Füllung der Lükken und die Erarbeitung eines von den Partnern im Gesundheitswesen definierten Konzepts für die Leistungsplanung erforderlich.

Empfehlung 6: Durchführung einer umfassenden Wirkungsanalyse Die Kommission erwähnt, dass keine Aussagen gemacht werden können zur Frage, ob und inwieweit infolge der Spitalplanung tatsächlich Kosten eingespart wurden.

Sie bemerkt, dass eine Evaluation der Spitalplanung bis heute noch nicht zustande gekommen ist und empfiehlt dem Bundesrat, in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Durchführung einer umfassenden Wirkungsanalyse der Spitalplanung zu veranlassen.

Die Frage, inwiefern durch die Spitalplanungen die effiziente Verwendung der Ressourcen gefördert und ein Beitrag zur Kosteneindämmung erzielt werden konnte, ist in der Tat umstritten. Die Auswirkungen der Spitalplanung auf die Kostenentwicklung sind jedoch schwierig nachzuweisen. Zur Beurteilung der Kosteneinsparungen 406

wäre ein umfassender Kosten- und Leistungsvergleich auf der Basis von umfangreichen Datengrundlagen und Wirkungszusammenhängen notwendig. Die Tatsache, dass sich Art, Umfang und Qualität der erbrachten Leistungen im Zeitablauf ändern, erschwert die Aufgabe. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der medizinische und technologische Fortschritt dazu geführt hat, dass vermehrt Behandlungen, welche vor einiger Zeit im Spital durchgeführt worden sind, heute im ambulanten Rahmen erbracht werden. Unter diesen Bedingungen, Kostenwirkungen zu evaluieren, ist äusserst problematisch.

Bei Inkrafttreten des KVG im Jahre 1996 war zudem der Abbau der damals bestehenden Überkapazitäten im Spitalbereich das vordringliche Anliegen der Spitalplanung. Dieser Abbau ist in allen Kantonen an die Hand genommen worden, wenn auch nicht in allen Kantonen mit der gleichen Rigidität. Der Bundesrat hält es für vertretbar, in einem späteren Zeitpunkt eine Bestandesaufnahme durchführen zu lassen. Der Durchführung einer eigentlichen Analyse der Kostenwirkungen steht er ­ einerseits angesichts der Komplexität der Zusammenhänge und andererseits wegen des Mangels an wissenschaftlich belegten Wirkungsmechanismen ­ skeptisch gegenüber. Nicht zu vergessen ist, dass die Kantone eine tragende Rolle in der Spitalplanung einnehmen. Stehen sie einer vertieften Analyse skeptisch gegenüber, wie dies in den im Rahmen der Wirkungsanalyse zum KVG durchgeführten Projekten der Fall war, so ist deren Durchführung erschwert.

2.5

Arzttarif TARMED

Empfehlung 7: Erlass einer Verordnung für die Umsetzung von TARMED Nach Ansicht der Kommission soll der Bundesrat im Falle von TARMED sowohl definieren, was er unter der wirtschaftlichen Bemessung der Tarife versteht, als auch klare Vorgaben zur Umsetzung der Kostenneutralität machen. Die Unsicherheiten für die Tarifpartner und Kantone seien so zu reduzieren.

Obwohl das KVG einen Rahmen für die Tarifbildung vorgibt, gilt zwischen den Tarifpartnern grundsätzlich die Tarifautonomie. Die Tarifpartner sind demnach zur Aushandlung und Umsetzung von Tarifverträgen zuständig, während die Einhaltung der Rahmenbedingungen durch die behördliche Genehmigung der Tarifverträge garantiert wird. Dieses Prinzip gilt selbstverständlich auch für TARMED. Eine sogenannte Umsetzungsverordnung für TARMED würde einen Eingriff in die Tarifautonomie bedeuten, was in diesem Falle sowohl unlogisch wie ungerechtfertigt wäre, da sich die Tarifpartner geeinigt und einen Tarifvertrag inklusive Kostenneutralitätskonzept ausgehandelt haben. Zwar sieht Artikel 43 Absatz 7 KVG für den Bundesrat die Möglichkeit vor, dass Richtlinien zur wirtschaftlichen Bemessung von Tarifen erlassen werden können. Dabei muss es sich aber um generell-abstrakte Normen handeln und nicht um individuell-konkrete für einen ausgewählten Tarif. Eine Verordnung, welche auf Artikel 43 Absatz 7 KVG beruht, könnte gewisse allgemeine Kriterien vorgeben, wobei solche Kriterien einerseits bereits aus dem KVG hervorgehen und andererseits bereits durch die bundesrätliche Rechtsprechung formuliert wurden.

Der Bundesrat hat sich zur Tarifstruktur TARMED bereits vor der Genehmigung aktiv verhalten und klare Vorstellungen geäussert. Insbesondere forderte er immer 407

wieder die Kostenneutralität und zwar, ausgehend von der Tarifautonomie, in Form einer Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern. Dem Einwand, dass die Kostenneutralität von TARMED auf Ebene der Kantone, durch die Genehmigung oder Festlegung der Taxpunktwerte abschliessend zu beurteilen und umzusetzen ist, kann entgegengehalten werden, dass der Bundesrat ergänzend zur Genehmigung von TARMED Empfehlungen formuliert. Wegen den Empfehlungen des Bundesrates und jener der Preisüberwachung dürfte der Spielraum der Genehmigungsbehörden limitiert und damit auch die Rechtsunsicherheit für die Tarifpartner gering sein.

Allfällige Beschwerden an den Bundesrat sollten diesbezüglich mit keinen überraschenden Entscheiden verbunden sein. Letztlich handelt es sich auch hier, wie schon bei Empfehlung 3, wiederum um die allgemeine Frage über Art und Ausmass der Steuerung. Auch hier sind die Vor- und Nachteile einer vermehrten Steuerung auf der einen Seite mit jenen der Einschränkung der Kompetenzen auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen.

Empfehlung 8: Vermeidung von Rollenkonflikten Nach Ansicht der Kommission soll sich der Bundesrat auf die Rolle beschränken, die politischen Zielvorgaben zu setzen.

Empfehlung 9: Vermehrter Einsatz alternativer Entscheidungsmechanismen Nach Ansicht der Kommission soll der Bundesrat ein Konzept für alternative Entscheidungsmechanismen wie professionelle und neutrale Moderation oder Mediation ausarbeiten.

Dass heute Rollenkonflikte bestehen ­ welche im Übrigen auch auf der Ebene der Kantone vorkommen ­ ist bekannt; in diesem Sinne ist das Anliegen nicht unbegründet. Im Rahmen der Entstehung der Tarifverträge ist der Bund zwar kein Tarifpartner, er begleitet aber Tarifverhandlungen und genehmigt gesamtschweizerische Tarifverträge. Dadurch entsteht ein Konfliktpotenzial. Sollte sich der Bundesrat von der Einflussnahme auf die Tarifbildung zurückziehen, ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Erstens sind alle Beteiligten im Gesundheitswesen in irgendeiner Form Partei; eine von allen akzeptierte und neutrale Moderationsinstanz wäre schwer zu finden. Möglicherweise dürfte sogar der Bundesrat als die «unabhängigste» Stelle angesehen werden. Zweitens fragt es sich, ob die geforderte neutrale Stelle die Erwartungssicherheit in Bezug auf die Tarifgenehmigung verbessern kann, da sie nicht
die zuständige Behörde ist. Das alleinige Setzen der politischen Zielvorgaben durch den Bundesrat könnte sich dann allenfalls als ungenügend erweisen. Ein anderer Rollenkonflikt kann sich daraus ergeben, dass der Bundesrat ­ vorläufig ­ ebenfalls die Rechtsprechungsfunktion bei Tarifbeschwerden innehat. Diese richterliche Funktion beruht indes auf einer gesetzlichen Grundlage. Der Bundesrat vertritt keinerlei privaten Interessen und hat daher ein gemeinnütziges Leitmotiv. Wenn die politischen Zielsetzungen des Gesetzgebers klar sind, kann der Bundesrat auch in diesem Sinne wirken und die ihm auferlegte Rolle, unabhängig von irgendwelchen Eigeninteressen, wahrnehmen. Angesichts dessen, dass der Bundesrat ­ sowie auch die Kantonsregierungen ­ im demokratischen Verfahren gewählt sind, stellt sich die Frage, welche Stellen besser legitimiert sein können, Funktionen mit dem erwähnten Konfliktpotenzial auszuüben.

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Postulat 3:

Prüfung der Wirkungen von TARMED

Die Kommission fordert vom Bundesrat eine Überprüfung der Wirkungen von TARMED. Die Wirkungen sind mit anderen Vergütungsmodellen zu vergleichen und allfällige Korrekturen einzuleiten.

Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, das Postulat vom 5. April 2002 (02.3177) entgegenzunehmen und begrüsst dieses grundsätzlich. Im Rahmen des KVG wurde bereits eine Reihe von sogenannten Wirkungsanalysen durchgeführt, so dass sich durchaus auch für TARMED eine solche aufdrängt. Zu warnen ist aber vor zu hohen Erwartungen an die Ergebnisse einer solchen Studie. Aus Sicht des Bundesrates müsste die Wirkungsanalyse primär beantworten können, ob die mit TARMED verbundene Transparenz in der Kostenentwicklung einen Dämpfungseffekt erzielen konnte. Andererseits dürfte es äusserst schwierig sein, mittels den vorgeschlagenen Vergleichen mit anderen Vergütungsmodellen und somit auf einer sehr hypothetischen Ebene, strukturelle Effekte von TARMED herauszukristallisieren. Was die Einleitung von Korrekturen angeht, dürfte aufgrund des beschränkten Handlungsspielraumes des Bundesrates die Möglichkeit direkter Massnahmen beschränkt sein, indirekt kann er seinen Einfluss jedoch im Rahmen der Genehmigung geltend machen.

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