zu 98.451 Parlamentarische Initiative Altlasten. Untersuchungskosten (Baumberger) Bericht vom 20. August 2002 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Mai 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Entwurf der UREK-N vom 20. August 2002 betreffend die Revision des Umweltschutzgesetzes im Altlastenbereich (Art. 32b­e USG) nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Mai 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-0498

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2002 ersuchte die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) den Bundesrat, zum Entwurf zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG) im Altlastenbereich Stellung zu nehmen.

Der vorliegende Entwurf geht auf die Parlamentarische Initiative Baumberger vom 17. Dezember 1998 (98.451) zurück, welche verlangt, dass bei Fehleinträgen in den Kataster der belasteten Standorte allfällige Untersuchungskosten dem Kanton auferlegt werden. Die Kantone sollen hierfür Abgeltungen aus dem Altlastenfonds des Bundes erhalten. Der Nationalrat hatte der Parlamentarischen Initiative am 27. September 1999 Folge gegeben.

Die von der UREK-N eingesetzte Subkommission «Altlasten» hat zusätzlich festgestellt, dass die heutige Regelung der Kostenverteilung bei Altlasten lückenhaft ist und entsprechender Ergänzungen bedarf.

Die auf Grund einer breiten Vernehmlassung bereinigte Vorlage zur vorliegenden Teilrevision des USG wurde am 20. August 2002 von der UREK-N verabschiedet.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Allgemeine Überlegungen

Der Bundesrat begrüsst grundsätzlich eine Ergänzung der Vorschriften über die Kostentragung bei Altlasten (Art. 32d und 32e USG). Seit der Schaffung dieser Vorschriften im Rahmen der USG-Revision vom 21. Dezember 1995 hat sich in der Umsetzung gezeigt, dass diese nicht immer klar sind und oft Auslegungsprobleme bereiten. Dies ist insbesondere auch deshalb störend, weil es sich im Altlastenbereich vielfach um die Zuteilung hoher Kostenbeträge an Private handelt.

Die heutigen Vorschriften regeln nur die Kostentragung sowie die Bundesfinanzierung bei der Sanierung von Altlasten. Der Bundesrat befürwortet ausdrücklich die Stossrichtung der UREK-N, für den gesamten Altlastenbereich umfassende Regelungen für Kostentragung und Finanzierung zu schaffen.

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2.2

Stellungnahme des Bundesrates zu den einzelnen Anderungsvorschlägen

2.2.1

Art. 32bbis: Anwendung des Verursacherprinzips bei der Aushubentsorgung

Artikel 32bbis sieht vor, dass bei einem belasteten, aber nicht sanierungsbedürftigen Standort die Kosten für die Aushubentsorgung in einer Weise auf die Verursacher verteilt werden, die derjenigen bei Altlasten vergleichbar ist.

Heute trägt gemäss Artikel 32 Absatz 1 USG der Inhaber der Abfälle die Entsorgungskosten. Dies mag in einzelnen Fällen als ungerecht empfunden werden (z.B.

ahnungsloser Einfamilienhausbesitzer auf alter Industriedeponie). Im Gegensatz zur Altlastensanierung, welche aus ökologischen Gründen notwendig ist, steht es dem Inhaber frei, einen kontaminierten Standort ohne Sanierungsbedarf auszuheben oder im heutigen Zustand zu belassen. Die vorgesehene Regelung führt nach Auffassung des Bundesrats dazu, dass jeder Inhaber der 40 000­50 000 belasteten Standorte in der Schweiz, welcher die Belastung nicht selbst verursacht hat, möglichst rasch seinen Standort aufwendig untersuchen lassen wird, um die Verursacherfrage abzuklären. Im für sie günstigen Fall werden die Inhaber vom Kanton eine Kostenverfügung (mit Rekursmöglichkeiten) verlangen und den belasteten Untergrund möglichst umgehend auf Kosten des Verursachers der Belastung entfernen lassen. Die Folgen sind: aus ökologischer Sicht unnötig aufwendige Massnahmen (Luxuslösungen), Überlastung oder Aufblähung des Verwaltungsapparates, zahlreiche Gerichtsverfahren und volkswirtschaftliche Kosten von mehreren 10 Milliarden Franken ohne wesentlichen Gewinn für die Umwelt.

Der Bundesrat lehnt diese Neuerung strikte ab.

2.2.2

Art. 32c Abs. 3 USG: Ersatzvornahme

Artikel 32c Absatz 3 sieht vor, Kriterien festzuschreiben, wann die Kantone die Untersuchung, Überwachung und Sanierung eines belasteten Standorts von sich aus in Auftrag geben können. Während die Buchstaben a und b bereits seit längerer Zeit im Vollzug angewendet werden, ermöglichen die Buchstaben c und d neu die Ersatzvornahme durch den Kanton dann, wenn die Realleistungs- oder Kostentragungspflicht umstritten ist, sowie im Fall von zahlreichen Pflichtigen.

Diese Neuerung beschleunigt das Verfahren insgesamt und reduziert vermutlich die Gerichtsverfahren. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis unterstreichen die Notwendigkeit dieser Neuerung.

Der Bundesrat unterstützt diese Neuerung.

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2.2.3

Art. 32d Abs. 1: Ausweitung auf Untersuchung, Überwachung

Artikel 32d Absatz 1 sieht vor, dass die bisherige Regelung über die Kostenverteilung bei der Sanierung von Altlasten auf die Kosten der Untersuchungen und der Überwachung ausgedehnt wird. Damit wird die jüngste Bundesgerichtspraxis ins Recht gesetzt.

Mit dieser Neuerung wird die Kostentragung bei Altlasten umfassend geregelt, es wird die nötige Klarheit geschaffen, und rechtliche Unsicherheiten werden stark reduziert. In der Vernehmlassung erwuchs dieser Erweiterung kaum Opposition.

Der Bundesrat befürwortet diese Neuerung ausdrücklich.

2.2.4

Art. 32d Abs. 2: Präzisierung Exzeptionsklausel

In Artikel 32d Absatz 2 Buchstabe c zweiter Satz wird eine Präzisierung der sog.

Exzeptionsklausel vorgeschlagen. Die Präzisierung bezweckt, dass der blosse Zustandsstörer eines belasteten Standorts nur dann Kosten tragen muss, wenn ihm ein Vorteil erwächst, der über die Beseitigung der unzulässigen Einwirkung hinausgeht.

Die Auslegung dieser für den ahnungslosen Zustandsstörer höchst wichtigen Exzeptionsklausel ist äusserst umstritten. Mit dem vorgeschlagenen Zusatz wird zwar eine Präzisierung versucht, doch ist die vorgeschlagene Formulierung schwer verständlich und leistet deshalb die Präzisierung nicht wirklich. Es ist auch nur schwer vorstellbar, in welchen Fällen Buchstabe c eine Wirkung entfalten könnte. Das Gesetz würde ohne Buchstabe c nicht an Entscheidungssubstanz verlieren.

Der Bundesrat schlägt vor, Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe c zu streichen.

2.2.5

Art. 32d Abs. 2bis: Ausfallkosten

In Artikel 32d Absatz 2bis soll der Grundsatz festgeschrieben werden, dass das Gemeinwesen die Ausfallkosten übernehmen muss, wenn kein Verursacher belangt werden kann.

Der Bundesrat war auch bisher der Auffassung, dass die Ausfallkosten vom Gemeinwesen zu tragen sind. In der Praxis entschieden die Kantone in der Vergangenheit aber oft anders. Eine Festschreibung würde hier die nötige Rechtssicherheit schaffen.

Der Bundesrat befürwortet diese Regelung.

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2.2.6

Art. 32d Abs. 3: Behördlicher Entscheid über privatrechtliche Verhältnisse

In Artikel 32d Absatz 3 ist vorgesehen, dass beim Entscheid über die Kostenverteilung die Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bei klaren Verhältnissen neu auch über die privatrechtlichen Ansprüche der Beteiligten verfügen können soll.

Der Bund ist von dieser Neuerung kaum betroffen. Sie kann möglicherweise das Verfahren beschleunigen. Zu befürchten ist allerdings, dass vor allem kleine Kantone mit den verfahrensrechtlichen Problemen stark gefordert sein würden und das Ganze generell sehr aufwendig würde.

Der Bundesrat wendet sich nicht gegen diese Neuerung, unterstützt sie aber auch nicht.

2.2.7

Art. 32d Abs. 4: Untersuchungskosten (ursprüngliche Parlamentarische Initiative)

Die ursprüngliche Parlamentarische Initiative sieht vor, dass die Kosten für die Untersuchung eines im Kataster der belasteten Standorte eingetragenen oder zum Eintrag vorgesehenen Standorts dem Kanton auferlegt werden, wenn sich zeigt, dass der Standort nicht belastet ist.

Wo keine Belastung vorliegt, da kann auch kein Verursacher existieren. Es entstehen damit zwangsläufig Ausfallkosten, die gemäss Artikel 32d Absatz 2bis des vorliegenden Entwurfes vom Gemeinwesen zu tragen wären.

Die Kantone befürchten wesentliche Zusatzkosten und die Behinderung bei der Erstellung der Kataster und sind daher gegen die neue Bestimmung.

Der Bundesrat befürwortet diese Regelung aus rechtlicher Sicht. Was die Befürchtungen der Kantone anbelangt, weist er darauf hin, dass der Bund mit Abgeltungen von höchstens 40 Prozent der Ausfallkosten eine beträchtliche Unterstützung leistet.

2.2.8

Art. 32e: Abgabe zur Finanzierung der Massnahmen («Altlastenfonds» des Bundes)

In Artikel 32e Absatz 3 Buchstabe a ist vorgesehen, dass die Abgeltungen des Bundes an die Kantone auch bei der Untersuchung oder Überwachung von nicht sanierungsbedürftigen belasteten Standorten geleistet und neu einheitlich auf 40 Prozent festgelegt werden sollen.

Die Ausweitung der Spezialfinanzierung des Bundes bringt damit generell die nötige Anschub- und Beschleunigungswirkung, womit die notwendigen Altlastensanierun-

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gen auch erst ausgelöst werden können. Die nahezu lückenlose Zustimmung in der Vernehmlassung zeigt auch die Notwendigkeit dieser Regelung.

In Buchstabe b ist vorgesehen, dass bei Schiessanlagen pauschale Abgeltungen von 40 Prozent an die erforderlichen Massnahmen geleistet werden sollen, wenn spätestens zwei Jahre nach lnkraftsetzung der Gesetzesrevision auf die Anlage keine Abfälle mehr gelangt sind.

Mit dieser neuen Regelung, welche ca. 2000 heute noch betriebene Schiessanlagen betrifft, werden nicht nur die Anliegen von zahlreichen Kantonen, sondern auch diejenigen der Motionen 00.3702 Heim (Kostenbeteiligung des Bundes an der Sanierung von schadstoffbelasteten Böden bei Schiessanlagen) und 01.3303 Hess (Kostenbeteiligung des VBS bei Sanierungen bzw. Neubauten von Schiessanlagen) im Wesentlichen erfüllt.

Buchstabe c schliesslich regelt die in der ursprünglichen Parlamentarischen Initiative vorgesehene Abgeltung des Bundes im Zusammenhang mit Artikel 32d Absatz 4 des vorliegenden Entwurfs.

Der Bundesrat beantragt, den Abgeltungssatz wie heute auf «höchstens 40 Prozent» zu belassen. Die übrigen Ergänzungen und Neuerungen befürwortet er hingegen ausdrücklich.

2.3

Ergänzungsantrag des Bundesrats

2.3.1

Art. 32e: Finanzierung der Erstellung der kantonalen Kataster der belasteten Standorte

Die Regierungen der Kantone St. Gallen und Thurgau sowie die Umweltschutzkommission Nordwestschweiz (AG, BE, BL, BS, JU, SO) haben den Bund aufgefordert, für eine angemessene Finanzierung der Erstellung der Kataster der belasteten Standorte zu sorgen. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass dank einer namhaften finanziellen Unterstützung nicht nur die Erstellung der Kataster beschleunigt, sondern auch deren Qualität gesteigert werden kann. Dies wiederum sollte die auf Grund von Artikel 32d Absatz 4 für die Kantone entstehenden Ausfallkosten minimieren helfen.

Erst mit dieser Ergänzung würde auch die Finanzierung der Altlastenbearbeitung umfassend geregelt. Dies wäre auch damit zu vertreten, dass die Erfassung der belasteten Standorte in einem Kataster in vielen Fällen bereits den Charakter einer historischen Untersuchung annimmt. Zudem unterstützt der Altlastenfonds des Bundes bei den Siedlungsabfalldeponien die Untersuchung, Überwachung und Sanierung generell mit höchstens 40 Prozent der anrechenbaren Kosten.

Der Bundesrat unterstützt dieses Anliegen voll und ganz mit folgendem Vorschlag (kursiv = neu):

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3

Der Bund verwendet den Ertrag aus den Abgaben ausschliesslich für Abgeltungen der Kosten von folgenden Massnahmen: a.

Erstellung der Kataster belasteter Standorte, wenn deren Inhabern bis am 31. Dezember 2005 die Gelegenheit gegeben wurde, zur Aufnahme in den Kataster Stellung zu nehmen;

b.

Untersuchung, ...

4

Die Abgeltungen werden nur geleistet, wenn die getroffenen Massnahmen [...]

dem Stand der Technik entsprechen. Sie [...] betragen höchstens 40 Prozent der anrechenbaren Kosten. Für Abgeltungen nach Absatz 3 Buchstabe a betragen sie pauschal 500 Franken pro Standort.

Diese Regelung stellt nicht auf den Eintrag des Standorts als Abgeltungssubjekt ab, sondern auf die offizielle Gelegenheit zur Stellungnahme durch die Inhaber der Standorte. Dies aus folgenden Überlegungen: ­

Die Kantone würden für ihre effektiven Aufwendungen entschädigt, denn kostenwirksam sind in erster Linie die Arbeiten bis zur Stellungnahme des Inhabers.

­

Aus Sicht der Wirtschaft würden nicht der Katastereintrag «belohnt», sondern die gewissenhaften Abklärungen zur Erstellung von Katastern mit möglichst wenigen Fehleinträgen.

­

Durch diese Minimierung von Fehleinträgen würden sich auch die Zusatzkosten für die Kantone nach Artikel 32d Absatz 4 des Entwurfs reduzieren.

­

Die Abgeltungen nach Artikel 32e USG würden sich zwar in den nächsten 4­5 Jahren um ca. 20 Millionen Franken erhöhen. Wegen den Verzögerungen bei den Sanierungsprojekten ist aber die Haushaltsneutralität des «Altlastenfonds» gewährleistet.

2.4

Stellungsnahme des Bundesrates zu den finanziellen und personellen Auswirkungen der Vorlage

2.4.1

Finanzielle Auswirkungen bei belasteten Standorten des Bundes

Der Bundesrat sieht insbesondere finanzielle Auswirkungen durch die Umsetzung von Artikel 32bbis USG. Bei Veräusserungen von Liegenschaften der Armee und der Bahnen müsste zukünftig mit Beteiligungen an den Kosten für die Entsorgung von kontaminiertem Aushub durch die neuen Standortinhaber gerechnet werden. Zuverlässige Kostenschätzungen lassen sich dafür nicht angeben, sie werden aber als bedeutend erachtet (vermutlich mehrere 100 Millionen Franken).

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Der Bundesrat befürchtet bedeutende finanzielle Auswirkungen auf Grund von Artikel 32bbis.

2.4.2

Auswirkungen auf die Spezialfinanzierung des Bundes gemäss Art. 32e USG (Altlastenfonds)

Die Spezialfinanzierung des Bundes nach Artikel 32e USG wird durch die Abgeltung an die Ausfallkosten bei der Untersuchung und Überwachung von Standorten mit insgesamt ca. 2,5 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich belastet. Dies entspricht einer Zunahme des Mittelbedarfs um 10 Prozent.

Die durch den Ergänzungsvorschlag des Bundesrates (Finanzierung der Kataster) entstehenden Zusatzkosten für die Spezialfinanzierung betragen insgesamt ca.

20 Millionen Franken. Zwar reichen die Kantone laufend Abgeltungsgesuche bei der zuständigen Bundesbehörde ein, bis zur effektiven Auszahlung können aber oft mehrere Jahre vergehen. Dadurch entsteht in den ersten Jahren ein Einnahmeüberschuss, mit dem die durch den Ergänzungsvorschlag des Bundesrats entstehenden Zusatzkosten aufgefangen werden können.

Die aus dem Altlastenfonds finanzierten Gesamtausgaben im Bereich Altlasten dürfen die zweckgebundenen Gesamteinnahmen nicht übersteigen. Sollten die Mittel nicht ausreichen ­ übersteigen die langfristigen Gesamtausgaben die Gesamteinnahmen ­ so lässt sich der Mehrbedarf entweder durch eine Priorisierung von Abgeltungsgesuchen und die Zurückstellung einzelner Gesuche auf das folgende Jahr oder durch Anhebung der heute bei weitem nicht ausgeschöpften Deponieabgabesätze auffangen. Die Haushaltsneutralität des Altlastenfonds wird durch allfällige einnahmeseitige Massnahmen (Erhöhung Deponieabgabe) gewährleistet.

Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass sich die für die Spezialfinanzierung nach Artikel 32e USG ergebenden Zusatzkosten zumindest in den nächsten Jahren ohne Erhöhung der Deponieabgabe auffangen lassen.

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