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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Jean Gerber, Vater, auf dem Vion bei Tavannes.

(Vom 20. November 1896.)

Tit.

Der militärpflichtige Jean Gerber sollte im Oktober 1894 vor ·der Rekrutierungskommission in Pruntrut erscheinen. An seiner Stelle erschien jedoch Christian Schnegg, der im Jahre 1889 als dienstuntauglich erklärt worden war. Schnegg gab sieh vor der Kommission als Jean Gerber aus und wurde auf Grund der an ihm vorgenommenen ärztlichen Untersuchung als dienstuntauglich erklärt.

Gestutzt auf dieso Untersuchung und in dem Glauben, den Jean Gerber vor sich zu haben, beurkundete die Kommission in dessen Dienstbüchlein, das Schnegg vorwies, die Dienstuntauglichkeit des .Jean Gerber. Schnegg hatte sich zu diesem Verhalten durch den Vater des Jean Gerber bestimmen lassen, der ihm dafür Fr. 50 bezahlte.

Die Stiche wurde ruchbar und nach eingeleiteter Untersuchung überwies der Bundesrat · mit Schlußnahme vom 28. Februar 1896 den Fall als Widerhandlung gegen Art. 63, lit. b, des Bundesstrafrechts zur Beurteilung an die Gerichte des Kantons Bern.

Laut Urteil des korrektioneilen Gerichtes Moutier, d. d. 11. Mai 1896, wurde Jean Gerber, Vater, in Anwendung des Art. 63, lit. o, -des Bundesstrafrechtes und Art. 111 des bernischen Strafgesetzes wegen Anstiftung zu fraglichem Vergehen zu einer Gefängnisstrafe -von 8 Tagen und zur Tragung der Kosten verurteilt.

641 Gegenüber diesem Urteil stellt Gerber durch seinen Anwalt mittelst Eingabe vom 4. November 1896 ein Begnadigungsgesuch und bittet um Erlaß der Gefängnisstrafe von 8 Tagen.

In dem Begnadigungsgesuch führt Gerber im wesentlichen aus, er habe seinen Sohn nicht zu einer verbrecherischen Handlung'angestiftet ; im übrigen gehöre er. der Sekte der Anabaptisten an, deren Glaube den Mitgliedern der religiösen Gemeinschaft verbiete, die Waffen zu tragen ; er habe nicht in betrügerischer Absicht gehandelt, sondern einzig in dem Gefühl, es sei weniger verboten den Anordnungen der Menschen nicht zu gehorchen als den Geboten seines Gottes.

Die Schuld des Gerber ist sowohl durch das Urteil als durch die Thatsache festgestellt, daß er dem Schnegg für dessen Dienstleistungen in der betreffenden Angelegenheit Fr. 50 bezahlte.

Gerber wurde auch nicht wegen seiner religiösen Überzeugung gestraft, sondern weil er durch eine betrügerische Handlung seinen Sohn dem eidgenössischen Militärdienst zu entziehen suchte. Die Strafe erscheint uns nicht zu hart, sondern dem Vergehen angemessen.

Wir beantragen deshalb Abweisung des Begnadigungsgesuches des Jean Gerber.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. November 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Jean Gerber, Vater, auf dem Vion bei Tavannes. (Vom 20. November 1896.)

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1896

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25.11.1896

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640-641

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