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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Beteiligung der Schweiz an der internationalen Ausstellung von 1900 in Paris.

(Vom 7. Dezember 1896.)

Tit.

Ende September vorigen Jahres richtete der französische Botachafter in Bern an die schweizerische Eidgenossenschaft im Namen der französischen Republik die Einladung zur Beteiligung an der Weltausstellung, welche vom 15. April bis 25. November 1900 in Paris stattfinden soll.

Diese Einladung wurde von uns vorläufig verdankt. Eine Urnfrage mußte verschoben werden, weil das Generalreglement, welches die wichtigsten Grundsätze feststellt, erst als Entwurf der Regierung vorlag und noch der Genehmigung des Parlaments bedurfte. Diese erfolgte erst im Juni dieses Jahres. Verschiedene Anzeichen deuteten schon damals darauf hin, daß trotz der allgemeinen Ausstellungsmüdigkeit die meisten schweizerischen Industrien sich in reger Weise beteiligen und daß diesmal überhaupt alle Kulturstaaten in Paris offiziell vertreten sein werden. Wir erklärten daher der französischen Regierung einstweilen unsere prinzipielle Geneigtheit, eine schweizerische Beteiligung offiziell zu organisieren, behielten uns jedoch eine definitive Entschließung nach genauerer Orientierung über dio Wünsche der Interessenten vor.

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Außer den Kautonsregierungen ersuchten wir den Schweizerischen Handels- und Industrieverein, den Schweizerischen Gewerbeverein, den schweizerischen landwirtschaftlichen Verein, den Schweizerischen alpwirtsehaftlichen Verein und die Fédération des sociétés d'agriculture de la Suisse romande um ihre Ansichtsäußerung. Das Facit der erhaltenen Antworten ist im großen und ganzen, daß die Schweiz dem internationalen Wettkampf an der Wende des Jahrhunderts nicht fern bleiben dürfe, obschon fast jedermann von den vielen Ausstellungen übersättigt sei. Die meisten Kantonsregierungen verhalten sich sehr kühl; der praktische Nutzen der Ausstellung wird im allgemeinen bezweifelt, die Beteiligung hingegen vorwiegend aus staatspolitischen Gründen für wünschenswert erachtet. Eine eigentliche Opposition wird von keinem Kanton erhoben. In sicherer Aussicht steht zur Zeit eine befriedigende Vertretung der Kunst, der Seiden-, der Uhren- und der Maschinenindustrie, der Stickerei, inklusive Plattstichweberei, der Landwirtschaft in Buzug auf Vieh, milchwirtschaftliche Produkte, Wein, etc.; ziemlich vollständig werden voraussichtlich auch ausgestellt werden : Bijouterien, Musikwerke, Präcisionsinstrumente, die Vervielfältigungsverfahren, Schnitzereien, Nahrungsmittelkonserven u. dgl. Weniger zu rechnen ist bis jetzt auf eine vollständige Beteiligung der Baumwollweberei, Wollenweberei und -Wirkerei, noch weniger auf das Erscheinen der Baumwollspinnerei und -Zwirnerei. Die Basler Teerfarben-Industriellen haben jede Beteiligung von vorneherein abgelehnt, und auch der Vorstand des Schweizerischen Hoteliervereins hat den Beschluß gefaßt, fern zu bleiben, da der Nutzen der Ausstellungen nicht im Verhältnisse zum Kostenaufwand stehe.

Von mehreren Seiten ist als Voraussetzung der Beteiligung die bestimmte Erwartung ausgesprochen worden, daß der Schweiz eine genügende Vertretung in der Jury zugesichert werde, und daß «ine, Ü b e r d a s b i s h e r ü b l i c h e M a ß w e s e n t l i c h h i n a u s g r e i f e n d e f i n a n z i e l l e U n t e r s t ü t z u n g des B u n d e s stattf i n d e. Ganz besonders rechnet hierauf unter andern) die Maschinenindustrie, deren Kosten und Opfer bei den Ausstellungen unverhältnismäßig groß zu sein pflegen.

Bedenken erregt allgemein das für 1900 adoptierte, von allen früheren Ausstellungen
erheblich abweichende S y s t e m , von welchem man technische und organisatorische Schwierigkeiten aller Art, sowie bedeutende Mehrkosten befürchtet. Im Jahr 1889 war mit Ausoahme der Künste, Maschinen, Nahrungsmittel, Land- und Forstwirtschaft und einigen Nebensächlichkeiten jedes Land für sich, so daß in der Hauptsache ein einheitliches, nationales Arrangement möglich war und die Überwachung und Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

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994 Instandhaltung der schweizerischen Abteilungen keine all/Aigroßeu Schwierigkeiten verursachten. In den Jahren 1867 und 1878 war die Anordnung eine konzentrische, so daß man in der einen Richtung ein Gesamtbild der Leistungen jedes Landes, in der andern eine Übersicht der gleichartigen Erzeugnisse der verschiedenen Länder erhielt. Im Jahr 1900 wird hingegen die Ausstellung jedes Landes, mit Ausnahme derjenigen, die eigene Gebäude errichten, völlig zersplittert werden. Jedes Land wird so viele auseinanderliegende Ausstellungen haben, als es Gruppen giebt, an welchen dasselbe beteiligt ist. Die gleichartigen Erzeugnisse der verschiedenen Länder sollen innerhalb jeder Gruppe vereinigt werdeu, wobei die Maschinen, soweit möglich, jeweilen neben die aus ihnen hervorgehenden Fabrikate zu stehen kommen sollen. Die schweizerischen Ausstellungsgegenstände werden sieh demnach in der Hauptsache voraussichtlich auf folgende 10 Gruppen verteilen: Gruppe.

II. Kunst.

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III. Wissenschaftliche und künstlerische Instrumente und Verfahren (Typographie, Photographie, Musikinstrumente, chirurgische Instrumente, Präcisionsinstrumente, Kartographie).

IV. Mechanik (Dampfmaschinen, verschiedene Motoren, mechanische Apparate und Werkzeugmaschinen).

V. Elektricität (Apparate, Maschinen, Beleuchtungsanlagen etc.).

VII. Landwirtschaft (Vieh, Milchkonserven, Käse, landwirtschaftliche Maschinen).

X. Nahrungsmittel (Konserven, Chokolade, Confiserie, Wein, gebrannte Wasser, Liqueurs ; maschinelle Einrichtungen, auch Mühlen, Eisapparate etc.).

XII. Dekorationen und Möbel (außer den Möheln Tapisserie, Glasmalerei, Töpferei, Heizapparate, Beleuchtung, exkl. elektrische).

XIII. Garn, Gewebe und Bekleidung (Baumwollindustrie, Seidenindnstrie, Wollenindustrie, Konfektion, Ausrüstung, Textilmaschinen).

XIV. Chemische Industrie (Farben, pharmaceutische Produkte, Leder und Häute).

XV. Verschiedene Industrien (Uhren, Bijouterie, Schnitzereien,.

Papeterie, Strohwaren).

995 Keine oder nur eine ganz unbedeutende Beteiligung sehen wir in den Gruppen VI (Génie civil und Transportmittel), VIII (Gartenbau), IX (Forstwesen, Jagd, Fischerei), XI (Minen und Metallurgie) vor. Was Gruppe I : ,,Erziehung und Unterricht" anbetrifft, so ist es sehr fraglieh, ob wieder eine umfassende kantonale und eidgenössische Ausstellung stattfinden soll. Das eidgenössische Polytechnikum hat sich für seinen Teil bereits dagegen ausgesprochen.

Die eidgenössische Militärverwaltung gedenkt von einer allgemeinen Ausstellung ebenfalls Umgang zu nehmen und nur einige neuere kartographische Erzeugnisse auszustellen. Das eidgenössische Eisenbahndepartement behält sich mit Rücksicht auf den internationalen Eisenbahnkongreß, der im Jahr 1900 stattfinden wird, eine gewisse Beteiligung, eventuell in Verbindung mit den Bahnverwaltungen vor.

Itn ganzen konstatieren wir, daß die öffentliche Meinung in der Schweiz vor den Opfern für eine würdige Vertretung unseres Landes an der Ausstellung von 1900 nicht zurückschreckt, vorausgesetzt, daß den Wünschen und eigenartigen Verhältnissen der Schweiz von der Ausstellungsbehörde in billiger Weise Rechnung getragen werde.

Daß vielerorts noch eine große Zurückhaltung beobachtet wird, hat seinen Grund, abgesehen von einer gewissen Ausstellungsmüdigkeit und von den befürchteten Nachteilen des neuen Systems, hauptsächlich darin, daß die Zeit bis zum Beginn der Ausstellung noch eine außerordentlich lange ist. Die Einladung ist diesmal ungewöhnlich früh erfolgt. Die meisten Industriellen sträuben sich begreiflicherweise dagegen, 8 Va Jahre zum voraus zu erklären, ob sie ausstellen werden oder nicht und wie viel Raum sie benötigen.

Ohne eine sofortige nähere Orientierung hierüber ist es aber äußerst schwierig, einen hinreichenden Raum zu sichern, weil diesmal infolge des neuen Systems die Raumbegehren für jede Gruppe gesondert eingereicht werden müssen, während es an früheren Ausstellungen mit einigen Ausnahmen genügte, einen Gesamtraum für das ganze Land zu belegen. Im allgemeinen ist den erhaltenen Gutachten zu entnehmen, daß die schweizerische Beteiligung räumlich wahrscheinlich größer sein wird als an der letzten Ausstellung. Die Uhrenindustrie, Seidenindustrie, Stickerei, Maschineniudustrie beanspruchen ungefähr gleich viel Raum wie sie in der Landesausstellung
in Genf einnahmen, d. h. wesentlich mehr als an der Weltausstellung von 1889. Voraussichtlich wird das Gesamtbedüd'nis ungefähr um die Hälfte größer sein als damals, wodurch auch ein größeres Krediterfordernis bedingt wird. Im Jahr 1889 wurden ursprünglich Fr. 425,000 votiert; dazu kamen Nachtragskreditbegehren im Betrage von Fr. 175,000; die effektive Gesaratausgabe betrug Fr. 599,645.

996 Einen Budget- und Reglementsentwurf aufzustellen, ist heute noch nicht möglich, da die Grundlagen noch allzu unbestimmt sind.

Vorderhand erscheint es auch keineswegs notwendig, Ihnen eine fertige Vorlage zu unterbreiten. Außer der systematischen Anhandnahme der allgemeinen organisatorischen Vorbereitungen in der Schweiz durch den in nächster Zeit zu wählenden Generalkommissät und seineu Sekretär wird im Jahr 1897 noch nicht viel zu thuu sein. In Paris wird eine provisorische Vertretung in Verbindung mit der Gesandtschaft genügen, so daß wir uns heute darauf beschränken können, von Ihnen einen Teilkredit zu verlangen. Wir bemessen denselben, ohne jedoch sichere Anhaltspunkte zu besitzen, auf Fr. 50,000. Genauere Aufstellungen hoffen wir Ihnen iu der nächsten Session unterbreiten zu können, nachdem das Generalkommissariat in Funktion getreten sein wird.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 7. Dezember 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Beteiligung der Schweiz an der im Jahre 1900 stattfindenden Weltausstellung in Paris.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 7. Dezember 1896, beschließt: Dem Bundesrate wird für die ersten Anordnungen zum Zwecke der schweizerischen Beteiligung an der im Jahr 1900 in Paris stattfindenden Weltausstellung ein Kredit von Fr. 50,000 eröffnet.

Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Beteiligung der Schweiz an der internationalen Ausstellung von 1900 in Paris. (Vom 7. Dezember 1896.)

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