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Parlamentarische Initiative Rechsteiner Verbesserung der Insolvenzdeckung in der beruflichen Vorsorge Bericht vom 24. August 1995 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 15. November 1995 Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 24. August 1995 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend Ausdehnung des Insolvenzschutzes in der beruflichen Vorsorge (Parlamentarische Initiative Rechsteiner) nehmen wir nach Artikel 21iuüter Absatz 4 des Geschä'ftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. November 1995

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Villiger Der Bundeskanzler: Couchepin

1995-865

Stellungnahme l

Grundsätzliches Einverständnis

Der Sicherheitsfonds BVG stellt nach geltendem Recht nur Leistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge bei Zahlungsunfähigkeit von Vorsorgeeinrichtungen sicher. Vor- oder überobligatorische Leistungsansprüche der versicherten Personen werden dagegen nicht gesichert. Diese Ansprüche sind somit gefährdet und können verlorengehen, wenn z. B. ein Teil des Vorsorgevermögens bei einem konkursiten Arbeitgeber angelegt ist oder wenn der Arbeitgeber die Beiträge nicht vollständig bezahlt hat. Denkbar ist auch, dass eine Vorsorgeeinrichtung in ihrer Gesamtheit illiquid wird und deshalb die Leistungen nicht mehr erbringen kann.

Damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in solchen Fällen neben dem Arbeitsplatzverlust nicht auch noch das Risiko eines Vorsorgeverlustes übernehmen müssen, rechtfertigt es sich, die Insolvenzdeckung auf die ausserobligatorischen reglementarischen Ansprüche der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auszudehnen. Der Bundesrat begrüsst daher das Anliegen des Gegenentwurfs zur parlamentarischen Initiative, da die Ausdehnung der Insolvenzdeckung ohnehin im Rahmen der BVG-Revision zu prüfen ist.

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Kosten

Die Höhe der zusätzlich zu erbringenden Leistungen ist schwer abzuschätzen, zumal nicht einmal genau bekannt ist, welche Vorsorgeeinrichtungen unter den Geltungsbereich der erweiterten Insolvenzdeckung fallen. Eine grobe Schätzung des Sicherheitsfonds erwartet eine Erhöhung im Rahmen von 10 Prozent.

Der Beitragssatz wäre damit bei gleichbleibender Bemessungsgrundlage von heute 0,04 Prozent auf 0,044 Prozent der koordinierten Lohnsumme zu erhöhen.

Der Beitragssatz sollte indessen in nächster Zeit laut Aussagen von Vertretern des Sicherheitsfonds BVG aus einem anderen Grund, nämlich wegen des Ansteigens der Insolvenzfalle infolge der verschlechterten Wirtschaftslage (1990: 507 Fälle; Leistungen in der Höhe von 5,1 Mio. / 1992: 895; 17,5 Mio.; / 1994: 2197; 40,5 Mio.), von heute 0,04 Prozent auf 0,08 Prozent erhöht werden.

Auch die Studie van Damme/Schmid (Forschungsbericht BSV 1/95; Insolvenzversicherung in der beruflichen Vorsorge, S. 92/93) kommt zusammenfassend - ohne hier konkrete Zahlen zu nennen - zu folgendem Schluss: «Die volkswirtschaftliche Entwicklung und damit zusammenhängend die Entwicklung der Insolvenzhäufigkeit und des Schadenumfangs sowie die regelmässige Erhöhung der BVG-Grenzen durch den Bundesrat werden für die Gesamthöhe der Insolvenzentschädigungen viel ausschlaggebender sein als die Wahl der Sicherstellungsvariante.» Fest steht, dass Bund und Kantone finanziell nicht belastet werden.

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Materielle Anträge

Zum Entwurf des Gesetzestextes haben wir die folgenden Bemerkungen, wobei auch die Erläuterungen entsprechend anzupassen wären:

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Zu Artikel 49 Absatz 2, «und die Strafbestimmungen (Art. 76)»

Antrag: Ersetzen durch vorliegende Fassung: «... und die Strafbestimmungen (Art. 75-79)».

Begründung: Die globale Aufnahme der Strafbestimmungen ins Überobligatorium rechtfertigt sich, weil neu auch dort die Strafandrohungen und Verfahrensregeln (Art. 75-79 BVG) im Verhältnis zum Sicherheitsfonds BVG relevant werden können.

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Zu Artikel 56 Absatz 2 (neu)

Antrag: Ersetzen durch folgende Fassung: «2 Sind einer Vorsorgeeinrichtung mehrere Arbeitgeber oder Verbände angeschlossen und fehlen dem einzelnen angeschlossenen Vorsorgewerk oder Arbeitgeber für sich und für sein Personal die finanziellen Mittel für die falligen Leistungen nach Artikel 56 Absatz l Buchstabe b oder c, so werden diese der zahlungsunfähigen Vorsorgeeinrichtung gleichgestellt, wenn über den betreffenden Arbeitgeber oder Verband ein Konkurs- oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist.»

Begründung: Die Vorsorgeeinrichtungen, welche die Vorsorge für eine Vielzahl von Arbeitgebern durchführen, lassen sich grob in Sammel- und/oder in Gemeinschaftseinrichtungen einteilen; es sind auch Mischformen denkbar. Mit der Formulierung des Entwurfs wird jedoch ganz eindeutig die Gemeinschaftseinrichtung benachteiligt, weil diese Einrichtung keine Vorsorgewerke kennt. Sie besteht lediglich aus Vorsorgeplänen, welche für alle oder nur für eine ganz bestimmte Anzahl von Anschlussverhältnissen gültig sind.

Die bisher weder im Gesetz noch in den zugehörigen Ausführungsbestimmungen erwähnte Zahlungsunfähigkeit von Anschlüssen einzelner Arbeitgeber an Gemeinschaftseinrichtungen erlaubte mangels Rechtsgrundlage an sich keine Leistungssicherung. Die vom Sicherheitsfonds BVG in solchen Fällen aus der praktischen Notwendigkeit und aus dem Gleichbehandlungsprinzip heraus getroffene pragmatische Lösung bedarf nun einer klaren gesetzlichen Grundlage.

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zu II: Übergangsbestimmungen Absatz l

, Der Kommissionsbericht schlägt als Stichtag für die erweiterte Insolvenzdeckung bei Vorsorgeeinrichtungen das rechtskräftig abgeschlossene Liquidationsverfahren vor, bei Vorsorgewerken bzw. Anschlüssen die Eröffnung eines Konkurs- oder ähnlichen Verfahrens.

Die Kommission will damit einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz auch für diejenigen Vorsorgeeinrichtungen schaffen, über welche bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits ein Liquidationsverfahren eröffnet worden ist. Eine solche Lösung entspricht denn auch den Erwartungen grosser Kreise der Bevölkerung.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei dieser Lösung eine Ungleichbehandlung der Versicherten in Kauf genommen wird; Versicherte, deren Vorsorge in Vorsorgewerken bzw. Anschlüssen durchgeführt wird, kommen nur dann in die Wohl582

tat der erweiterten Insolvenzdeckung, wenn das Liquidationsverfahren über den Arbeitgeber nach dem Stichtag eröffnet wurde; sind säe hingegen in einer Vorsorgeeinrichtung versichert, genügt es bereits, dass das Liquidationsverfahren am Stichtag noch nicht abgeschlossen ist. Zudem können die anfallenden zusätzlichen Kosten zur Zeit kaum abgeschätzt werden. Trotz dieser Vorbehalte gibt der Bundesrat einem möglichst breiten Insolvenzschutz den Vorzug und unterstützt damit den Vorschlag der Kommission.

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zu H: Übergangsbestimmungen

Antrag: Neuen Absatz 3 einfügen: «3 Das bestehende Vermögen des Sicherheitsfonds BVG wird für diejenigen Aufgaben verwendet, welche die Vorsorgeeinrichtungen nach bisherigem Recht finanziert haben.» Begründung: Aufgrund bestehender stiftungsrechtlicher Grundsätze ist vorzusehen, dass die für die bestehenden und für die neuen Aufgaben des Sicherheitsfonds geäufheten Mittel nicht zweckentfremdet eingesetzt werden. Die Vermögenswerte sollen als Grundsatz denjenigen Personen zukommen, welche direkt zur Äufnung dieser Mittel beigetragen haben. Es ist eine übergangsrechtliche Regelung hinsichtlich des Mitteleinsatzes vorzusehen, weil anzunehmen ist, dass das vorhandene Vermögen für die bestehenden Aufgaben aufgebraucht und erst dann eine Gesamtfinanzierung der Aufgaben sichergestellt wird.

Eine solche Aufteilung der Vermögen könnte aus verwaltungstechnichen Gründen dann unterbleiben, wenn die Finanzierung der vor- und überobligatorischen Leistungen der Einfachheit halber wie bis anhin über die obligatorisch versicherten Löhne der registrierten Vorsorgeeinrichtungen erfolgen würde; so wäre eine Unterteilung nicht mehr sinnvoll. In jedem Fall sollte der Sicherheitsfonds BVG für die Regelung der Finanzierung beigezogen werden, da eine einfache und transparente Durchführung gewährleistet sein muss.

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zu HI: Änderungen bisherigen Rechts

Artikel 89bis Absatz 6 ZGB Antrag: Die Strafbestimmungen des BVG (Art. 75-79) sowie die Anlagevorschriften (Art. 71) müssen auch in den rein überobligatorischen Vorsorgebereich aufgenommen werden. Dazu muss Artikel 89b!s Absatz 6 ZGB erweitert werden, verbunden mit der Streichung von Artikel 89bis Absatz 4 ZGB. Die Strafbestimmungen und die Anlagevorschriften gelten damit im gesamten Bereich der beruflichen Vorsorge (Obligatorium, Vor- und Überobligatorium, reines Überobligatorium).

Begründung: Für die globale Aufnahme der Strafbestimmungen (Art. 75-79) spricht, dass neu auch die rein überobligatorischen Vorsorgeeinrichtungen im Tätigkeitsbereich des Sicherheitsfonds Hegen. Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Anlagevorschriften (Art. 71) bildet auch im rein überobligatorischen Bereich der beruflichen Vor-

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sorge das Korrelat zur Ausdehnung des Insolvenzschutzes durch den Sicherheitsfonds.

Damit stimmt der Geltungsbereich der Strafbestimmungen und der Anlagevorschriften mit demjenigen der Insolvenzdeckung gesamthaft überein.

Die bisherige Regelung über die Begrenzung der Anlagen beim Arbeitgeber in Artikel 89bi!Absatz 4 ZGB wird dadurch obsolet und ist deshalb zu streichen. Im übrigen war die Ergänzung von Artikel 89bisAbsatz 6 ZGB durch die Aufnahme von Artikel 71 BVG bereits im Vorentwurf der Revision des Zivilgesetzbuches (Stiftungsrecht und Eröffnung von Ehe- und Erbverträgen) von 1993 enthalten. Sie wurde in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen.

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Empfehlung formeller Natur

Wir schlagen Ihnen vor, hinsichtlich der Regeln über den Sicherheitsfonds und die Insolvenzdeckung gewisse systematische Änderungen vorzunehmen (vgl. Anhang): Tätigkeit und Aufgaben des Sicherheitsfonds BVG sind in Artikel 56 geregelt; die konkrete Ausgestaltung der Insolvenzdeckung wird in Artikel 56a (neu) umschreiben; die Regelung über den Rückgriff und die Rückforderung finden sich in Artikel 56o (neu).

Begründung: Übersichtlichkeit.

Der Artikel über die Ausgestaltung der Insolvenzleistung (Art. 56a [neu]) sollte folgende Punkte regeln: - die wesentlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung von Leistungen des Sicherheitsfonds an Vorsorgeeinrichtungen bzw. an Untereinheiten von Sammelund Gemeinschaftseinrichtungen; - den Grundsatz der Gleichstellung der Einzeleinrichtung mit den Untereinheiten der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (vgl. unsere Bemerkungen zu Art. 56a [neu]); - die Begrenzung des Insolvenzschutzes auf die anderthalbfache Höhe des oberen Grenzbetrages.

Artikel 56b (neu) sollte das Rückgriffsrecht des Sicherheitsfonds auf die Personen umschreiben; die die Zahlungsunfähigkeit des Vorsorgeträgers schuldhaft verursacht haben. Zudem regelt diese Norm den Rückforderungsanspruch des Sicherheitsfonds bei unrechtmässig bezogenen Leistungen und enthält eine Verjährungsregelung betreffend diesen Anspruch.

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Anhang Vorschlag Art.- 56 Aufgaben 1 Der Sicherheitsfonds: a. (unverändert) '> b. stellt die gesetzlichen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen sicher;2) c. stellt für versicherte Arbeitnehmer die weitergehenden reglementarischen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen sicher, soweit diese Leistungen auf Vorsorgeverhältnissen beruhen, auf die das Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 19933) anwendbar ist; (zweiten Satz in der Fassung des Berichts streichen) d. entschädigt die Auffangeinrichtung für Kosten, die ihr aufgrund ihrer Tätigkeit nach Artikel 60 Absatz 2 dieses Gesetzes sowie nach Artikel 4 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes entstehen und nicht auf den Verursacher überwälzt werden können41; e. (vorher d) 5> 2 Der Sicherheitsfonds führt für jede Aufgabe getrennt Rechnung.

Art. 56a (neu) Insolvenzleistung 1 Sind einer Vorsorgeeinrichtung mehrere Arbeitgeber oder Verbände angeschlossen und fehlen dem einzelnen angeschlossenen Vorsorgewerk oder Arbeitgeber für sich und für sein Personal die finanziellen Mittel für die fälligen Leistungen nach Artikel 56 Absatz l Buchstabe b oder c, so werden diese der zahlungsunfähigen Vorsorgeeinrichtung gleichgestellt, wenn über den betreffenden Arbeitgeber oder Verband ein Konkurs- oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist.6> 2 Im Falle von Artikel 56 Absatz l Buchstabe c werden nur die Leistungen sichergestellt, welche sich aufgrund eines massgebenden Lohnes nach dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung7) in der anderthalbfachen Höhe des oberen Grenzbetrages nach Artikel 8 Absatz l ergeben.

3 Der Sicherheitsfonds gewährt keine Sicherstellung der Leistungen, soweit dessen Leistungspflicht missbräuchlich in Anspruch genommen wird.8) 4

Der Bundesrat regelt die Leistungsvoraussetzungen.9)

" entspricht der Fassung des BVG, Stand 1. Januar 1995.

Fassung entspricht dem Bericht vom 24. August 1995.

SR 831.42 Fassung entspricht dem Bericht vom 24. August 1995.

entspricht der Fassung des BVG, Stand 1. Januar 1995.

neue Formulierung; nimmt den Vorschlag des Berichts auf und integriert die Leistungsvoraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 SFV 2.

7 > SR 831.10 B > Fassung entspricht Art. 56 Abs. 4 des Berichts vom 24. August 1995.

9) Fassung entspricht Art. 56 Abs. 3 des Berichts vom 24. August 1995.

2f 3 > 4 >3 > 6)

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Art. 56b (neu) Rückgriff und Rückforderung Bisheriger Art. 56bis 1 Der Sicherheitsfonds hat gegenüber den Personen, die für die Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung, des Vorsorgewerks oder des einzelnen Anschlusses ein Verschulden trifft, ein Rückgriffsrecht im Umfang der sichergestellten Leistungen.

2 3

(unverändert) (unverändert)

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

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1996

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27.02.1996

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