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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Joseph Meyer in Gettnau (Luzern), betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 21. April 1896.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über den Rekurs des Joseph M e y e r in Gettnau (Luzern), betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Schon vor einigen Jahren stellte Joseph Meyer in Gettnau an den Regierungsrat des Kantons Luzern das Gesuch, in dem Neubaue, welchen er in unmittelbarer Nähe der künftigen Station Gettnau aufzuführen gedenke, eine Wein- und Speisewirtschaft einrichten zu dürfen. Durch Erkenntnis vom 13. April 1894 wies der Regierungsrat das Gesuch ab, im Hinblick darauf, daß in der Entfernung von cirka 2--3 Minuten vom Stationsgebäude sich schon eine Wirtschaft befindet.

II.

Durch Eingabe vom 29. Juni 1895 erneute Joseph Meyer sein Gesuch beim Regierungsrate des Kantons Luzern. Dasselbe wurde aber durch Erkenntnis vom 30. Dezember 1895 wieder abgewiesen, mit der Begründung, daß sich die Verhältnisse seit der Abweisung des ersten Gesuches nicht verändert haben. ^

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III.

Gegen dieses Erkenntnis ergreift Joseph Meyer ' den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat, indem er sich auf Art. 31 und 102, Ziff. 2, der Bundesverfassung und auf Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beruft und geltend macht was folgt: Seit der Abweisung seines letzten Gesuches haben sich die Verhältnisse durch die Betriebseröffnung der Huttwil-Wolhusen-Bahn wesentlich verändert. Die bestehende Wirtschaft ist 2--3 Minuten von der Station entfernt, also zu weit, um dem auf der Station verkehrenden Publikum und Bahnpersonal nützlich zu sein. Die Station Gettnau bedient die. Ortschaften : Gettnau, Ettiswyl, Schötz, Ohmstal-Niederwil und Albersvvyl. Die Bewohner derselben empfinden die Errichtung einer Wirtschaft in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes als ein dringendes Bedürfnis, was durch die von nahezu 300 Bürgern der angeführten Ortschaften unterzeichneten Erklärungen bewiesen wird. Auch fällt der Verkehr mit einer großen Ziegelei und einer mechanischen Werkstätte in Betracht. Nicht weniger wird der Mangel einer Wirtschaft in nächster Nähe der Station von den Bahnangestellten empfunden, wie aus dem Schreiben des Herrn Morgenthaler, Direktors der Huttwil-Wolhusen-Bahn, und der Unterzeichnung einer der oben erwähnten Erklärungen durch den Stationsvorstand von Gettnau deutlich hervorgeht. Seit der Betriebseröffnung der Huttwil-Wolhusen-Bahn sind übrigens bei ändern Stationen Restaurants konzessioniert worden.

IV.

In seinen Gegenbemerkungen macht der Regierungsrat des Kantons Luzern geltend : Die Gemeinde Gettnau, mit nur 555 Einwohnern, hat an dem einen Wirtshaus vollauf genug. Es besteht auch kein Bedürfnis, eine Wirtschaft in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes zu haben ; in den ungleich größeren Gemeinden Zeli und Entlebuch ist das nächstgelegene Wirtshaus ebenso weit und weiter von der Station entfernt als in Geltnau. Wie aus einem Schreiben des Stationsvorstandes von Gettnau hervorgeht, ist der Personen- und Siückgilterverkehr, sowie der Viehtransport ein ganz unbedeutender. Diese thatsächlichen Verhältnisse vermögen auch die gesammelten Unterschriften nicht abzuändern. Das Bahnpersonal der Huttwil-Wolhusen-Bahn kann sich während der eine Stunde dauernden Fahrzeit in Wolhusen, Huttwil und Willisau stärken.

Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung gestattet den Kantonen, die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes und des Kleinhandel» mit geistigen Getränken auf dem Wege der Gesetzgebung den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen.

Die Kantone sind dadurch ermächtigt, die Erteilung von Wirtschaftsbewilligungen von dem Vorhandensein eines öffentlichen Bedürfnisse» abhängig zu machen. (Vergi, den bundesgerichtlichen Entscheid, Bd. XV, S. 165, i. S. Hauri, vom 2. Februar 1889.)

2. Nach Art. 15 des luzernischon Gesetzes über die Wirtschaften, vom 22. Wintermonat 1883, entscheidet der Regierungsrat über die Gesuche um Wirtschaftspatente, nachdem er das Gutachten des betreffenden Gemeinderates und Statthalteramtes in Bezug auf das öffentliche Wohl, auf die Person des Bewerbers und auf das für die Wirtschaft in Aussicht genommene Lokal eingeholt hat. Im vorliegenden Falle spricht sieh sowohl das Gutachten des Gemeinderates von Gettnau als dasjenige des Statthalteramtes von Willisau gegen die Erteilung des Wirtschaftspatentes aus, mit der Begründung, daß trotz der Betriebseröffnung der Huttwil-Wohlhusen-Bahn für eine zweite Wirtschaft kein Bedürfnis sei und die Errichtung einer solchen der Gemeinde Gettnau eher zum Schaden als zum Nutzen gereichen würde.

3. Wenn man die geringe Einwohnerzahl (555) der Gemeinde Gettnau in Betracht zieht, muß man zweifelsohne eine zweite Wirtschaft für überflüssig erklären.

Es ist allerdings auch der specielle Zweck und Charakter der zu errichtenden Wirtschaft in Betracht zu ziehen. Eine bei einer Eisenbahnstation gelegene Wirtschaft befriedigt unzweifelhaft andere Bedürfnisse als eine davon entfernt gelegene. Sie hat den speciellen Zweck, dem auf der Bahn verkehrenden Publikum zu dienen.

Dazu kommt, daß die vom Rekurrenten projektierte Wirtschaft sich nicht auf diesen Zweck beschränken, sondern wie eine gewöhnliche Dorfwirtschaft auch vom nichtreisenden Publikum besucht werden wird. Der aus der Betriebseröffnung der Huttwil-Wolhusen-Bahn in Gettnau entstandene Verkehr ist nun aber nicht so groß, daß er die Errichtung einer neuen Wirtschaft rechtfertigte, wie dies aus dem Schreiben des Stationsvorstandes hervorgeht ; er ist namentlich nicht derart, .daß ein 265 Meter vom Stationsgebäude entferntes Wirtshaus den Bedürfnissen nicht genügte.

539 Der relative Nutzen einer neuen Wirtschaft unmittelbar bei der Station würde die damit verbundene Gefahr für das öffentliche Wohl der Gemeinde Gettnau keineswegs aufwiegen.

Demnach wird beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß wird schriftlich mitgeteilt : a, dem Regierungsrat des Kantons Luzern; b. Herrn Notar J. Gerber in Huttwil, zu Händen des Rekurrenten.

B e r n , den 21. April 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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