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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch der Adélaïde Theubet geb. Desboeufs, von und in Réclère, Kantons Bern.

(Vom 21. Februar 1896.)

Tit.

Frau Adélaïde Theubet geb. Desboeufs, gewesene Postablagehalterin in Réclère, geb. 1864, Ehefrau des Louis Theubet, von und in Réclère (Bern), wurde am 8. April 1895 von den Assisen des fünften bernischen Geschwornenbezirks der Unterschlagung von barem Gelde, von Briefen oder Schriftpaketen und wegen Verletzung des Briefgeheimnisses schuldig erklärt und in Anwendung der Art. 219, 220, 223, 218, Absatz 4, 221 und 59 des bernischen Strafgesetzbuches, sowie des Art. 54, litt, a, des Bundestrafrechtes zu 13 Monaten Zuchthausstrafe und zur Bezahlung der Untersuchungskosten verurteilt. Der Strafantritt erfolgte mit dem Tage der Urteilsfällung.

Der Bundesrat hatte den Fall, soweit es sich um die von Frau Theubet begangenen Verbrechen handelte, welche der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterlagen, nach Anleitung des Art. 125 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorn 22. März 1893 den bernischen Gerichten zur Untersuchung und Beurteilung überwiesen.

Die Verurteilte sucht nun um Erlaß des Restes ihrer Strafe auf dem Gnadenwege sowohl bei dem Großen Rate des Kantons Bern, als mit Eingabe vom 8. Januar 1896 bei der schweizerischen Bundesversammlung nach, bei der letztern, weil in solchen Fällen nach Vorschrift des Art. 125 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege das Begnadigungsrecht der Bundesversammlung ausdrücklich vorbehalten ist.

Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. I.

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Zur Begründung des Begnadigungsgesuches wird angeführt, daß die Gesuchstellerin Mutter von sechs noch unerzogenen Kindern sei, und die Familie im größten Elend lebe ; der verursachte Schaden sei vollständig ersetzt worden und die Strafe zu fast drei Viertel erstanden.

Der Große Rat des Kantons Bern, dem die Erstbehandlung des Gesuches zugewiesen wurde, weil das schwerste Verbrechen nach kantonalem Recht zu beurteilen war, hat durch Beschluß vom 4. Februar 1896 der Gesuchstellerin den Rest der Strafe, soweit diese die Übertretung des bernischen Strafgesetzes betrifft, im Wege der Begnadigung erlassen. Die Frau Theubet wurde in Vollziehung dieses Beschlusses am 6. Februar vorläufig auf freien Fuß gesetzt.

In Würdigung des Angeführten und mit Rücksicht darauf, daß durch die bereits erstandene Strafe die Übertretung des Bundesstrafrechtes ausreichend geahndet erscheint, stellen wir den Antrag, es möge auch die Bundesversammlung dem Begnadigungsgesuche der Frau Adélaïde Theubct-Desboeufs entsprechen und ihr den Rest der Strafe, soweit diese die Übertretung des Bundesstrafrechtes betrifft, in Gnaden erlassen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung^ unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Februar 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n' t :

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch der Adélaïde Theubet geb. Desboeufs, von und in Réclère, Kantons Bern. (Vom 21. Februar 1896.)

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1896

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26.02.1896

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765-766

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