Weisungen des Bundesrates zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frau und Mann in der Bundesverwaltung (Chancengleichheitsweisungen) vom 22. Januar 2003

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 6 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 20011 (BPV), erlässt folgende Weisungen:

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Grundsätze

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Diese Weisungen gelten für die von Artikel 1 der BPV erfassten Verwaltungseinheiten. Für die Departemente und die Bundeskanzlei wird hier die Bezeichnung «Departemente» verwendet.

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Ziel dieser Weisungen ist es, die Chancengleichheit und die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann am Arbeitsplatz zu verwirklichen. Das weibliche und männliche Human- und Wissenspotenzial soll in allen Bereichen optimal gefördert, eingesetzt und genutzt werden. Dadurch sollen die Konkurrenzfähigkeit und die Attraktivität des Bundes als Arbeitgeber gestärkt werden.

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Die Chancengleichheit von Frau und Mann wird in das gesamte HumanResources-Management auf allen Stufen, in alle Prozesse, insbesondere in die Führungsprozesse, sowie in alle Instrumente und Massnahmen integriert (Gender Mainstreaming).

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Die Verwaltungseinheiten stellen die finanziellen und personellen Ressourcen bereit, die notwendig sind, damit auf allen Stufen die zum Erreichen der Chancengleichheit und der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann geeigneten Massnahmen ergriffen werden können.

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Bis zum Erreichen der Parität in allen Tätigkeitsbereichen und auf jeder Stufe schaffen die Departemente die nötigen Voraussetzungen, um den Anteil des untervertretenen Geschlechts zu erhöhen. Sie legen hierfür periodisch Zielvorgaben fest. Dies gilt insbesondere für die Erhöhung des Frauenanteils in Kaderpositionen.

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SR 172.220.111.3

2002-1818

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Zuständigkeiten

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Die Departemente steuern die Umsetzung der vorliegenden Weisungen und sorgen für ein geschlechtergerechtes Personalmanagement. Die nachgeordneten Verwaltungseinheiten sind für die diskriminierungsfreie Umsetzung verantwortlich.

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Die Verwirklichung der Chancengleichheit von Frau und Mann ist eine zentrale Führungsaufgabe. Die Führungskräfte sind für die diskriminierungsfreie Gewinnung, Erhaltung, Einsetzung, Beurteilung, Ausbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeitenden verantwortlich.

23

Die Personalfachleute unterstützen und beraten die Führungskräfte und die Mitarbeitenden bei der Verwirklichung der Chancengleichheit.

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Die Departemente und die nachgeordneten Verwaltungseinheiten können zur Unterstützung der Führungskräfte Beauftragte für die Chancengleichheit einsetzen. Für die Aufgaben, Kompetenzen, Handlungsvollmachten und Ressourcen dieser Beauftragten wird durch das EPA zusammen mit den Departementen ein Anforderungsprofil ausgearbeitet.

25

Das Eidgenössische Personalamt (EPA) unterstützt die Verwirklichung der Chancengleichheit von Frau und Mann. Es berät Führungskräfte, Beauftragte für die Chancengleichheit von Frau und Mann und Personalfachleute bei der Umsetzung der bundesrätlichen Weisungen. Es stellt diesen Zielgruppen Instrumente zur Unterstützung einzelner Massnahmen bereit.

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Programme und Vereinbarungen zur Umsetzung der Chancengleichheit

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Zur Umsetzung der Weisungen erstellen die Departemente zusammen mit den nachgeordneten Verwaltungseinheiten für jeweils einen Zeitraum von vier Jahren einen auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnittenen Massnahmenkatalog. Dieser kann die Form eines Programms oder einer Vereinbarung annehmen. Die Laufzeit entspricht jener der vierjährlichen Berichterstattung an den Bundesrat.

32

Die Departemente bestimmen zusammen mit den nachgeordneten Verwaltungseinheiten jährlich einzelne Massnahmen ihres Programms zu Schwerpunkten. Die nachgeordneten Verwaltungseinheiten sind für die gezielte Umsetzung dieser Massnahmen verantwortlich.

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Massnahmen zu Personalprozessen Personalgewinnung

411

Die Personalwerbung ist so gestaltet, dass sie beide Geschlechter gleichermassen anspricht. Bei Besetzungen von Stellen aller Stufen und Bereiche bemühen sich die zuständigen Stellen nach Artikel 2 BPV (nachstehend «die zuständigen Stellen» genannt) mittels eines innovativen, kundinnen- und kundenorientierten Personalmarketings geeignete Kandidatinnen bzw. Kandidaten des untervertretenen Geschlechts zu finden.

412

Das Anforderungsprofil einer Stelle wird so formuliert, dass es sich gleichermassen an beide Geschlechter richtet. Insbesondere darf ein militärischer Grad nur dort verlangt und berücksichtigt werden, wo entsprechende Fachkenntnisse für die Aufgabenerfüllung nachgewiesenermassen unerlässlich sind.

413

Die zuständigen Stellen prüfen vor jeder Ausschreibung, ob die Stelle für flexible Arbeitsformen (wie beispielsweise Teilzeitarbeit, Job-Sharing oder Telearbeit) geeignet ist. Das EPA stellt dafür eine Checkliste zur Verfügung.

In der Stellenausschreibung wird darauf hingewiesen (z.B. «Teilzeit möglich» oder «Beschäftigungsgrad 50 %­70 %»). Diese Bestimmungen gelten insbesondere auch für Kaderstellen. Das EFD stellt das Controlling sicher.

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Personalauswahl

421

Die für die Anstellung Verantwortlichen berücksichtigen Bewerbungen des untervertretenen Geschlechts bei gleichwertiger Qualifikation so lange vorrangig, bis innerhalb einer Organisationseinheit ein paritätisches Verhältnis zwischen Frauen und Männern besteht. Dies gilt insbesondere auch für die Besetzung von Lehr- und Kaderstellen.

422

Die für die Anstellung Verantwortlichen sorgen dafür, dass beim Anstellungsverfahren und namentlich bei Vorstellungsgesprächen und Assessments wenn immer möglich Fachpersonen beiderlei Geschlechts mitwirken.

423

Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Qualifikation sind nebst Ausbildung und Berufserfahrung auch ausserberufliche Erfahrungen (z.B. Betreuungsaufgaben, Aufgaben im sozialen Bereich) zu berücksichtigen.

424

Die zuständigen Stellen achten bei der Einsetzung von Kommissionen, Arbeitsgruppen und weiteren Gremien sowie bei der Kaderentwicklung, bei der Auswahl von Ausbildungsleitungen und der Vergabe von Aufträgen auf Mandatsbasis auf eine ausgeglichene Vertretung beider Geschlechter.

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Personaleinsatz

431

Die zuständigen Stellen bieten Arbeitszeiten und weitere Rahmenbedingungen, die Frauen und Männern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben (Work-Life-Balance), insbesondere zwecks Vereinbarkeit von Berufs- und Familienarbeit, ermöglichen, soweit keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Die Verwaltungseinheiten überprüfen periodisch, ob betriebliche Bedürfnisse Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen zulassen, welche der Vereinbarkeit von Beruf und Familie förderlich sind.

432

Die Führungskräfte entsprechen Gesuchen um flexible Arbeitsformen, insbesondere auch in höheren Funktionen, soweit Organisation und Geschäftsgang dies nicht ausschliessen. Die Ablehnung von Anträgen muss begründet werden.

433

Die zuständigen Stellen achten darauf, dass bei Teilzeitbeschäftigung der Aufgabenumfang dem Beschäftigungsgrad angepasst wird.

44

Personalbeurteilung

441

Die Funktionsbewertung ist diskriminierungsfrei vorzunehmen.

442

Für die diskriminierungsfreie Personalbeurteilung gelten die Grundsätze nach Artikel 16 Absatz 1 BPV.

443

Die Wahl einer flexiblen Arbeitsform, insbesondere Teilzeitarbeit, darf sich nicht nachteilig auf die Personalbeurteilung, Personalhonorierung und die berufliche Laufbahn auswirken.

444

Bei der Personalbeurteilung, insbesondere der Führungskräfte, wird der Beitrag zur Verwirklichung der Chancengleichheit mitberücksichtigt.

45

Personalentwicklung

451

Aus- und Weiterbildungsangebote sind so zu formulieren und zu gestalten, dass Frauen und Männer aller Stufen und Bereiche gleichermassen angesprochen und in ihrem Lernprozess unterstützt werden, so dass sie ihre Aufgaben optimal erfüllen können.

452

Aus- und Weiterbildungsmassnahmen, die den beruflichen Aufstieg, insbesondere auch aus dem unteren Lohnsegment, erleichtern und Weiterbildungsmassnahmen, die den beruflichen Wiedereinstieg unterstützen, sind in ausreichendem Masse anzubieten.

453

Die Ausbildungsverantwortlichen orientieren die Mitarbeitenden über Ausund Weiterbildungsangebote. Die Führungskräfte, namentlich die Geschäftsleitungen, unterstützen entsprechende Gesuche unabhängig von Geschlecht, Beschäftigungsgrad und Funktion der Mitarbeitenden, soweit sie auch den dienstlichen Interessen entsprechen.

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454

Die Departemente und die nachgeordneten Verwaltungseinheiten stellen sicher, dass das Thema Chancengleichheit von Frau und Mann und die Möglichkeiten zur Verwirklichung der Chancengleichheit in der Einarbeitungsphase sowie bei Weiterbildungsveranstaltungen thematisiert werden.

Zusätzlich werden spezielle Ausbildungen zu diesen Themen angeboten.

Das EPA unterstützt die Departemente durch ein entsprechendes Angebot.

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Controlling und Auswertung

51

Fortschritt und Zielerreichungsgrad der Massnahmen zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frau und Mann werden regelmässig überprüft.

Nötigenfalls werden unverzüglich Umlenkungsmassnahmen ergriffen.

52

Das EPA erstattet dem Bundesrat jährlich über die quantitative Entwicklung der Chancengleichheit mittels standardisierten Instrumenten Bericht. Darin legt es ihm die wichtigsten Kennwerte vor.

53

Die Departemente erheben jährlich zusätzliche von ihnen definierte weitergehende Kennwerte. Sie erheben für ihren Bereich insbesondere auch Daten über die geschlechtsspezifische Verteilung der Löhne nach den fünf Beurteilungsstufen und über die Festsetzung anderer wichtiger Lohnbestandteile.

54

Für die Erhebung des qualitativen Fortschritts benutzen die Departemente ein vom EPA zur Verfügung gestelltes Grundraster. Sie ergänzen die erhobenen Daten mit wichtigen departementsspezifischen Angaben.

55

Zur gegenseitigen Information legen die Departemente einander jährlich an einer Human-Resources-Konferenz sowie an einer Konferenz der Generalsekretärinnen und -sekretäre die aus dem standardisierten Führungsinstrument (HRM-Cockpit) stammenden und mit den departementalen Angaben ergänzten Kennwerte zur Chancengleichheit vor. Ausserdem orientieren sie einander über geplante Umlenkungsmassnahmen. Sie stellen zugleich sicher, dass der Begleitausschuss der Sozialpartner diese Informationen erhält.

56

Alle vier Jahre, mit Stichtag 31. Dezember, erstatten die Departemente dem EPA einen zusammenfassenden Bericht über den in den Verwaltungseinheiten erzielten quantitativen und qualitativen Fortschritt, über allfällige Hindernisse bei der Umsetzung und über getroffene Umlenkungsmassnahmen.

57

Das EPA wertet die Berichte der Departemente aus und fasst sie in einem Evaluationsbericht zu Handen des Bundesrates zusammen. Dieser Bericht enthält auch Empfehlungen für die künftige Ausrichtung der Chancengleichheitspolitik und hebt vorbildhafte Chancengleichheitsmassnahmen einzelner Verwaltungseinheiten besonders hervor.

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Schlussbestimmungen

61

Die Weisungen vom 18. Dezember 19912 über die Verbesserung der Vertretung und der beruflichen Stellung des weiblichen Personals in der allgemeinen Bundesverwaltung werden aufgehoben.

62

Die vorliegenden Weisungen treten am 1. März 2003 in Kraft.

22. Januar 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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BBl 1992 II 604

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