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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn vom Hotel Reichenbach zum obersten Reichenbachfall bei Meiringen.

(Vom 4. Juni 1896.)

Tit.

Mit Eingabe vom 9./11. November 1895 stellten die Herren Fr. J. B u c h e r in Kerns und E l i a s F l o t r o n , Ingenieurin Meiringen, das G e s u c h um Erteilung einer K o n z e s s i o n für eine D r a h t s e i l b a h n vom Hotel R e i c h e n b a c h bis zum obersten R e i c h e n b a c h f a l l bei Meiringen.

Nach dem technischen Berichte nimmt die Drahtseilbahn ihren Anfang bei der projektierten Station der Zahnradbahn von Meiringen nach Grindel wald am Fuße der Reichenbachfälle (Kote 600), zieht sich in einer Kurve von 150 m. Radius oberhalb des untersten Reichenbachfalls nach dem ,,Kesselfall", nachdem sie bei Hektometer 2 den Reichenbach überschritten hat. Vom ,,Kesselfall" folgt die Linie dem linken Ufer des Reichenbachs und führt dann durch einen Tunnel von 143 m. Länge zu der Endstation ,,Oberster Reichenbachfall" (Kote 832,84). Die zu überwindende Höhendifferenz beträgt 232,84 m., die ganze Länge der Bahn 530 m.

mit einer Maximalsteigung von 59 °/o. Die Spurweite ist zu l m.

angenommen. Die Bahn soll mit Wasserübergewicht oder Elektricität betrieben werden.

Der summarische Kostenvoranschlag berechnet für :

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Organisation und Verwaltung, Zinsen Expropriation Unterbau Oberbau Hochbauten und Mobiliar, Reservoir .

Telegraph Rollmaterial Drahtseil Unvorhergesehenes, cirka 10 °/o

. . . Fr.

7,420 ,, 15,900 ,, 197,550 ,, 37,100 . . . ,, 31,800 1,590 T ,, 23,850 ,, 4,000 ,, 30,790

Total Fr. 350,000 oder per Kilometer Fr. 660,380.

Die Rentabilitätsberechnung veranschlagt die Verkehrseinnahmen, bei einer Wagenklasse und bei einer Frequenz von 26,000 Personen per Jahr, auf Fr. 35,500 und die Betriebskosten auf . ,, 16,000 bleibt als Betriebsüberschuß Fr. 19,500 was eine Verzinsung des Anlagekapitals zu cirka 5,6 % ermöglichen würde.

Die Annahme von 26,000 Personen stütze sich auf den bisherigen Besuch der Aareschlucht in Meiringen, welche allein von civka 30,000 Personen jährlich frequentiert werde. Die Reichenbachfälle seien aber bei der Fremdenwelt noch bekannter als die Aareschlucht, doch halte der schlechte Weg, der zu den ersteren führe, viele vom Besuche ab. Auch bestehe der stets zu vielen Klagen Anlaß gebende Übelstand, daß jeder Besucher dem Eigentümer des an den Fall grenzenden Besitztums, um den berühmten Wasserfall zu besichtigen, ein Eintrittsgeld von 50 Rappen bezahlen müsse, was infolge der Erstellung der Bahn ebenfalls dahinfallen werde.

Die Regierung des Kantons Bern, welcher das Konzessionsgesuch zur Vernehmlassung übermittelt wurde, erklärt mit Schreiben vom 29. Januar 1896, daß sie die Erteilung der Konzession empfehle, zumal dieselbe den Besuch des Reichenbaches wesentlich erleichtern und den Fremdenverkehr befördern werde, ohne anderweitige Inkonvenienzen mit sich zu bringen ; insbesondere seien die Befürchtungen von Meiringen über Verunstaltung der Gegend und des Anblickes der Wasserfälle durchaus unbegründet.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 27. April 1896 statt und ergaben allseitige Zustimmung zu dem nachstehenden Konzessionsentwurf.

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Derselbe enthält die für Drahtseilbahnen üblichen Bestimmungen mit der besonderen Vorschrift in Art. 16, Alinea 4, daß für die einheimische Bevölkerung die Taxen um 50 °/o zu ermäßigen sind, um derselben die Benützung der Drahtseilbahn, welche ihr Va Stunde Wegabkürzung bietet, ebenfalls zu ermöglichen.

Die Taxen sind auf einer mäßigen Höhe gehalten.

Iin übrigen giebt uns der Konzessionsentwurf zu keinen besondern Bemerkungen Anlaß.

Indem wir Ihnen den nachfolgenden Beschlußentwurf zur Genehmigung empfehlen, benutzen wir den Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Juni 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biugier.

-SOS (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Xonzession einer Drahtseilbahn vom Hotel Reichenbach zum obersten Reichenbachfall bei Meiringen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Franz Josef Bucher in Kerns und Elias Flotron, Ingenieur in Meiringen, vom 9./10. November 1895; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1896, beschließt: Den Herren Franz Josef Bue h er in Kerns und Elias Flotron, Ingenieur in Meiringen, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession filr den Bau und Betrieb einer D r a h t s e i l b a h n vom H o t e l R e i c h e n b a c h zum obersten R e i c h e n b a c h f a l l unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3. Der Sitz der Gesellschaft ist in Meiringen.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

509 Art. 5. Binnen einer Frist von 12 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem ßundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Brdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahubaues, sowie der zum Betriebe der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Buudesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird als Drahtseilbahn erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt in erster Linie die Beförderung von Personen und Gepäck ; Güter werden nur befördert, .sofern die Wageneinrichtung es gestattet.

Zum Viehtransport ist die Gesellschaft nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. III.

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Art. 14. Der Betrieb darf auf die Sommersaison beschränkt werden. Im allgemeinen ist es der Gesellschaft anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, mindestens 14 Tage vor dem zu ihrer Ausführung bestimmten Zeitpunkte dem Eisenbahndepartemente vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit bleibt dem Bundesratevorbehalten.

Art. 15. Es wird nur eine Wagenklasse eingeführt, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : für die Bergfahrt Fr. l, für die Thalfahrt 75 Rappen, für die Hin- und Rückfahrt Fr. 1. 50.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bedingungen Abonnementsbillete zu ermäßigter Taxe auszugeben.

Für die einheimische Bevölkerung sind die Taxen um 50 °/o zu ermäßigen.

5 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden und die zur Beförderung angenommenen Güter kann eine Taxe von höchstens 50 Rappen per 100 Kilogramm bezogen werden.

Das Gewicht wird nach Einheiten von 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. als eine ganze Einheit gilt.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 20 Rappen festgesetzt werden.

Art. 17. Die in Art. 16 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Das Auf-

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und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben werden.

Art. 18. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 19. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 21. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetze über die Haftpflicht vom 1. Juli 1875 hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 22. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden und sollte

512 auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen. ·c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Ruckkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 ^fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für deu Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Ruckkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 23. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 22 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 24. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn vom Hotel Reichenbach zum obersten Reichenbachfall bei Meiringen. (Vom 4. Juni 1896.)

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10.06.1896

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