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Botschaft über die Verlängerung des Zollpräferenzenbeschlusses

vom 29. Mai 1996

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit vorliegender Botschaft beantragen wir Ihnen, die Geltungsdauer der Kompetenz zur Gewährung von Zollpräferenzen für Entwicklungsländer um zehn Jahre zu verlängern. Diese Kompetenz wurde uns 1972 erteilt und 1981 sowie 1991, bis Ende Februar 1997, erneuert.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 1996

1996-294

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Couchepin

6 Bundesblall 148. Jahrgang. Bd. III

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Übersicht Die Schweiz gewährt den Entwicklungsländern seit 1972 Zollpräferenzen. Der am 28. Februar Ì997 auslaufende Zollpräferenzenbeschluss (SR 632.91,) ermächtigt den Bundesrat, den Entwicklungsländern präferentielle Zölle einzuräumen, umgekehrt aber auch, einmal gewährte Zollpräferenzen unter Berücksichtigung der entwicklungs-, ßnanz- und handelspolitischen Lage dieser Länder zu reduzieren oder aufzuheben.

Mit dieser Botschaft wird die Verlängerung des Zollpräferenzenbeschlusses um weitere zehn Jahre beantragt. Die vorgesehenen Massnahmen ermöglichen es, beim Vollzug des Bundesbeschlusses den neuen Rahmenbedingungen des Welthandels Rechnung zu tragen. Die Anpassungen berücksichtigen insbesondere die Auswirkungen der Uruguay-Runde (Erosion der Präferenzmargen) und erlauben es, die Entwicklungsländer zolltarifarisch soweit möglich den Ländern gleichzustellen, mit denen die Schweiz Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Zudem sollen den ärmsten Entwicklungsländern weitergehende Vorteile gewährt werden, die es ihnen ermöglichen, stärker als alle anderen Länder aus Zollpräferenzen Nutzen zu ziehen. Beabsichtigt ist aber auch eine stärkere Differenzierung in bezug auf Volkswirtschaften, die allgemein oder in spezifischen Sektoren einen den Industrieländern ähnlichen Entwicklungsstand erreicht haben. Diese werden «graduiert», das heisst nicht mehr für Zollpräferenzen berücksichtigt. Die Schweiz wird in diesen Fällen versuchen, die Handelsbeziehungen auf der Grundlage von gegenseitig bindenden Vereinbarungen im Rahmen der WTO oder von Freihandelsabkommen zu verbessern.

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Botschaft I II III

Allgemeiner Teil Die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten von Entwicklungsländern Das Allgemeine Präferenzensystem (APS)

Das schweizerische Zollpräferenzenschema ist Teil des allgemeinen Präferenzensystems (APS), in dessen Rahmen die Industrieländer sowie gewisse mittel- und osteuropäische Länder den Entwicklungsländern Zollvergünstigungen auf deren Exporten als Starthilfe zur verstärkten Integration in den Welthandel gewähren.

Das Ziel von Zollpräferenzen Ist die Beschleunigung des Wirtschaßswachstums der Entwicklungsländer durch die Erhöhung der Exporterlöse und die Förderung ihrer Industrialisierung.

Das Konzept von Zollpräferenzen zugunsten von Entwicklungsländern wurde im internationalen Rahmen an der ersten UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 1964 in Genf vorgestellt. An der folgenden UNCTAD-Konferenz wurde eine Resolution verabschiedet, welche die baldige Einführung «eines gegenseitig annehmbaren und allgemeinen Präferenzensystems ohne Reziprozität und Diskriminierung» empfahl. Da sich die Industrieländer nicht auf ein einheitliches System mit identischen Konzessionen einigen konnten, wurde schliesslich eine flexible Einführung vereinbart, welche eine Berücksichtigung der unterschiedlichen La'nderinteressen und Zollschutzsysteme der Geberländer erlaubt. Das APS besteht somit aus einer Reihe von nationalen Schemata, die einseitige und autonome Massnahmen vorsehen: einseitig, da die Industrieländer keine Reziprozität für ihre Exporte fordern, und autonom, da die Zollvergünstigungen gewährt und nicht ausgehandelt werden.

Diese handelspolitische Massnahme zugunsten der Entwicklungsländer verstösst gegen das im GATT festgehaltene Prinzip .der Meistbegünstigung. Deshalb musste gleichzeitig im GATT eine Grundlage geschaffen werden, um eine Ausnahmeregelung (sogenannter «waiver») zu ermöglichen. Definitiv wurde diese Ausnahmeregelung im Rahmen der Tokio-Runde (SR 0.632.231.61) verankert.

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Die schweizerische Zollpräferenzen-Politik

Die schweizerischen Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer wurden 1972 eingeführt. Aus ordnungspolitischen Überlegungen hatte die Schweiz das von der UNCTAD erarbeitete Konzept der Zollpräferenzen anfänglich nur zögernd unterstützt. Aus den Erfahrungen mit anderen in den Markt eingreifenden Förderungskonzepten wurde befürchtet, dass diese Massnahme weniger zu einer Handelsausweitung als zu einer Umleitung der Handelsströme führen würde, welche die länderspezifischen Produktionskostenstruktur ungenügend widerspiegle. Über kurz oder lang würde sich dies nachteilig gerade auch für die Produzenten in den von den Zollpräferenzen begünstigten Entwicklungsländern auswirken, weil dadurch Kapazitäten in Sektoren und Bereichen aufgebaut oder zementiert würden, in denen das betreffende Land keine echten Vorteile hat. Dieses Argument verlor nach Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der damali-

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gen EWG an Bedeutung, weil damit eine Zollsenkung auf breiterer Basis einherging. Um der unterschiedlichen Ausgangslage innerhalb der Entwicklungsländer Rechnung zu tragen, gewährt die Schweiz seit 1982, aufgrund einer Empfehlung der UNO, der Gruppe der- ärmsten Entwicklungsländer '> weitergehende Zollbefreiungen, insbesondere auf vielen landwirtschaftlichen Erzeugnissen und auf allen Industriegütern.

Als Instrument der Exportförderung waren die Zollpräferenzen weniger wirksam, als dies von vielen erwartet wurde. Drei Gründe sind dafür hauptverantwortlich.

Erstens konnten sich die Industrieländer nicht auf ein gemeinsames Präferenzensystem einigen und führten individuelle Anwendungskriterien ein, was die Nutzung der Präferenzen durch die Entwicklungsländer erschwerte. Zweitens sind seit der Einführung der Zollpräferenzen vor über 20 Jahren für alle Länder die Zollansätze und die Zollprogression, d. h. die höheren Zollansätze bei steigendem Verarbeitungsgrad, im Rahmen des GATT sowie von Freihandelsabkommen stark reduziert worden (Erosion der Präferenzmarge). Nach der Uruguay-Runde betragen die Durchschnittszollansätze der Industrieländer auf Fertigwaren nur noch 4 Prozent.

Auch die mengenmässigen Beschränkungen, z. B. im für die Entwicklungsländer wichtigen Textil- und Bekleidungssektor, wurden in das Welthandelssystem eingebunden und werden ini Laufe der nächsten zehn Jahre abgebaut werden. Dies betrifft die Schweiz nicht, weil sie im Textilsektor nie mengenmässige Beschränkungen eingeführt hat. Drittens sind Zölle nur ein Handelshemmnis, das zudem an Bedeutung verliert, während andere Elemente auf dem Weg zum erfolgreichen Durchbruch auf den Märkten der Industrieländer sehr viel wichtiger wurden. Bei überwiegend homogenen Produkten reagiert der Markt - falls keine mengenmässigen Beschränkungen gelten - praktisch unmittelbar auf Preisveränderungen; bei weniger homogenen Produkten, welche für die Entwicklung eines Landes von weit grösserer Bedeutung sind, spielen andere Marketinginstrumente und traditionelle Käufer-Verkäufer-Beziehungen eine gewichtigere Rolle. Eine notwendige Voraussetzung für die Ausnützung von Präferenzen und für einen dauerhaften Erfolg im Aussenhandel besteht aber auch darin, dass Verzerrungen in den Volkswirtschaften der Entwicklungsländer behoben werden.

Die Erosion der
Präferenzenmarge und die Bedeutung anderer, nicht-tarifarischer Handelshemmnisse stellen die Berechtigung von Zollpräferenzen in Frage. Nach eingehender Prüfung sind wir zur Ansicht gelangt, dass Zollpräferenzen entwicklungspolitisch weiterhin sinnvoll sind; sie müssen aber noch gezielter ßtr die ärmsten Entwicklungsländer eingesetzt und dabei durch zusätzliche, handelsfördernde Instrumente ergänzt werden. Weitere komplementäre Massnahmen - das Schwergewicht liegt auf der Förderung institutioneller Kapazitäten sowohl auf der Ebene der Regierungen (Verbesserung der aussenwirtschaftspolitischen Strukturen) als auch der parastaatlichen und privaten Organisationen (Qualitätsprüfungsstellen, Handelskammern usw.) - werden in der Botschaft über die Weiterführung der Finanzie-

" Gemass UNO zählen heute 48 Länder zu den ärmsten Entwicklungsländern («PMA» = Pays les moins avancés): Afghanistan, Angola, Äquatorialguinea, Äthiopien, Bangladesh, Benin, Bhutan, Burkina Faso, Burundi, Djibouti, Eritrea, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Haiti, Jemen, Kambodscha, Kapverden, Kiribati, Komoren, Laos, Lesotho, Liberia, Madagaskar, Malawi, Malediven, Mali, Mauretanien, Mosambik, Myanmar, Nepal, Niger, Rwanda, Sao Tome und Principe, Salomon-Inseln, Sambia, Samoa, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Tansania, Togo, Tschad, Tuvalu, Uganda, Vanuatu, Zaire, Zentralafrikanische Republik.

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rung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen (Rahmenkredit V) dargelegt.

Im Leitbild Nord-Süd (BB1 1994 II 1214) über die Beziehungen der Schweiz zu den Entwicklungsländern in den 90er Jahren wird darauf hingewiesen, dass die traditionelle Trennung zwischen der Handelspolitik und der Entwicklungspolitik den anstehenden internationalen Problemen nicht mehr gerecht wird. Im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 1995 (BB1 1996 I 668) haben wir auch auf dem Hintergrund einer zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik begründet und Handlungsfelder auf den verschiedenen Ebenen aufgezeigt. Im Rahmen des Vollzugs des Zollpräferenzenbeschlusses wollen wir der Kohärenz dieser Massnahmen und dem sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand innerhalb der Gruppe'der Entwicklungsländer besondere Beachtung schenken.

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Das schweizerische Präferenzensystem

Die UNCTAD bestätigt, dass das gegenwärtige schweizerische Präferenzenschema im internationalen Vergleich in bezug auf zwei wichtige handelsrelevante Kriterien - Einfachheit und Berechenbarkeit - exemplarisch ist und im Industriebereich gegenüber allen Entwicklungsländern grosszügige Konzessionen beinhaltet. Trotzdem zeigt die Auswertung, dass nur eine relativ geringe Anzahl von weiter fortgeschrittenen oder grösseren Entwicklungsländern vom schweizerischen Präferenzensystem wirklich profitiert. Andere Industrieländer haben in bezug auf ihre Schemata vergleichbare Beobachtungen gemacht.

Zollpräferenzen beeinflussen nur einen kleinen Teil unseres Aussenhandels.

Erstens beträgt der Anteil der Entwicklungsländer an den Gesamteinführen in die Schweiz heute weniger als sieben Prozent, und die Tendenz ist seit 1991 fallend.

Zweitens beträgt die Ausnützungsziffer, das heisst die effektive Inanspruchnahme der Präferenzen, nur etwa 50 Prozent. Die Ausnützung hat aber, im Zeitraum von 1988-1994 stetig zugenommen (von 35,93% auf 55%); 1995 hat sie jedoch auf 51 Prozent abgenommen (vgl. Tabelle I, Anhang 1).

Die Ausnutzung der Zollpräferenzen durch die Entwicklungsländer ist im Industriebereich wesentlich geringer als bei den Agrarprodukten. Tiefe Zollansätze für Industrieprodukte rechtfertigen wohl kaum den administrativen Aufwand für die Beantragung der Zollpräferenzen. Zudem ist der Ursprungsnachweis für Agrarprodukte einfacher zu erbringen, da es sich dabei um homogene Produkte handelt. Die Zunahme der Ausnützungsrate deutet auf eine erhöhte Sensibilisierung und bessere Kenntnisse in den Entwicklungsländern und bei den schweizerischen Importeuren in bezug auf die vorhandenen Präferenzen hin, was unter anderem auch auf die Informationsanstrengungen der Geberländer allgemein und der Schweiz im besonderen zurückzuführen ist.

Die bessere Ausnützung des Schemas hat einen zunehmenden Einnahmenausfall bei den Zollerträgen zur Folge, sofern für die Berechnung des Ausfalls der Normaltarif zugrunde gelegt wird. Der auf dieser Basis errechnete Ausfall betrug 1992 knapp 70 Millionen Schweizerfranken, 1993 gut 72 Millionen und 1994 82,6 Millionen. Auf die zwei grössten Entwicklungsländer, China und Indien, entfallen, in absoluten Zahlen, fast die Hälfte der von der Schweiz gewährten APS-Konzessio-

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nen l > (vgl. Tabelle 2, Anhang 2). Länder, welche die Präferenzen zu nutzen vermögen, zeichnen sich in der Regel durch ein gewisses Produktionspotential aus sowie durch eine bereits relativ fortgeschrittene Integration ihrer Volkswirtschaften in den Welthandel.

Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 9. Oktober 1981 über die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer (Zollpräferenzenbeschluss; SR 632,91) läuft am 28. Februar 1997 aus. Der Bundesbeschluss wurde 1991 nach einer Laufzeit von zehn Jahren für weitere fünf Jahre verlängert. Die Verlängerung bis 1997 wurde gewählt, um die Anwendungskriterien beim Vollzug im Lichte der Ergebnisse der Uruguay-Runde und gegebenenfalls auch der Verhandlungen über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums zu überprüfen.

Unterdessen wurde die Uruguay-Runde abgeschlossen (vgl. GATT-Botschaft, BB1 1994 IV 1), und eine Beteiligung der Schweiz am Europäischen Wirtschaftsraum wurde am 6. Dezember 1992 von Volk und Ständen abgelehnt.

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Die Verlängerung des Zollpräferenzenbeschlusses Ausgangstage

In den Entwicklungsländern hat gesamthaft gesehen in den letzten Jahren ein radikaler Kurswechsel in bezug auf die Aussenwhtschaftspolitik stattgefunden, welcher noch nicht überall in vollem Ausmass wahrgenommen wird. Der Zusammenbruch der politischen und ideologischen Zweiteilung der Welt, die imposante Zunahme der internationalen Investitionen und Handelsströme, die rasante Entwicklung der Finanzmärkte sowie der Durchbruch neuer Informationstechnologien und die Verbilligung von Transportleistungen haben die Grundlagen für die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft verbessert. Der Anteil der Entwicklungsländer an den weltweiten Industriegüterexporten ist zwischen 1980 und 1993 von etwa 11 auf 24 Prozent angestiegen. Diese Erfolgszahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Schub ein regional sehr differenziertes Bild verbirgt: Am stärksten konnten die asiatischen Länder ihren Anteil steigern (von 8 auf 20%), die lateinamerikanischen Länder hingegen nur von 1,4 auf 2,7 Prozent und Afrika südlich der Sahara stagnierte bei 0,4 Prozent. Nach Angaben der UNCTAD ist der Anteil der Gruppe der 48 ärmsten Entwicklungsländer an den Welthandelsexporten im Verlauf der letzten zehn Jahre sogar von etwa 0,6 auf 0,3 Prozent zurückgefallen, obwohl auch für diese Ländergruppe das Exportvolumen in absoluten Zahlen gestiegen ist. Die Stärkung des Exportsektors ist für diese Länder wichtig, da Exporterlöse eine der Hauptquellen der Devisenbeschaffung und Einkommenserhöhung sind.

Die weltweite Arbeitsteilung wurde mit der Schaffung der Welthandelsorganisation (WTO) gefestigt. Die meisten Entwicklungsländer sind unterdessen WTO-Mitglieder geworden oder haben den Beitrittsprozess eingeleitet. Damit sind die Voraussetzungen für eine Entwicklung, die .sich auf den globalen Handel abstützt, substantiell verbessert worden. Durch den Abschluss der Uruguay-Runde und die damit einhergehenden allgemeinen Zollsenkungen haben die Entwicklungsländer gegenüber der Schweiz Zollvorteile eingebüsst. Diese Präferenzerosion ist jedoch weni-

l)

Die elf Lander, die zollbetragsmässig am stärksten vom schweizerischen APS profitieren (1994): I. China, 2. Indien, 3. Thailand, 4. Südkorea, 5. Brasilien, 6. Indonesien, 7. Malaysia, 8. Pakistan, 9. Philippinen, 10. Singapur, 11. Vietnam.

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ger bedeutend als die faktische Schlechterstellung der Entwicklungsländer im Vergleich zu den Ländern, mit denen die Schweiz Freihandelsabkommen abgeschlossen hat.

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Neue Schwerpunkte für den Vollzug des Bundesbeschlusses

Beim Vollzug des Bundesbeschlusses wollen wir soweit möglich den Entwicklungsländern die zolltarifarischen Konzessionen gewähren, welche die Schweiz gegenüber ihren Partnern im Rahmen von Freihandelsabkommen anwendet. Zudem sollen hauptsächlich die ärmsten Entwicklungsländer vom Zollpräferenzenschema der Schweiz profitieren. Diese Länder bedürfen unserer Unterstützung, um den Anschluss an die Weltwirtschaft zu finden. In diesem Sinne wurde auch anlässlich der Unterzeichnung der GATT/WTO-Übereinkommen in Marrakesch 1994 ein Beschluss verabschiedet, in dem die APS-Geberfänder aufgefordert werden, weitere Verbesserungen des APS zugunsten von Exporten aus den ärmsten Entwicklungsländern in Betracht zu ziehen (GATT-Botschaft; BB1 1994 IV 914). Die am meisten fortgeschrittenen Entwicklungsländer sind heute wettbewerbsfähig. Ihnen soll künftig keine Sonderbehandlung in bezug auf die allgemeinen WTO-Regeln mehr gewährt werden, da sie in der Lage sind, ihre Handelsbeziehungen auf der Basis von gegenseitig bindenden Vereinbarungen multi- oder bilateral zu gestalten.

Obwohl das Präferenzenschema der Europäischen Union (EU) mit dem unseren nicht vergleichbar ist (vgl. Ziff. 5), prüfen wir, inwieweit gewisse Ansätze im Schema der EU auch im schweizerischen Präferenzenschema Anwendung finden könnten, damit die entwicklungspolitische Wirkung verstärkt wird. Andererseits werden wir bei der Umsetzung des Zollpräferenzenbeschlusses darauf achten, dass keine Spannungen zwischen den laufenden bilateralen EU-Verhandlungen und den Änderungen beim Vollzug des Präferenzenbeschlusses entstehen.

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Anpassungen beim Vollzug des Zollpräferenzenbeschlusses Die Präferenzberechtigung von Entwicklungsländern

Der Zollpräferenzenbeschluss ermächtigt den Bundesrat, (a) die begünstigten Länder zu bezeichnen, (b) die Waren zu bestimmen, welche in den Genuss einer präferentiellen Behandlung kommen können, sowie (c) das Ausmass der Zollsenkungen festzulegen.

Bei der Einführung der Präferenzen in den 70er Jahren hat die Schweiz entschieden, dass alle Länder, die sich als Entwicklungsländer bezeichnen, vom Präferenzensystem profitieren können (Prinzip der Selbstemennung gemäss UNO-Praxis).

Die USA und auch die EU haben in ihre Schemata jedoch Bestimmungen aufgenommen, die es ihnen erlauben, gewissen Staaten, die sich selbst als Entwicklungsländer bezeichnen, aber einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht haben, die Zollpräferenzen ganz oder teilweise zu entziehen. Ein solches Ausscheidungsverfahren wird als «Graduierung» bezeichnet. Die Einführung der Graduierung rechtfertigt sich wegen der differenzierten Lage der Entwicklungsländer und aus dem Bestreben, innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer die Voraussetzungen für die ärmsten Länder zu verbessern. Wir wollen künftig im schweizerischen Präferenzenschema ebenfalls von der Möglichkeit der Graduierung Gebrauch machen und vom bisher angewendeten Prinzip der Selbsternennung abweichen. Die Rechts-

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grundlage ist bereits im gegenwärtigen Präferenzenbeschluss in der Abstufungsklausel enthalten. Diese hält fest, dass der Bundesrat periodisch überprüft, «... ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass Zollpräferenzen für Produkte bestimmter begünstigter Länder in Anbetracht der entwicklungs-, fmanz- und handelspolitischen Lage dieser Länder weiterhin gerechtfertigt sind» (Artikel 3).

Bei der Graduierung muss unterschieden-werden zwischen der Vollgraduiemng, die den Entzug aller Zollpräferenzen für ein Land vorsieht, das einen mit Industrieländern vergleichbaren Entwicklungsstand erreicht hat, und der Teilgradwerung, bei der ein Land für ein spezifisches Produktesegment, in dem es auch ohne Zollpräferenzen im internationalen Markt bestehen kann, keine Zollpräferenzen mehr erhält. Das schweizerische Schema hat bisher bereits in einigen Fällen der Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Länder Rechnung getragen. So wurden unter anderem China, die beiden Korea, Hongkong und Macao von der präferentiellen Behandlung bei einigen speziellen Produkten (insbesondere Textilien) ausgeschlossen. t Die Anwendung einer Voilgraduierung im schweizerischen Pra'ferenzenschema soll auf objektiven und international anerkannten Kriterien basieren, die den Entwicklungsstand so gut wie möglich wiedergeben. Wir beabsichtigen, uns zu diesem Zweck an die Kriterien des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC) für die Bestimmung der Anrechnung der «Entwicklungshilfebeiträge» anzulehnen (DACListe)!). Die Anwendung der Kriterien des OECD-DAC bedeutet, dass gewisse Lander künftig keine Zollpräferenzen von der Schweiz mehr erhalten werden21 (vgl, Anhangs und die Erklärungen zu Anhang3). Hingegen werden wir das Schema in Übereinstimmung mit der DAC-Liste neu auf gewisse GUS-Staaten3) ausweiten. Diese Länder sind mit Entwicklungsländern der mittleren Einkommensgruppe zu vergleichen. Die wesentlichen Kriterien (Bruttosozialprodukt pro Kopf, Qualität und Verfügbarkeit der Produktionsfaktoren, Infrastrukturangebot, Wachstum und Ausbildungsniveau) erreichen ein im internationalen Vergleich äusserst bescheidenes Niveau. Daten über grenzüberschreitenden Warenverkehr mit NichtGUS-Ländern fehlen zudem weitgehend, da die GUS-Staaten vor allem Binnenhandel betreiben.

Neben den auf der Basis der DAC-Liste graduierten Ländern beabsichtigen wir,
diejenigen Entwicklungsländer vom Präferenzenschema auszuschliessen, mit denen die Schweiz ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat, ferner diejenigen Länder, die als Mitglied in die OECD aufgenommen werden (z. B. Mexiko). Der Entzug von Präferenzen wird mittelfristig und voraussehbar erfolgen, so dass sich die Handelsströme anpassen können.

Ein Teilgraduierungsmechanismus rechtfertigt sich aus zwei Gründen. Erstens sind Zollpräferenzen als Starthilfen konzipiert, die bei Erreichen einer hohen Wettbe-

" Im Rahmen des Entwicklungshilfeausschusses der OECD (DAC) konnten 1995 die Arbeiten zur Definition jener Länder abgeschlossen werden, die Empfänger von «Entwicklungsgeldem» sind. Finanztransfers zugunsten anderer Drittländer, die ebenfalls den Status eines Entwicklungslandes haben können, werden nicht mehr als Teil der öffentlichen Entwicklungshilfe anerkannt, da es sich um Länder handelt, die bereits ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium erreicht haben.

2 > Zu graduierende Länder: Zypern, Malta, Gibraltar, Libyen, Saudi-Arabien, Qatar, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Kuwait, Singapur, Hongkong, Südkorea, Cayman-Inseln, Bahamas, Bermudas, Barbados, Brit. Jungferninseln, Niederländische Antillen, Aruba, Brunei, Argentinien, Falkland-Inseln, Franz. Polynesien, Amerikanisch Ozeanien.

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Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion).

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werbsfähigkeit nicht mehr notwendig sind. Zweitens schafft die Teilgraduierung die Möglichkeit, die Präferenzspanne der weiter fortgeschrittenen Länder auf die ärmeren Länder zu übertragen. Wir prüfen die Einführung einer Teilgraduierung im Lichte des Ausmasses an Konzessionen, welche wir im Präferenzenschema effektiv gewähren werden. Die Anwendungskriterien werden zudem erlauben, dass in gewissen Fällen ein Entwicklungsland Zollpräferenzen auch in denjenigen Produktebereichen beibehält, in denen es kompetitiv ist, um dadurch einen effektiven volkswirtschaftlichen Nutzen aus dem Entwicklungsinstrument ziehen zu können.

Bei einer Umsetzung des Teilgraduierungsmechanismus müsste die Wettbewerbsfähigkeit von Exporten aus Entwicklungsländern auf dem Weltmarkt zum Massstab genommen werden. Gegenwärtig verfügen wir dazu über kein ausreichendes Zahlenmaterial. Wir müssten daher vorderhand einen Schwellenwert bestimmen, der auf den schweizerischen Markt bezogen ist. Angesichts der Beschränktheit unseres Binnenmarktes soll die Teilgraduierung nur dann erfolgen, wenn die Einfuhren eines Entwicklungslandes einem hohen prozentualen Anteil an den Gesamtimporten eines bestimmten Produktes in die Schweiz über einen Zeitraum von drei Jahren entsprechen. Zudem würden auch diese Präferenzrücknahmen nicht abrupt, sondern zeitlich graduell vorgenommen.

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Konzessionspotential auf Waren

Auf Industriegütern geniessen die ärmsten Entwicklungsländer bereits heute volle Zollfreiheit. Inskünftig wollen wir den ärmsten Entwicklungsländern Zollfreiheit auch auf den meisten landwirtschaftlichen Produkten gewähren, bei Gütern, für welche es Zollkontingente gibt (für die Schweizer Landwirtschaft sensible Produkte), jedoch nur innerhalb des Zollkontingentes. Diese Einschränkung ist von beschränkter Tragweite, da die ärmsten Entwicklungsländer in der Regel andere Güter produzieren als die Schweizer Landwirtschaft.

Da auch für die übrigen Entwicklungsländer im Industriebereich bereits weitgehende Konzessionen gewährt wurden, konzentriert sich die Revision des Präferenzenschemas auch hier vor allem auf spezifische Verbesserungen im Agrarbereich.

Erstens wollen wir diese Länder soweit möglich tarifarisch mit den europäischen Freihandelsländern gleichsetzen. Zweitens sollen diese Länder punkluelle Verbesserungen der Präferenzen auf Produkten erhalten, die für sie von Interesse sind (z. B.

Roh-Rohrzucker, Feigen, Ananas, Melonen), Drittens werden wir ihnen fòr Agrarprodukte soweit möglich präferentiell die definitiven Zollkonzessionen, zu welchen sich die Schweiz in der Uruguay-Runde verpflichtet hat, bereits jetzt gewähren.

Die temporäre Besserstellung soll ihnen die Anpassung an das neue handelspolitische Umfeld nach Abschluss der Uruguay-Runde erleichtern. Zudem würden sich diese Konzessionen auf das Mass beschränken, das die Schweiz in absehbarer Zeit gegenüber allen WTO-Mitgliedern zu gewähren bereit ist.

Bei der Ausweitung der Konzessionen werden wir versuchen, vorhandene Zollprogressionen gegenüber Gütern aus Entwicklungsländern zu reduzieren. Da sich die schweizerischen Zollansätze auf das Warengewicht und nicht auf den Warenwert beziehen, erschienen verarbeitete Produkte, in denen die Rohstoffe in konzentrierter Form enthalten sind, als höher belastet als die Rohstoffe. Die Zollprogression ist somit nur bedingt aus dem Zolltarif ersichtlich. Bei den verarbeiteten Agrarprodukten, die dem Rohstoffpreisausgleichssystem unterliegen, wird heute ein Zollansatz angewendet, der aus einem mobilen Teil und einem fixen Teil besteht. Der

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mobile Teilbetrag entspricht den Zollansätzen auf den verarbeiteten Agrarrohstoffen. Das fixe Element hingegen entspricht einem Industrieschutz, auf den wir gegenüber den europäischen Freihandelsländern verzichtet haben, den wir gegenüber den Importen aus Entwicklungsländern jedoch immer noch anwenden. Bei der Revision des Präferenzenschemas werden wir in dieser Hinsicht die Entwicklungsländer mit. denjenigen der europäischen Freihandelszone gleichstellen.

Für Entwicklungsländer ist es schwierig, landwirtschaftliche Produkte, für die es Zollkontingente gibt, zum Kontingentszollansatz (d. h. zum niedrigen Zoflansatz, der gegenüber allen Drittländern angewendet wird) in die Schweiz zu exportieren.

Wir prüfen deshalb Möglichkeiten, um neben der zolltarifarischen Besserstellung der Entwicklungsländer deren Zugang zu den Zollkontingenten zu verbessern. Ein Spielraum könnte bei den Kontingentszuteilungen aufgrund der Inlandleistung (bei Importen aus den Entwicklungsländern wären weniger Inlandleistungen zu erbringen) sowie bei der Vergabe von Kontingenten auf der Basis von Importvergleichszahlen (stärkere Gewichtung der Importe aus den Entwicklungsländern) bestehen.

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Konzessionen auf zweckgebundenen Zollanteilen und Beiträgen

Für gewisse landwirtschaftliche Güter werden zweckgebundene Zollanteile zur Finanzierung landwirtschaftlicher Marktordnungen erhoben, beispielsweise beim Zucker. Gegenwärtig stammen nur ungefähr 2,6 Prozent der Zuckerimporte der Schweiz aus Entwicklungsländern. Roh-Rohrzucker ist für viele ein wichtiges Exportprodukt, das die schweizerische Zuckerrübenpröduktion unter den heutigen Bedingungen nur marginal konkurrenziert, da der Rohzuckerverbrauch in der Schweiz relativ gering ist. Wir wollen ,/wr Roh-Rohrzucker den im Gebrauchszolltarif aufgeführten Zollansatz för Entwicklungsländer, für eine vom Bundesrat festzulegende Menge, in einem Ausmass senken, der auch den heute zweckgebundenen Zollameli umfassen würde.

Damit die Umsetzung des Zollpräferenzenbeschlusses mit den neuen Schwerpunkten (Verbesserungen für die ärmsten und Graduierung der am meisten fortgeschrittenen Länder) gesamthaft nichfzu einer Schlechterstellung dieser Länder führt und fiskalpolitisch neutral ausfällt, beantragen wir eine Kompetenzerweiterung (Art. l Abs. 2). Diese soll es dem Bundesrat erlauben, Bestimmungen zu erlassen, damit den Importeuren Beiträge, die auf der Basis von landwirtschaftlichen Importen aus den ärmsten Entwicklungsländern durch die Pflichtlagerorganisationen erhoben werden, aus der Bundeskasse ganz oder teilweise kompensiert werden können ">.

Eine solche Massnahme hätte die gleiche Auswirkung wie eine zusätzliche Zollreduktion. Die allgemeine Bundeskasse würde nicht belastet, da die Finanzierung im Rahmen der Mehreinnahmen aus der Graduierung erfolgen würde.

" Nach Art. 8 des Landesversorgungsgesetzes vom 8. Oktober 1982 (LVG; SR 531) kann der Bundesrat für lebenswichtige Güter, bei denen keine oder nur eine unzureichende Inlandproduktion besteht, die obligatorische Pflichtlagerhaltung einführen. Die obligatorische Pflichtlagerhaltung kann mit dem Instrumentarium der Garantiefonds finanziell erleichtert werden. Garantiefondsbeiträge sind landesrechtlich keine Zölle; sie werden indessen auch in bezug auf importierte Güter erhoben. Aus diesem Grund werden wir auch Entlastungen in diesem Bereich prüfen, wobei die privatrechtliche Natur des Garantiefondsbeitragssystems berücksichtigt wird, 170

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Präferenzen zur Förderung der Sozial- und Umweltpolitik in Entwicklungsländern

Sozial- und Umweltklauseln könnten im Präferenzenschema Sanktionen vorsehen (Entzug von Zollpräferenzen) oder Anreize schaffen (Gewährung zusätzlicher Zollpräferenzen}. Ausser den USA im Bereich der «Arbeitnehmerrechte» sowie der EU in Fällen von Sklaverei oder bei Export von Erzeugnissen, die in Strafanstalten hergestellt werden, drohen keine Geberländer mit dem Entzug von Präferenzen bei Verstössen gegen sozialpolitische Normen. Die EU plant die Sozial- und Umweltschutzpolitik (Tropenholz) durch Anreize zu unterstützen. Für die Schweiz scheinen Sanktionen nicht angebracht. Zum einen sind wir der Überzeugung, dass hier handelspolitische Sanktionen kein zielgerechtes Instrument sind und nur Massnahmen im betreffenden Land selbst etwas Grundlegendes ändern können. Zudem sind die aussenpolitischen Kosten bei der Einführung eines «Malus-Systems» sehr hoch, und die Schweiz kann aufgrund ihres kleinen Heimmarktes kaum wirksamen Druck auf ein Drittland ausüben.

Das Anreiz- oder «Bonus-System» der EU scheint uns prüfenswerter zu sein, wobei die Ausgangslage für die EU nicht die gleiche ist wie für die Schweiz. Die EU ist sehr grosszügig in bezug auf Präferenzen gegenüber den AKP-Staaten'>, geht aber in den Zollkonzessionen gegenüber den anderen Entwicklungsländern, die «nur» die Zollpräferenzen erhalten, wesentlich weniger weit als die Schweiz (vgl. Ziff. 5). Sie hat dadurch eine Marge, die es ihr ermöglichen würde, substantielle Präferenzboni zu gewähren. Im Gegensatz zur EU wäre ein Bonus-System für die Schweiz nur in beschränktem Ausmass realisierbar, da die Schweiz zumindest im Industriebereich bereits niedrige oder gar keine Zölle gegenüber Entwicklungsländern anwendet. Da für Exporteure nach Europa der schweizerische Markt oftmals von demjenigen der EU nicht unterschieden wird, könnte die Schweiz die Effizienz der Massnahmen der EU jedoch entwicklungspolitisch verstärken, wenn sie ein ähnliches Vorgehen wie die EU wählen würde.

Wir verfolgen deshalb aufmerksam, wie die EU ihre Umwelt- und Sozialklausel in ihrem Schema (vgl. Ziff. 5) umsetzen wird. Zu einem späteren Zeitpunkt behalten wir uns die Möglichkeit vor, in diesem Bereich ebenfalls zusätzliche Zollpräferenzen zu gewähren. Dies unter der Bedingung, dass noch ein ausschöpfbares Konzessionspotential im Präferenzschema der Schweiz besteht.

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Vorübergehender Entzug von Zollpräferenzen

Der Zollpräferenzenbeschluss enthält eine Schutzklausel, die es erlaubt, die gewährten Vorteile zu ändern oder auszusetzen, wenn wesentliche schweizerische Wirtschaftsinteressen beeinträchtigt oder Handelsströme nachhaltig gestört werden (Art. 2). Wenn eine Zollpräferenz zurückgenommen wird, tritt an deren Stelle automatisch der allgemeingültige Zollansatz, den die Schweiz gegenüber Drittstaaten anwendet.

Unabhängig von der vorgenannten Schutzklausel werden wir die Zollpräferenzen vorübergehend vollständig oder teilweise zurücknehmen, wenn ein begünstigtes

" Rund 70 Entwicklungsländer Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums, welche von der EU im Rahmen des Lome-Abkommens einen sehr weitgehenden Marktzugang erhalten. Das Lome-Abkommen enthält keine Umwelt- bzw. Sozialklauseln.

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Land in krasser Weise völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt und deswegen internationalen Sanktionen unterworfen wird.

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Verbesserung der Ursprungsregeln

Die Ursprungsregeln müssen garantieren, dass einzig die Erzeugnisse, die in einem begünstigten Entwicklungsland vollständig erzeugt oder ausreichend be- oder verarbeitet worden sind, von schweizerischen Präferenzen profitieren können. Im Bereich der Zollpräferenzen-Ursprungsregeln gibt es eine weitgehende Harmonisierung zwischen der EU, Norwegen und der Schweiz. 1995 hat die EG zwei neue Elemente in ihre Ursprungsregeln aufgenommen, die die Schweiz in ihre neue Verordnung über die Ursprungsregeln für Zollpräferenzen an Entwicklungsländer (SR 946.39; Inkraftsetzung am 1. Juli 1996) integriert hat.

Erstens wurde die Verordnung durch die Einführung des Geberländeranteils verbessert. Diese Bestimmung gibt die Möglichkeit, Schweizer Rohstoffe oder Halbfabrikate zu verwenden und diese bei der Bestimmung des Ursprungs als Ursprungserzeugnis des Entwicklungslandes zu betrachten. Wirtschaftlich gesehen wird dadurch ein Anreiz zur Verwendung von schweizerischen Vormaterialien durch die Entwicklungsländer geschaffen und eine verstärkte industrielle Kooperation zwischen der Schweiz und den Entwicklungsländern gefördert. Zweitens wurde eine allgemeine Toleranzregel eingeführt. Gemäss dieser Regel dürfen auch Halbfabrikate verwendet werden, die durch die Ursprungsregeln an sich nicht abgedeckt sind, und zwar bis zu einem Gesamtanteil von 5 Prozent des Warenwertes ab Fabrik. Von dieser Liberalisierung bleiben die Textil- und Bekleidungswaren ausgenommen. Die allgemeine Toleranzregel bringt den Entwicklungsländern eine Flexibilisierung und ein grösseres Potential zur Erfüllung der Ursprungsregeln.

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Präferenzen auf dem Handel mit Dienstleistungen

Während der Uruguay-Runde wurde erstmals" auch über den Marktzugang im Bereich der Dienstleistungen verhandelt, und im Anschluss an die Uruguay-Runde wurde von den Entwicklungsländern gefordert, das Prinzip der Präferenzen auch auf die Dienstleistungen auszuweiten. Das Konzept kann jedoch für den Dienstleistungsbereich nicht automatisch übernommen werden. Zollpräferenzen werden nur auf Zöllen gewährt; solche gibt es aber auf Dienstleistungen nicht. Formell ist die Gewährung von Präferenzen im Dienstleistungsbereich sodann ohne Änderung des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS; AS 1995 2418} nicht möglich. Anders als beim GATT gibt es im GATS keine Ermächtigungsklausel, welche den Vertragsparteien die Möglichkeit einräumt, den Entwicklungsländern eine Vorzugsbehandlung zu gewähren. Bisher hat auch kein Geberland die Absicht geäussert, in ihrem Schema Präferenzen ausserhalb des Warenbereiches zu gewähren, Flexibilität für Entwicklungsländer sieht das GATS hingegen im Bereich der Ausgestaltung der konkreten Marktzugangskonzessionen in den nationalen Verpflichtungslisten (Art. 4 GATS) vor.

Aus WTO-rechtlichen, aber auch aus praktischen Gründen erwägen wir deshalb gegenwärtig keine Ausweitung der Präferenzen auf Dienstleistungen. In Anbetracht der wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors auch für die Entwicklungsländer werden wir jedoch Möglichkeiten prüfen, um im Rahmen des fünften Rahmenkredites über die Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Mass-

172

nahmen die technische Zusammenarbeit im Bereich der Handelsförderung auch auf Dienstleistungen auszudehnen.

138

Begleitende Massnahmen zur Erhöhung der Wirkung des schweizerischen Zollpräferenzenschemas

Die Zollpräferenzen der Industrieländer sind sehr unterschiedlich ausgestaltet.

Weder die allgemeine Ausrichtung, der produktebezogene Deckungsbereich, noch die Ursprungsregeln sind 'international harmonisiert (Ausnahme: europäisches Freihandelssystem). Um die angebotenen Zollpräferenzen effektiv beantragen und nutzen zu können, benötigen die Entwicklungsländer sehr viel Information. Das Beschaffen und Aufarbeiten der Information fällt vielen Ländern, insbesondere den ärmsten, schwer.

Die Schweiz unterstützt seit Jahren ein Programm der technischen Zusammenarbeit über Zollpräferenzen der UNCTAD. Sie hat ebenfalls mehrere bilaterale Seminare organisiert. Diese Art begleitender Massnahmen wird weitergeführt. Wie bereits unter Ziffer 112 erwähnt, werden weitergehende handelsfördemde Massnahmen zur Unterstützung der Entwicklungsländer in der Botschaft über die Weiterführung der Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen (Rahmenkredit V) dargelegt.

14

Ergebnis des Vorverfahrens

Nach Artikel l Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.062) wird ein Vernehmlassungsverfahren u.a.

bei Erlassen durchgeführt, die von erheblicher politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Tragweite sind. Auf die Durchführung eines solchen Verfahrens wurde verzichtet, da die Zollpräferenzen ein seit 25 Jahren bestehendes Instrument der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz sind, dessen Weiterführung von den betroffenen Kreisen nicht in Frage gestellt wird. Hingegen hat das Bundesamt für Aussenwirtschaft bei den direkt interessierten und betroffenen Kreisen (u. a. Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Hilfswerke, Schweizerischer Handels- und Industrieverein «Vorort», Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Bauernverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Vereinigung des Schweizerischen Import-Grosshandels, Textilverband der Schweiz, Swissfashion, Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien, Schweizerische Gesellschaft für Chemische. Industrie, Verband Schweizerischer Zigarrenfabrikanten, Vereinigung der Schweizerischen Zigarettenindustrie, Schweizerische Vereinigung zum Schutz kleiner und mittlerer Bauern, Konsumentinnenforum Schweiz, Fédération romande des consommatrices) informelle Anhörungen durchgeführt.

Zur Verlängerung des Präferenzenbeschlusses äusserten sich im Rahmen der informellen Anhörung zwölf Organisationen. Die Verlängerung des Bundesbeschlusses ist allgemein auf Zustimmung gestossen. Die Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Hilfswerke beantragt jedoch, die Kompetenzen des Bundesrates im Bundesbeschluss auszudehnen. Einerseits soll ihm damit die Möglichkeit eingeräumt werden, Präferenzen im Dienstleistungssektor, bei Investitionen und beim geistigen Eigentum in dem Ausmass zu gewähren, welches die WTO-Abkommen im Bereich der Dienstleistungen (GATS), der Investitionen .(TRIMS) und des geistigen Eigentums (TRIPS) zulassen. Andererseits soll dem Bundesrat auch die Kom-

173

petenz erteilt werden, zusätzliche Zollpräferenzen auf Gütern zu gewähren, die sozial- und umweltpolitischen Auflagen genügen, und zwar unabhängig davon, ob ein Land vom Genuss der Zollpräferenzen ausgeschlossen wurde oder nicht (Graduierung). Für die Gewährung von Präferenzen in den «neuen Gebieten» des Welthandels (Dienstleistungen, Investitionen und geistiges Eigentum) fehlt jedoch in allen drei relevanten WTO-Abkommen die Rechtsgrundlage. Zudem ist die Übernahme des Prinzips von Zollpräferenzen kaum praktikabel, da die Marktzugangshindernisse in den «neuen Gebieten» nicht tarifärer Natur sind.'Dem zweiten Begehren der Arbeitsgemeinschaft kann der Bundesrat, wenn er es als opportun erachtet, mit der bestehenden Rechtsgrundlage entsprechen.

Die meisten Stellungnahmen beziehen sich aber auf den Vollzug des Bundesbeschlusses. Die Hilfswerke verlangen unter anderem eine automatische Anpassung der Zollansätze für Entwicklungsländer, sobald weitere Konzessionen im Rahmen von Freihandelsabkommen gewährt werden. Für die ärmsten Entwicklungsländer wollen sie volle Zollfreiheit auf allen Agrarprodukten inner- und ausserhalb von Tarifkontingenten. Auf zweckgebundene Zollabgaben soll dabei ebenfalls verzichtet werden. Mit der Einführung der Vollgraduierung sind die Hilfswerke im Gegensatz zur Einführung der Teilgraduierung einverstanden. Letztere wird von ihnen strikte abgelehnt, da sie ihres Erachtens für protektionistische Zwecke missbraucht werden könnte. Der Schweizerische Handels- und Industrieverein begriisst die Einführung der Voll- und der Teilgraduierung. Die Angleichung der Zollansätze der Entwicklungsländer an diejenigen der Freihandelsländer muss im Rahmen der Umsetzung des Bundesbeschlusses Produkt für Produkt geprüft werden, wobei im Textilbereich Ausnahmen nötig sind. Der Textilverband der Schweiz und Swissfashion sehen kein ausschöpfbares Konzessionspotential in ihrem Sektor. Der Schweizerische Gewerbeverband, der Verband Schweizerischer Zigarrenfabrikanten sowie die Vereinigung der schweizerischen Zigarettenindustrie sprechen sich in ihren Stellungnahmen gegen die Gewährung von Präferenzen im Bereich des Tabaks aus. Der Gewerbeverband ist zudem gegen die vorzeitige Gewährung der definitiven Zollkonzessionen auf Agrarprodukten, zu denen sich die Schweiz in der Uruguay-Runde verpflichtet
hat. Er steht ferner einem «Bonus-System» zur Förderung der Sozial- und Umweltpolitik kritisch gegenüber. Die Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien hat grosse Bedenken, die Verteilung der Importkontingente noch durch eine zusätzliche, entwicklungspolitische Dimension zu belasten. Langfristig sollte im Sinne der Liberalisierung der Agrarpolitik von Zollkontingenten Abstand genommen werden. Die Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie vertritt die Ansicht, dass die Einführung einer Sozial- oder Umweltklausel nur sinnvoll ist, wenn sie sich auf international breit, anerkannte Kriterien abstützen kann. Zu den konkreten Anpassungen, die auf Verordnungsstufe erfolgen, wird den direkt interessierten und betroffenen Kreisen zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten.

Bevor der Bundesrat beim Vollzug des Bundesbeschlusses Änderungen am Präferenzenschema vornimmt, hört er die Zollexpertenkommission an. Den eidgenössischen Räten werden zudem alle Überarbeitungen der Vollzugsverordnung zweimal jährlich im Rahmen des Berichtes über die zolltarifarischen Massnahmen zum Entscheid unterbreitet.

174

2 21 211

Besonderer Teil Kommentar zu den einzelnen Artikeln Rückerstattung von Garantiefondsbeiträgen (Art. l Abs. 2)

Neben den eigentlichen Zöllen werden im Zusammenhang mit Importen auf verschiedenen Produkten (z. B. Kaffee, Zucker) auch Garantiefondsbeiträge erhoben, die zwar landesrechtlich privatwirtschaftlicher Natur sind, jedoch WTO-rechtlich als Zölle eingestuft werden und ausländische Produkte verteuern. Die Garantiefondsbeiträge werden von den Pflichtlagerorganisationen zu Lasten der Importeure erhoben. Um den Importeuren einen Anreiz zu geben, Waren aus den ärmsten Entwicklungsländern zu importieren, soll der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, Bestimmungen zu erlassen, damit Garantiefondsbeiträge künftig den Importeuren vergütet werden können. Diese Ausdehnung des Präferenzenbeschlusses hätte für die ärmsten Entwicklungsländer die gleiche Wirkung wie zusätzliche Zollreduktionen, Die Ausgaben für diese Massnahme würden aus der allgemeinen Bundeskasse gedeckt. Sie sollten die zusätzlichen Zolleinnahmen aus der Einführung der Graduierung jedoch nicht übersteigen. Für die Vergütungen von Garantiefondsbeiträgen würde ein spezifischer Rahmenkredit beantragt. Die Kompetenzdelegation an den Bundesrat in bezug auf diesen Rückerstattungsmechanismus für Garantiefondsbeiträge entspricht der Lösung, die auch für die Gewährung der Zollpräferenzen auf den Ansätzen des Zolltarifs gewählt wurde (vgl. Art. l Abs. 1).

212

Anpassung der Schutzklausel (Art. 2 Abs. 2)

Als Ergänzung zur Einführung eines Rückerstattungsmechanismus für Garantiefondsbeiträge drängt sich auch eine Anpassung der Schutzklausel in Artikel 2 auf.

213

Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses (Art. 5 Abs. 2)

Wie in Zifer 112 erwähnt, sind wir der Ansicht, dass die Weiterführung des Präferenzenschemas entwicklungspolitisch sinnvoll ist. Die Verlängerung ist wiederum zeitlich befristet, da die Präferenzenordnung eine Ausnahme von der multilateralen Liberalisierung des Handels darstellt und.sich mittelfristig erübrigen sollte. Die Verlängerung der Geltungsdauer um zehn Jahre setzt gegenüber den Entwicklungsländern jedoch ein Zeichen, dass sich die Schweiz mit langfristigen Massnahmen zu ihren Gunsten einsetzt. Insbesondere in Anbetracht der geplanten Änderungen im Vollzug schafft der neue zehnjährige Anwendungszeitraum Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit für die Exporteure in den Entwicklungsländern sowie für die schweizerischen Importeure.

3 31 311

Auswirkungen Finanzielle und personelle Auswirkungen Auf den Bund

Die Gewährung von Zollpräferenzen zieht eine Verminderung der Zolleinnahmen nach sich. Die Einbussen bei den Zolleinnahmen aufgrund des heutigen Schemas

175

betrugen 1994 82 Millionen Schweizerfranken. Die geplanten Änderungen beim Vollzug des schweizerischen Zollpräferenzenschemas werden kurzfristig beschränkte, zusätzliche finanzielle Auswirkungen haben und dürften sich mittelfristig finanzneutral auswirken. Die neuen Konzessionen, die wir einzuführen beabsichtigen, werden 1997 den Zollertrag um maximal acht Millionen Schweizerfranzen zusätzlich vermindern. Die Umsetzung der Vollgraduierung ab 1998 wird jedoch Zollmehreinnahmen in ähnlicher Höhe zur Folge haben.

Ausgabenseitig sind mittelfristig nur die Zollsatzreduktionen relevant, welche die Konzessionen übersteigen, zu denen sich die Schweiz im Rahmen der UruguayRunde gegenüber allen Drittstaaten verpflichtet hat. Die geplanten Massnahmen in bezug auf das schweizerische Präferenzenschema zielen insbesondere auf eine Besserstellung der ärmsten Entwicklungsländer ab. Die Konzessionen gegenüber den anderen Entwicklungsländern werden vor allem vorgezogene Zollreduktionen auf den Umsetzungsfahrplan der Uruguay-Runde umfassen. Die allfällige Freistellung der Importe aus Entwicklungsländern vom zweckgebundenen Zollanteil bei RohRohrzucker (vgl. Ziff. 133) würde einen Einnahmenausfall von etwa l Million Schweizerfranken jährlich zur Folge haben, der aber nicht zu Lasten der inländischen Landwirtschaft erfolgen darf.

Die Verlängerung des Zollpräferenzenbeschlusses zieht keine Erhöhung des Personalbestandes nach sich.

312

Auf die Kantone und Gemeinden

Der Vollzug des Zollpräferenzenbeschlusses obliegt ausschliesslich dem Bund und belastet die Kantone und Gemeinden nicht.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1995-1999 angekündigt (BB1 7996 II 293).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die EU kennt zwei verschiedene Präferenzensysteme zugunsten von Entwicklungsländern; das allgemeine Präferenzensystem, das universellen Charakter hat, sowie das Lome-Abkommen zwischen der EU und rund 70 Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP). Ist das erste Präferenzensystem restriktiver als das schweizerische, so ist das zweite dafür liberaler. Das Lome-Abkommen ist allerdings, im Gegensatz zum APS, vertraglicher Natur. Zudem umfasst das Abkommen die Gesamtheit der Handelsbeziehungen (einschliesslich gewisser finanzieller Aspekte) zwischen den Unterzeichnerstaaten und kann mit den autonomen und nicht-diskriminierenden Schemata der anderen Industriestaaten nicht verglichen werden. Die Beziehungen der EU mit den meisten der ärmsten Entwicklungsländer sind im Rahmen des Lome-Abkommens geregelt.

Die EU hat am I.Januar 1995 ein revidiertes APS-Schema für die Industriegüter (Zolltarifkapitel 25-99) in Kraft gesetzt. Gegenüber dem vorherigen Schema wurde auf mengenmässige Beschränkungen verzichtet; dafür wurde u. a. eine Zollsatz-

176

Modulierung eingeführt". Sehr empfindliche Waren erhalten eine Reduktion von 15 Prozent; empfindliche Waren eine solche von 30 Prozent; halbempfindliche Waren werden mit einer Reduktion von 65 Prozent zugelassen; nicht empfindliche Waren können zollfrei in die EU eingeführt werden. Zudem sieht die EU die Möglichkeit vor, zusätzliche Präferenzspannen zur Unterstützung einer fortschrittlichen Sozial- und Umweltschutzpolitik zu gewähren. Sie erwägt, ab 1. Januar 1998 ergänzend zur allgemeinen Regelung des Präferenzenschemas denjenigen Ländern zusätzliche Anreize zu gewähren, die ihre tropischen Wälder im Einklang mit den Normen der Internationalen Tropenholzorganisation (ITTO) bewirtschaften. Zur Unterstützung einer fortschrittlichen Sozialpolitik sieht die EU in ihrem revidierten APS-Schema für Industriegüter die Möglichkeit vor, ab dem 1. Januar 1998 denjenigen Ländern eine zusätzliche Präferenzspanne zu gewähren, die in einem schriftlichen Antrag nachweisen, dass sie innerstaatliche Rechtsvorschriften verabschiedet haben und anwenden, welche die Normen der ILO-Konventionen 2> 87 und 98 über die Koalitionsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen sowie die ILO-Konvention 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung enthalten.

Zur konkreten Umsetzung dieser Bestimmung muss die Kommission bis Ende 1997 dem Rat einen Bericht vorlegen, der die Ergebnisse der Untersuchungen wiedergibt, die in internationalen Gremien wie beispielsweise der ILO, der WTO und der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zum Zusammenhang zwischen Handel und Arbeitnehmerrechten angestellt werden.

Die EU hat ebenfalls eine Teilgraduierung von Importen aus Entwicklungsländern eingeführt, die in bestimmten Sektoren eine hohe Wettbewerbsfähigkeit erlangt haben. Die Einführung des revidierten APS-Schemas für landwirtschaftliche Produkte ist auf den 1. Juli 1996 vorgesehen. Ein entsprechender Vorschlag wurde von der Kommission kürzlich vorgestellt. Das neue Schema wurde bisher aber noch nicht publiziert.

Die Entwicklungshilfe ist nicht Teil der laufenden bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Die Entscheidungsautonomie der Schweiz hinsichtlich der Gewährung von Zollpräferenzen wird deshalb durch die laufenden Verhandlungen nicht berührt. Aus entwicklungspolitischen
Überlegungen versuchen wir, bei der Umsetzung des schweizerischen Präferenzenschemas zu erreichen, dass sich Massnahmen der Schweiz und der EU soweit möglich ergänzen und verstärken.

6 61

Rechtliche Grundlagen Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 28 der Bundesverfassung ist das Zollwesen Sache des Bundes. Die Gewährung von Präferenzen fällt als Zollmassnahme in den ausschliesslichen Zuständigkeitsbereich des Bundes.

Die zur Finanzierung von Pflichtlager-Garantiefonds erhobenen Importbeiträge wer' den von der WTO ebenfalls als Zölle eingestuft, haben landesrechtüch aber nicht Zollcharakter. Deshalb ist es unsicher, ob die Vergütung der zur Finanzierung von " Das EU-Schema trägt der Empfindlichkeit bestimmter Sektoren und Waren für die Industrie der Gemeinschaft Rechnung. Der Schutz der empfindlichen Sektoren gegen übermässige Einfuhren wird durch einen Doppelmechanismus gewährleistet, d. h. durch die Modulierung der Präferenzspannen, gekoppelt im Notfall mit einer Schutzklausel.

ï) ILO - Internationale Arbeitsorganisation 7 Bundesblau 148. Jahrgang. Bd. III

"

177 1

"

Pflichtlager-Garantiefonds erhobenen Importbeiträge noch als Gewährung von Zollpräferenzen betrachtet werden kann. Als Kompetenzgrundlage für die vorgesehene Vergütungsregelung wird daher die allgemeine Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten angerufen.

62

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Bundesbeschluss behandelt die Verteilung der Kompetenzen unter den verschiedenen Organen des Bundes. Er weist dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass gesetzesvertretenden Verordnungsrechts zu und legt den Inhalt der delegierten Kompetenz im einzelnen fest. Die Kompetenzdelegation an den Bundesrat rechtfertigt sich mit der Notwendigkeit, die Gewährung von Zollpräferenzen rasch an Änderungen des schweizerischen Zolltarifs in der Folge von multilateralen oder bilateralen Verhandlungen anzupassen. Eine zügige Anpassung des Zollpräferenzenschemas kann sich aber auch durch Veränderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufdrängen.

178

Anhang 1 Schweizerische Einfuhren und Zollpräferenzen 1990-1995 Tabelle 1 Jahr

I.

2.

3.

4.

5.

6.

8398

Gesamteinfuhren der Schweiz, in Millionen Franken Einfuhren aus Entwicklungslandern, in Miilionen Franken Anteil der Einfuhren aus Entwicklungslandern in % (Reihe 2 bezogen auf Reihe 1) Einfuhren, fur die Zollpraferenzen gewahrt werden können, in Millionen Franken Tatsachlich ausgenutzte Zollpräferenzen, in Millionen Franken Ausnutzungsgrad der gewährten Zollpräferenzen in % (Reihe 5 bezogen auf Reihe 4)

1990

1991

1992

1993

1994

1995

96611

95032

92330

89830

92608

94483

7610

7411

6616

6491

6426

6175

7,88

7,80

7,17

7,23

6,94

6,54.

5308

5 148

' 4666

4316

4471

4223

2009

2066

2009

2150

2319

2188

37,85

40,13

43,05

49,00

55,00

51,00

179

Anhang 2 Zollertragsminderung aufgrund von APS-Gewährung (in Mio. sFr.)

Land/Ländergruppe

Importe zu Präferenz-

Reduzierte

bedingungcn (Wen)

Zollerträge

1993

1993

1994

Zoll au sfälle im Vergleich zum Normal l ari f 1994

Hauptnutzniesser des gegenwärtigen Präferenzenschemas 478,3 China 399,4 1,46 1,52 Indien 277,1 . 280,9 13,61 13,48 Thailand 238,8 250,8 12,93 12,99 Südkorea 200,3 207,7 0,00 0,00 Brasilien 115,6 90,4 4,98 6,04 Indonesien 65,6 78,4 3,83 4,32 Malaysia 56,1 61,4 0,42 0,37 Pakistan 45,7 46,4 2,52 2,50 Philippinen 29,5 34,9 1,05 0,74 Singapur 60,8 67,0 0,35 0,39 Vietnam 12,8 0,50 ·0,53 9,1 1633,4 34,04 Zusammengefasst 1473,7 35,27 Ärmste Entwicklungsländer Zusammengefasst 50,6

Tabelle 2

1993

1994

22,09 9,81 8,53 5,67 4,31 3,55 3,15 2,66 1,28 1,05 0,73 62,84

26,78 13,66 8,42 5,76 5,12 3,82 3,35 2,89 1,57 1,07 1,06 73,52

54,9

1,32

1,60

2,54

2,61

2211,5

53,10

52,13

72,08

82,68

Länder, die graduiert werden sollen 1) Zusammengefasst . 478,3 460,2

2,89

3,2

8,13,13j

8,35

Gesamttotal

2043,6

1) Zypern, Malta, Gibraltar, Libyen, Saudi-Arabien, Qatar, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Kuwait, Singapur, Hongkong, Südkorea, Cayman-Inseln, Bahamas, Bermudas, Barbados, Brit. Jungferninseln, Niederländische Antillen,Aruba,, Brunei, Argentinien, Falkland-Inseln, Franz. Polynesien, Amerikanisch Ozeanien, Mexiko.

180

Anhang 3 Die Liste der Entwicklungshilfe-Empfänger gemäss OECD Im Rahmen des Entwicklungshilfeausschusses der OECD (DAC) konnten 1995 die Arbeiten in bezug auf die Definition derjenigen Länder abgeschlossen werden, die Empfänger von «Entwicklungsgeldern» sind. Finanztransfers zugunsten anderer Drittländer, die ebenfalls den Status eines Entwicklungslandes haben können, werden nicht mehr als Teil der öffentlichen Entwicklungshilfe anerkannt, da es sich um Länder handelt, die bereits ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium erreicht haben.

Das DAC teilt die Entwicklungsländer in eine zweigeteilte Liste (vgl. untenstehende «DAC-Liste») ein, wobei Teil I die gemessen am BSP ärmeren Entwicklungsländer umfasst, d. h. all jene Länder, die ein Bruttosozialprodukt pro Kopf (BSP) von weniger als US-Dollar (USD) 4715.- (Stand 1992) haben, sowie gewisse Schwellenländer, die ein BSP zwischen USD 4715.- und 8355.- (Stand 1992) aufweisen. In Teil II sind alle anderen, «reicheren» Hilfsempjanger aufgeführt. Die Unterstützung der «Teil II»-Länder ist gema'ss DAC-Richtlinien nicht mehr als Entwicklungshilfe anrechenbar; diese Entwicklungsländer gelten als «nicht hilfsbedürftig». Es handelt sich neben gewissen Ostländern um diejenigen Staaten, welche die Weltbank als «high-income countries» unter den Entwicklungsländern aufführt, d. h. solche, die ein BSP von mehr als USD 8355- (Stand 1992) haben, sowie diejenigen Schwellenländer, die nicht in Teil I aufgelistet sind, einschliesslich gewisser Ostländer und GUS-Staaten, welche das DAC nicht als Entwicklungsländer einstuft.

Für die Einteilung der Schwellenländer in Teill bzw. Teil II der DAC-Liste wird von der Annahme ausgegangen, dass Länder, die während drei aufeinanderfolgender Jahre ein BSP pro Kopf von mindestens USD 4715.- erreicht haben, im Prinzip in Teil II aufgeführt werden müssen. Diese Einschätzung kann auf Antrag eines Geberlandes jedoch revidiert werden, wenn för ein Entwicklungsland, das sich in diesem Schwellenbereich befindet, aus einem Kriterien-Set (WIndikatoren, z.B.

Wirtschafisstruktur, Bildung, Lebenserwartung usw.)1) hervorgeht, dass es trotz relativ hohem BPS nach wie vor hilfebedürftig ist. Die DAC-Liste wird im Herbst 1996 aktualisiert werden.

l

> Wirtschaftliche Entwicklungsindikatoren: 1. BSP pro Kopf; 2. Landwirtschaftliche Produktion/BIP; Soziale Enftvicklungsindikatoren: 3. Lebenserwartung bei der Geburt; 4. Durchschnittlich absolvierte Schulzeit; 5. Anzahl Schuljahre Frauen: Männer; 6. Fruchtbarkeitsrate; Indikatoren der finanziellen Stärke: 7. Abhängigkeit von Entwicklungshilfe; 8. Entwicklungsstand des Kapitalmarktes; 9. Gesamte Aussenschuld; 10. Länderrisiko.

8 Bundesblait 148. Jahrgang. Bd. III

181

Liste der Hilfsempfänger des DAC (Entwicklungshilfeausschuss der OECD), Teil I Ärmste Entwicklungsländer (PMA)


USD 676-USD 2695(1)

USD 2696USD 8355 (1)

Angola Mosambik Tansania Äthiopien Eritrea

Indien Nigeria Kenia Guyana China

Bolivien

* Albanien

Côte d'Ivoire Philippinen Senegal * Armenien

Kuba Gaza und Jericho Irak Nordkorea

Sierra Leone

Pakistan

* Kirgisistan

Tokelau

Nicaragua

Kamerun

Libanon

Mauritius Brasilien Malaysia St. Lucia Venezuela Uruguay Mexiko

Ghana

Uganda Nepal Bhutan Burundi Tschad Malawi

* Georgien

Marschall-Inseln

Surinam

* Tadschikistan Sri Lanka Honduras Zimbabwe

* Usbekistan * Aserbaidschan PapuaNeuguinea

+ Macao Mongolei St, Helena Mikronesien

Guinea-Bissau

Ägypten

Peru

Syrien

Guatemala Marokko Kongo Dominikanische Republik Ecuador Swasiland Jordanien El Salvador * Turkmenistan Kolumbien Jamaika

Niue Staaten ExJugoslawiens + Turks- und Caicos-Inseln + Wallis und Futuna

Trinidad und Tobago Gabun St. Kitts und Ncvis Botswana Cook-Inseln + Mayotte Nauru

Indonesien Bangladesh Madagaskar + Timor Rwanda Vietnam Laos Sambia Mali Burkina Faso Niger Äquatorialguinea Sao Tome e Principe Togo Gambia Zentralafrikanische Republik Benin Malediven Guinea

Antigua und

Paraguay Namibia * Kasachstan Tunesien Thailand

Argentinien

Türkei St. Vincent und

Lesotho Kiribati

Grenadinen

Salomon-Inseln

Costa Rica

Kapverden Samoa

Fidschi

Vanuatu

Belize

Afghanistan Kambodscha Djibouti Haiti Liberia Myanmar

Grenada Panama Dominica

Iran

+ Anguilla

Chile Südafrika

Somalia

(Schwarze

Sudan

Gemeinschaften)

Tuvalu

Jemen Zaire * Mittel- und osteuropäische Länder/GUS

182

+ Gebiete

[USD 4715(1)]

Tonga

Algerien

Komoren Mauretanien

Eintrittsschwelle zu Weltbankdarlehen

(1) BSP pro Kopf (1992)

Barbuda Seychellen Oman Barbados Südkorea

+ PazifikInseln (US) Saudi-Arabien + Aruba Bahrein Griechenland

Libyen Malta + Montserrat + Niederländ.

Antillen + JungfernInseln (UK)

Liste der Hilfsempfänger des DÂC (Entwicklungshilfeausschuss der OECD), Teil II >USD 8356(I)

Mittel- und osteuropäische Länder/GUS

Fortgeschrittene Entwicklungsländer und -gebiete

Taiwan Zypern Israel + Hongkong + Bermudas + Cayman-Inseln + Falkland-Inseln + Französisch Polynesien + Neu-Kaledonien + Gibraltar

* * * *

Bahamas Brunei Kuwait Qatar Singapur Vereinigte arabische Emirate

* Mittel- und osteuropäische Länder/GUS

+ Gebiete

* * * * * * * * *

Litauen Ukraine Lettland Slowakische Republik Polen Tschechische Republik Russland Estland Belarus Ungarn Moldawien Rumänien Bulgarien

(1) BSP pro Kopf; 1992

8398

183

Bundesbeschluss über die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer

Entwurf

(Zollpräferenzenbeschluss) Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten und auf Artikel 28 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 29. Mai 1996 '>,

beschliesst; I

Der Zollpräferenzenbeschluss vom 9. Oktober 1981 2 > wird wie folgt geändert:

Art. l Abs. 2 (neu) 2

Der Bundesrat kann bestimmen, dass die Beiträge an Pflichtlager-Garantiefonds, die auf Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den ärmsten Entwicklungsländern entrichtet werden, den Importeuren zu vergüten sind. Die Vergütungen werden im Rahmen der bewilligten Kredite ausgezahlt.

Art. 2 Abs. 2 2

Sofern die Gewährung von Zollpräferenzen oder die Vergütung von Beiträgen an Pflichtlager-Garantiefonds den Warenverkehr derart beeinflusst, dass wesentliche schweizerische Wirtschaftsinteressen beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden könnten oder Handelsströme nachhaltig gestört werden, kann der Bundesrat für so lange, als es die Umstände erfordern, die Zollpräferenzen ändern oder aufheben oder die Vergütung von Beiträgen an Pflichtlager-Garantiefonds einstellen sowie andere geeignete Massnahmen treffen.

Art. 5 Abs. 4 (neu) 4

Die Geltungsdauer dieses Beschlusses wird bis zum 28. Februar 2007 verlängert.

» BB11996 III 161 *» SR 632.91

184

Zollpräferenzenbeschluss

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich; er untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Er tritt am 1. März 1997 in Kraft.

8398

185

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Verlängerung des Zollpräferenzenbeschlusses vom 29. Mai 1996

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1996

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

28

Cahier Numero Geschäftsnummer

96.045

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.07.1996

Date Data Seite

161-185

Page Pagina Ref. No

10 053 938

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