927

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Genehmigung des zwischen der Schweiz und Italien bezüglich des Baues und Betriebes einer Eisenbahn durch den Simplon, von Brig nach Domodossola, abgeschlossenen Staatsvertrages.

(Vom 4. Dezember 1896.)

Tit.

Unterm 11. Juni d. J. unterbreiteten wir Urnen einen Bericht über das Unternehmen des Simplondurchstiches, in welchem zunächst das Historische der Angelegenheit kurz dargestellt und dann einläßlicher Aufschluß erteilt wurde über das neueste von uns genehmigte Projekt, sowie über die frühem und insbesondere über die letzten Verhandlungen mit Italien, welche endlich zum Abschluss des Staatsvertrages betreffend Bau und Betrieh einer Eisenbahn durch den Simplon geführt hatten.

Sie nahmen von diesem Berichte in zustimmendem Sinne Vormerk und sprachen dabei gleichzeitig die Hoffnung ans, der Bundesrat werde bald in der Lage sein, den Antrag auf Genehmigung des auf dieses Werk bezüglichen Staatsvertrages mit Italien vorzulegen.

Am Schlüsse unseres erwähnten Berichtes hatten wir die Ansicht ausgesprochen, und Sie traten derselben durch Ihre Schlussnahme bei, es wäre verfrüht, schon damals, d. h. in Ihrer ordentlichen Sommersession des laufenden Jahres, die Genehmigung des

928

Staatsvertrages aus/usprechen, vielmehr dürfte, es angezeigt sein, damit noch zuzuwarten, l>is die. auf die Finanzierung des Unternehmens bezüglichen Fragen noch eine weitere Abklärung erfahren haben würden, insbesondere die vorgesehenen Subventionen -- die sehwei aeriseli en wie die italionisehen -- als gesichert betrachtet werden könnten.

Obgleich es die Direktion der Jura-Siinplon-lìahn an bezüglichen Anstrengungen nicht fehlen ließ und !>ei den in Betracht lallenden Interessenkroisen die Stimmung nach wie vor eine dem Unternehmen günstige blieb, so sind doeh zur Stunde die in Art. 12, Alinea 3, des Vertrages vorgesehenen Subventionen von Seiten der Schweiz sowohl als Italiens noch nicht in unzweifelhafter Weise gesichert, wenn auch diesfalls ein Fortschritt unverkennbar ist. Aron den kantonalen Subventionsdekreten bestehen nur diejenigen von Wallis und Bern (für je eine Million Franken) xnr /eit noch in Kraft, während diejenigen von Wandt und Freiburg (lahinget'allen sind und der Erneuerung bedürfen. Ebensowenig liegen von weiten der italienischen, am Unternehmen interessierton Provinzen, Gemeinden und Körperschaften verbindliche Zusagen zur Leistung der Subvention von zusammen vier Millionen Lires schon vor. Zur Er\virkung des Verzichts auf die sogenannten Heinifallsrechte, der naeli Alinea 4 der eitiorten Vertragsartikol eventuell bei den kantonalen Subventionen in Uechnuug ^ebnieht werden dürfte, hat die Gesellschaft Schritte bei den Kantonen eingeleitet, und es steht zu gewärtigen, welchen Krfolg dieselben haben werden, wobei wir indessen bemerken, daß diese Frage, deren Losung nicht ohne Schwierigkeiten möglich sein durfte, keineswegs notwendig mit der Subventionsi'rage verquickt x,u werden braucht, sondern füglich ad separatimi verwiesen werden kann, wenn sonst die Flüssigmachung der Subsidicn eine Verzögerung erleiden müßte.

Wenn diejjSuhventionsl'rage bis zur Stunde nicht zum endgültigen Abschluß gelangt ist, so scheint dies wenigstens zum Teil gerade mit dein Umstand zusammenzuhängen, daß der Staatsvertrag der beidseitigen parlamentarischen Genehmigung zur /eil.

noch entbehrt und daher einstweilen nicht als definitiv betrachtet werden kann.

Es sah sich deßhalb die Direktion der Jura-Simplon-Balm \eraulaut, mit Eingabe vom 3. November 1896, den Bundesrat ·MI ersuchen, er möchte den eidgenössischen Räten schon in der uäehsten Dezembersossion den Staatsvertrag mit Italien /ur Genehmigung vorlogen.

92S» Zur Begründung ihres Gesuches berief sich die Gesellschaft insbesondere darauf, daß der schon zweimal verlängerte ;'i forfaitBau vertrag mit der Unternehmung, vom 20. September 1893, mit dem 15. April 1897 dahinfalie und keine Gewähr vorhanden sei, daß die hervorragenden Firmen, welche die Unternehmung bilden, sieh bereit finden werden, in dieser Weise von Jahr '/AI Jahr ihre Zusagen zu erneuern; weit eher stehe zu befürchten, daß die im Laufe der Zeit gewöhnlich eintretenden Veränderungen in der Personen- und Interessengruppierung früher oder später die, Auflösung der Unternehmung werden unvermeidlich werden Jassenwodurch aber die Grundlage des technischen und finanziellen Pro, grammes in Frage gestellt würde.

Sodann weist die · Gesellschaft auch noch darauf hin, dal.l ihres Krachtens die vertragschließenden Parteion keineswegs die Genehmigung des Vertrages durch die gesetzgebenden Körperschaften von einem vorgängigen Finanzausweiso abhängig machen wollten. Nicht nur enthalte der Vertrag keine dahinaiclondo Bestimmung, sondern ini Laufe der Verhandlungen sei ausdrücklich ausgesprochen und anerkannt worden, daß die Genehmigung des Vertrages durch die Parlamente dem FinanzausweiKO zeitlich vorangehen \vurde, und zwar gerade in der Absieht, die Beschaffung der Subventionen seitens der Kantone zu erleichtern. Durch Art. 11 des Vertrages sei einfach das Recht vorbehalten worden, die Bewilligung zum Beginn der Arbeiten /,u verweigern, so lange nicht die Gesellschaft als Konzessionärin sich über den Besitz genügender Geldmittel für Ausführung der Konzessionen ausgewiesen haben werde.

Die Direktion der Jura-Sinvplon-Bahn hält dafür, daß eine längere Fortdauer des status quo das beträchtliche Resultat der bisherigen Bemühungen in Sachen des Siniplonuntcrnchniuns gefährden würde. Bevor sie indessen bei den Kundesbehörden betreffend Genehmigung des Vertrages vorstellig wurde, versicherte sie sich der Zustimmung der Simplonkantone, deren Delegierte am 3. November in Lausanne zusammentraten, um über den von der Gesellschaft beabsichtigten Schritt zu beraten. Nach einer vorläufigen Mitteilung der zustimmenden Schlußnahmc durch den Staatsrat des Kantons Freiburg als Vorort, vom 4. November 1896, empfahlen dann die Regierungen von Bern, Freiburg, Waadt, Wallis und Genf in einer vom 6. November datierten,
am 21. gleichen Monats hier eingelangten Kollekiiveingabe, auf Grund der von ihren Delegierten gefaßten Beschlüsse, einstimmig das Gesuch der Jura-Simplou-Jjahu /ur Berücksichtigung.

Bandcsblatt. 48. Jahre. IM. IV.

G5

930 Die Regierungen haiton dafür, daß die Genehmigung des Vertrages, welcher die definitive Konzession für die große internationale Linie hildo, durch die Parlamente der beiden Länder baldmöglichst erfolgen und jeder weitem Maßnahme in der Angelegenheit vorangehen sollte. Die Genehmigung erst werde das so lange erörterte Projekt für den neuen Alpendurchstich in endgültiger Weise festsetzen.

Bezüglich der Subvontionsüusioherungen beziehen sich die Regierungen auf ihre anläßlich der Konferenz vom 6. Mai 189(v abgegebenen, in unserem Bericht vom 11. Juni 189(i fpag. 33 f.)

angeführten Erklärungen. Die definitive Festsetzung dieser schon im Jahre 1887 erstmals heschlossenen Subventionen könne den Großen Räten der beteiligten Kantone nicht von neuem vorgelegt worden, bevor durch die Genehmigung des Vertrages endlich eine sichere und definitive Grundlage für die Realisierung des Werkes geschaffen sei.

Angesichts der in diesen Eingaben dargestellten Sachlage und vorgebrachten Gründe stehen wir nicht an, dem von der JuraSimplon-Bahn gestellten und von den Regierungen der Simplonkantone warm unterstützten Ansuehon, so viel an uns, zu entspreehen und Ihnen demgemäß den Vertrag mit dem Antrag auf Genehmigung zu unterbreiten.

Wenn der Kundesrat in seinem mehrerwähnteu Berichte vom 11. Juni dieses Jahres die Erteilung der Genehmigung noch als verfrüht bezeichnete und Ihnen dieselbe einstweilen nicht empfehlen /u sollen glaubte, so that er dies ausschließlich i m I n t e r e s s e der mögliehst baldigen Realisierung des Werkes, indem er hoffte, damit zu rascherer Erledigung der Subventionsfragen zu veranlassen. Nichts lag ihm forner als die Absicht, dem Unternehmen ein Hindernis in den Weg xu legen oder Schwierigkeiten herauf zu beschwören.

Nachdem nun aber einerseits die Voraussetzung, von der wir bezüglich Förderung der definitiven Subvontionssyjsagen ausgingen, sieh nicht als zutreffend erwiesen hat und anderseits die Verschiebung der Vertragsgenehmigung zu Mißdeutungen aller Art Anlaß gegeben und der Wiederaufnahme oppositioneller Bestrebungen gerufen hat, während die Genehmigung des Vertrages diesen Bestrebungen den Boden entziehen wird, liegt für uns kein Grund vor, an dem zunächst eingenommenen Standpunkt starr festzuhalten, namentlich dann nicht, wenn die nächste Interessentin, die JnraSimplon-Bahn und mit ihr die beteiligten Kantone für Weitervorfolgung des Projektes und speciell die Finanzierung desselben

931 die sichere Grundlage eines defmitven Vertrages als unerläßlich bezeichnen.

Wir glauben zur Schaffung dieser sichern Grundlage für weitere Verhandlungen zum Zwecke der Finanzierung des Unternehmens unter den obwaltenden Verhältnissen um so eher Hand bieten zu sollen, als weder der Wortlaut des Vertrages selbst der Genehmigung desselben vor Sicherung der Subventionen bezw.

Finanzierung des Unternehmens entgegensteht, noch auch bei don bezüglichen konfereuziellen Verhandlungen von einer gegenteiligen Annahme ausgegangen wurde. Man war einverstanden, daß die Genehmigung des Vertrages durch die beiden Parlamento zeitlich der Leistung des Finanzausweises vorauszugehen haben werde.

Mit Nachteilen irgend welcher Art dürfte die nunmehrige Genehmigung des Vertrages nicht verbunden sein. Es wäre namentlich unrichtig^ wenn angenommen werden wollte, der Bund übernehme durch die Ratifikation vor Sicherung der erforderlichen Finanzmittel überhaupt oder wenigstens der Subventionen, seinerseits irgend welche Garantie, für letztere aufzukommen. Wie hiernach zu Art. 3 einläßlicher darzuthun sein wird, gehen dia finanziellen Verpflichtungen des Bundes nach dem vorliegenden Vertrag nicht über das hinaus, wozu er sich durch das Bundesgoset» vom 22. August 1878, betreffend Gewährung von Subventionen filr Alpenbahnen, und durch den Bundesbeschluß vom 27. April 1887 bereits verpflichtet hat, nämlich zu einer Subventionsleistung von 4l/2 Millionen Franken.

Es besteht auch nicht Gefahr, daß etwa die Gesellschaft bevor sie über die für das großartige Unternehmen erforderlichen Mittel im ganzen Umfange verfügt, sich ans Werk machen und dann in die Lage kommen könnte, die Arbeiten vor der Vollendung aus Mangel an Geldmitteln einstellen zu müssen. Denn Art. 11 des Vertrages sieht ausdrücklich vor, daß zum Beginn der Arbeiten eine förmliche Bewilligung erforderlich sei,i und daß diese erst O O werde erteilt werden, wenn die Gesellschaft sich über genügende Mittel ausgewiesen haben werde.

Was nun den Inhalt des Vertrages anbetrifft,i den wir Ihnen O hiermit unterbreiten und zur Genehmigung empfehlen, so gestatten \vir uns dazu einige erläuternde Ausführungen.

Indem der Vertrag, wie wir schon in unserm Bericht vom 11. Juni dieses Jahres erwähnten, auf dem Mailänder-Protokoll vom 28. Februar 1895 fußt und sich an die Gotthardverträge, sowie an andere internationale Anschlußverträge, speciell diejenigen zwischen

932 der Schweiz und Frankreich betreffend die Linien Gonf-Anneniasse, Locle-Morteau und St. Gingolph-Bouveret, anlehnt, regelt er, unter Berücksichtigung der beim Simplon bestehenden bosondern Sachlage, das Verhältnis der beiden Staaten /.u dem Unternehmen unseres Erachtens in zutreffender Weise.

Es handelt sich keineswegs um einen bloßen Ansehlufivertrag', weil nicht ausschließlich der bauliche und Botriebsanschluß von Hwei auf den boidseitigen Staatsgebieten unabhängig voneinander erstellten oder zu erstellenden Linien in Frage kommt. Vielmehr soll von einer und der nämlichen s c h w e i z e r i s c h e n Biihugesellschaft und unter finanzieller Beteiligung wesentlich nur des einen Vertragsstaates als solchem, der Schweiz, aber ungefähr in gleicher Ausdehnung auf dem Gebiete b e i d e r Staaten eine Eisenbahnverbindung durch den Simplou erstellt worden, bei welcher der eigentliche technische Anschluß an der Grenze mitten in den Tunnel fällt. Italien verpflichtet sich nur zur Erstellung der südlichen Zufahrtslinie von Domodossola bis Iselle. In diesem Sinne liegt ein g e m e i n s c h a f t l i c h e s Werk vor, zu welchem hinsichtlich Bau nnd Betrieb beide Staaten in vielfache lîezichuugon treten werden, die, abgesehen von der Anschlußfrage im (ingerii Sinne, der Feststellung in einem internationalen Vertrag bedurften.

Auf der andern Seite sind die Verhältnisse hier aber auch nicht die gleichen wie bei der Gotthardbahn, die ausschließlich auf h i e r s e i t i g e m Staatsgebiet, aber unter starker imanzieller Beteiligung der andern Staaten (Italien und Deutschland) gebaut wurde. Während es heim Gotthard die staatlichen Subventionen waren, so ist es beim Simplon vielmehr die Lage des Tunnels auf beidseitigeui Staatsgebiet, welche gemeinsame Beziehungen beider Staaten zu dem Unternehmen konstituiert und der einheitlichen Beordnung in einem Staatsvortrag ruft.

Der besondern Sachlage beim Simplon sucht der vorliegende Vertrag gerocht zu werden, indem er nicht bloß die Beziehungen der beiden Staaten zu dem Unternehmen regelt, sondern auch auf Punkte sich erstreckt, die beim Gotthard durch einen bosondern sogenannten Anschlußvertrag, vom 23. Dezember 1873, ihre Beordnung fanden.

Es versteht sieb indessen, daß die Anschlußverhältnisse nur in den wichtigsten Beziehungen und nicht bis in alle Details
im Staatsvertrag festgelegt werden konnten, da dieser sonst in Einzelheiten sich verlieren müßte. Es entspricht vielmehr der Natur der Sache und empfahl sich aus praktischen Gründen, daß die im Hauptvertrage nicht berührten Detailfragen einer spätem Regelung

in einein besondern Vertrage vorbehalten wurden. Ria späterer Zeitpunkt ist hioriìlr uni so geeigneter, als dannzunial die einschlägigen Verhältnisse im einzelnen noch besser klar gelegt sein werden, als dies hei Abschluß des Vertrages der Fall war. Es iwt dabei namentlich an die Bezeichnung der internationalen Station oder Stationen und an die notwendigen Vereinbarungen über den Zoll-, Post-, Telegraphen-, Polizei- und gesundheitspolizeilichen Dienst in diesen Stationen KU denken. Bezüglich dieser Punkte behält der Hauptvertrag, soweit derselbe selbst darüber keine Bestimmungen enthält, die spätem Abmachungen vor (Art. 26).

Hinsichtlich der einzelnen Artikel des Entwurfes ist in Kiir/e nachstellendes zu bemerken : Der E i n g a n g nimmt Bezug auf Art. 16 des Handelsvertrages mit Italien, vom 19. April 1892, und A r t . l und 2 bezeichnen den Umfang des Unternehmens der neuen Schienen Verbindung durch den Simplon, welches den Gegenstand des Vertrages bildet.

A r t . 3 hat gegenüber dem ursprünglichen Entwurf auf Veranlassung der schweizerischen Bevollmächtigten eine Abänderung in dem Sinne erfahren, daß der Bundesrat nicht selbst und direkt zur Sicherstellung des Baues und Betriebes der nördlichen /ufahrtslinie, sowie des großen Tunnels sich verpflichtet, sondern nur innert den Schranken der von ihm erteilten Konz e s s i o n zur Ergreifung der dazu dienlichen (ihm zu Gebote stehenden) Maßnahmen sich bereit erklärt. Die Konzession vom 24. September 1872 (E. A. S. I, 272 ff.) aber sieht innert einer bestimmten, seither mehrfach verlängerten Frist die Leistung dos Fiuanzaus\veises (Art. 5) und den Bau d u r c h die G e s e l l s c h a f t vor und die daherigen Verpflichtungen sind infolge Übertragung der Konzession auf die Jura-Simplon-Bahn, vom 19. Dezember 1889, ebenfalls auf letztere Gesellschaft übergegangen. Überdies setzt, Art. 12, im 1. Alinea, die vom Bund beizutragende finanzielle Leistung in unzweideutiger Weise auf die im Bundesgeset/, vom 22. August 1878, .betreffend Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen, einer solchen im Westen der Schweiz zugesicherte Subvention von 4'/2 Millionen Franken fest. Eine subsidiäre Haftung des Bundes für Aufbringung auch der andern im Art. 12 vorgesehenen Subsidien oder gar der ganzen Bausuninie, wenn dies der Gesellschaft nicht gelingen sollte, kann
demnach unter keinen Umständen in Frage kommen, so wenig als der italienische Fiskus eventuell für die im 3. Alinea des Art. 12 vorgesehene Subvention der interessierten italienischen Provinzen, Städte und Körperschaften

934

aufzukommen hat. Diese Auffassung wird auch von der italienischen Regierung geteilt. Denn in dem Bericht zu dem Gesetzentwurf hotreffend Genehmigung des Vertrages vom 29. Mai 189fi steht u. a. zu lesen*): ,,Im Art. 12 wendet die schweizerische Bundesregierung diesem Durchstich die durch Bundesgosctz vom 22. August 1878 zu gunsten einer Alpenbahn im Westen des Gotthards festgesetzte Subvention von 4*/a Millionen Franken zu tt , -- und weiter : ,,Wie dem auch immer sei, die Form, in welcher dieser Artikel »·efaßt worden ist, beschränkt die finanzielle Verpflichtung der beiden Regierungen in absoluter Weise auf die direkten Subventionen, welche sie der Gesellschaft gewähren, während sie den Beziehungen zwischen der Gesellschaft selbst und den andern Interessenten beatiglieli Erlangung der erhofften Subventionen ganz und gar fremd bleiben.a Endlich fällt in Betracht, daß in anderen internationalen Anschlußverträgen die Verpflichtung der Schweiz in gleicher Weise (,,verpflichtet sich, in den Grenzen der von ihr verliehenen Konzession . . . . die Ausführung der Eisenhahn.... zu sichern") formuliert ist, ohne daß daraus die eventuelle Haftung der Schweiz an Stelle der -Gesellschaft, welche Inhaberin der Konzession ist, für wirkliche Ausführung der Linie, deren Anschluß an das Bahnuetz des Nachbarstaates in dem betreffenden Vortrag geregelt wurde, abgeleitet worden wäre. Wir verweisen diesfalls auf die Verträge mit Prankreich betreffend Anschlüsse der Linien Genf-Anne masse vom 14. Juni 1881 (E. A. S. VII, 41 ff.), Locle-Mortoau vom gleichen Datum und Bouveret-St. Gingolpli vom 27. Februar 1882.

Dagegen ist in A r t . 4 die förmliche und direkte Verpflichtung der italienischen Regierung ausgesprochen zur Erstellung der südlichen Zufahrtslinie von Domodossola bis Iselle und zur Erteilung der Konzession an die Jura-Simplon-Bahn für den auf italienischem Gebiet gelegenen Teil des Tunnels bis zur Einfahrtsweiche der Station Iselle. Es ist dies die vertragliche Gegenleistung Italiens für die auf schweizerischer Seite zu übernehmenden Verpflichtungen.

'·':) Der italienische Originaltext lautet: ,,Quindi nell'articolo 12 il governo federale svizzero assegna a quel traforo la sovvenzione dei 4 milioni e mezzo di franchi, stabilita dalla legge federale dei 22 agosto 1878 a favore di una ferrovia attraverso le Alpi,
ad occidente del San Gottardo."

Ferner: ,,Comunque siasi, la t'orma, nelle quale è stato redatto questo articolo 12, limita assolutamente lo impegno dei due Governi alle dirette sovvenzioni eh' essi accordano alla Società, rimanendo essi affatto estranei ai rapporti fra la Società stessa e gli altri enti interessati, per il conseguimento delle sperate sovvenzioni."

935

A r t . 5 und 6 setzen unter Bezugnahme auf die dem Vortrag und den Konzessionsakten als Beilagen anzufügenden Pläne (Situationsplan im Maßstab l : 50,000, Längenproül l : '-ry^wp Normalprofile l : 50, Querprofile des Sohlstollens l : 50 und l : 100, Nischen, Kammern und Richtstollen l : 50) die technischen Bedingungen für den Bau fest. Die Forderung, daß die Zufalulslinien nach den an eine große internationale Linie zu stellenden und ini 2. Alinea zum Teil näher präcisierten Bedingungen gebaut werden soll, bedarf keiner weitern Begründung. Die italienische Regierung hofft bei der südliehen Zufahrtslinie unter der Maximalsteigung von 25 °/oo bleiben zu können. .Die Bestimmung in Art. 6, 2. Alinea, betreffend vorsorgliche Rücksichtnahme auf die spätere Erstellung des 2. Geleises beim Bau der Zufahrtslinien cutspricht dem Sinne nach dem Art. 2, Alinea 6, des Zusatzvertrages betreffend die Grotthardbahn vom 12. März 1878 und erscheint um so notwendiger, als auch bei Erstellung des einspurigen Tunnels durch gleichzeitige Eröffnung eines parallel laufenden Stollens auf einen zweiten Tunnel von vornherein Bedacht genommen ist.

In Art. 7, A l i n e a l, ist zwar grundsätzlich jeder Regierung die Genehmigung der Baupläne für die auf ihrem Gebiet zu erstellenden Teilstrecken, sowie die Überwachung des Baues auf ihrem Gebiet vorbehalten, aber in A l i n e a 2 und in Art. 9 die Bauaufsicht über den g a n z e n Tunnel, und /war bei der erstmaligen einspurigen Anlage, wie bei der spätem Herstellung der 2. Tunnelröhre, überhaupt die Vollziehung des Vertrages mit Bezug auf den Tunnelbau und die Entscheidung aller dabei sich ergebenden Fragen dem s c h w e i z e r i s c h e n B u n d e s r a t e einzig übertragen. Es erscheint dies durchaus notwendig mit Eücksicht darauf, daß der große Tunnel ein einheitliches Bauobjekt bildet, dessen Bau daher nach einheitlichen Planen durchgeführt und von einer Stelle aus überwacht werden muß, wenn nicht unter Umständen Konflikte entstehen oder doch die einheitliche Bauausführung beeinträchtigende widersprechende Verfügungen von den beiden Regierungen erlassen werden sollen. Immerhin ist der italienischen Regierung nach ihrem Wunsche im 3. Alinea des Art. 7 das Recht vorbehalten, die Arbeiten auch ihrerseits durch Techniker besichtigen zu lassen, und überdies in Art. 9 bestimmt,
daß der Bundesriit vor dem Entscheid auf den Tunnelbau bezüglicher Fragen die Vernehmlassung der von der italienischen Regierung bezeichneten technischen Delegierten einzuholen habe, wenn die Fragen Arbeiten auf italienischem Gebiet betreffen.

936

A r t . 8 enthält oino Bestimmung, die nicht weiter hegriindel zu werden braucht.

In A r t . 10 ist dio Baui'ri.st länger angenommen als in dem Bauvertrag mit der Unternehmung, um dio (ìesellschal't nach ihrem Wunsche auch auf don Fall unvorhergesehener Ereignisse, die einen langsamem Fortgang der Arbeiten zur Folge haben könnten, ·sicher zu stellen. Wenn die Arbeiten während einer zweijührigen Periodo ini Gang gewesen sein werden, wird es eher möglich sein, sich iihor die zur Vollendung- des Tunnels noch erforderliche Zeit ein genaues Bild zu machen und daher hesser erst dann die liaui'rist endgültig festgesetzt werden. Es darf angenommen worden, daß weniger als 8 Jahre ausreichen worden. Im Hinbliek auf die in Art. 15 des Pflichtonheftes enthaltene Veri'allsklausel ist überdies im 2. Alinea des Art. 10 eine sichernde Bestimmung in dein Sinne aufgenommen, daß die in den Konzessionen vorgesehenen Säumnistblgen für Nichteinhaltung der Tunnelbaufrist, wenn sie den Verfall der Konzession bedingen würden, auf dem einen und andern Staatsgebiet nur im Einverständnis b e i d e r Regierungen ausgesprochen werden dürfen.

A r t. l l sieht eine besondere Ermächtigung /um Beginn der Arbeiten vor und macht dieselbe von der vorherigen Leistung eines genügenden Finanzausweises durch die Gesellschaft abhängig.

Es giebt diese Bestimmung das Mittel an die Hand, oino überstürzte Anhandnahme der Arbeiten zu verhindern und eine finanzielle Katastrophe während des Baues von vornherein thunlichst zu verhüten.

Zu längeren Verhandlungen gab, wie schon in unserem Bericht vom 1l. Juni d. J. erwähnt wurde, A r t . 12 Anlaß. Die Subvention dos Bundes ist nach Maßgabe des Bundesgeseteos vorn 22. August 1878 auf 4*/2 Millionen Franken festgesetzt. Der Vorbehalt einer Partieipation am Reingewinn wurde dabei nicht gemacht, wie es seiner Zeit im Gotthardvertrage geschah, in der Meinung, daß wich ein bezüglicher Vorbehalt bei Aushingabe der Subvention eventuell immer noch anbringen lasse. Die italienische Regierung verpflichtet sich ihrerseits zu einer jährlichen Subvention von 66,000 Lires während der ganzen Konzessionsdauer. Im 3. Alinea sind sodann die von schweizerischer und italienischer Seite sonst noch vorgesehenen Subventionen angeführt. Während anfänglich die schweizerischen Bevollmächtigten die Fixierung der italienischen
Subvention auf 5 Millionen Franken postulierten und die italienischen Delegierten nur eine solche von 3 Millionen zuzusichern ermächtigt waren, gelang es schließlich, nach beidsoitiger Einholung neuer

937

Instruktionen, sieh auf 4 Millionen Lires zu einigen. Im 4. Alinea wird mit der Subventionslcistung auch die Liquidation der sogenannten Heimfallsreohto in Verbindung gebracht, ntn boi diesem Anlasse zur Anhandnahme der Lösung der damit zusammenhangenden Fragen den Anstoß zu geben. Es versteht sich indessen, wie schon oben bemerkt wurde, daß diese mit dein Simplonuntornehmon in keinem innern Zusammenhange stehenden Rechtsverhältnisse nicht notwendig bei diesem Anlasse ihre Erledigung linden müssen und jedenfalls die Beschlußfassung über die Subventionen weder verzögern noeli hindern dürfen.

A r t . 13 enthält Bestimmungen über die Erstellung des/.weiten Geleises im Tunnel, wobei die Fälle unterschieden werden, wo ein bezügliehcs Begehren von italienischer und von schweizerischer Seite gestellt würde. Die Bestimmung, welche Italien, wenn das Verlangen von seiner Seite ausgeht, eine Subvention von 10 Millionen und die Verpflichtung zur Verlängerung Ins Domodossola aulerlegt, dürfte praktisch nicht von allzu großer Bedeutung sein, immerhin Italien diesfalls eine gewisse Reserve auferlegen.

Wichtiger erseheint die Bestimmung, wonach die Gesellschaft zur Erstellung des zweiten Geleises nicht soll verhalten worden können, solange die Bruttoeinnahmen auf dem Verkehr durch den Tunnel Fr. 40,000 per Kilometer und per Jahr nicht übersteigen.

Der Ansatz erscheint zwar etwas hoch ; wir sehen indessen von einer Beanstandung ab, da die Bestimmung auch dein Bund, wenn er später die Bahn erwerben sollte, zu gute kommen wird.

Der A r t . 14 entspricht einer Bestimmung des Gotthardvertrages (Art. 7) und sollte naeh der vorliegenden Fassung nicht mehr zu der Einwendung Anlaß geben, daß darin die - - keineswegs beabsichtigte -- Zusage einer Bevorzugung des Siniplon vor dem Gotthard erblickt werden könnte.

Durch A r t . 15 wird der Betrieb der ganzen Linie von Brig bis Domodossola der Jura-Siinplon-Bahn übertragen, beziehungsweise zugesichert. Die Verhältnisse bringen es mit sich, daß die- gleiche Gesellschaft, welche den großen Tunnel betreibt., also die .luraSimplon-Bahn, auch die Zuf'ahrtslinie Iselle-Domodossola in Betrieb nehmen muß, weil das enge Diveriallial den nötigen Hanm für eine größere Station, wie sie der Bctriebsweehsel in Iselle bedingen würde, nieht bietet und man sich daselbst auf Erstellung der
unumgänglich notwendigen Anlagen wird beschränken müssen. Die italienische Regierung war daher mit der Bestimmung in Art. 1T> von vornherein einverstanden. Da es sich dabei um den Betrieb

938 einer Strecke ganz auf italienischem Gebiet, also wesentlich um HochtsboMchungen zwischen der italienischen Regierung und der Babngesellschaft handelt, so gebort die Festsetzung der näheren Bedingungen des Betriebes der genannten Strecke iiicbt in den Staatsvertrag, sondern ist einer besondern Vereinbarung vorbehalten, deren Grundlage immerhin durch Art. 2 der Übereinkunft 7Avischen der italienischen Regierung und der Jura-Siinplon-Bahn (italienische Konzession), vom 22. Februar 1896, bereits festgesetzt ist.

A r t . 16 enthält die nötigen Bestimmungen über die Tarife.

Der Einfluß, den sieb die Regierungen im Interesse des Verkehrs namentlich auf die Bildung der direkten Tarife vorbehalten müssen, erscheint durch diese Bestimmungen genügend gesichert. Zu bemerken ist ferner, daß die italienische Regierung, iudom sie die Anwendung der Taxen der schweizerischen Konzession auf die ganze Strecke Brig-Iselle anerkennt, auf den Bezug der. sonst in Italien allgemein erhobenen Transportsteuer auf dein Teilstück Gren/e bis Isello verzichtet. Die im /weiten Alinea vorgesehene Erhöhung der Tarifkilometerzahl um 22, was eine Taxcrhöhung um 100 °/o bedeutet, erscheint keineswegs als ein /AI weit gehendes Zugeständnis, indem die Taxerhöhung auf einer relativ kleinen »Strecke eintritt, im Vergleich z. B. zur Gotthardbahn, welcher für die ganze Bergstrocke (91 km.) erhöhte Taxen zugestanden wurden.

Der A r t . 17 räumt der italienischen Regierung in der Weise eine Vertretung im Verwaltungsrate der Jura-Simplou-Balm ein, daß der Bundosrat auf den Vorsehlag der italienischen Regierung vier Mitglieder wählt. Im Hinblick darauf, daß hei der Gotthardbahn, wenn auch ohne vertragliche Verpflichtung, der italienischen Regierung eine Vertretung im Vervvaltungsrate von jeher zugestanden wurde, sowie in Anbetracht des Umstandes, daß die Jura-SimplonBahn als Konzessionärin des Baues und Betriebes der Südhälfte des Tunnels auf italienischem Gebiete und als Betriebsgesellschaft der Linie Iselle-Domodossola in noch engere Beziehung zur italienischen Regierung tritt, als dies bei der Gotthardbahn der Fall ist, insofern sie italienische Kisenbahugesellschaft wird, erschien es billig, den Wünschen Italiens diesfalls entgegen zu, kommen. Es erklärten sich bei der Konferenz die italienischen Delegierten zu Protokoll einverstanden,
daß diese Bestimmung nicht mehr Anwendung fände, wenn der Bund früher oder später an die Stelle der Gesellschaft treten sollte, in welchem Falle er sich übrigens sowieso mit der italienischen Regierung betreffend Übertragung der Konzession auseinander setzen müßte.

939 Die Bestimmung in A r t. 18 wurde aufgenommen, um einem bei der Mailänder-Konferenz italienischerseits gestellten Postulato zu genügen und ist auf unsern Wunsch gegenüber der ursprünglichen Fassung noch etwas abgeschwächt worden. Eine gleiche Bestimmung iiguriert auch in andern Anschlußverträgen (betreffend GenfAnnemasse, Locle-Morteau, vom 14. Juni 1881, Bouvorot-St. Gingolph, vom 27. Februar 1862).

Art. 19 ruft in Bezug auf zweckmäßige Fahrplangestaltung und Zahl der Züge einem gemeinsamen Vorgehen der beiden Regierungen. Die Miniuialzahl der täglichen Züge ist, in Übereinstimmung mit Ihrer neuern Praxis bei Erteilung von Konzessionen, auf vier festgesetzt, was als eine sehr mäßige Forderung bezeichnet werden darf.

Die Art. 20 bis 26 entsprechen der Hauptsache nach den in den schon erwähnten Anschlußverträgen betreffend Genf-Annemasse, Locle-Morteau und Bouveret-St. Gingolph enthaltenen Bestimmungen, die angemessen erscheinen und denen die Bundesversammlung seiner Zeit die Genehmigung erteilt hat. Einige daran angebrachte Änderungen sind nicht wesentlicher Natur, zumeist nur redaktionelle Vorbesserungen, so z. ß. in Art. 20. Die in Art. 22, 2. Alinea, gegenüber den genannten Vorgängen angebrachte Präcisierung der Bedingungen für den Wegfall der /ollbehandlung an der Grenze selbst entspricht einem Antrag unserer Zollverwaltung. In Art. 24, Ziffer l, ist auf Antrag der italienischen Regierung eine neue Redaktion gewählt worden, mit der tmsere Postverwaltung einig geht.

Der Art. 25 hat gegenüber jenen altern Verträgen die Erweiterung erfahren, daß die Erstellung nicht bloß von Telegraphen-, sondern auch von Telephonlinien vorgesehen wurde.

A r t . 26 endlich behält die Bezeichnung der internationalen Station oder eventuell Stationen, sowie die Festsetzung der Vorschriften betreffend den Zoll-, Post-, Telegraphen-, allgemeinen Polizei- und Sanitätspolizeidienst in der oder den internationalen Stationen einer spätem Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen vor, wie dies auch beim Gotthard gehalten wurde.

Unsere Delegierten hatten bei den Vertragsverhandlungen einen /usatz zu diesem Artikel beantragt des Inhalts, daß das oder die am Simplon zu errichtenden beidseitigen Ziollbureaux mit den erforderlichen Kompetenzen auszurüsten seien, um die zollamtliche Behandlung und Transitabfertigung a l l e r Arten von Waren vornehmen zu können. Wir hätten auf die Aufnahme einer solchen He-

940

Stimmung Wert gelegt zur Vermeidung von Schwierigkeiten für den Vorkehr, wie solche vor Abschluß dos Handelsvertrages mit Italien, vorn Jahr 1892, in Chiasso infolge dos Umstandes zu Tage getreten waren, daß das italienische Zollbureau daselbst nicht ermächtigt war, die Abfertigung gewisser Waren, z. B. Baumwollgarne u. a. m. vorzunehmen, obwohl schon der frühere Handelsvertrag mit Italien die beiden Staaten verpflichtete, an den Hauptzugängen der beide Staaten vorbindenden Straßen Grenzbureaux zu halten mit ausreichender Ermächtigung zürn Bezug der Zollgebühren, sowie zur Vornahme der Transitabfertigung für die anerkannton Transitstraßen. Die italienischen Bevollmächtigten lehnten aber, nach mehrfacher Einholung neuer Instruktionen ihrer Regierung, den hierorts vorgeschlagenen Zusatz mit aller Entschiedenheit ab, im wesentlichen mit der Begründung, daß damit nicht nur das Zollbureau am Simplon über diejenigen in Chiasso und Luino gesetzt, sondern durch die Festlegung der Kompetenzen des Kollbureaus am Simplon in einem Staatsvertrag die innere Organisation der italienischen Zollverwaltung in Frage gestellt wurde.

Es sei übrigens kein anderes italienisches Grenzzollbureau mit umfassenderen Kompetenzen ausgerüstet, als dasjenige in Chiasso und es dürfte daher dein Bedürfnis des Transitverkehrs vollauf genügt sein, wenn dem Zollbureau am Simplon auch inskünftig absolute Gleichstellung mit demjenigen in Chiasso, dessen Kompetenzen successive vermehrt worden seien, zugesichert werde. Wenn sieh gleichwohl am Simplon bezüglich einzelner Warengattungen Schwierigkeiten ergeben sollten, so erkläre sich das italienische Finanzministerium bereit, dem Zollbureau daselbst auf Verlangen des Hundesrates ausnahmsweise neue Kompetenzen mit Bezug auf diese Waren zu erteilen. Da über eine bezügliche Bestimmung keine Einigung erzielt werden konnte, so wurde schließlich in beidseitigem Einverständnis die Erledigung der Frage den in Art. 26 vorgesehenen besondern Vereinbarungen vorbehalten.

Die die Konzession für die italienische Teilstrecke; darstellende Übereinkunft zwischen der italienischen Regierung und der JuraSimplon-Bahn betreffend Bau und Betrieb der Simplonbahn, von der italienisch-schweizerischen Grenze bis nach Iselle, sowie das bezügliche Pflichtenheft (als Anlage zur Übereinkunft), unterliegen der
hierseitigen Genehmigung nicht. Sie scheinen uns übrigens den vorliegenden Verhältnissen zu entsprochen und geben unseres Erachtens auch vom Standpunkt der staatlichen und allgemeinen Verkehrsinteressen aus zu Aussetzungen keinen Anlaß. Von einer

»

941

Erörterung dor einzelnen Bestimmungen sehen wir ab und gestatten uns, auf die Aktenstücke selbst, die unserm Berichte vom 11. Juni als Beilagen beigegeben waren, zu verweisen.

Indem wir Ihnen, Tit., die Ratifikation des mit Italien abgeschlossenen Staatsvertrages im Sinne des unten folgenden Beschlußentwurfes empfehlen, benutzen wir den Anlaß zur wiederholten Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. Dezember 1896.

Im Namen des Schweiz. .Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

942 0

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen der Schweiz und Italien bezüglich des Baues und Betriebes einer Eisenbahn durch den Simplen, von Brig nach Domodossola, am 25. November 1895 abgeschlossenen Staatsvertrages.

Dio Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht: des zwischen den Bevollmächtigten der schweizerischen Eidgenossenschaft und der königlich italienischen Regierung, unter Ratiflkationsvorbehalt, am 25. November 1895 in Bern abgeschlossenen Staatsvertrages, betreffend Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplou, von Brig nach Domodossola ; der von der italienischen Regierung der Jura-SimplonBahn-Gesellschaft gemäß Übereinkunft d. d. Rom, den 22. Februar 1895, mit zudienendem Pflichtenheft vom gleichen Tage, erteilten Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplon, von der italienischschweizerischen Grenze nach Iselle; einer Eingabe der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft vom 3. November 1890 und einer Zuschrift der Regierungen der Kantone Born, Freiburg, Waadt, Wallis und Genf vom (5./21. November 1896; des Berichtes des Bundesrates vom 11. Juni 1896 und einer Botschaft desselben vom 4. Dezember gì. J. ;

943

in Erwägung : daß die von der Bundesbehörde der Jura-Simplon-BahnGesellschaft, beziehungsweise deren Rechtsvorfahrin, unterm 24. September 1873 erteilte und seither Wiederholt, letztmals durch Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1893, verlängerte Konzession für die Ligne d'Italie durch den Simplon in Art. 29 bereits den Abschluß des gegenwärtigen Vertrages vorsieht ; daß das Bundesgesetz betreffend Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen, vom 22. August 1878, sowie der Bundesbeschluß vom 27. April 1887 den Kantonen, welche sich an einer Alpenbahn im Westen der Schweiz finanziell beteiligen, eine Subvention von 4Ya Millionen Franken zusichern ; daß das wohlverstandene Interesse des großen Unternehmens des Simplondurchstiches erfordert, daß der Austausch der Ratifikationen des Staatsvertrages unmittelbar nach Leistung des der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft obliegenden Finanzausweises erfolgen könne, wie dies bei der Konferenz zur Feststellung des Staatsvertrages, vom 25. November 1895, allseitig angenommen wurde, beschließt: 1. Dem Staatsvertrage zwischen der Schweiz und Italien, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplon, von Brig nach Domodossola, vom 25. November 1895, wird die Genehmigung erteilt.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung diese« Beschlusses beauftragt, welcher, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft tritt.

944

Beilage.

Staatsvertrag zwischen

der Schweiz und Italien, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplon, von Brig nach Domodossola.

(Vom 25. November 1895.)

Der Bundesrat der schweizerischen Eidgenossenschaft

und Seine Majestät der König von Italien, beide von dem Wunsche beseelt, die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Italien auszudehnen, haben sich im Handelsvertrag vom 19. April 1892 verpflichtet, die Schaffung neuer Vorkohrsstraßen zwischen den beiden Ländern nach Möglichkeit zu begünstigen.

In der Erkenntnis, daß die Erstellung einer Eisenbahn durch den Sitnplon in hohem Maße geeignet wäre, zur Erreichung des angestrebten Zieles beizutragen, haben der schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der König von Italien zu ihren Bevollmächtigten ernannt, mit dein Auftrag, die allgemeinen Bedingungen für den Bau und Betrieb dieser Linie festzustellen, nämlich : Der Bundesrat der Schweiz. Eidgenossenschaft: Herrn Joseph Zomp, Bundespräsident und Vorsteher des eidgenössischen Eisenbahndepartoments ;

945 Herrn Adrien Lachenal, Vizepräsident des Bundesratos, Vorsteher des eidgenössischen Departements des Auswärtigen ; Herrn Emil Vrey, Bundesrat, Vorsteher des eidgenössischen Militärdepartements ; Seine Majestät der König von Italien: Herrn August Baron Peiroleri, Senator des Königreichs, Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft ; Herrn Kommandeur Anton Ferrucci, Parlamentsabgeordneten und Sektionspräsidenten des Oberrates der öffentlichen Arbeiten, welche, nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben : Artikel 1.

Die hohen vertragschließenden Parteien vereinigen sich, um eine neue Verbindung zwischen den Eisenbahnnetzen der beiden Länder mittelst einer durch das Simpionmassiv, zwischen den Endstationen Brig und Uomodossola, zu erstellenden Linie zu sichern.

Art. 2.

Die zu einstellende Verbindung umfaßt drei Teilstrecken : 1. die nördliche Zufahrtslinie, von der bestehenden Station Brig bis zum Nordeingang des großen Tunnels; 2. den großen Simplontunnel, einschließlich das Teilstück zwischen dem Südausgang und der Kinfahrtsweiche der Station Iselle ; 3. die südliche Zufahrtslinie, von der Einfahrtsweiche der Station Iselle bis zu der bestehenden Station Domodossola.

Buiidosblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

66

946

Der AnschlulSpunkt im eigentlichen Sinne liegt im Innern des großen Tunnels, ungefähr 9100 Meter vom Nordeingang und ungefähr 10,6^0 Meter vom Südausgang entfernt.

Art. 3.

Der schweizerische Bundesrat verpflichtet sich, innert den Grenzen der an die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft erteilten Konzession die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Ausführung und den Betrieb der nördlichen Zufahrtslinie, wie des großen Tunnels selbst, einschließlich der Teilstrecke zwischen dem Südausgang des großen Tunnels und der Einfahrtsweiche der Station Iselle, zu sichern.

Art. 4.

Die italienische Regierung verpflichtet sich ihrerseits, die Ausführung und den Betrieb der südlichen Zufahrtslinie, von der Station Domodossola Ins und jnit derjenigen von Iselle, '/AI sichern und der Jura-Siuiplon-Bahn-Gesellschaft die erforderliche Konzession zum Bau und Betrieh des auf italienischem Gebiet gelegenen Teiles des großen Tunnels, einschließlich der Teilstrecke zwischen dem Südausgango des großen Tunnels und der Einfahrtsweiche der Station Iselle, zu erteilen.

Art. 5.

Der große Tunnel ist gemäß den diesem Vertrage und den Konzessionsakten beigegebenen generellen Plänen auszuführen.

Art. 6.

Die Zufiilirtslinien zum großen Tunnel sollen nach den an eine große internationale Linie zu stellenden Anforderungen gebaut werden. Sie sind für zwei Geleise zu projektieren, von denen zunächst nur eines erstellt wird.

Jedoch sind überall da, wo die spatere Verbreiterung des

947

Bahnkörpers während des Betriebes bedeutende, Mehrkosten erheischen würde, die Arbeiten von Anfang an für zwei Geleise auszuführen.

Der kleinste Krümmungshalbmesser wird auf 300 Meter, die Maximalsteigung auf der Nordseite auf 10 %o und das größte Gefäll auf der Südseite auf 25 °/oo festgesetzt,.

Art. 7.

.Fede der beiden Regierungen wird die Bauprojekte l'indie auf ihr Gebiet entfallenden Teilstrecken der Eisenbahn festsetzen und genehmigen, sowie deren Ausführung überwachen.

Jedoch wird die Kontrolle und Überwachung der Ausführung des großen Tunnels, welcher ein einheitliches Unternehmen bildet, dem schweizerischen Bundesrate übertragen, und »war sowohl für das erste als das zweite Geleiso.

Der italienischen Regierung steht indessen zu jeder /eit das Recht zu, die Arbeiten des großen Tunnels durch von ihr zu bezeichnende technische Delegierte besichtigen zu lassen, um sich von dem regelmäßigen Gang der Arbeiten zu vergewissern.

Art. 8.

Die beiden Regierungen werden darüber wachen, daß die Vorschriften betreffend die internationale technische Einheit im Eisenbahnwesen bei dem Bau der ihrer bezüglichen Kontrolle unterstehenden Teilstrecken pünktlich beachtet werden.

Art. 9.

Der schweizerische Bundesrat wird für Vollziehung der die Ausführung des großen Tunnels betreffenden Vorschriften des gegenwärtigen Vertrages sorgen und über alle, auf diese Ausführung bezüglichen Fragen entscheiden, jedoch nach Einholung des Gutachtens der technischen Delegierten

948

Italiens, wenn diese Fragen die Arbeiten auf italienischem Gebiet betreffen.

Die beiden Regierungen werden sich gegenseitig periodische Berichte über Gang und Stand des Fortschrittes den ihrer bezüglichen Kontrolle unterliegenden Arbeiten mitteilen.

Art. 10.

Die Arbeiten sollen auf beiden Gebieten derart geleitet und gefördert werden, daß die ganze Linie von Brig bis Domodossola innert einer Frist von längstens 8 Jahren, vom Datum des Austausches der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages an gerechnet, dem Betriebe übergeben werden kann. Diese Frist wird zwei Jahre nach dem Beginn der Arbeiten am großen Tunnel genauer festgestellt werden.

Die in der schweizerischen und in der italienischen Konzession vorgesehenen Säumnisfolgen bei Nichteinhaltung der Baufrist des großen Tunnels dürfen, soweit sie den Verfall der Konzession zur Folge hätten, nur nach beidseitigem Einverständnis der vertragschließenden Regierungen ausgesprochen worden.

Art. 11.

Die Bewilligung zum Beginn der Arbeiten wird der Jura-Simplon-Bahn-Gresellschaft erst erteilt werden, wenn letztere bei beiden Regierungen über den Besitz genügender Geldmittel zur Ausführung ihrer Konzessionen sich ausgewiesen haben wird.

Art. 12.

Der schweizerische Bundesrat verpflichtet sich, dorn Simplondurchstich die durch Bundesgesetz vom 22. August 1878 für eine Alpenbahn im Westen des Gotthards bewilligte Subvention von vier und einer halben Million Franken zuzuwenden.

949 Die italienische Regierung verpflichtet sich ihrerseits, der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft, von der Inbetriebsetzung des großen Tunnels und der im Art. 2 bezeichneten Zufahrtslinien an, und zwar während der ganzen Kon/essionsdauer, eine jährliche Subvention von sechsundsechzigtausend Lires zu bezahlen.

Die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft sieht außerdem die Erlangung einer Subvention von zehn und einer halben Million Franken von Seiten der Schweiz (Kantone, Gemeinden und Körperschaften) und von vier Millionen Lires von Seiten Italiens (an dem Unternehmen interessierte Provinzen, Gemeinden und Körperschaften) vor.

Der Verzicht auf die nach Mitgabe der Konzessionen den Kantonen bezüglich gewisser auf ihrem Gebiet gelegenen Teilstrecken zustehenden sogenannten Hoirnfallsrechte kann bei der obigen von der Schweiz zu leistenden Subvention von lO1/^ Millionen in Rechnung gebracht werden.

Art. 13.

Die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft kann /ur Erstellung des zweiten Geleises so lange nicht verhalten werden, als die Bruttobetriebseinnahmen auf der Strecke Brig-Domodossola 40,000 Franken per Kilometer und Jahr nicht übersteigen.

Für den Fall, daß die Erstellung des zweiten Geleises von der italienischen Regierung verlangt würde, ist diese gehalten, an die Kosten mit einer Subvention von zehn Millionen Lires, zahlhar sofort nach Beendigung der Arbeiten, beizutragen, sowie dieses zweite Geleise zwischen Iselle und Domodossola fortzuführen. Wenn hingegen das zweite Geleise von der Gesellschaft aus eigenem Antriebe gebaut oder von der schweizerischen Eidgenossenschaft verlangt würde, so ist die italienische Regierung nur zur Verlängerung desselben zwischen Iselle und Domodossola verpflichtet.

950

Art. 14.

Die vertragschließenden Parteien werden sich verständigen, um soweit ihnen möglich den Verkehr auf der Simploubahn zu erleichtern und um die Beförderung von Personen, Giltern und Postgegenständeu aller Art auf die regelmäßigste und rascheste Weise, sowie zu möglichst billigem Preise zu sichern.

Art. 15.

Der Betrieb der Linie zwischen Erig und UoinodossoJa wird nur von einer der beiden Ansehlußbahnen besorgt werden, und zwar von der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft, in ihrer Eigenschaft als Konzessionärin des Baues und Betriehes des großen Tunnels, welcher den wichtigsten Teil der Linie bildet. Ein besonderer Vertrag wird die Betriebsbedingungen der Strecke von Iselle bis Domodossola festsetzen.

Art. 16.

Die beiden Regierungen werden darüber wachen, daß bei Ausarbeitung der Tarife auf den Zufahrtslinien zum großen Tunnel keine hohem Taxen zur Anwendung kommen als auf den Ansehlußlinien. Ferner werden sie dafür sorgen, daß für den Durchgangsverkehr über den Simplem dh'ekte Tarife erstellt werden. Diese Tarife, wie all fällig daran als angezeigt erachtete Änderungen, müssen den Regierungen beider Länder zur Genehmigung vorgelegt werden.

Behufs Sicherung der Tarifeinheit auf der Tunnelstrecke werden die Personen- und Gütertransporttaxen für den ganzen Durchlauf von Brig bis Iselle auf Grundlage der schweizerischen Konzession festgesetzt. In Anbetracht der hohen Baukosten dieses Teilstückes dürfen alle Tarilo zwischen Brig und Iselle auf Grund eines Längenzuschlages von 22 Kilometern, d. h. von 11 Kilometern auf beiden Gebieten, berechnet werden.

951

Art. 17.

Der schweizerische Bundesrat erteilt seine Zustimmung, -daß von dem Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages an eine billige Zahl von ihm auf den Vorschlag der italienischen Regierung zu wählender Mitglieder dem Verwaltungsrate der Jura-Jimplon-Bahn-Gesellschaft angehören.

Art. 18.

Wegen gemeiner Verbrechen oder Vergehen oder wegen Widerhandlung gegen Zollgesetze verurteilte Personen dürfen von der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft zwischen den Anschlußbahnhöfen nicht verwendet werden.

Im übrigen sollen die Hoheitsrochte, welche jedem der beiden Staaten hinsichtlich des auf seinem Gebiete gelegenen Teiles der Eisenbahn zustehen, keinerlei Beeinträchtigung erfahren.

Art. 19.

Die beiden Regierungen werden in gemeinsamem Einverständnis auf die Sicherung der Korrespondenz mit den abfahrenden und ankommenden direktesten Zügen der An 'schlußnetze in Brig sowohl als in Domodossola hinwirken.

Sie behalten sich vor, die Minimalzahl der für den Personentransport bestimmten Züge festzusetzen ; diese /ahi darf in keinem Falle weniger als vier per Tag in beiden Richtungen betragen und es muß von diesen Zügen wenigstens einer ein Schnellzug sein.

Art. 20.

Auf der ganzen Bahnstrecke soll weder in Hinsicht auf die Art und den Preis des Transportes, noch aut die Zeit und die Art der Beförderung ein Unterschied -/.wischen den Einwohnern der beiden Staaten gemacht werden. Zu diesem JBehufe sollen die aus dem einen der beiden Staaten

952

in den andern übergehenden oder einen derselben transitierenden Reisenden und Güter in keiner Beziehung weniger günstig behandelt werden, als die Reisenden und Güter, welche ein Gebiet verlassen oder im Innern verkehren.

Art. 21.

Die beiden Regierungen sichern sich gegenseitig zu, daß die vorkommenden Falls bezüglich der Untersuchung der Pässe oder bezüglich der Reisendenpolizei zu erfüllenden Formalitäten so vorteilhaft, als es die Gesetzgebung jedes der beiden Länder gestattet, geregelt werden sollen.

Art. 22.

Die beiden Regierungen werden den Reisenden, deren Gepäck und den zu befördernden Gütern, was die Zollbehandlung betrifft, alle mit den allgemeinen Gesetzen und Reglementen der beiden Staaten vereinbaren Erleichterungen und insbesondere diejenigen gewähren, welche auf irgend einer andern Eisenbahn, welche die Grenze des einen der beiden Staaten überschreitet, schon jetzt bestehen oder künftighin zugestanden werden.

Güter und Gepäckstücke, die mit Bestimmung nach andern als den Anschlußstationen von einem in das andere der beiden Länder befördert werden, können bis an ihren Bestimmungsort weiter gehen, ohne der zollamtlichen Untersuchung in den Gren/.zollbureaux zu unterliegen, und zwar unter folgenden Voraussetzungen : 1. daß die Wagenladungen wie die Stückgüter ausnahmslos vom Grenzzollbureau unter Zollverschluß gelegt werden ; 2. daß die genannte Erleichterung nur gewährt werden kann für Güter und Gepäck mit Bestimmung an einen Ort, wo ein mit den nötigen Kompetenzen ausgestattetes Zollbureau sich befindet;

953

3. daß Gütersendungen, deren zollamtliche Untersuchung zufolge gesetzlicher oder reglementarischer Bestimmungen in gewissen Fällen anderswo stattzufinden hat, von den oben festgesetzten Erleichterungen ausgeschlossen sind; 4. daß überdies im allgemeinen den in Kraft bestehenden einschlägigen gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen genügt wird.

Die beiden Regierungen räumen sich gegenseitig das Recht ein, die zwischen den Anschlußstationen der beiden Länder verkehrenden Züge durch ihre Zollangestellten begleiten zu lassen.

Art. 23.

Die Bisenbahn von Brig nach Domodossola wird für beide Länder als offene internationale Straße für die Ein-, Aus- und Durchfuhr der nicht verbotenen Güter, sowie für den Reisendenverkehr betrachtet, und zwar sowohl bei Tag als bei Nacht und ohne Unterschied der Werk- und Feiertage, soweit es die fahrplanmäßigen Züge betrifft.

Art. 24.

Die den Betrieb der Eisenbahn zwischen Brig und Domodossola besorgenden Gesellschaften oder Verwaltungen haben, was den Postdienst auf und zwischen den Anschlußstationen betrifft, die nachbezeichneten Verpflichtungen zu übernehmen : 1. Mit jedem Personenzug die Postwagen der beiden Regierungen, die Korrespondenzen, die Pakete und Postsendungen aller Art, sowie die den Dienst besorgenden Angestellten zu den im Konzessionsakt und Pflichtenheft aufzustellenden Bedingungen zu befördern ; 2. den Angestellten der Postverwaltung den freien Zutritt zu den Postwagen und die Erlaubnis zu gewähren,

954

die Briefe und Pakete daraus MI entnehmen und darin unterzubringen ; 3. den Postverwaltungen der beiden Länder in don zii diesem Zwecke zu bezeichnenden Stationen den zur Erstellung der für den Postdienst erforderlichen Gebäude oder Schuppen nötigen Platz anzuweisen, wofür der Pachtzins auf dem Wege gütlicher Verständigung odor durch Experten zu bestimmen ist ; 4. zwischen dein Eisenbahnbetrieb und dem Brioi'postdienst thunlichst die Übereinstimmung herzustellen, welche von den beiden Regierungen zur Erziclung einer möglichst regelmäßigen und raschen Beförderung als notwendig erachtet wird.

Die Postverwaltungen der beiden Länder worden hinsichtlich der Benutzung der Eisenbahn für den Postdienst zwischen den beiden Grenzstationen eine Vereinbarung untereinander treffen.

Art. 25.

Die beiden Regierungen gestatten, daß für den Hahndienst elektromagnetische Telegraphen und Telephone, sowie die auf ihrem Gebiet notwendigen Anlagen, um gegebenen ]?alls einen elektrischen Zugkraftdienst zwischen den Stationen Brig und Iselle einzurichten und zu unterhalten, erstellt werden.

Telegraphen- und Telephonlinien für den internationalen und öffentlichen Dienst können gleichfalls längs der Eisenbahn von jeder der beiden Regierungen auf ihrem Gebiete erstellt werden.

Die schweizerische und die italienische Verwaltung haben Anspruch auf unentgeltliche Beförderung zwischen den Grenzstationen des für Bau, Unterhalt und Überwachung der von jeder von ihnen längs der Eisenbahn erstellten Telegraphen- und Telephonlinien erforderlichen Personals und Materials.

955

Art. 26.

Die Bezeichnung des internationalen Bahuhol'es, eventuell der internationalen Bahnhöfe, sowie die Aufstellung der Vorschriften betreffend den Zoll-, Post-, Telegraphen-, den allgemeinen Polizei- und den Sanitätspolizeidienst der beiden Staaten, welche in dem oder den genannten internationalen Bahnhüfen gelten sollen, bleiben, soweit diese Punkte nicht im gegenwärtigen Vertrag geregelt sind, ausdrücklich einer spätem Vereinbarung zwischen den Regierungen der beiden Staaten vorbehalten.

Art. 27.

Der gegenwärtige Vertrag ist zur Genehmigung der Bundesversammlung und dem italienischen Parlament vorzulegen und die Ratifikationen desselben sind so bald als thunlich in Bern auszutauschen.

Dessen zur Urkunde haben die Bevollmächtigten gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

Gegeben in Bern in doppelter Ausfertigung, den i'üulundzwanzigsten November eintausend achthundert füni'und-

(L. S.)

Zemp.

(L. S.)

A. Peiroleri.

(L. S.)

(L. S.)

A. Lachenal.

E. Frey.

(L. S.)

A. Ferrucci.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Genehmigung des zwischen der Schweiz und Italien bezüglich des Baues und Betriebes einer Eisenbahn durch den Simplon, von Brig nach Domodossola, abgeschlossenen Staatsvertrages. (Vom 4. D...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1896

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.12.1896

Date Data Seite

927-955

Page Pagina Ref. No

10 017 647

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.