Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung (Mehrsprachigkeitsweisungen) vom 22. Januar 2003

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 7 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 20011 (BPV), erlässt folgende Weisungen:

1

Grundsätze

11

Diese Weisungen gelten für die von Artikel 1 der BPV erfassten Verwaltungseinheiten. Für die Departemente und die Bundeskanzlei wird hier die Bezeichnung «Departemente» verwendet.

12

Ziel dieser Weisungen ist es, die Mehrsprachigkeit am Arbeitsplatz zu fördern und die multikulturellen Eigenschaften der Verwaltung zu nutzen. Die Vertreterinnen und Vertreter der vier Landessprachen sollen die gleichen Entwicklungs- und Aufstiegschancen haben und ihrer Fachkompetenz entsprechend gleichermassen am Entscheidungsprozess teilnehmen können.

13

Die Förderung der Mehrsprachigkeit wird in das gesamte Human-ResourcesManagement auf allen Stufen, in alle Prozesse, insbesondere in die Führungsprozesse, sowie in alle Instrumente und Massnahmen integriert.

14

Die Verwaltungseinheiten stellen die finanziellen und personellen Ressourcen bereit, die notwendig sind, damit auf allen Stufen geeignete Massnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit ergriffen werden können.

2

Vertretung

21

Die Departemente sorgen dafür, dass die einzelnen Sprachgemeinschaften in allen Tätigkeitsbereichen der Verwaltung und auf allen Hierarchiestufen entsprechend ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung schweizerischer Nationalität vertreten sind. Abweichungen zu Gunsten der lateinischen Sprachen sind möglich. Die besondere Situation in den dezentralen Dienstorten wird angemessen berücksichtigt.

22

Solange noch nicht alle Sprachgemeinschaften angemessen vertreten sind, können die Departemente quantitative Ziele festsetzen.

1

SR 172.220.111.3

2002-1819

1441

Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

3

Zuständigkeiten

31

Die Departemente steuern die Umsetzung der vorliegenden Weisungen und sorgen für ein Personalmanagement, das der kulturellen Vielfalt gerecht wird.

32

Die Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft benachteiligt werden.

33

Die Personalfachleute unterstützen und beraten die Führungskräfte und die Mitarbeitenden in sämtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Förderung der Mehrsprachigkeit.

34

Die Departemente und die nachgeordneten Verwaltungseinheiten können zur Unterstützung der Führungskräfte Beauftragte für die Förderung der Mehrsprachigkeit einsetzen. Für die Aufgaben, Kompetenzen, Handlungsvollmachten und Ressourcen dieser Beauftragten wird eine Empfehlung für ein Anforderungsprofil ausgearbeitet.

35

Das Eidgenössische Personalamt (EPA) unterstützt die Förderung der Mehrsprachigkeit. Es berät Führungskräfte, Beauftragte für die Förderung der Mehrsprachigkeit und Personalfachleute bei der Umsetzung der bundesrätlichen Weisungen. Es stellt diesen Zielgruppen Instrumente zur Unterstützung einzelner Massnahmen bereit.

4

Programme zur Förderung der Mehrsprachigkeit

41

Zur Umsetzung der Weisungen erstellen die Departemente zusammen mit den nachgeordneten Verwaltungseinheiten für jeweils einen Zeitraum von vier Jahren einen auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnittenen Massnahmenkatalog. Dieser kann die Form eines Programms oder einer Vereinbarung annehmen. Die Laufzeit entspricht jener der vierjährlichen Berichterstattung an den Bundesrat.

42

Die Departemente bestimmen zusammen mit den nachgeordneten Verwaltungseinheiten jährlich einzelne Massnahmen ihres Programms zu Schwerpunkten. Die nachgeordneten Verwaltungseinheiten sind für die gezielte Umsetzung dieser Massnahmen verantwortlich.

5

Arbeitssprache

51

In der Regel arbeiten alle Mitarbeitenden in ihrer eigenen Sprache, sofern es sich um eine der Amtssprachen Deutsch, Französisch oder Italienisch handelt. Die Mitarbeitenden verfügen über entsprechende Hilfsmittel wie Datenverarbeitungsprogramme, Wörterbücher und Unterlagen in dieser Sprache.

52

In Anwesenheit von Personen, die keinen Dialekt verstehen, wird die Amtssprache gesprochen.

1442

Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

6

Übersetzungs- und Redaktionswesen

61

Die Übersetzungstätigkeit richtet sich nach der Verordnung vom 19. Juni 19952 über das Übersetzungswesen in der allgemeinen Bundesverwaltung.

62

Texte, die für eine breite Öffentlichkeit bestimmt sind, sollen wenn möglich bereits von Beginn an mehrsprachig formuliert werden; sie sind nach dem Koredaktionsverfahren zu überprüfen.

63

Die zuständigen Stellen nach Artikel 2 BPV (nachstehend «die zuständigen Stellen» genannt) sorgen dafür, dass die Vertreterinnen und Vertreter einer sprachlichen Minderheit, die nicht ausdrücklich als Übersetzerinnen oder Übersetzer angestellt wurden, nur in Ausnahmefällen für Übersetzungsarbeiten herangezogen werden.

7

Sprachliche Anforderungen

71

Alle Mitarbeitenden müssen mindestens in einer zweiten Amtssprache über die passiven Kenntnisse (Hör- und Leseverständnis) verfügen, die zur Ausübung ihrer Funktion notwendig sind.

72

Die Sachbearbeitung und die anspruchsvolleren administrativen Funktionen setzen gute Kenntnisse in mindestens einer zweiten Amtssprache voraus. Für eine Kaderfunktion werden aktive Kenntnisse (Sprechen) in einer zweiten Amtssprache und wenn möglich passive Kenntnisse in der dritten Amtssprache vorausgesetzt.

73

Für jede Stelle wird das Niveau der erforderlichen Sprachkenntnisse mit Hilfe einer anerkannten, standardisierten Bewertungsmethode festgelegt.

8 81

Massnahmen zu Personalprozessen Personalgewinnung

811

Die sprachlichen Anforderungen nach Ziffer 7 sind unabhängig von der Publikationsform bei jeder Stellenausschreibung zu erwähnen.

812

Spezifische sprachliche Anforderungen werden nur dann in der Ausschreibung erwähnt, wenn sie von denjenigen nach Ziffer 7 abweichen (insbesondere wenn es sich nicht um eine Amtssprache handelt oder die Möglichkeit der Stellenaufteilung zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften besteht).

813

Ist eine Sprachgemeinschaft in einer grösseren Verwaltungseinheit in einer bestimmten Funktion untervertreten, so wird in der Stellenausschreibung darauf hingewiesen, dass Bewerbungen von Personen aus dieser Sprachgemeinschaft besonders erwünscht sind.

2

SR 172.081

1443

Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

814

Vakante Stellen müssen in allen Sprachregionen ausgeschrieben werden.

Wird in der Westschweizer oder Tessiner Tages- oder Wochenpresse eine Auswahl offener Stellen publiziert, so muss diese auch Kaderfunktionen enthalten.

815

Die zuständigen Stellen prüfen vor jeder Ausschreibung, ob die Stelle für eine Aufteilung zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften geeignet ist. Diese Bestimmungen gelten insbesondere auch für Kaderstellen.

82

Personalauswahl

821

Alle Bewerbungen, die die objektiven Voraussetzungen erfüllen, sind unabhängig von der Sprache der Bewerberin oder des Bewerbers eingehend zu prüfen.

822

Wenn möglich werden Bewerberinnen und Bewerber aus jeder Sprachgemeinschaft zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dabei müssen sie sich in ihrer Sprache äussern können.

823

Die für die Anstellung Verantwortlichen berücksichtigen bei gleichwertiger Qualifikation vorrangig die Bewerberinnen und Bewerber aus Sprachgemeinschaften, die in der betreffenden Verwaltungseinheit untervertreten sind. Dies gilt insbesondere bei Kaderstellen.

824

Vor der Anstellung überprüfen die Verantwortlichen die Sprachkenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber.

825

Die zuständigen Stellen achten bei der Einsetzung von Kommissionen, Arbeitsgruppen und weiteren Gremien sowie bei der Kaderentwicklung, bei der Auswahl von Ausbildungsleitungen und der Vergabe von Aufträgen auf Mandatsbasis, auf die angemessene Vertretung der Sprachgemeinschaften.

83

Personalbeurteilung

831

Die sprachlichen Anforderungen nach Ziffer 7 können auf allen Hierarchiestufen ebenfalls Teil der jährlichen Personalbeurteilung sein.

832

Bei der Personalbeurteilung insbesondere der Führungskräfte wird der Beitrag zur Förderung der Mehrsprachigkeit mitberücksichtigt.

84

Personalentwicklung

841

Die Bundesverwaltung bietet Sprachkurse an, um die Kommunikationsfähigkeit der Angestellten zu verbessern. Die Vorgesetzten fördern die sprachliche Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden sowie die interkulturelle Kommunikation.

1444

Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

842

Das Thema der Mehrsprachigkeit in der Verwaltung wird sowohl in der Grundausbildung (Lehrstellen) als auch in dafür geeigneten Kursen der Bundesverwaltung behandelt.

843

In Seminaren, Kolloquien und anderen verwaltungsinternen Veranstaltungen wird darauf geachtet, dass sich unter den eingeladenen Fachreferentinnen und Fachreferenten Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Sprachgemeinschaften befinden.

844

Die zentralen und dezentralen Programme bieten Weiterbildungsmöglichkeiten in den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch an, insbesondere in den Bereichen Kaderausbildung, Entwicklung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeiten und Nachwuchsförderung.

9

Erscheinungsbild

91

Die Landessprachen (D, F, I, R) werden im Erscheinungsbild der Bundesverwaltung (z.B. Werbe- und Informationsmaterial, Anschriften, Formulare, Briefköpfe, Publikationen im Internet, Anrufbeantworter) berücksichtigt.

10

Controlling und Auswertung

101

Fortschritt und Zielerreichungsgrad der Massnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit werden regelmässig überprüft. Nötigenfalls werden unverzüglich Umlenkungsmassnahmen ergriffen.

102

Das EPA erstattet dem Bundesrat jährlich über die quantitative Entwicklung der Mehrsprachigkeit mittels standardisierten Instrumenten Bericht. Darin legt es ihm die wichtigsten Kennwerte vor.

103

Die Departemente erheben jährlich zusätzliche von ihnen definierte weitergehende Kennwerte. Sie erheben für ihren Bereich insbesondere auch Daten über die Verteilung der Löhne an die Vertreterinnen und Vertreter der Landessprachen nach den fünf Beurteilungsstufen und über die Festsetzung anderer wichtiger Lohnbestandteile.

104

Zur gegenseitigen Information legen die Departemente einander jährlich an einer Human-Resources-Konferenz sowie an einer Konferenz der Generalsekretärinnen und -sekretäre die aus dem standardisierten Führungsinstrument (HRM-Cockpit) stammenden und mit den departementalen Angaben ergänzten Kennwerte zur Förderung der Mehrsprachigkeit vor. Ausserdem orientieren sie einander über geplante Umlenkungsmassnahmen. Sie stellen zugleich sicher, dass der Begleitausschuss der Sozialpartner diese Informationen erhält.

1445

Weisungen des Bundesrates zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

105

Alle vier Jahre, mit Stichtag 31. Dezember, erstatten die Departemente dem EPA einen zusammenfassenden Bericht über den in den Verwaltungseinheiten erzielten quantitativen und qualitativen Fortschritt, über allfällige Hindernisse bei der Umsetzung und über getroffene Umlenkungsmassnahmen.

106

Das EPA wertet die Berichte der Departemente aus und fasst sie in einem Evaluationsbericht zu Handen des Bundesrates zusammen. Dieser Bericht enthält auch Empfehlungen für die künftige Ausrichtung der Sprachenpolitik und hebt vorbildhafte Förderungsmassnahmen einzelner Verwaltungseinheiten besonders hervor.

11

Schlussbestimmungen

111

Die Weisungen des Bundesrates vom 19. Februar 19973 zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der allgemeinen Bundesverwaltung werden aufgehoben.

112

Die vorliegenden Weisungen treten am 1. März 2003 in Kraft.

22. Januar 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

3

BBl 1997 II 529

1446