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Schreiben des

Bundesrates an die Bundesversammlung in Sachen des Rekurses des J. Meyer in Gettnau (Kanton Luzern), betreffend Wirtschaftspatentverweigerung.

(Vom 17. November 1896.)

Tit.

Wir haben durch Beschluß vom 21. April 1896 don Rekurs des Joseph Meyer in Gettnau (Kanton Luzern) gegen das ihm ein Wirtschaftspatent verweigernde Regierungserkenntnis vom 30. Dezember 1895 abgewiesen. Gegen unsern Beschluß hat Joseph Meyer den Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen.

Bei unserer Entscheidung sind wir von dem Bestreben geleitet worden, das uns seit einem Jahrzehnt als feste Richtschnur dient und das dahin geht, die Kantonsbehörden in ihren Bemühungen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholismus, speciell zur Verminderung der das öffentliche Wohl gefährdenden Überzahl von Wirtschaften und Schankstellen zu unterstützen, soweit dies nach geltendem Bundesrechte als zulässig erscheinen mag.

Wir haben in dem vorliegenden Rekursfalle den § 15 des luzernischen Wirtschaftsgesetzes vom 22. November 1883 als zu Recht bestehend betrachtet, obgleich diese Gesetzesstolle aus der Zeit v o r 1885, d. h. aus der Zeit vor der Revision des Art. Hl der Bundesverfassung stammt, durch welche den Kantonen gestattet worden ist, auf dem Wege der Gesetzgebung das Wirtschaftsgewerbe den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen. Wir glaubten, dies um so eher thun zu dürfen, als der Rekurrent die formalrechtliche, konstitutionelle Seite des Falles in keiner Weise berührt hat. Nichts-

1196 destoweniger kann und wird man im Schöße der Bundesversammlung auch dieser Frage näher treten. Denn, wie Ihnen wohlbekannt ist, hat das Bundesgericht in zwei Entscheidungen des Jahres 1889 (Amtliche Sammlung der bundesgerichtlichen Entscheidungen XV, 157 ff.) den Grundsatz ausgesprochen, daß kantonalgesetzliche Bestimmungen, welche die Bewilligung von Wirtschaftspatenten von jener Rücksicht auf das öffentliche Wohl, die in der Bedürfnisfrage ihren Ausdruck findet, abhängig machen, -seit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1874 hinfällig geworden seien, bezw. nicht mit Rechtsgültigkeit halten entstehen können, und daß solche Bestimmungen auch nicht etwa infolge des Inkrafttretens der Verfassungsrevision von 1885 wieder aufleben und wirksam werden können.

Wir stellen nun den endgültigen Entscheid über diese konstitutionelle Frage der Bundesversammlung anheim. Der vorliegende Rekursfall bietet hierzu Veranlassung.

Zur Sache selbst, in Hinsicht auf die dem Rekurse zu Grunde liegenden materiellen Verhältnisse, haben wir den Erwägungen zu unserer Beschlußfassung vom 21. April nichts beizufügen, wenn wir auch zugeben wollen, daß der Rekurrent die Bedürfnisfrage in seinem Memorial an die Bundesversammlung in viel einläßlicherer und gründlicherer Weise erörtert als vor unserer Instanz.

Genehmigen Sie, Tit.. die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 17. November 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Schreiben des Bundesrates an die Bundesversammlung in Sachen des Rekurses des J.

Meyer in Gettnau (Kanton Luzern), betreffend Wirtschaftspatentverweigerung. (Vom 17.

November 1896.)

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23.12.1896

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1195-1196

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