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Schweizerische Bundesversammlung,

Die ordentliche Sommersession ist am 25. Juni geschlossen worden.

Im Ständerat hielt Herr Präsident H o h l folgende Ansprache: Hochgeehrte Herren Ständeräte!

Seit längerer Zeit haben Sie sich gewöhnt, ohne Präsidialrede entlassen zu werden. Gestatten Sie mir, diesmal mit einigen Worten eine Ausnahme zu machen. Wir sind mit gegenwärtiger Stunde am Schluß unserer ordentlichen Sommersession angelangt und damit schließen wir -- unvorhergesehene Ereignisse vorbehalten -- zugleich auch die 16. Legislaturperiode.

Diese war, wir dürfen das sagen, eine Zeit ernsten, aber leider nicht mit gewünschtem Erfolge begleiteten Schaffens, und sie umfaßt 10 Sessionen mit 187 Tagen.

Betrachten wir nun diese Thätigkeit nach deren charakteristischem Gepräge, so ist die Thatsache konstatiert, daß vorzugsweise die volkswirtschaftlichen und socialpolitischen Fragen das öffentliche und parlamentarische Leben in Anspruch genommen haben. Ich erwähne diesfalls die behandelten Bundesgesetze und Beschlüsse betreffend : Förderung der Landwirtschaft durch den Bund, das Postregal, Ergänzung des Bundesstrafrechtes, Errichtung einer schweizerischen Landesbibliothek, Übergangsbestimmungen zum Bundesgesetz von 1890 betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken etc., das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften, kommerzielle Verständigung mit Frankreich, die hauswirtschaftliche und berufliche Bildung des weiblichen Geschlechtes, Gesetz über den Viehhandel, das Rechnungswesen der Eisenbahnen, das Bankgesetz und andere mehr.

Neben diesen Arbeiten sind vom Volke zwei Initiativbegehren eingegeben worden : 1. Aufnahme eines Artikels in die Bundesverfassung betreffend das Recht auf Arbeit. 2. Aufnahme eines neuen Artikels 30bis in die Bundesverfassung betreffend die Abgabe eines

645 Teils der Zolleinnahmen an die Kantone. Diese Begehren haben die Räte nach ernster und reiflicher Prüfung und Beratung in nicht empfehlendem Sinne begutachtet. Sie wurden denn auch von Volk und Ständen verworfen.

Fragen wir auch nach der Thätigkeit unseres Rates, so sind es vorab die ordentlich regelmäßig wiederkehrenden Geschäfte wie Abnahme der Geschäftsberichte, Staatsrechnungen, Budget, Alkoholverwaltung, Eisenbahngeschäfte, Bauten und Korrektionen, Zollfragen, Prüfung kantonaler Verfassungen etc., die uns beschäftigten.

Als Erfolge unserer Sitzungen können wir verzeichnen, daß von den 27 vom Ständerat in den abgelaufenen drei Jahren beratenen Bundesgesetzen und Beschlüssen, welche dem Referendum unterworfen waren, 19 durch die stillschweigende Zustimmung des Schweizervolkes angenommen worden und in Kraft getreten sind.

Von drei Gesetzen läuft die Referendumsfrist in den nächsten Tagen ab und eine Vorlage ist in dieser Session bereinigt worden, nämlich das Bankgesetz, welches nur noch die Probe des Referendums zu bestehen hat.

Drei Vorlagen mit obligatorischem Referendum sind allerdings vom Volke und den Ständen verworfen worden. Es sind dies die Bundesbeschlüsse: 1. Über Aufnahme eines Artikels in die Bundesverfassung betreffend das Recht der Gesetzgebung über das Gewerbewesen. 2. Über den Zusatz zur Bundesverfassung betreffend das Zündhölzchenmonopol. 3. Über die Revision der Militärartikel der Bundesverfassung.

Im weitern ist Über das Bundesgesetz betreffend die Vertretung der Schweiz im Auslande das Referendum ergriffen und auch dieses Gesetz verworfen worden.

Wenn nun die genannten vier Vorlagen dem Volk und Ständen nicht genehm waren, so habe ich meinerseits die feste Überzeugung, daß die Behörden im Hinblick auf das gesamte Vaterland in bester Absicht und guten Treuen auch diese Fragen behandelt haben.

Nach unseren republikanischen und demokratischen Grundsätzen unterziehen wir uns ohne jeden Rückhalt jederzeit dem Volkswillen, sprechen jedoch auch bei diesem Anlaß die Überzeugung aus, daß die große Mehrheit des Schweizer Volkes, welche den vier Vorlagen entgegengestanden ist, dies nicht gethan hat, weil sie der Entwicklung auf socialem und organisatorischem Gebiete feindselig entgegentritt. Das negative Resultat dieser Abstimmungen darf sicherlich weder einem Mangel an
Opferwilligkeit, noch an Patriotismus zugeschrieben werden. Nein, es sind andere Gründe gewesen, welche das Volk zu den verneinenden Entscheiden bestimmten, und hierin liegt neuerdings eine Lehre, welche stets beherzigt werden soll, die Buadesblatt. 48. Jahrg. Bd. III.

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646 Lehre, daß die Behörden als solche mit den Volkskreisen immer mehr Fühlung haben sollen. Wer das Volk in seinen größeren und kleineren Heimwesen, im Verkehr, zu Hause und bei der Arbeit beobachtet und kennen zu lernen sucht, wird leichter herausfinden^ wo und wie tief die Gründe liegen und wie Volksgesetze freundlichere Aufnahme finden.

Ja solche Kundgebungen, wonach vier Vorlagen rasch aufeinander folgend verworfen worden sind und möglicherweise über drei im letzten Monat März beratene Gesetze das Referendum verlangt werden wird, machen es jedem einzelnen zur Pflicht, die Gründe mit aller Sorgfalt zu prüfen, und es verliere nur niemand den Glauben, die Liebe und das Vertrauen zu Volk und Vaterland.

Aus dem redlichen Streben, nur für das Wohl unseres gesamten Vaterlandes zu wirken und dasselbe zu suchen, wird sich die richtige Lösung jeweilen zwischen Volk und Behörden wieder von selbst ergeben.

Bei unseren demokratischen Institutionen ist kaum daran zu denken, Vorlagen genau nach bestimmten Theorien ausarbeiten zu können, unser Verlangen stehe deshalb nicht immer nur nach dem Vollkommenen, das ja so selten erreichbar ist. Meines Erachtens kommt es auch nicht so sehr darauf an, ob eine Vorlage sich etwas mehr nach rechts oder nach links wende, es wird auch nie möglich werden, alle Wünsche und Forderungen zu erfüllen, sondern bringen wir das Nützliche -zur richtigen Zeit; je nach den Erfahrungen können dann immer wieder Änderungen, Verbesserungen und Erweiterungen vorgenommen werden. Die nächsten Jahre werden den Bundesbehörden wieder eine Summe von Arbeit bringen.

Es harren ihrer Lösung verschiedene wich'tige und einschneidende Fragen socialer und volkswirtschaftlicher Natur.

Im Vordergrunde gedenke ich der Kranken- und Unfallversicherung. Wenn diese von einem großen Teil unseres Schweizervolkes schon lange erwarteten Gesetze von engern und weiteren Kommissionen, vom schweizerischen Departemente, dem Bundesrate und der nationalrätlichen Kommission mit großem Kraftaufwand geprüft und beraten wurden und trotz aller Mühe und dem besten Willen nicht mehr in dieser Amtsdauer haben erledigt werden können, so muß man wohl bedenken, daß die zu den Vorarbeiten und zur Beratung in pieno nötige Zeit einfach nicht mehr zu erübrigen war, eine überstürzte Behandlung dieser sehr einschneidenden Fragen
nicht gut sein kann und vermieden werden mußte.

Wir sind aber zu der Annahme berechtigt, daß auch die künftigen Räte, die wohl individuell sich nicht viel von den bisherigen unterscheiden, wieder mit demselben Wohlwollen, welches die

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heutigen Behörden den Vorlagen entgegen brachten, die Aufgabe an Hand nehmen und hoffentlich zur glücklichen Lösung bringen können. Mit Motionen und Interpellationen hat unser Hat wenig Zeit verloren, während dieser Amtsdauer hatte er sich nur mit drei Motionen und zwei Interpellationen zu befassen.

Eine der Motionen (Stößel) wurde nach stattgefundener Diskussion fallen gelassen, die zweite (Bossi) im Hinblick auf erhaltene Erklärungen des Bundesrates als erledigt betrachtet und die dritte (Hildebrand), welche die Revision des Geschäftsreglements des Rates bezweckt, ist erheblich erklärt, aus bekannten Gründen aber ist die Beratung der Vorlage noch verschoben. Die eine Interpellation (Zweifel) wurde nach befriedigender Aufklärung zurückgezogen, die andere (Bossi) erledigt.

Dagegen war die abgelaufene Amtsperiode auch ziemlich reichhaltig an Rekursen und Petitionen, von denen mehrere Entscheide fielen, welche volkswirtschaftlich nicht unwichtiger Natur waren.

Aus allem dem ergiebt sich die Thatsache, daß der Rat über die Arbeit der letzten drei Jahre mit Gewissensruhe zurückblicken kann, wohl niemand wird demselben mit Recht das Zeugnis redlicher Mühe und Arbeit versagen können.

Diesen Rückblick aber kann ich nicht schließen, ohne mit einem Worte noch der drei Mitglieder unseres Rates zu erwähnen, die wir in der vergangenen Legislaturperiode durch den unerbittlichen Tod verloren haben. Es sind dies die ganz hervorragenden Kollegen die Herren Eggli, Bern, Schoch, Schaffhausen, und Herzog, Luzern. Ebenso fällt auch der beklagenswerte Unfall des sehr geschätzten Seniors unseres Bundesrates, Herrn Schenk, in diese Amtsperiode. Lassen Sie mich auch noch ein Wort des Andenkens dreier Männer geben. Herr Ständerat Dr. Hoffmann, Vater, gestorben den 26. Juli 1895, Herr Alt-Schultheiß Fischer, den 8. Januar, und Herr Bundesrichter Cornaz, den 13. Mai d. J., die alle drei bei ihrem Tode zwar nicht mehr Mitglieder, aber eine Reihe von Jahren eine Zierde unseres Rates waren. Werfen wir also heute noch einen Blick auf die Gräber unserer lieben Freunde und Kollegen und gedenken wir ihrer aller immer mit Hochachtung und dankbarer Anerkennung.

Aber auch den noch lebenden, nicht mehr dem Rate angehörenden Herren Mitgliedern, den ins schweizerische Bundesgericht gewählten Lienhard und Monnier, dem in den Nationalrat
getretenen Loretan und den aus dem Ständerat geschiedenen Amstad, Ruchet und Schubiger sei am Schlüsse dieser Legislaturperiode noch eine freundliche Erinnerung gewidmet.

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Ich erkläre hiermit diese Session als geschlossen, und verdanke Ihnen, meine Herren Kollegen, das mir bewiesene Wohlwollen und die meiner Geschäftsführung zu teil gewordene Nachsicht. Gott schütze und segne unser liebes Vaterland.

Die Übersicht der Verhandlungen beider Räte wird als Beilage zum Bundesblatte nächstens erscheinen.

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Ans den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrates, (Vom 24. Juni 1896.)

Das schweizerische Bundesgericht zeigt an, daß es seine diesjährigen Ferien auf die Zeit vom 27. Juli bis 5. September angesetzt habe.

"Wahlen.

(Vom 25. Juni 1896.)

Departement des Innern.

Mitglied der Aufsichtskommission der eidg. Centralanstalt für forstliches Versuchswesen : Herr Kantonsoberförster von Arx, in Solothurn.

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