#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

48. Jahrgang. IV.

Nr. 51.

16. Dezember 1896.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz) : B Franken.

Einrückungagebühr per Zeile oder deren Kaum 15 Ep. -- Inserate franko »n die Expedition, Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Reduktion der Taxen für den Gütertransport im internen Verkehr im allgemeinen und für den Weintransport im speciellen.

(Vom 8. Dezember 1896.)

Tit.

Anläßlich der Erledigung der Motion Fonjallaz und Mitunter.zeichner betreffend die Weintarife hatten die eidgenössischen Räte ' .unterm 15./26. Juni 1895 folgenden Beschluß gefaßt: ,,Der Bundesrat wird eingeladen : a. seine Verwendung bei den schweizerischen Eisenbahnverwalstungen dahin eintreten zu lassen, daß der Produkten- und Warentransport im internen Verkehr, namentlich der Weintransport, überhaupt und wenn immer möglich auf Basis des Staffeltarifsystemes in abnehmenden, kilometrischen Ansätzen, billiger gestellt wird; 6. Ober seine diesfälligen Studien und den Erfolg seiner Bemühungen Bericht zu erstatten."

Wir beehren uns, Ihnen im Nachstehenden den gewünschten Bericht über diese Frage zu erstatten, wobei wir uns möglichst kurz fassen und das in frühern Berichten über das Tarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen Dargelegte als bekannt voraussetzen werden.

Der Aufforderung der Räte nachkommend, hatte unser Eisenbahndepartement in erster Linie den Verband schweizerischer EisenBundesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

75

1078 bahnverwaltungen begrüßt und denselben unter Bekanntgabe des Wunsches der Räte eingeladen, die Frage näher /u untersuchen und nach Beratung im Schöße des Verbandes über die Stellungnahme der Verwaltungen zu derselben Bericht zu erstatten. Die Bahoverwaltungen haben dieser Einladung Folge geleistet und sprechen dieselben sich in ihrer Vernehmlassung im wesentlichen folgendermaßen aus: Was zunächst die Einführung des Staffeltarifes für den Güterverkehr im allgemeinen anbelange, so sei diese Frage von ganz unberechenbarer Tragweite, da sich die Wirkungen an Hand des vorhandenen statistischen Materials und ohne Aufstellung von Grundlagen für einen Staffeltarif in keiner Weise feststellen lassen. Es könne aber nach Ansicht der Bahnen im gegenwärtigen Moment, wo die Verstaatlichung der Eisenbahnen mehr und mehr in den Vordergrund trete, weder den letztern zugemutet werden, noch den staatlichen Organen erwünscht sein, daß im Tavifwesen Experimente gemacht werden, deren Tragweite nicht ermessen werden könne.

Die Räte verlangten mit der Einführung des Staffeltarifsystemes auch erhebliche Taxermäßigungen, wodurch für die" Eisenbahnen bedeutende Frachtausfälle entstehen würden, deren Deckung durch eine Verkehrsvermehrung, wenigstens für eine Reihe von Jahren, nicht zu erwarten wäre. Die fünf größern schweizerischen Bahnen hätten nach der schweizerischen Eisenbahnstatistik im Jahre 1893 aus dem Güterverkehr eine Einnahme von cirka Fr. 48,000,000 erzielt; eine Taxermäßigung von nur 10 °/o würde somit Fr. 4,800,000 ausmachen, für die Bahnen ein sehr bedeutender Betrag, während voraussichtlich eine nennenswerte Verkehrszunahme hieraus nicht resultieren würde, weil der Verkehr nicht hauptsächlich von den Taxen, sondern vom Bedarf abhänge. Der weitaus größte Teil der Ermäßigungen würde deshalb die Bahnen als Einnahmenausfälle belasten. Wollten diese Ausfälle vermieden werden, so könnte dies nur in der Weise geschehen, daß die Taxen für kurze Distanzen entsprechend erhöht würden, was hinwieder eine kaum erwünschte namhafte Belastung des Nachbarverkehrs herbeiführen würde.

Die Annahme des Staffeltarifsystems würde aber auch sonst ohne Zweifel großen Schwierigkeiten begegnen. Dasselbe würde selbstverständlich gleiche Grundtaxen für alle schweizerischen Bahnen bedingen; nachdem aber die gegenwärtigen Grundtaxen
der ein zelnen Bahnen wesentlich von einander abweichen, wäre es kaum möglich, eine Einigung auf einen Staffeltarif mit gleichen Grundtaxen für alle Bahnen zu erzielen.

Die Staffeltarife könnten nicht für den internen Verkehr allein angewandt werden, wie der Beschluß der Räte andeute, sondern

1079 müßten auch dem Verkehr mit dem Auslande gewährt werden. Sie kämen daher auch dem ausländischen Produkte zu gute und würde die erhoffte Wirkung auf den Absatz der schweizerischen Erzeugnisse vielfach paralysiert.

Mit Rücksicht auf diese Erwägungen seien daher die Verwaltungen nicht in der Lage, der Einführung des Staffeltarifes für den Transport von Gütern im allgemeinen gegenwärtig näher treten zu können.

Hinsichtlich des Artikels ,,Wein" lägen die Verhältnisse ähnlich. Eine irgendwie nennenswerte Ermäßigung würde für die Bahnen bedeutende Frachtausfälle zur Folge haben, ohne daß die Wirkung im einzelnen eine derartige wäre, daß eine 'Vermehrung des Absatzes auf größere Entfernungen erwartet werden könnte.

Für die Strecke Cully-St. Gallen, 309 km., würde beispielsweise bei einer Ermäßigung um 3 Cts. pro Kilometer nicht einmal eine Frachtersparnis von l Ct. pro Liter und auf der Strecke CullyZürich nur eine solche von cirka 2/a Ct. pro Liter eintreten, eine Ermäßigung, welche den Konsum und den Absatz der Waadtländerweine kaum in nennenswerter Weise zu heben vermöchte.

Es würde deshalb auch bezüglich des Artikels ,,Wein11 die mit der Einführung eines Staffeltarifes verbundene Frachtermäßigung voraussichtlich lediglich einen Einnahmeausfall für die Bahnen ohne Kompensation bilden. Es sei sodann auch hier darauf aufmerksam zu machen, daß die Einführung eines Staffeltarifes für Wein ebensowohl den ausländischen, wie auch den inländischen Weinen zu gute kommen wurde.

Die Eisenbahnverwalt.ungen könnten sich unter diesen Umständen auch zur Einführung eines Staffeltarifes für den Artikel a Tj Wein nicht entschließen, und könnten sich des Eindruckes nicht erwehren, daß bei der Beschlußfassung der eidgenössischen Räte die Bedeutung des Staffeltarifes für die Absatzfähigkeit der schweizerischen Weine überschätzt worden sei.

Die Bahnverwaltungen lehnen somit, wie zu erwarten stand, es zur Zeit entschieden ab, auf die Frage der Einführung des Staffeltarifsystems für den Gütertransport im allgemeinen und für den Weintransport im speciellen näher einzutreten, und zwar in erster Linie unter Verweisung darauf, daß die finanzielle Tragweite einer derartigen grundsätzlichen Tarifänderung sehr schwer zu ermessen sein würde und der für den Rückkauf maßgebende Zeitabschnitt wenig geeignet wäre, sich in solche
Experimente einzulassen. Bei der Unmöglichkeit, den Nahverkehr mehr als gegenwärtig belasten zu dürfen, könnte die Bildung des Staffelsystems nur erzielt werden durch ausgiebige Reduktionen der Taxen auf

1080 größere Entfernungen, was aber zu ganz wesentlichen Taxausfällen Anlaß geben müßte. Auch einen Grund mehr praktischer Natur bringen die Verwaltungen für ihre ablehnende Haltung vor, indem sie auf die Ungleichheit der Transporttaxen für Güter bei den verschiedenen Bahnunternehmungen hinweisen, die der Bildung einheitlicher Staffeltarife hindernd im Wege stehen wurde.

Angesichts dieser ablehnenden Haltung der Verwaltungen haben wir es unterlassen, unserseits weitere Studien über die Frage der Einführung des Staffeltarifsystems auf den schweizerischen Eiseubahnen zu machen, da denselben nur ein rein theoretischer Wert zukäme; denn bei dem gegenwärtigen Stand der schweizerischen Eisenbahngesetzgebung kommt den Bundesbehörden ein Recht nicht zu, den Verwaltungen im allgemeinen eine Reduktion der sich innerhalb der konzessionsmäßigen Schranken bewegenden und den Vorschriften des Art. 35 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft nicht widersprechenden Transporttaxen gegen deren Willen aufzuerlegen. Wir halten uns unter diesen Umständen Ihrer Zustimmung sicher, wenn' wir Ihnen beantragen, auf die Frage der Reduktion der Transporttaxen für den Gütertransport im allgemeinen und den Weintransport im -speeiellen für einmal nicht näher einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. Dezember

1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

®mm*3-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Reduktion der Taxen für den Gütertransport im internen Verkehr im allgemeinen und für den Weintransport im speciellen. (Vom 8. Dezember 1896.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1896

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.12.1896

Date Data Seite

1077-1080

Page Pagina Ref. No

10 017 670

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.