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Bundesratsbeschlus über

den Rekurs der Allgemeinen Krankenkasse der Stadt Biel", betreffend deren Eintragung in das Handelsregister.

(Vom 2. April 1896.)

Der schweizerische Bundes rat hat über den Rekurs der ,, Allgemeinen Krankenkasse der Stadt Biel", deren Eintragung als Verein in das Handelsregister betreffend; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Statuten vom 19. Februar 1882, vom Regierungsrat des Kantons Bern am 10. April 1882 sanktioniert, wurde in Biel unter dem Namen ,,Allgemeine Krankenkasse der Stadt Biela, eine Gesellschaft gegründet, mit dem Zwecke, ihre Mitglieder in Fällen von Krankheit und dadurch eingetretener Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, sowie in Todesfällen zu unterstützen.

II.

Mit Anmeldung vom 9. Mai 1895 verlangte die Krankenkasse beim Handelsregister in Biel, als ,,Verein" im Sinne des Titels XXVIII des Obligationenrechts eingetragen zu werden. Der Registerführer verweigerte aber die Eintragung, da sich der genannte Personenverband nur als ,,Genossenschaft" könne eintragen lassen.

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III.

Darauf stellte die Krankenkasse unterm 17. Februar 1890 an den Regierungsrat des Kantons Bern das Gesuch, es möchte der Registerführer von Biel angewiesen werden, die Eintragung vorzunehmen; der Regierungsrat wies durch Entscheid vom 22. Februar 1896 das Gesuch als unbegründet ab.

IV.

Gegen diesen Entscheid ergreift die ,,Allgemeine Krankenkasse der Stadt Biela den Rekurs an den Bundesrat, mit der Begründung, daß sie keinen Erwerbszweck, sondern einen wohlthätigen Zweck verfolge, der höchstens als ein gemischter, idealer und wirtschaftlicher bezeichnet werden könne; die ,,Krankenkasse für deu Kanton Bern", welche die nämlichen Statuten habe wie sie, sei anstandslos am 22. Oktober 1895 in Bern als Verein eingetragen worden. Die ,,Allgemeine Krankenkasse der Stadt Biel" stellt daher an den Bundesrat das Gesuch, er möchte den Handelsregisterführer von Biel anweisen, die verlangte Eintragung ins Handelsregister vorzunehmen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Die ,,Allgemeine Krankenkasse der Stadt Biel" erhebt von ihren Mitgliedern monatliche Beiträge und aus dem so gebildeten Kapital unterstützt sie dieselben in Krankheits- und Todesfallen.

Je nach Wunsch der Mitglieder kann deren Krankenversicherung eine ein- oder mehrfache sein (§ 8 der Statuten). Und gemäß § 10 der Statuten beziehen die Mitglieder in Krankheitsfällen, je nachdem sie einfache oder mehrfache Beiträge entrichtet haben, drei Monate lang tägliche Unterstützungsgelder von l--4 Franken und eventuell weitere 3 Monate solche von 50 Rappen bis 2 Franken.

Dieses Krankengeld bildet ein, allerdings nicht immer ausreichendes, Äquivalent für den durch die Krankheit verursachten Ausfall im Erwerb. Dadurch wird es zu einem rein wirtschaftlichen Faktor im Haushalte des Versicherten. Und damit wird auch der Zweck der Gesellschaft selbst zu einem für die Mitglieder gemeinsamen wirtschaftlichen, finanziellen.

Wenn der Gesetzgeber in Art. 716 des Obligationenrechts von ,,wohlthätigen Zwecken" spricht, so versteht er darunter Zwecke r e i n e r Wohlthätigkeit, der Wohlthätigkeit gegen andere, nach außen. Die Wohlthätigkeit eines ,,Vereins" gegenüber seinen beisteuernden Mitgliedern ist wirtschaftliche Unterstützung, ist Ver-

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Sicherung. Wohlthätigkeit gegen Entgelt giebt es nicht. Nur unter der Bedingung der Unentgeltlichkeit ihrer Vergabungen oder Unterstützungen ist also eine Gesellschaft ein wohlthätiger Verein im Sinne von Art. 716 des Obligationenrechts.

2. Die Bestimmung des § 35, Absatz 2, der Statuten, nach welcher im Falle der Auflösung der Gesellschaft das vorhandene Vermögen unter keinen Umständen unter die Mitglieder verteilt .werden darf, ändert die Natur des Zweckes nicht. Dadurch ist nur für die Zeit, in welcher die Gesellschaft nicht mehr bestehen wird, eine Verfügung über das dannzumal vorhandene Vermögen derselben getroffen, und es geht aus dem Inhalt dieser Verfügung nur so viel hervor, daß die Gesellschaft selbst sich als eine gemeinnützige, wohlthätige betrachtet wissen will. (Siehe Entscheid des Bundesrates vom 13. Dezember 1888, betreffend den Rekurs der ,,Société d'assurance mutuelle au décès" in Freiburg.)

3. Ein Personen verband, der einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, kann sich nur in einer der vom Obligationenrecht in Titel XXIV--XXVII geregelten Gesellschaftsformen ins Handelsregister eintragen lassen. (Siehe Rekursentscheid des Bundesrates vom 20. Januar 1883 in Sachen der ,,Sparkassengesellschaft in Arth".)

4. Der Umstand, daß andere gleichartige Personenverbände, entgegen diesen Grundsätzen, als ,,Verein" eingetragen worden sind, erklärt sich daraus, daß die Eintragung in jenen Fällen von den kantonalen Registerbehörden nicht beanstandet und daher nicht Gegenstand einer kontradiktorischen Verhandlung vor der Bundesinstauz wurde; er kann aber der Rekurrentin nicht das Recht geben, dasselbe zu verlangen.

Demnach wird beschlossen: Der Rekurs der ,,Allgemeinen Krankenkasse der Stadt Bieltt wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 2. April 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs der Allgemeinen Krankenkasse der Stadt Biel", betreffend deren Eintragung in das Handelsregister. (Vom 2. April 1896.)

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