Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat im Zirkularverfahren vom 15. April 2003, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3 Absatz 1, 9, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG, SR 235.154); in Sachen Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) betreffend Gesuch vom 20. Dezember 1999 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens verfügt: Bewilligungsnehmer Dem CHUV wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Der Verantwortliche für die Bewilligungsforschung ist der medizinische Direktor Prof. Dr. med. Pierre De Grandi.

Durch die Bewilligung wird dem mit dienstinterner Forschung betrauten Personal des CHUV sowie den Doktoranden gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Daten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Datenanleger dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten CHUV. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten von andern Spitäler oder medizinischen Instituten angewiesen sein, oder soll externen Forschern Einblick in nicht anonymisierte Daten des CHUV gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

Das Departement Psychiatrie (centre) erscheint in der neuen Organisationsstruktur als neue Verwaltungseinheit. Ebenfalls zu dieser Einheit ist das «Département universitaire de psychiatrie adulte (DUPA)» zu zählen. Die Expertenkommission nimmt von der neuen Ausgestaltung Kenntnis. Zur internen Forschung des CHUV gehören folglich auch die wissenschaftlichen Tätigkeiten des Departements Psychiatrie sowie jene des DUPA. Der Bewilligungsentscheid der Expertenkommission vom 28. Januar 2003 in Sachen DUPA wird gegenstandslos. Er wird durch die vorliegende Verfügung ersetzt.

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Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in den spitalinternen Datenbanken und Papierdateien die für interne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

Bedingungen Wenn die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne, dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

Forschende, welche auf das Einholen der Einwilligung bei Psychiatre-Patienten wegen eines möglichen Aufklärungsschadens verzichten, müssen im Forschungsprotokoll darlegen: ­

dass eine reale Gefahr durch die Einwilligungsforschung geschaffen wird, und

­

dass die konkrete Forschungsstudie ohne die Daten des betreffenden Patienten nicht durchgeführt werden könnte.

Es dürfen des weitern nur dann ohne Einwilligung nicht anonymisierte Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Aufklärung, Vetorecht Die Patientinnen und Patienten sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Daten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Der verantwortliche ärztliche Direktor hat den Schutz der Daten und die Befolgung allfällig erhobener Verwendungsverbote sicherzustellen.

Bezüglich Datenerhebungen bis zum 31. Dezember 1995 verzichtet die Expertenkommission praxisgemäss auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der Berechtigten. Für die Datenerhebungen ab dem 1. Januar 1996 kann sie nicht mehr davon absehen. Der Bewilligungsnehmer hat demnach ­ sofern notwendig ­ eine nachträgliche Aufklärung der Betroffenen vorzunehmen. In welcher Form dies geschieht, bleibt ihm überlassen.

Das CHUV informiert seine Patienten seit Oktober 1998 darüber, dass ihre Daten zu Zwecken der Forschung verwendet werden können, sofern sie dies nicht untersagen.

Soweit Forschende Patientendaten verwenden, welche im Zeitraum zwischen Januar 1996 und Oktober 1998 im CHUV erhoben worden sind, muss sich die zuständige Ethikkommission darüber vergewissern, dass die Berechtigten sowohl über die beabsichtigte Datenweitergabe wie auch über das das ihnen zustehende Vetorecht informiert werden.

An dieser Stelle ist lediglich darauf hinzuweisen, dass im Unterlassungsfalle neben einem Strafverfolgungsrisiko die Gefahr einer Forschungslücke aufkommt. Letztere entstünde, wenn wegen fehlender Aufklärung die Verwendung von ansonsten konform erhobenen Daten für die Forschung untersagt würde.

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Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das CHUV ist befugt, Krankendokumentationen sowohl in Papier wie auch in elektronischer Form zu führen. Es hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben klar getrennt werden von den bereits anonymisierten Daten.

b.

Zu Forschungszwecken können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des CHUV sowie die Doktorandinnen und Doktoranden mit Einwilligung der jeweils zuständigen Chefärztin oder des leitenden Arztes auf neues Datenmaterial Zugriff nehmen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung des Chefarztes oder der Chefärztin einzuholen.

Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

Massnahmen für die Anonymisierung Die den Dateien des CHUV entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der registriereten Personen möglich ist.

Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt hat der Gesuchsteller eine «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission einzuholen. Sie hat die ethische Konformität des jeweiligen Forschungsprojektes zu bestätigen. Zudem hat sie sich darüber zu äussern, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, dass die Einwilligung der Berechtigten unmöglich oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand einzuholen ist, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Berechtigten an der Geheimhaltung ihrer Gesundheitsdaten überwiegen und dass die Berechtigten über ihr Vetorecht aufgeklärt worden sind. Die Unbedenklichkeitserklärung ist zusätzlich vom ärztlichen Direktor zu visieren. Wird die Bestätigung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die Klinikbewilligung durchgeführt werden; das Einholen einer Sonderbewilligung wird diesfalls aber vorbehalten.

b.

Das geltend gemachte Vetorecht ist in der Krankengeschichte zu vermerken.

c.

Das CHUV hat die einzelnen internen Forschungsprojekte zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; ­ die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck 7683

­ ­ ­ d.

den verantwortlichen Projektleiter; die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen dürfen; für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission.

Das CHUV hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zuzustellen. Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Forschungszwecken Zugriff auf die EDV-Datensammlungen mit nicht anonymisierten, personenbezogenen Daten haben.

Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu verweigern.

Insbesondere dürfen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschern nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Diejenigen Mitarbeiter und Doktoranden, welche gemäss der vorliegenden Bewilligung zugriffsberechtigt sind, haben die beiliegende Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen und zu Handen der Expertenkommission im Spital aufzubewahren.

Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt.

In folgenden Fällen muss vor Ablauf der Bewilligungsdauer ein neues, ergänzendes Gesuch gestellt werden: ­

Wechsel des ärztlichen Direktors

­

Änderung des Zugriffsreglements

­

Änderung der Verwaltungs- und Organisationsstruktur des Spitals

Frist für Auflagenerfüllung Dem CHUV wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 8 Buchstaben b­d eine Frist von sechs Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bzw. Publikation bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

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Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem CHUV und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt.

Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031 322 94 94) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

18. November 2003

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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