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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des .wegen Zollumgehung bestraften Jakob Gostely, Cafetier in Verrières.

(Vom 25. Februar 1896.)

Tit.

Unterm 23. Juni verflossenen Jahres, kurz nach Mitternacht, beobachtete ein Grenzwächter zwei von der Grenze herkommende Individuen, welche, jedes mit einer Bürde belastet, sich gegen das Haus des Jakob Gostely, Cafetier in Côtes bei Verrières, richteten, daselbst in die Scheune eingelassen wurden und sich bald nachher, ihrer Last entledigt, in der Richtung nach der Grenze wieder entfernten. Am folgenden Morgen, bis zu welchem Zeitpunkt die Besitzung unter steter Bewachung durch die Grenzwachtmannschaft stand, wurde zu einer Hausdurchsuchung gemäß Art. 54 des Zollgesetzes geschritten. Der Besitzer Gostely benahm sich dabei sehr betreten und verdächtig, erklärte, daß sein Haus keine Kontrebande beherberge, und machte Schwierigkeiten, bevor er sich dazu entschließen konnte, die Grenzwächter in die Scheune eintreten zu lassen, wobei er nochmals beteuerte, daß bei ihm nichts zu finden sei.

Ein Grenzwächter entdeckte jedoch 6 Kolli, welche unter Stroh versteckt waren, und von deren Vorhandensein, Herkunft und Bestimmung Gostely zunächst nichts zu wissen vorgab. Durch die zu Tage liegenden, gegen ihn sprechenden Thatsachen gedrängt, legte er dann aber doch ein halbes Geständnis ab, indem er einen der beiden Schmuggler, welche die Kolli hergebracht, mit Namen

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bezeichnete, während er die Nennung des ändern bis heute verweigerte. Als die Bemerkung gemacht wurde, daß die Thüren der Scheune nur von innen aufgeschlossen werden können, mußte Gostely auch zugeben, daß er es selbst gewesen sei, welcher dieselbe den Schmugglern geöffnet habe.

Über diese Hausdurchsuchung wurde ein Protokoll aufgenommen und von allen Anwesenden unterzeichnet ; die gefundenen Kolli wurden mit Beschlag belegt und auf das Zollamt in Meudon verbracht. Gostely verlangte und erhielt die Erlaubnis, die weiteren Maßnahmen um einen Tag aufzuschieben, welchen Aufschub er wahrscheinlich dazu benutzte, seine Mitschuldigen zu warnen und von denselben Instruktionen entgegenzunehmen.

Am folgenden Tage wohnte Gostely der Aufnahme des Protokolls wegen Zollilbertretung und der Eröffnung der beschlagnahmten 6 Kolli bei, deren Inhalt aus Schaumwein (Champagner) im Totalgewicht von 305 kg. bestand ; der umgangene Zoll betrug Fr. 244. Es konnte ermittelt werden, daß diese 6 Kolli den Bestandteil einer nach Verrières de Joux adressierten und jedenfalls zum Einschmuggeln nach der Schweiz bestimmten Sendung von 20 Körben Schaumwein bildeten, ein Quantum, welches beweist, daß der Schmuggel in großem Maßstabe betrieben wurde.

Das Zolldepartement auferlegte Gostely und dem von ihm angegebenen Schmuggler Fatton eine Buße von je Fr. 3660, d. h. je vom fünfzehnfachen Betrage des umgangenen Zolles.

Da die Angeschuldigten die Unterziehung unter den Strafentscheid der Verwaltungsbehörde verweigerten, wurde die Angelegenheit dem kompetenten Gerichte zu Métiers zum Entscheide überwiesen. Dieses erkannte die Angeklagten mit Urteil vom 4. Oktober 1895 für schuldig und bestätigte die vom Zolldepartement ausgesprochene Buße und die Umwandlung derselben -- im Falle der Nichtbezahlung -- in Gefängnisstrafe von einem Jahre (Art. 28 des Fiskalstrafgesetzes vom 30. Juni 1849 : A. S. I, 87).

Gostely reichte gegen dieses Urteil beim Bundesgericht Kassationsklage ein, welche jedoch unterm 31. Dezember abhin als unbegründet abgewiesen wurde.

Da Gostely sich weigerte, die Buße zu bezahlen, wurde derselbe unterm 20. Januar in Verrières verhaftet und zur Abbüßung einer einjährigen Gefängnisstrafe nach Neuchatel verbracht.

Gostely hat in einer an die h. Bundesversammlung gerichteten Eingabe vom 9. Januar ahhin das Gesuch gestellt, es möchte ihm

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die Buße von Fr. 3660 im Gnadenwege erlassen werden. Er weist dabei auf die schwierige Lage seiner Familie hin und daß er nicht die Mittel besitze, die Buße zu bezahlen.

Er bemerkt des fernem, daß er keine Kenntnis von dem Inhalte der von Fatton und dem ändern Komplizen eingebrachten Kolli hatte, denen er die Erlaubnis zur Aufbewahrung derselben in seiner Scheune gegeben, ohne dabei an etwas Böses zu denken, wie er öfters um dergleichen Gefälligkeiten angegangen worden sei.

Im weiteren bemerkt er, daß die bei ihm stattgefundene Hausdurchsuchung eine ungesetzliche gewesen sei, indem zu derselben keine Autorisation vorgelegen habe. Ein fernerer Formfehler sei damit begangen worden, daß die Körbe nicht in seiner Gegenwart eröffnet worden seien.

Dem gegenüber ist zu bemerken, daß die Behauptung Gostelys, er habe nicht geglaubt, daß es sich um Kontrebande handle, schon dadurch sehr unglaubwürdig erseheint, weil das Haus Gostely der Grenzwache schon längere Zeit als Aufbewahrungsort von Kontrebande verdächtig war und daher schon 12 Tage unter steter Bewachung stand, was dann zur, Entdeckung dieser Zollumgehung führte. Die Glaubwürdigkeit genannter Behauptung wird aber ganz ausgeschlossen durch das Geständnis Gostelys, daß er selbst es war, der den Schmugglern zu später Nachtzeit die Thüre öffnete, nachdem er zuerst vorgegeben, von dem Vorhandensein der geschmuggelten Körbe in seiner Scheune nichts zu wissen. Wenn er in seiner Eingabe angiebt, daß er noch gegenwärtig von dem Inhalte der Körbe keine Kenntnis hätte, wenn die Grenzwächter nicht vor Gericht bezeugt hätten, daß jene Schaumwein enthielten, so ist dies nur ein weiterer Beweis, daß Gostely, der am Tage nach der Hausdurchsuchung der Eröffnung der Kolli auf dem Zollamt Meudon beigewohnt, es mit der Wahrheit keineswegs genau nimmt.

Was die Bemerkung Gostelys betreffend die Hausdurchsuchung anbetrifft, so ist dieselbe unzutreffend ; einer besondern Autorisation zur Vornahme einer Hausdurchsuchung bedürfen die Grenzwachtorgane nicht, und wenn sie im vorliegenden Falle dieselbe ohne Begleitung eines Gemeinde- oder Gerichtsbeamten vornahmen, so machten sie nur von Art. 54, Alinea 3, des Zollgesetzes Gebrauch, wonach zur Verhinderung der Beseitigung von Beweisen einer begangenen Zollübertretung -- wie im vorliegenden Falle zu befurchten stand -- Grenzwächter ohne weiteres befugt sind, Wohnungen und mit solchen in direkter Beziehung stehende Einfriedigungen zu betreten.

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Gostely lebt nach den beigebrachten Zeugnissen mit seiner Familie zwar in bescheidenen Verhältnissen, die aber nicht derart zu sein scheinen, daß er die Buße nicht bezahlen könnte ; vielmehr scheint Gostely die Einkerkerung aus pekuniärem Interesse vorzuziehen. Wenn dadurch seine Familie in Mitleidenschaft gezogen wird, so hat sich Gostely unseres Erachtens nicht an die Bundesversammlung zu wenden, sondern an seine Hintermänner, die zu nennen er sich indes beharrlich weigert. Dies macht die Vermutung wahrscheinlich, daß er bereits aus seiner Verschwiegenheit Nutzen zieht, und legt jedenfalls dafür Zeugnis ab, daß derselbe über die begangene That keine Reue hegt, wie er denn auch in seinem Begnadigungsgesuche keine solche bekundet.

Wir beehren uns, Ihnen die Akten über diesen Fall zu unterbreiten mit dem A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch Gostelys abzulehnen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. Februar

1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Eingier.

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26.02.1896

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