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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend eine Vereinbarung zwischen der Schweiz und Brasilien über die Behandlung der Verlassenschaften von Schweizerbürgern in Brasilien und von brasilianischen Staatsangehörigen in der Schweiz.

(Vom 28. Dezember 1895.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Der schweizerische Bundesrat und die brasilianische Regierung haben Erklärungen ausgetauscht, wonach vom \. Januar 1896 hinweg die Verlassenschaften von in Brasilien verstorbenen Schweizern und von in der Schweiz verstorbenen Brasilianern im Sinne des hiernach auszugsweise abgedruckten, von der brasilianischen Regierung den 8. November 1851 erlassenen Dekretes, beziehungsweise des diesem angehängten Réglementes, zu behandeln sind. Die durch jenen Austausch in Aussicht genommenen Vergünstigungen sollen, nach Mitgabe eines Dekretes des Präsidenten der Vereinigten Staaten Brasiliens vom 21. November ' abhin, der Schweiz als einem derjenigen Staaten zu gute kommen, welche Brasilien die Reciprocität zugesichert haben, was schweizerischerseits durch eine auf den Bundesbeschluß vom 17. Juli 1852 (A. S. III, 146) gestutzte Erklärungs des Bundesrates geschehen ist.

Wir ersuchen Sie demzufolge, unter Beilage einiger Exemplare des in Frage stehenden Réglementes, in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß vom 1. Januar 1896 an Verlassenschaften von in Ihrem Kanton verstorbenen Brasilianern im Sinne desselben behandelt werden.

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Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 28. Dezember

1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

2 Beilagen (Seiten 40 und 42 hiernach).

40 Beilage i.

Dekret Nr. 2169 vom 21. November 1895, betreffend

die in Art, 24 des Dekrets Nr. 855 vom 8. November 1851 vorgesehene Anwendung der Bestimmungen dieses Dekrets auf die Verlassensohaften von schweizerischen Staatsangehörigen.

Der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien, in Genehmigung des Vorschlages der Regierung der schweizerischen Eidgenossenschaft und unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit, beschließt: Art. i. Die von in Brasilien verstorbenen schweizerischen Staatsangehörigen stammenden Verlassenschaften, die vom 1. Januar 1896 hinweg zur Eröffnung gelangen, stehen unter der Herrschaft der Bestimmungen, auf welche Art, 24 des Dekrets Nr. 855 vom 8. November 1851 Bezug hat.

Art. 2. Vom Augenblicke an, wo die gegenwärtigem Dekret zu Grunde liegende Vereinbarung wieder aufgehoben werden sollte, soll für die dannzumal in Liquidation befindlichen Verlassenschaften das Dekret Nr. 2433 vom 15. Juni

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1859 oder dasjenige gelten, welches zu jenem .Zeitpunkt in Kraft stehen wird.

Hauptstadt der Republik (Rio de Janeiro), den 21. November 1895, siebentes Jahr der Republik.

Prudente J. de Moraes Barros.

Carlos Augustos de Carvalho.

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Beilage 2.

.A_uszug aus

dem Ausführungsreglement zum Dekret Nr. 855 der brasilianischen Regierung vom 8, November 185L

Art. 2. Wenn beim Tode eines in Brasilien niedergelassenen Ausländers, der im Lande keine Ehefrau und keine anerkannten Erben hinterläßt, welche von Rechts wegen befugt wären, von der Verlassenschaft Besitz zu ergreifen, oder als überlebender Ehegatte zur Inventarisation zu schreiten und die Teilung vorzunehmen, eine letzte Willensverfügung nicht vorliegt, oder wenn eine solche vorhanden ist, die Erben oder Testamentsvollstrecker aber landesabwesende Ausländer sind, so hat der für die Verstorbenen und die Landesabwesenden bestellte Richter gemeinsam mit dem betreffenden Konsularagenten von der Verlassenschaft Besitz zu nehmen, deren Verwahrung dann dem Konsularagenten übertragen ist; der Richter hat hierauf von Amtes wegen zur Inventarisation zu schreiten und dieselbe in Gegenwart des Konsularagenten durchzuführen.

Diese Beiziehung der Konsularagenten findet nicht statt, falls einer der anerkannten Erben, mag dieser auch landesabwesend sein, brasilianischer Staatsangehöriger ist.

Art. 3. Nach Abschluß des Inventars werden die Verlassenschaftsgüter dem Konsularagenten zur Verwaltung und

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Liquidation übergeben; dieser darf indessen über die Güter und deren Nutzen weder verfügen .noch sie den gesetzlichen Erben aushändigen, bevor durch Zeitungsanzeigen, die unmittelbar nach der Besitznahme zu erlassen sind, konstatiert ist, daß innert Jahresfrist kein Gläubiger an die Verlassenschaft Ansprüche erhoben hat, und bevor etwaige über der Verlassenschaft hängige Rechtsfragen gelöst und die Gebühren entrichtet sind, denen diese nach den Gesetzen des Kaiserreichs unterworfen ist. Um festzustellen, ob solche Gebühren zu entrichten sind oder nicht, hat der Konsularagent durch genügende und gehörig legalisierte Dokumente nachzuweisen, welcher Verwandtschaftsgrad zwischen) dem Verstorbenen und seinem oder seinen Erben besteht.

Art. 4. Wenn nach Ablauf der im vorhergehenden Artikel festgesetzten Jahresfrist über der Erbschaft keine Rechtsfragen mehr schweben, und die Gebühren des Staates entrichtet sind, oder konstatiert ist, daß solche nicht zu entrichten waren, so kann der Konsularagent über die Verlassenschaft verfugen und deren Ergebnis nach der ihm gewordenen Instruktion wem Rechtens zustellen. Er wird alsdann von den Landesgerichten als Vertreter des oder der Erben angesehen, denen gegenüber er allein verantwortlich ist.

Art. 5. Haften Schulden auf der Verlassenschaft oder entstehen Anstände in Bezug auf einen Teil derselben, so kann der Konsularagent, nach Verfluß einer Jahresfrist und nach Erfüllung der in Art. 3 vorgeschriebenen Formalitäten, in Bezug auf den liquiden und schuldenfreien Teil der Verlassensehaft gemäß den Bestimmungen des Art. 4 verfahren, dies zwar entweder nach vorgängiger Hinterlegung einer Summe, die der Höhe dei1 Schuld oder dem Werte des Streitgegenstandes entspricht, oder aber unter Vorbehalt des Gegenstandes der streitigen Frage selbst.

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Art. 6. Stirbt ein in Brasilien niedergelassener Ausländer unter den in Art. 2 dieses Reglements erwähnten Umständen an einem Orte, wo kein Konsularagent seiner Nation besteht, so nimmt der Richter für die Verstorbenen und Landesabwesenden die Besitzergreifung und die Inventarisation der Verlassenschaft im Beisein zweier ehrenhaften Zeugen von der Nationalität des Verstorbenen u n d , falls solche Zeugen nicht zur Verfügung wären, im Beisein von zwei vertrauenswürdigen Kaufleuten oder Grundbesitzern vor, welchen Personen dann die Verwaltung und Liquidation der Verlassenschaft bis zu dem Augenblicke zufällt, wo über die Bestimmung des reinen und unbestrittenen Verlassenschaftsertrages entschieden sein wird.

Art. 7. Bei Fällen des vorhergehenden Artikels hat der Richter innert 15 Tagen von dem Augenblicke an, wo er Kenntnis von dem in seinem Kreise unter den in Art. 3 berührten Umständen erfolgten Tode eines Ausländers erhalten hat, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten einen Totenschein nebst Angabe des Alters, des Wohn- und des Geburtsortes, des Berufes, sowie des Vermögens und der Verwandten des Verstorbenen, soweit ihm hiervon bekannt ist, zu übermitteln, damit der Minister mit der betreffenden Gesandtschaft oder dem betreffenden Konsularagenten über die dem Reinergebnis der Verlassenschaft zu erteilende Bestimmung ins Einvernehmen treten kann.

Art. 8. Weder der Konsularagent, noch im Falle des Art. 6 die Verwalter sind befugt, irgend eine Schuld des Verstorbenen zu bezahlen, ohne daß der Richter hierzu seine Ermächtigung erteilt hätte; der Richter seinerseits kann keine Zahlung anordnen ohne vorherige Anhörung des Konsularagenten-oder der Verwalter.

Hiervon ausgenommen sind die Begräbniskosten, welche, wenn möglich, ohne weiteres durch den Richter oder, je nach der Bedeutung der Verlassenschaft, durch die Polizeibehörde des Kreises geregelt werden.

45 Art. 11. Beim Tode eines auswärtigen Konsularagenten wird die Liquidation von dessen Verlassenschaft nach dem gleichen Verfahren vorgenommen, welches für die Verlassenschaft von Mitgliedern des diplomatischen Corps zu Kraft besteht, ausgenommen, wenn der Verstorbene ein Geschäft im Lande betrieb, in welchem Falle nach der allgemeinen Regel vorzugehen ist.

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