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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Rudolf Zobrist-Huetz in Luzern gegen den Regierungsbeschluß vom 27. April 1896, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 17. November 1896.)

Der schweizerische Bundes rat hat über den Rekurs des Rudolf Z o b r i s t - H u e t z in Luzern gegen den Regierungsbeschluß vom 27. April 1896, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat durch Schlußnahme vom 27. April 1896 das Gesuch des Rudolf Zobrist-Huetz in Luzern um Erteilung eines Personalwirtsrechtes für das Parterre seiner Liegenschaft ,,Unterlachenhof", ,,erwägend, daß ein Bedürfnis für die neu zu errichtende Wirtschaft nicht vorhanden ist", abgewiesen.

693 II.

Gegen diese Schlußnah me hat Herr Advokat Dr. Allgäuer in Luzern im Namen des Rudolf Zobrist-Huetz mit Schriftsatz vom 21. Mai 1896 den Rekurs an den Bundesrat ergriffen.

Das Rekursmemorial führt in erster Linie aus, daß die regierungsrätliche Schlußnahme der rechtlichen Grundlage entbehre, da sie ausschließlich auf § 20, Absatz l, des luzernischen Gesetzes über die Wirtschaften vom 22. November 1883 fuße, welcher lautet: ,,Wenn wegen zu starker Vermehrung der an einem Orte bestehenden Wirtschaften eine ernstliche Besorgnis für das öffentliche Wohl begründet ist, so kann der Regierungsrat die Erteilung von Wirtspatenten bis auf weiteres einstellen."1 Unter der Herrschaft von Art. 31 der Bundesverfassung, in der Fassung wie derselbe am 29. Mai 1874 in Kraft getreten ist, konnte eine Gesetzesbestimmung, welche in solcher Weise die Ausübung eines Gewerbes von dem Vorhandensein eines Bedürfnisses abhängig macht, nicht rechtsgültig entstehen und nicht zu Recht bestehen. In diesem Sinne, sagt die Rekursschrift, hat das Bundesgericht im Jahre 1889 prinzipiell entschieden. Die Bundesverfassungsrevision von 1885 aber hat den Kantonen in Art. 31, litt, c, Beschränkungen des Wirtschaftsgewerbes ausdrücklich nur ,,auf dem Wege der Gesetzgebung" gestattet. Von dieser Befugnis ist im Kanton Luzern bis zur Stunde kein Gebrauch gemacht worden.

Es besteht im Kanton Luzern zur Zeit keine Gesetzesbestimmung, welche gestatten würde, die Zahl der Wirtschaften wegen mangelnden Bedürfnisses zu beschränken, eine Normalzahl der Wirtschaften einzuführen, und der Regierungsrat macht sich eines Übergriffes ins Gebiet der gesetzgebenden Gewalt schuldig, wenn er eine nicht zu Recht bestehende Gesetzesbestimmung als geltend erklärt und anwendet.

Eventuell beschwert sich der Rekurrent über willkürliche Anwendung des fraglichen § 20 durch den luzernischen Regierungsrat und weist auch darauf hin, daß die begutachtenden Unterbehörden, der Stadtrat von Luzern und das Statthalteramt des Bezirkes, gegen die Patenterteilung an den Rekurrenten keine Einwendung erhoben haben.

III.

In seiner Vernehmlassung vom 12. Juni macht der Regierungsrat zunächst auf den Wortlaut des Gutachtens der Unterbehörden aufmerksam; dasselbe lautet: ,,Wir machen keine Einwendung dagegen (gegen die Erteilung des Wirtspatentes), wiewohl eine weitere Wirtschaft kein Bedürfnis ist."

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Sodann beruft sich der Regierungsrat auf Art. 2 der Bundesverfassung und sagt: ,,Wenn wir die gemeinsame Wohlfahrt der Eidgenossen befördern wollen, so müssen wir einer allzu starken Vermehrung der Wirtschaften entgegentreten und kommen dadurch nicht in Widerspruch mit der Bundesverfassung vom Jahre 1874.

Durch die Revision der Bundesverfassung im Jahre 1885 ist diese unsere Ansicht gutgeheißen und bestätigt worden, und wir hatten keine Veranlassung, unser Wirtsgesetz abzuändern. Die formellen Bedenken des Rekurrenten müssen aber auch der bestehenden Praxis weichen.a Der Regierungsrat citiert diesfalls den Bundesratsbeschluß vom 21. April 1896 in Sachen des Josef Meyer in Gettnau (Kanton Luzern).

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Der Bundesrat hat bereits anläßlich seiner Rekursentscheidung vom 21. April 1891 in Sachen des Friedrich Strahm zu Malters die Regierung des Kantons Luzern an die Bundesgerichtssprüche vom 2. Februar und 30. März 1889 (Bundesgerichtliche Entscheidungen, Bd. XV, S. 157 ff.) erinnert, welche es nicht als zulässig erscheinen lassen, die Entziehung oder Verweigerung eines Wirtschaftspatentes auf § 20 des luzernischen Gesetzes vom 22. November 1883 zu stützen (Bundesbl. 1891, II, 351 und 1892, 11, 548). In gleichem Sinne hat der Bundesrat in dem Rekursfalle Wasmer-Iten am 27. Januar 1891 gegenüber Zug und in dem Rekursfalle Kuli am 23. April 1891 gegenüber Aargau sich ausgesprochen (vergi. Bundesbl.

1891, I, 211 und 352, und 1892, II, 547 und 548).

2. Im vorliegenden Falle ist der Regierungsbeschluß ausschließlich auf § 20 des kantonalen Wirtschaftsgesetzes vom 22. November 1883 gegründet. Irgendwelche andere Gründe, aus denen das Patentgesuch des Rekurrenten abzuweisen wäre, werden nicht angeführt und sind aus den Akten nicht ersichtlich. Der Regierungsbeschluß entbehrt daher in der That der rechtlichen Grundlage und ist unhaltbar gegenüber dem durch Artikel 31 der Bundesverfassung aufgestellten Grundsatz der Handels- und Gewerbef'reiheit, dessen Wirksamkeit in Bezug auf das Wirtschaftsgewerbe von. den Kantonen nur auf dem Wege der Gesetzgebung den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterworfen werden kann.

3. Nach den in Ziffer l und 2 enthaltenen Darlegungen muß der angefochtene Regierungsbesehluß, der wie kein früherer einzig und allein in der citierten Bestimmung des kantonalen Gesetzes seinen rechtlichen Halt sucht, als bundesrechtswidrig erscheinen und kann daher vom Bundesrate nicht geschützt werden.

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D e m n a c h wird beschlossen: 1. Der Rekurs ist begründet.

2. Infolgedessen wird der Beschluß des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 27. April 1896 aufgehoben und der Regierungsrat eingeladen, dem Wirtschaftspatentbegehren des Rekurrenten zu entsprechen.

B e r n , den 17. November 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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25.11.1896

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