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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn.

(Vom 16. März 1896.)

Tit.

Mit Botschaft vom 30. März 1889 (Bundesbl. 1889, l, 845 ff.)

haben wir Ihnen einen am 17. November 1888 unterzeichneten Vertrag vorgelegt, durchweichen das Auslieferungsverfahren zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn neu geregelt und die bisherige bezügliche Übereinkunft vom 17. Juli 1855 ersetzt werden sollte.

Die vorn Nationalrate mit der Prüfung der Vorlage beauftragte Kommission beschloß indessen am 8. Juni 1889 auf die Beratung derselben nicht einzutreten. Sie verlangte vom Bundesrate eine Vernehmlassung darüber, ,,ob es nicht geboten wäre, allgemeine, das Auslieferungswesen beschlagende Normen festzustellen, welche der Schweiz als Basis gegenüber allen Staaten dienen würden, und zwar sowohl bei der Abschließung von diesbezüglichen Verträgen, als auch für den Verhalt in denjenigen Fällen, wo es an solchen mangelt".

Wir antworteten hierauf, da es scheine, daß die nationalrätlich Kommission von dem Wunsche geleitet sei, es möchten die von ihr angeregten Studien der Prüfung des Vertrages mit Österreich-Ungarn vorangehen, so werden die bezüglichen Arbeiten, die das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schon längere Zeit beschäftigen, möglichst befördert werden, damit der Bundesversammlung in ihrer nächsten Session ein Bericht über die Zweck-

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mäßigkeit eines Bundesgesetzes über die Auslieferung und eventuell der Entwurf zu einem solchen Gesetze selbst vorgelegt werden können.

Hierauf wurde das Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande ausgearbeitet, das den eidgenössischen Räten mit Botschaft vom 9. Juni 1890 vorgelegt, von diesen am 22. Januar 1892 angenommen und am 19. Mai gleichen Jahres in Kraft erklärt worden ist.

Damit war die von der nationalrätlichen Kommission im Jahre 1889 aufgeworfene Vorfrage gelöst, allerdings in einer Weise, welche eine teilweise Änderung des mit Österreich-Ungarn am 17. November 1888 vereinbarten Vertrages nötig machte.

Wir gaben der .k. und k. Regierung gegen Ende Oktober 1892 hiervon Kenntnis und teilten ihr unsere Abänderungsvorschläge mit. Die wichtigsten derselben waren die Ersetzung des Art. III betreffend die politischen Delikte durch eine mit Art. 10 des Auslieferungsgesetzes vollkommen im Einklang stehende Bestimmung, ferner die Aufnahme der Art. 5 des Gesetzes (Umwandlung körperlicher Strafen), 6 (Verweigerung der Auslieferung bei Verjährung der Strafklage oder Strafe), 9 (Verbot von Ausnahmegerichten) und 11 (Ausschluß der Auslieferung für Fiskal- und Militärdelikte).

Wir bezeichneten diese Änderungen als solche, die der Vertrag vom 17. November 1888 erhalten müsse, wenn seine Annahme Aussicht auf Erfolg nahen solle. Außerdem schlugen wir einige Zusätze vor, die wir als im Interesse der beiden Staaten liegend betrachteten, ohne daß wir jedoch denselben entscheidende Bedeutung beigelegt hätten. Es waren dies zwei kleine Vervollständigungen der Ziffern 19 und 20 in Art. II, sodann Beisätze zu Art. I mit Bezug auf die strafrechtliche Verfolgung der eigenen Staatsangehörigen, welche sich im ändern Lande eines Delikts schuldig gemacht haben, sowie zu Art. IX betreffend die provisorische Auslieferung zum Zwecke der Aburteilung eines Beschuldigten und ferner eine Bestimmung, durch welche das Abkommen vom Jahre 1856 über den gegenseitigen direkten Verkehr zwischen den beidseitigen Gerichtsbehörden Bestätigung erhalten sollte.

Die k. und k. Regierung hat daraufhin in zuvorkommendster Weise sich zur Annahme aller derjenigen Abänderungen bereit erklärt, welche ihr von uns mit dem Hinweis vorgelegt, worden sind, daß dieselben nach unserm Auslieferungsgesetze notwendig seien. Von
den übrigen Vorschlägen hat sie nur zwei beanstandet, nämlich den betreffend die Strafverfolgung eigener Staatsangehöriger und denjenigen betreffend direkte Korrespondenz der Gerichtsbehörden.

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Hinsichtlich des erstem Punktes bemerkte die k. und k. Regierung, daß nach dem österreichischen Strafgesetzbuche, Art. 37--41, es für Österreich nicht möglich wäre, die zur Erzielung der strafgerichtlichen Verfolgung eines Schweizerbürgers durch die schweizerischen Gerichte geforderte Erklärung abzugeben. Von dem ungarischen Justizministerium werde dagegen seine bezügliche Ablehnung namentlich damit motiviert, daß die ungarischen Staatsangehörigen wegen Handlungen, die sie im Auslande begangen haben, sich in Ungarn gemäß den §§ 7 und 8 des dortigen Strafgesetzbuches jedenfalls zu verantworten haben, wenn sie auch dafür nicht immer in der Weise bestraft werden können, wie wenn das Delikt in Ungarn verübt worden wäre.

Auf die beantragte Bestimmung über den direkten Verkehr zwischen den Gerichtsbehörden wollte die k. und k. Regierung nicht eintreten, weil für die Angelegenheiten, von welchen der Auslieferungsvertrag handle, immer der diplomatische Verkehr vorgeschrieben sei und überdies mit Bezug auf die Länder der ungarischen Krone besondere Verhältnisse bestehen, in Anbetracht deren das Abkommen von 1856 seitens der ungarischen Gerichte nicht weiter zur Anwendung gebracht werden könne.

In ihrer Antwort, auf unsere Abänderungsvorschläge stellte die k. und k. Regierung im weitern auch ihrerseits einige neue Anträge, welchen wir ohne Bedenken zustimmen konnten. Es waren dies vor allem folgende : a. Aufnahme einer Erklärung in das Schlußprotokoll, daß unter den ,,körperlichen Strafen" die Todesstrafe nicht verstanden sei.

b. Ein Zusatz zu Art. XI des Vertrages von 1888, wonach bei Vergehen, welche im ersuchten Staate als Antragsdelikte behandelt werden, nachzuweisen ist, daß der Verletzte Klage erhoben habe.

c. Streichung der Worte im 1. Absatz von Art. I ,,sur la demande que Tun des deux gouvernements adressera à, l'autre" und Streichung des Wortes ,,deux" im Schlußprotokoll vor den Ausdrücken ,,parties contractantes"1. Diese Änderungen wurden mit Rücksicht auf die staatsrechtliche Stellung Ungarns gewünscht.

d. Aufnahme eines Zusatzes in das Schlußprotokoll, lautend : ,,Durch den Auslieferungsvertrag wird nicht ausgeschlossen, daß mit oder ohne Vorbehalt des Gegenrechts auch wegen einer im Vertrage nicht vorgesehenen strafbaren Handlung die Auslieferung bewilligt werden kann, sofern diese nach den Gesetzen des ersuchten Staates zulässig ist.tt

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Nach diesen 1893 und 1894 geführten Unterhandlungen war nur noch eine Einigung zu erzielen mit Bezug auf den Wortlaut des Art. XI des Vertrages von 1888, der in seinem ersten Absatz der k. und k. Regierung nicht klar genug erschien. Um die betreffende Bestimmung mit dem einschlägigen Art. 12 unseres Auslieferungsgesetzes völlig in Einklang zu bringen, beantragten wir die wörtliche Aufnahme desselben in den Vertrag. Wir bemerkten dazu, daß danach nicht uur eine endgültige Beurteilung in der Schweiz die Anslieferung ausschließe, sondern schon der Umstand, daß ein strafgerichtliches Verfahren gegen die requirierte Person noch im Stadium der Einleitung und Untersuchung sich befinde, daß dagegen der Bewilligung der Auslieferung nach Maßgabe dieses Artikels nichts mehr im Wege stehe, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Gerichte für inkompetent erachten sollten.

Mit Note vom 19. Februar 1895 erwiderte die österreichischungarische Gesandtschaft, daß von den Justizministerien in Wien und Budapest die unsererseits beantragte Redaktion von Art. XI angenommen werde. Damit war eine völlige Einigung hinsichtlich des Inhaltes des Vertrages erzielt und konnte zur Bereinigung des Textes und redaktionellen Feststellung der einzelnen Artikel geschritten werden. Der Urtext des Vertrages, welcher der Unterzeichnung seitens der Bevollmächtigten in Bern zu Grunde lag, ist der französische. Der deutsche Wortlaut ist eine Übersetzung, wie sie von der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft vorgelegt und mit unwesentlichen Änderungen unsererseits angenommen worden ist.

Noch haben wir zu bemerken, daß das k. k. Justizministerium dem Schlußprotokoll eine Ziffer beizufügen gewünscht hätte, in der gesagt worden wäre, daß es einem besondern Übereinkommen vorbehalten bleibe, den unmittelbaren Schriftenwechsel zwischen den Gerichtsbehörden der G r e n z b e z i r k e von Österreich und der Schweiz für die io den Artikeln XVIII, XIX, XX und XXI des gegenwärtigen Vertragsentwurfes vorgesehenen Fälle festzustellen.

Da wir indessen ein Abkommen vorziehen würden, in welchem nicht nur den Gerichtsbehörden der Grenzbezirke der gegenseitige direkte Verkehr gestattet würde, sondern allen Gerichtsbehörden der Schweiz und der österreichisch-ungarischen Monarchie, und zwar sowohl in Straf- als auch in Civilsachen, so wurde von Aufnahme
einer bezüglichen Bestimmung in das Schlußprotokoll Umgang genommen. Es werden nun nach Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages besondere Verhandlungen betreffend die Festsetzung dieses direkten Verkehrs stattfinden. Auch ist auf jenen Zeitpunkt eine vertragliche Regelung des Verfahrens hinsichtlieh der Übergabe und Übernahme von aus- und durchzuliefernden Individuen an der Grenze in Aussicht genommen.

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Der neue Vertrag entspricht den Bestimmungen unseres Auslieferungsgesetzes und erscheint geeignet, das Auslieferungswesen zwischen den kontrahiereaden Staaten in zweckmäßiger Weise zu ordnen. "Wir beantragen daher die Ratifikation dieses Vertrages durch Annahme des nachfolgenden Beschlußentwuvfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 16. März 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

254 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Ratifikation des am 10. März 1896 mit Österreich-Ungarn abgeschlossenen Auslieferungsvertrages.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 16. März 1896, beschließt: Art. 1. Dem zwischen der Schweiz und ÖsterreichUngarn unterm 10. März 1896 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag wird hiermit die Ratifikation erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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AuslieferungsYertrag zwischen

der Schweiz und Österreich-Ungarn.

(Vom 10. März 1896.)

Der Bundesrat der schweizerischen Eidgenossenschaft und

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen etc. .etc., und Apostolischer König von Ungarn, nachdem sie es für zweckmäßig befunden, einen Vertrag über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern abzuschließen, haben zu diesem Behufe als ihre Bevollmächtigten ernannt : Der schweizerische Bundesrat: Herrn Bundesrat Eduard M ü l l e r , Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, und

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen etc. etc., und Apostolischer König von Ungarn: den Grafen Karl von K u e f s t e i n , Seinen Geheimrat und Kämmerer, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, Ritter des Ordens der eisernen Krone I. Klasse u. s. w.,

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welche, nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, nachstehende Artikel vereinbart haben :

Art. I.

Die Regierungen der hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, gegenseitig diejenigen Personen, mit Ausnahme der eigenen Staatsangehörigen, sich auszuliefern, welche wesren einer der im nachfolgenden Artikel II angeO O O gebenen strafbaren Handlungen in Untersuchung stehen oder von den Gerichtsbehörden des einen der vertragschließenden Teile verurteilt worden sind und sich auf dem Gebiete des anderen Teiles befinden.

Die Auslieferung findet nur wegen solcher strafbaren Handlungen statt, welche nach der Gesetzgebung des die Auslieferung begehrenden, sowie des um die Auslieferung ersuchten Staates mit einer einjährigen Freiheitsstrafe oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind.

Wurde die strafbare Handlung, auf welche sich das Auslieferungsbegehren gründet, in einem dritten Staate begangen, so wird die Auslieferung zugestanden, wenn die Gesetzgebungen der vertragschließenden Teile die gerichtliche Verfolgung solcher Handlungen, auch wenn sie im Auslande verübt worden sind, gestatten und es dem um die Auslieferung ersuchten Staate nicht obliegt, den Verbrecher vor seine eigenen Gerichte zu stellen oder an die Regierung desjenigen Staates auszuliefern, auf dessen Gebiet die strafbare Handlung begangen worden ist.

Artikel II.

Die strafbaren Handlungen, wegen welcher die Auslieferung gewährt wird, sofern sie den Thatbestand eines gemeinen Verbrechens oder Vergehens begründen, sind folgende : 1. Totschlag, Mord, Meuchelmord, Elternmord, Kindesmord, Vergiftung.

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2. Abtreibung der Leibesfrucht.

3. Körperverletzung oder Verwundung, Beibringung von gefährlichen Stoffen oder von Gift, sowie jede andere Handlung, durch welche der Thäter vorsätzlich, jedoch ohne die Absicht, den Tod herbeizuführen, eine Gesundheitsstörung oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzigtägiger Dauer, eine Verstümmelung, Amputation oder Unbrauchbarkeit eines Gliedes, Erblindung, Verlust eines Auges oder ein anderes bleibendes Gebrechen verursacht hat.

4. Kindesraub, Verheimlichung, Unterdrückung, Verwechslung oder Unterschiebung von Kindern.

5. Aussetzen oder bösliches Verlassen von Kindern.

6. Entführung von Minderjährigen.

7. Notzucht.

8. Mit oder ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit einer Person.

9. Verletzung der Sittlichkeit durch Verleitung von Minderjährigen des einen oder ändern Geschlechtes zur Unsittlichkeit oder Ausschweifung, um die Lüste anderer zu befriedigen; ebenso die Verletzung der Sittlichkeit, begangen zur Befriedigung der eigenen Lüste durch Verleitung von Minderjährigen des einen oder ändern Geschlechtes zur Ausschweifung, falls derjenige, welcher sich dieser Verleitung schuldig macht, der Vater oder die Mutter, der Vormund oder der Lehrer der verleiteten Person, oder irgend eine andere mit der Aufsicht über dieselbe betraute Person ist.

10. Mehrfache Ehe.

11. Verletzung der persönlichen Freiheit und des Hausrechtes.

12. Mit einem Auftrage oder einer Bedingung verbundene Drohung eines Angriffes auf die Person oder das Eigentum.

Bundesblatt.

48. Jahrg. Bd. II.

17

258 13. Nachahmung oder Verfälschung von öffentlichen oder Privaturkunden, und der Gebrauch solcher Urkunden ; rechtswidrige Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung einer Urkunde in der Absicht, jemanden zu schädigen ; Mißbrauch eines Blanketts.

14. Münzfälschung, inbegriffen das Nachahmen und Verändern von Münzen, das Ausgeben und Inverkehrsetzen von nachgemachten oder veränderten Münzen, Nachahmung oder Verfälschung von Banknoten, Schuldverschreibungeu oder ändern Titeln und Werteffekten, welche vom Staate oder mit staatlicher Genehmigung von Körperschaften, Gesellschaften oder Privaten ausgegeben wurden ; Ausgabe oder Inverkehrsetzung solcher falschen oder gefälschten Banknoten, Schuldverschreibungen oder anderer Titel und Werteffekten.

15. Nachahmung oder Verfälschung von amtlichen Siegeln, Stempeln, Kontrollstempeln (Poinçons) und Marken.; Gebrauch von derartigen nachgeahmten oder verfälschten Siegeln, Stempeln, Kontrollstempeln und Marken, sowie Mißbrauch echter, zu amtlichem Gebrauche bestimmter Siegel, Stempel, Kontrollstempel und Marken.

16. Falsches Zeugnis, falsche Expertise, Meineid, Anstiftung zum Meineid, Verleitung von Zeugen, Sachverständigen, und Dolmetschern zu falschen Angaben.

17. Falsche Anschuldigung.

18. Amtsmißbrauch, Unterschlagung und Veruntreuung durch öffentliche Beamte.

19. Bestechung von öffentlichen Beamten, Richtern, Geschworenen und Sachverständigen.

20. Brandstiftung und Mißbrauch von Sprengstoffen.

21. Diebstahl und Raub.

22. Erpressung.

23. Prellerei und Betrug.

24. Unterschlagung oder Veruntreuung und Vertrauensmißbrauch.

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25. Betrügerischer Bankerott und betrügerische Benachteiligung der Gläubiger im Konkurse.

26. Vorsätzlicher Angriff auf die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes; Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen, sowie deren Betriebsmaterial, von Dampfmaschinen, Telegraphen und Telephonen, welche öffentlichen Zwecken dienen.

27. Absichtliche Handlungen, welche zur Herbeiführung einer Überschwemmung geeignet sind, wenn dadurch Gefahr für Menschenleben oder fremdes Eigentum entsteht.

28. Absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von beweglichem oder unbeweglichem, öffentlichem oder privatem Eigentum, einschließlich die Vergiftung von Nutzvieh oder anderen Tieren.

29. Absichtliche Beimischung von lebensgefährlichen oder gesundheitsschädlichen Stoffen zu Lebensmitteln, ebenso das Feilhalten oder die Austeilung solcher Lebensmittel unter Verschweigung ihrer schädlichen Eigenschaft.

30. Handlungen, welche die Zerstörung, Strandung, Beschädigung oder den Untergang von Schiffen verursachen.

31. Verheimlichung von Gegenständen, welche durch Diebatahl, Raub oder Unterschlagung erlangt worden sind.

32. Hülfeleistung zur Unterdrückung der Spuren einer strafbaren Handlung.

Die Auslieferung wird auch wegen des Versuches' und der Teilnahme, insofern die betreffenden Handlungen nach den Gesetzgebungen der vertragschließenden Teile strafbar sind, zugestanden.

Artikel IH.

Wegen politischer strafbaren Handlungen wird die Auslieferung nicht bewilligt.

Die Auslieferung wird indessen bewilligt, obgleich der Thäter einen politischen Beweggrund oder Zweck vorschützt,

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wenn die Handlung, um deren willen die Auslieferung verlangt wird, vorwiegend den Charakter eines gemeinen Verbrechens oder Vergehens hat. Der ersuchte Staat entscheidet im einzelnen Falle nach freiem Ermessen über die Natur der strafbaren Handlung auf Grund des Thatbestandes ; er ist berechtigt, von dem die Auslieferung nachsuchenden Staate die Beibringung aller hierfür erforderlichen Aufklärungen und Nachweise über den Thatbestand zu verlangen.

Wenn die Auslieferung bewilligt wird, so darf der Ausgelieferte in dem Staate, welcher die Auslieferung begehrt hat, wegen eines politischen Verbrechens und ebenso wegen seines politischen Beweggrundes oder Zweckes weder verfolgt noch bestraft werden.

Artikel IV.

Wegen Übertretung fiskalischer Gesetze und wegen reiner Militärvergehen wird die Auslieferung nicht bewilligt.

Hat eine Person, die wegen einer die Auslieferung begründenden strafbaren Handlung verfolgt wird, außerdem ein fiskalisches oder ein' militärisches Gesetz übertreten, so darf diese Übertretung weder bestraft werden, noch einen Strafverschärfungsgrund bilden.

Artikel V.

Wenn das Strafgesetz des ersuchenden Staates für die strafbare Handlung, um deren willen die Auslieferung verlangt wird, eine körperliche Strafe androht, so soll diese Strafe gegebenen Falles in eine Freiheits- oder Geldstrafe umgewandelt werden.

Artikel VI.

Der auf Grund des gegenwärtigen Vertrages Ausgelieferte darf in dem Staate, der die Auslieferung begehrt hat, nicht vor ein Ausnahmegericht gestellt werden.

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Artikel VII.

Personen, die wegen einer in Artikel II angeführten Handlung verfolgt sind, müssen provisorisch verhaftet werden, wenn von einer zuständigen Behörde zum Zwecke der Auslieferung ein bezügliches Gesuch gestellt und ein verurteilendes Erkenntnis, ein Anklageakt oder ein Verhaftsbefehl oder eine andere gleich wirksame Urkunde vorgelegt wird.

In dringenden Fällen soll die provisorische Verhaftung auch vollzogen werden auf jede andere durch die Post oder den Telegraphen gemachte Anzeige, daß eine der oben erwähnten Urkunden bestehe.

In beiden Fällen ist das Gesuch um provisorische Verhaftung auf diplomatischem Wege zu stellen, und zwar an das k. und k. Ministerium des Äußern in Wien, wenn der Beschuldigte nach Österreich oder Ungarn, und an den Präsidenten der Eidgenossenschaft, wenn er sich nach der Schweiz geflüchtet hat.

Im Falle äußerster Dringlichkeit soll die provisorische Verhaftung auch dann vorgenommen werden, wenn das Begehren von einer Behörde des einen der vertragschließenden Teile unmittelbar an eine Behörde des anderen gerichtet wird.

Artikel VIII.

Der nach. Maßgabe des letzten Absatzes von Artikel VII in Haft Genommene wird auf freien Fuß gestellt, wenn innerhalb acht Tagen, von dem Tage der Verhaftung an gerechnet, der angesprochenen Behörde nicht angezeigt wird, daß ein von einer Gerichtsbehörde ausgestellter Verhaftsbefehl -vorliegt.

In allen Fällen wird der in Anwendung einer der Bestimmungen des Artikels VII in Haft Genommene auf freien Fuß gestellt, wenn innerhalb 20 Tagen, vom Tage der Verhaftung an gerechnet, der Regierung, bei welcher die Auslieferung nachgesucht werden muß, nicht eine der im ersten

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Absätze des Artikels VII erwähnten Urkunden auf diplomatischem Wege zugekommen ist.

Artikel IX.

Das Auslieferuogsbegehren ist auf dem diplomatischen Wege zu stellen.

Artikel X.

Dem Auslieferungsbegehren muß eine der in Artikel VII erwähnten Urkunden in Original oder beglaubigter Abschrift beigegeben sein.

In dieser Urkunde soll die Beschaffenheit und Schwere der zur Last gelegten That, Ort und Zeit der Begehung, sowie aus dem Strafgesetze, welches in dem die Auslieferuug begehrenden Lande gilt, der Wortlaut derjenigen Stellen angegeben sein, welche auf die betreifende That anwendbar sind und welche das auf dieselbe anwendbare Strafmaß bestimmen.

Bei Delikten gegen das Eigentum soll auch immer der Betrag des von dem Beschuldigten verursachten oder beabsichtigten Schadens angegeben werden.

Dem Auslieferungsbegehreu sind, wo möglich, auch die Personalbeschreibung des reklamierten Individuums oder andere zur Feststellung seiner Identität geeignete Angaben beizufügen.

Die um die Auslieferung ersuchte Regierung wird die Verhaftung des Verfolgten veranlassen, sobald sie die oben erwähnten Aktenstücke erhalten hat.

Ergeben sich Zweifel über die Frage, ob die strafbare Handlung, welche den Gegenstand der Verfolgung' bildet, unter die Fälle gehöre, welche im gegenwärtigen Vertrage vorgesehen sind, so können bei dem die Auslieferung nachsuchenden Staate nähere Aufklärungen verlangt werden, und es wird die Auslieferung nur bewilligt, wenn die erteilten Aufschlüsse die Zweifel zu heben vermögen.

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Im Falle über das Auslieferungsbegehren Aufklärungen in obigem Sinne verlangt worden sind, kann der Verhaftete auf freien Fuß gestellt werden, wenn die gewünschten Aufschlüsse nicht innerhalb dreißig Tagen, von dem Tage hinweg, an welchem die Anfrage bei der die Auslieferung begehrenden Regierung eingelangt ist, der angesprochenen Regierung zugekommen sind.

. Artikel XI.

Die Gegenstände, in deren Besitz der Beschuldigte durch die strafbare Handlung gekommen ist oder welche bei ihm in Beschlag genommen wurden, sowie die zur Verübung der strafbaren Handlung benutzten Hülfsmittel und Werkzeuge und überhaupt alle Beweisstücke sollen der die Auslieferung begehrenden Regierung übergeben werden, und zwar selbst dann, wenn die bereits zugestandene Auslieferung infolge des Todes oder der Flucht des Beschuldigten nicht stattfinden könnte.

Diese Übergabe erstreckt sich auch auf alle Gegenstände dieser Art, welche von dem Beschuldigten in dem Lande, welches die Auslieferung gewährt hat, verborgen oder in Verwahrung gegeben worden sind und später aufgefunden werden.

Es bleiben jedoch die Rechte dritter Personen auf die fraglichen Gegenstände vorbehalten und sind dieselben den Berechtigten nach Beendigung des Strafverfahrens kostenfrei zurückzustellen.

Der Staat, an welchen das Begehren um Übergabe dieser Gegenstände gestellt wird, kann- sie vorläufig zurückbehalten, wenn er derselben zur Durchführung eines strafgerichtlichen Verfahrens zu bedürfen erachtet.

Artikel XII.

Ist die Person, deren Auslieferung begehrt wird, in dem um die Auslieferung angegangenen Staate wegen einer

264 anderen strafbaren Handlung, als derjenigen, auf welche sich das Aualieferungsbegehreu gründet, strafrechtlich verfolgt oder verurteilt, so kann ihre Auslieferung bis nach Beendigung des Strafverfahrens oder bis nach Verbüßung der Strafe oder Erlaß derselben verschoben werden.

Die Regierungen der vertragschließenden Teile können indessen gegenseitig die vorübergehende Übergabe des Auszuliefernden zum Erscheinen vor den Gerichten des ersuchenden Staates unter der Bedingung gewähren, daß derselbe sofort nach beendigtem Prozesse an die Behörden des ersuchten Staates zurückgeliefert werde. Die in solchen Fällen durch den Hin- und Rücktransport entstehenden Kosten hat der ersuchende Staat zu tragen.

Ist ein solches Individuum infolge der Auslieferungö an ö der Erfüllung der von ihm gegenüber Privatpersonen eingegangenen Verbindlichkeiten gehindert, so soll seine Auslieferung dennoch stattfinden ; es bleibt aber den Gegenparteien das Recht vorbehalten, ihre Ansprüche vor der zuständigen Behörde geltend zu machen.

Artikel XIII.

Der Ausgelieferte darf in dem Lande, welchem die Auslieferung zugestanden wurde, wegen eines vor der Auslieferung verübten und in dem gegenwärtigen Übereinkommen nicht vorgesehenen Verbrechens oder Vergehens weder verfolgt, noch bestraft, noch an ein drittes Land ausgeliefert werden, es sei denn, daß er im einen wie im ändern Falle während eines Monats nach Beendigung des Strafverfahrens und, im Fall der Verurteilung, nach Verbüßung der Strafe oder nach seiner Begnadigung Gelegenheit gehabt hat, das Land wiederum zu verlassen, oder daß er in der Folge dorthin zurückgekehrt ist.

Er kann auch nicht wegen einer in dem gegenwärtigen Übereinkommen vorgesehenen und vor der Auslieferung begangenen anderen strafbaren Handlung, als derjenigen, welche

265 der Auslieferung zu Grunde gelegen, ohne die Zustimmung der Regierung, welche ihn ausgeliefert hat, verfolgt oder bestraft werden, und die letztere Regierung kann, wenn sie es für angemessen erachtet, die Beibringung einer der im Artikel VII erwähnten Urkunden verlangen. Die Einwilligung dieser Regierung ist ebenso für die Gestattung der Auslieferung des Beschuldigten an ein drittes Land erforderlich. Es bedarf indessen dieser Zustimmung nicht, wenn der Beschuldigte, unterstützt von seinem allfälligen Verteidiger oder Rechtsbeistand, von sich aus begehrt, vor Gericht gestellt zu werden oder seine Strafe zu verbüßen, oder wenn er innerhalb der oben erwähnten Frist das Gebiet des Landes, welchem er ausgeliefert worden ist, nicht verlassen hat.

Artikel XIV.

Die Auslieferung wird nicht bewilligt, weon die strafbare Handlung, wegen deren sie verlangt wird, auf dem Gebiete des ersuchten Staates begangen, oder zwar außerhalb dieses Gebietes begangen, aber im ersuchten Staate endgültig beurteilt worden ist, oder daselbst strafrechtlich verfolgt wird.

Die Auslieferung findet auch nicht statt, wenn nach der Gesetzgebung des ersuchten Staates oder nach der des ersuchenden Staates die Verjährung der Strafverfolgung oder der verhängten Strafe vor der Verhaftung oder Vorladung des reklamierten Individuums eingetreten ist, oder wenn nach der Gesetzgebung des ersuchten Staates die strafbare Handlung, welche dem Auslieferungsbegehren zu Grunde liegt, nur auf Grund einer Privatklage oder auf Antrag der geschädigten Partei strafrechtlich verfolgt werden kann, sofern nicht beglaubigt ist, daß die geschädigte Partei die Verfolgung begehrt hat.

Artikel XV.

Wird der Beschuldigte, dessen Auslieferung von einem der vertragschließenden Teile begehrt ist, auch von einer

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oder mehreren anderen Regierungen wegen anderer strafbarer Handlungen reklamiert, so ist er derjenigen Regierung auszuliefern, auf deren Gebiet er das schwerste Verbrechen begangen hat, und bei gleicher Schwere derjenigen, deren Begehren zuerst der angesprochenen Regierung zugekommen ist.

Artikel XVI.

Im Falle durch das Gebiet eines der vertragschließenden Teile eine Person durchgeführt werden soll, deren Auslieferung von einer dritten Regierung der anderen Vertragspartei zugestanden worden ist, wird jener Staat dagegen keinen Einwand erheben, wenn die betreffende Person nicht ein Staatsangehöriger desselben ist, und vorausgesetzt, daß die strafbare Handlung, wegen deren die Auslieferung erfolgt, in den Artikeln I und II des gegenwärtigen Übereinkommens Inbegriffen ist und nicht unter die Bestimmungen der Artikel III, IV und XIV fällt.

Zur Erwirkung der Bewilligung der Durchlieferung eines Verbrechers im Sinne dieses Artikels genügt es, daß das Begehren auf dem diplomatischen Wege gestellt wird unter Vorlage eines der in Artikel VII erwähnten Aktenstücke in Original oder beglaubigter Abschrift.

Die Durchlieferung erfolgt in Begleitung von Agenten des Landes, welches den Transport über sein Gebiet gestattet hat, und auf Kosten des ersuchenden Staates.

Artikel XVII.

Ebenso wird unter den im vorstehenden Artikel angegebenen Bedingungen die Durchlieforung (Hin- und Rücktransport) über das Gebiet des einen der vertragschließenden Teile gewährt werden, wenn es sich um einen in einem dritten Lande in Haft befindlichen Verbrecher handelt, dessen Konfrontation mit einer in Untersuchung befindlichen Person von dem anderen vertragschließenden Teile als nützlich erachtet wird.

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Artikel XVIII.

Wenn in einer nichtpolitischen Strafsache eine der vertragschließenden Regierungen die Vernehmung von Zeugen, welche in dem anderen Staate wohnen, oder die Vornahme irgend einer anderen Uutersuchungshandlung für notwendig erachtet, so ist zu diesem Zwecke ein Ersuchschreiben auf dem diplomatischen Wege einzusenden, und es soll diesem unter Beobachtung der Gesetze des Landes, auf dessen Gebiet die Zeugenvernehmung oder die Untersuchungshandlung stattzufinden hat, Folge gegeben werden.

Artikel XIX.

Wird in einer nichtpolitischen Strafsache das persönliche Erscheinen eines Zeugen als notwendig oder wünschenswert erachtet, so soll die Regierung des Staates, auf dessen Gebiet der Zeuge sich befindet, diesen anhalten, der von den Behörden des ändern Staates an ihn ergangenen Vorladung Folge zu leisten.

Die Kosten des persönlichen Erscheinens eines Zeugen sind immer von dem ersuchenden Staate zu tragen, und es ist in der zu diesem Zwecke auf diplomatischem Wege eingesandten Aufforderung die Summe anzugeben, welche dem Zeugen für Reise- und Aufenthaltskosten vergütet wird, so- ' wie der Betrag, welchen der angesprochene Staat dem Zeugen als Vorschuß auf diese Vergütung, unter Vorbehalt der Rückzahlung durch den ersuchenden Staat, gewähren kann.

Dieser Vorschuß soll dem Zeugen, sobald er sich bereit erklärt hat, der Vorladung Folge zu leisten, ausbezahlt werden.

Kein Zeuge, welcher Staatsangehörigkeit er auch sein mag, der aus dem Gebiete des einen der vertragschließenden Teile berufen worden ist und freiwillig vor den Richtern des ändern Teiles erscheint, darf daselbst wegen früherer Handlungen oder Verurteilungen oder unter dem Vorwand der Mitschuld an den Handlungen, welche den Gegenstand des Prozesses bilden, in dem er als Zeuge erscheinen soll, verfolgt oder verhaftet werden.

268 Artikel XX.

Wenn in einer niehtpolitischen Strafsache, welche bei den Gerichten des einen, der vertragschließenden Teile anhängig ist, die Konfrontation des Beschuldigten mit Personen, die auf dem Gebiete des ändern Teiles verhaftet sind, oder die Vorlage von Beweisstücken oder gerichtlichen Akten als notwendig erachtet wird, so ist das bezügliche Begehren auf dein diplomatischen Wege zu stellen, und es soll demselben, sofern keine besondern Bedenken entgegenstehen, entsprochen werden. Die Verhafteten, sowie die Beweisstücke und die Akten sind indessen sobald wie möglich zurückzustellen.

Artikel XXI.

Erachtet einer der vertragschließenden Teile die Zustellung eines strafprozessualischen Aktes an eine Person, welche sich auf dem Gebiete des ändern Teiles befindet, für notwendig, so soll die Übermittlung auf diplomatischem Wege an die zuständige Behörde des angesprochenen Staates geschehen, welche ihrerseits gleichfalls auf dem diplomatischen Wege die Beurkundung über die erfolgte Zustellung zurücksendet oder die Gründe angiebt, welche der Zustellung im Wege stehen. Die Strafurteile, welche von den Gerichten des einen der vertragschließenden Teile gegen Staatsangehörige des ändern Teiles ergangen sind, werden indes den letztern nicht zugestellt. Durch die Vornahme der Zustellung von gerichtlichen Akten übernimmt der ersuchte Staat keine Verantwortlichkeit.

Artikel XXII.

Die vertragschließenden Teile verzichten gegenseitig auf jede Ersatzforderung in Ansehung der Kosten, die auf ihren bezüglichen Gebieten durch die Auslieferung des Verfolgten, Angeklagten oder Verurteilten, sowie durch die Übergabe der in Artikel XI des gegenwärtigen Übereinkommens be-

269 zeichneten Gegenstände, sowie durch den Vollzug der Rogatorien, durch die Übersendung oder Rückstellung von Beweisstücken und Akten entstehen.

Die Kosten, welche aus dem Transport und der Verpflegung von Personen, deren Auslieferung bewilligt worden ist, auf den Gebieten zwischenliegender Staaten erwachsen, fallen der ersuchenden Regierung zur Last. Ebenso hat die letztere die Kosten zu tragen, welche im Falle der Auslieferung einer Person seitens eines dritten Staates an die ersuchende Regierung durch die Verpflegung und den Trausport derselben auf dem Gebiete des ändern vertragschließenden Teiles entstehen.

Im Falle der Transport zur See vorgezogen wird, soll der Auszuliefernde nach dem Hafen gebracht werden, welchen der diplomatische Agent der ersuchenden Regierung bezeichnet, vorausgesetzt, daß dieser Hafen im Gebiete des ersuchten Staates liegt. Die Kosten des Transportes zur See fallen immer dem ersuchenden Staate zur Last.

Ebenso hat der ersuchende Staat die den Sachverständigen, deren Beiziehung in einer Strafsache als notwendig erachtet worden ist, zugesprochenen Entschädigungen zu ersetzen.

Artikel XXIII.

Die vertragschließenden Parteien verpflichten sich, alle Strafurteile wegen Verbrechen oder Vergehen jeder Art, welche von den Gerichten des einen der vertragschließenden Staaten gegen Staatsangehörige des ändern ausgesprochen werden, einander mitzuteilen. Diese Mitteilung hat auf diplomatischem Wege durch Übersendung eines Auszuges aus dem rechtskräftig gewordenen Urteile zu erfolgen.

Artikel XXIV.

Die in Anwendung des gegenwärtigen Vertrages den Behörden des anderen Staates vorgelegten oder mitgeteilten Urkunden müssen immer von einer amtlichen Übersetzung

270 in deutscher, französischer oder italienischer Sprache begleitet sein, wenn sie nicht in einer dieser Sprachen abgefaßt sind.

Artikel XXV.

Der gegenwärtige Vertrag tritt drei Monate nach Austausch der Ratifikationen in Wirksamkeit und bleibt während zehn Jahren von diesem Tage an in Kraft.

Im Falle keiner der vertragschließenden Teile zwölf Monate vor dem Ablaufe dieser Frist seine Absicht kundgegeben haben sollte, die Wirksamkeit dieser Übereinkunft aufhören zu lassen, bleibt dieselbe in Geltung bis nach Ablauf eines Jahres von dem Tage ab, an welchem der eine oder der andere der vertragschließenden Teile dieselbe gekündigt haben wird.

Artikel XXVI.

Der gegenwärtige Vertrag ist zu ratifizieren und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das gegenwärtige Übereinkommen unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen zu B e r n , in doppelter Ausfertigung, den zehnten März eintausendachthundertsechsundneunzig (10. März 1896).

(L. S.) sig. Müller.

(L. S.) sig. Kuefstein.

271

Schlussprotokoll.

Bei dem Abschlüsse des gegenwärtigen A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s sind die Unterzeichneten übereingekommen, im Namen der vertragschließenden Teile zu erklären, daß gegenseitiges Einverständnis darüber besteht: 1. daß, so oft politische Delikte, deren im Artikel III des gegenwärtigen Vertrages Erwähnung geschieht, mit gemeinen Delikten in Verbindung stehen, die Gerichte der vertragschließenden Teile bei der Beurteilung und Bestrafung der Ausgelieferten ausschließlich die gemeinen Delikte in Betracht ziehen dürfen, für welche die Auslieferung begehrt und gewährt worden und deren Aburteilung ihnen zugewiesen ist. Es sollen demgemäß strafbare Handlungen, deren Beurteilung diesen Gerichten nicht übertragen ist, auf die von ihnen zu erkennende Strafe in keiner Weise einen Einfluß ausüben ; 2. daß in allen im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Auslieferungsfällen die von dem einen der vertragschließenden Teile an den ändern ausgelieferten Personen von den zuständigen Gerichten in öffentlicher Hauptverhandlung beurteilt werden, insoweit nicht aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung nach Maßgabe der in dem betreffenden Staate geltenden Gesetze die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden muß ; 3. daß die Todesstrafe unter den ,,körperlichen Strafen", von welchen der Artikel V des gegenwärtigen Vertrages erwähnt, nicht Inbegriffen ist und daher die Anwendung der Todesstrafe durch die Bestimmungen jenes Artikels nicht ausgeschlossen wird ;

272 4. daß der gegenwärtige Vertrag nicht hindert, daß von dem einen und dem ändern Teile, mit oder ohne Vorbehalt des Gegenrechts, auch wegen einer im Vertrage nicht vorgesehenen strafbaren Handlung die Auslieferung gewährt werden kann, sofern dies nach den Gesetzen des ersuchten Staates zulässig "5 ist.

Sogeschehen zu B e r n , in doppelter Ausfertigung, den zehnten März eintausendachthundertsechsundneunzig (10. März 1896).

(L. S.) sig. Müller.

(L.S.) sig. Kuefstein.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn. (Vom 16. März 1896.)

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Bundesblatt

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Jahr

1896

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2

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12

Cahier Numero Geschäftsnummer

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18.03.1896

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249-272

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