zu 00.459 Parlamentarische Initiative SchKG. Arbeitnehmerforderungen im Konkursfall Bericht vom 23. Juni 2003 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 3. September 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, gestützt auf Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) unterbreiten wir Ihnen nachfolgend unsere Stellungnahme zum Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 23. Juni 2003 mit Antrag auf eine Revision von Artikel 219 Absatz 4 Buchstabe a des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. September 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-1537

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 14. Dezember 2000 reichte Nationalrat Erwin Jutzet eine parlamentarische Initiative ein, wonach im Konkurs des Arbeitgebers nicht nur die in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung entstandenen, sondern auch die in dieser Zeitspanne fällig gewordenen Arbeitnehmerforderungen in der ersten Klasse zu kollozieren seien. Privilegiert werden soll insbesondere der gesamte bis zur Konkurseröffnung pro rata temporis erarbeitete Anspruch auf den 13. Monatslohn.

Artikel 219 Absatz 4 Buchstabe a des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)1 sei in diesem Sinne zu revidieren.

Entsprechend dem Antrag seiner Kommission für Rechtsfragen gab der Nationalrat der Initiative am 14. März 2002 einstimmig Folge. Im Anschluss daran arbeitete diese Kommission den vorliegenden Entwurf für eine Gesetzesänderung aus. Es wurde keine Vernehmlassung durchgeführt.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Allgemeines

Die parlamentarische Initiative zielt darauf ab, den Anspruch der Arbeitnehmenden insbesondere auf den 13. Monatslohn besser zu schützen. Nach geltendem Recht ist dieser Anspruch, der pro rata temporis entsteht, nur insofern privilegiert, als er in den sechs Monaten vor der Konkurseröffnung entstand. Der vor dieser Zeitspanne erarbeite Anteil dagegen ist ­ wie das Bundesgericht festhielt (vgl. BGE 5C.155/2000/min) ­ eine gewöhnliche Konkursforderung, welche nur in der dritten Klasse kolloziert wird.

Da die Arbeitnehmenden zur Vorleistung verpflichtet sind und es ihnen auf Grund der aufgeschobenen Fälligkeit des 13. Monatslohns nicht möglich ist, den entsprechenden Anspruch früher geltend zu machen, ist dies eine unbefriedigende Situation, welche es zu beseitigen gilt. Gemäss der Initiative sollen daher neu nicht nur die während der massgebenden Zeitspanne entstandenen, sondern auch die in dieser Zeitspanne fällig gewordenen Forderungen privilegiert werden.

2.2

Konsequenzen der Initiative

Der Initiant beabsichtigt insbesondere, den Anspruch auf den 13. Monatslohn besser zu schützen. Dabei ist aber zu beachten, dass der entsprechende Gesetzesentwurf nicht nur diesen Anspruch erfasst. Vielmehr bringt er eine Besserstellung für sämtliche Arbeitnehmerforderungen mit sich, deren Fälligkeit aufgeschoben ist. Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, tangiert der Entwurf neben dem 13. auch einen allfälligen 14. Monatslohn sowie Gratifikationen, Boni und weitere Lohnbestandteile.

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SR 281.1

Für Forderungen jedoch, welche gleichzeitig entstehen und fällig werden, ändert der Gesetzesentwurf an der geltenden Rechtslage nichts.

Der Gesetzesentwurf sieht somit einen Ausbau des Arbeitnehmerprivilegs vor: De facto soll die für die Privilegierung massgebende Zeitspanne insoweit verlängert werden, wie die Fälligkeit einer Arbeitnehmerforderung hinausgeschoben ist.

2.3

Zustimmung zum Entwurf

Aus grundsätzlichen Überlegungen steht der Bundesrat jedem Ausbau eines Konkursprivilegs kritisch gegenüber. So ist zu bedenken, dass die Privilegierung der einen Gläubiger immer eine Zurücksetzung der anderen Gläubiger zur Folge hat.

Entsprechend dem Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger sollte sich die Privilegienordnung daher auf das absolut Notwendige beschränken. Zudem ist zu beachten, dass auch der Drittklassegläubiger seinen Verpflichtungen nachkommen muss; je weniger er aber als Konkursdividende erhält, desto grösser ist das Risiko, dass er seine Schulden nicht begleichen kann und es dadurch zum unerwünschten Kettenkonkurs kommt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass jedes neue Privileg den Abschluss eines allfälligen Nachlassvertrages auf Grund der Sicherstellungspflicht (Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG) zusätzlich erschwert.

Diese Überlegungen führten dazu, dass der Gesetzgeber im Rahmen der umfassenden Revision des SchKG von 1994 vom Grundsatz ausging, dass das Recht auf vorrangige Befriedigung die Ausnahme bilden soll (BBl 1991 III 127). Mit jeder neuen Privilegierung wird dieses Prinzip ­ mit den entsprechenden Konsequenzen ­ weiter ausgehöhlt.

Trotz diesen grundsätzlichen Bedenken kann der Bundesrat dem vorliegenden Gesetzesentwurf zustimmen. Zum einen handelt es sich lediglich um eine massvolle Ergänzung der Privilegienordnung, nicht um die Schaffung eines neuen Privilegs; sie betrifft das klassische Privileg schlechthin: das Arbeitnehmerprivileg. Zum anderen dient der Entwurf der Behebung einer in der Tat stossenden Situation.

Schliesslich handelt es sich gesetzestechnisch um eine einfache, klare und praktikable Lösung.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen sowie Verfassungsmässigkeit

In Bezug auf die Darstellung der finanziellen und personellen Auswirkungen sowie der Verfassungsmässigkeit schliesst sich der Bundesrat den Ausführungen im Kommissionsbericht an.

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