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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrates, (Vom 19. September 1896.)

Der Bundesrat hat an den Verwaltungsrat der Betriebsgesellsehaft des Jura Neuch'atelois folgendes Schreiben gerichtet : ,,In Ihrem das Jahr 1895 betreffenden Geschäftsberichte zu Händen der Generalversammlung der Aktionäre und der Regierung von Neuenburg haben Sie Veranlassung genommen, unter dem Titel ,,Beziehungen zu den Bundesbehörden" das Vorgehen des Eisenbahndepartements und seiner Beamten bei Ausübung der ihnen obliegenden Aufsicht und Kontrolle über den Eisenbahnbetrieb, sowie auch hierseitige, auf bezüglichen Berichten jener Kontrollorgane fussende Verfügungen, insbesondere den am 9. April vorigen Jahres Ihrer Direktion wegen zahlreicher Übertretungen des Arbeitsgesetzes erteilten scharfen Verweis einer Kritik zu unterwerfen, über welche wir nicht mit Stillschweigen hinweggehen können. Wir dürfen dies um so weniger thun, als sich auf Grund Ihrer höchst einseitigen Darstellung auch die neuenburgische und nach ihr die Presse der französischen Schweiz mit der Angelegenheit befaßt und dieselbe vor die Öffentlichkeit gebracht hat, den Anlaß zu den maßlosesten Angriffen und Anschuldigungen gegen Bundesbehörden und Beamte benutzend.

Das Eisenbahndepartement hat uns über die speciellen Fälle, auf welche sich die Ausführungen Ihres Geschäftsberichtes und die Auslassungen der Presse beziehen, nämlich: 1. die Vollziehung bei ihrer Unternehmung des Art. III des Bundesratsbeschlusses vom 24. Mai 1892 betreffend Verbesserungen im Eisenbahnbetrieb; 2. die Durchführung des Bundesgesetzes betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen etc. vom 27. Juni 1890, bezw. die bei ihrem Betriebe im Winter 1894/95 konstatierten Übertretungen; 3. die Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 29. März 1893, betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, bei Einführung eines Ausnahmetarifes für die Beförderung landwirtschaftlicher Produkte zwischen Stationen der Dampfschiffahrt auf dem Neuenburger- und Murtensee einerseits und den Stationen Locle und Chaux-de Fonds anderseits,

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einen ausführlichen Bericht vorgelegt, in welchem insbesondere auch die zu Ihrer Rechtfertigung jeweilen vorgebrachten Auseinandersetzungen mit aller Einläßlichkeit gewürdigt sind.

Aus diesem Bericht, den wir Ihnen in Übersetzung mitteilen und auf den wir Bezug nehmen, geht klar hervor, daß die von Ihnen gegen das Vorgehen der Beamten und Behörden des Bundes in diesen Angelegenheiten erhobene Kritik eine in allen Beziehungen durchaus unberechtigte ist.

Ohne auf Einzelheiten näher einzutreten, konstatieren wir hier, daß insbesondere, was die oben unter Ziffer 2 erwähnte Angelegenheit betrifft, Ihre zwar vom 8. Juni datierte, aber erst am 2. November 1895 hier eingelangte angebliche Widerlegung zumeist bloße Ausfluchte und Bemäntelungen der vorgekommenen Übertretungen enthält, dagegen im wesentlichen nichts an den Thatsachen zu verändern vermochte, auf welche wir uns bei Erteilung des Verweises stützten. Diese Maßnahme steht vielmehr nach wie vor als eine wohl begründete da und Ihr Protest dagegen war ein gänzlich unberechtigter. Als ebenso haltlos erweisen sich ferner die aus Anlaß dieses Falles im allgemeinen erhobenen Anklagen gegen die Organe des Departementes, welche nur ihre Amtspflicht erfüllten, wenn sie die vielen bei Ihrem Betriebe bestehenden, zum Teil notorischen Mängel und vorkommenden Unregelmäßigkeiten rückhaltslos ans Licht zogen und die zur Sicherung des Bahnbetriebes und zur Vollziehung der in Kraft bestehenden Vorschriften erforderlichen Maßnahmen in Vorschlag brachten.

Wir sind daher im Falle, die in Ihrem Geschäftsberichte gemachten und von der neuenburgischen Presse in tendenziöser Weise vor die Öffentlichkeit gezogenen Beschwerden und Anklagen gegen die Ausübung des Aufsichtsrechtes über das Eisenbahnwesen durch die Bundesbehörden und ihre Organe als unbegründet des entschiedensten zurückzuweisen.

Der Bericht des Eisenbahndepartements weist sodann zu den im Winter 1894/95 konstatierten Übertretungen des Arbeitsgesetzes, welche zu dem Verweise Anlaß gaben, für die Winterfahrplanperiode 1895/96 eine Reihe neuer solcher Fälle nach. Es beweist diese Wiederholung der gerügten Vorkommnisse, wie sehr wir im Rechte waren, als wir annahmen, es handle sich bei den früher konstatierten Widerhandlungen nicht um vereinzelte, durch besondere Umstände veranl'aßte, also ausnahmsweise
Abweichungen, wie Sie darzustellen suchten, sondern urn mangelhafte Anordnungen und ungenügende Vorsorge Ihrer Betriebsleitung, welcher daher für die vielen Übertretungen des Gesetzes die volle Verantwortlichkeit auffalle.

81 Lag schon im Hinblick auf die im Winter 1894/95 vorgekommenen zahlreichen Widerhandlungen gegen das Arbeitsgesetz der Schluß nahe, so kann nun nach der Wiederholung der gleichen Unregelmäßigkeiten im folgenden Winter vollends kein Zweifel darüber bestehen, daß der eigentliche Grund dafür nicht etwa in ungeeigneter Diensteinteilung, sondern hauptsächlich in dem ung e n ü g e n d e n P e r s o n a l b e s t a n d , namentlich des Traktionsdienstes, zu suchen ist, der nicht einmal bei n o r m a l e n Verhältnissen, geschweige denn bei Eintritt unvorhergesehener Umstände, wie Erkrankungen, Entlassungen, Verkehrsandrang, Betriebsstörungen etc. ausreicht. Wir mußten uns überzeugen, daß eine wirkliche Sanierung der Verhältnisse und die Durchführung einer den gesetzlichen Vorschriften über die Arbeitszeit und die Ruhetage der Angestellten in vollem Umfange genügenden Diensteinteilung einzig auf dem Wege der Personal Vermehrung zu erreichen ist. Wir fügen hier bei, daß es selbstverständlich nicht genügt, daß von seilen der Betriebsleitung den Dienstchefs, mag es auch in der kategorischsten Form geschehen, die genaue Befolgung der gesetzlichen Bestimmungen anbefohlen wird, wenn denselben nicht gleichzeitig auch die nötigen Mittel für die zur Erreichung dieses Zweckes erforderlichen Maßnahmen und Anordnungen zur Verfügung gestellt werden. Wir haben, von dieser Erwägung geleitet, schon anläßlich der Bewilligung von Ausnahmen für den diesjährigen Somtnerdienst Ihre Betriebsleitung eingeladen, das Lokomotivpersonal zu vermehren und müssen Sie an dieser Stelle mit allem Nachdruck auffordern, für ungesäumte Durchführung dieser Weisung besorgt zu sein.

Aus den Nachweisungen des Departements geht aber ferner hervor, daß nicht bloß in Bezug auf die Vollziehung des Arbeitsgesetzes, sondern auch in anderer Richtung die Verhältnisse bei Ihrem Betrieb viel zu wünschen übrig lassen und daß keine andere Unternehmung relativ in gleichem Maße wie die Ihrige die Kontrolle in Anspruch nimmt und ihr zum Einschreiten Veranlassung giebt.

Wir haben hierbei insbesondere den Unterhalt des Rollmaterials und die Besorgung des Traktionsdienstes, wie auch den Unterhalt der Bahn, speciell der Tunnels, im Auge. Auch in diesen Beziehungen bedurfte und bedarf es unausgesetzter Mahnung und nachhaltigsten Eingreifens der Aufsichtsbehörde
und ihrer Organe, um die Durchführung der unerläßlichsten Maßnahmen zur Sicherung des Betriebes zu veranlassen. Ihrer Betriebsleitung können wir den Vorwurf nicht ersparen, daß sie es in vielen Fällen am ernsten Willen fehlen läßt, den bestehenden gesetzlichen Vorschriften und den darauf sich stützenden Forderungen der Aufsichtsbehörde gewissenhaft nachzukommen, und daß ihr Verhalten vielfach als ein

82 trölerisches und ausweichendes bezeichnet werden muß. Das Verhalten uud die Auffassung der Leitung teilt sich aber naturgemäß nur zu leicht auch den ihr untergebenen Stellen mit, und wir müssen diesfalls mit Bedauern konstatieren, daß in einem Falle, anläßlich einer Kesseluntersuchung, der Kontrollbeamte des Departements über das Vorhandensein eines Defektes im Depot absichtlich getäuscht wurde.

Wir halten dafür, daß es unter allen diesen Umständen Ihrer Verwaltung schlecht anstand, über das Vorgehen der Kontrolle in der Weise, wie es in Ihrem Geschäftsberichte geschah, Beschwerde zu führen und sich als das Opfer burenukratischer Laune oder Willkür hinzustellen.

Der Bundesrat wird es mit der Kontrolle sehr begrüßen, wenn inskünftig der Betrieb Ihrer Unternehmung weniger Anlaß bieten wird, sich mit ihm befassen zu müssen, und wir können Ihnen zum Schlüsse nur den Wunsch aussprechen, Sie möchten zur Herbeiführung besserer Zustände das Nötige veranlassen."

Von diesem Schreiben hat der Bundesrat dem Staatsrat des Kantons Neuenburg wie folgt Kenntnis gegeben: ,,Indem wir Sie ersuchen, von diesem Schreiben, sowie von dem darin angerufenen, hier in Übersetzung ebenfalls beigelegten einläßlichen Berichte unseres Eisenbahndepartements, vom 7. September, zu Händen Ihres Kantons, als Eigentümer der Linie des Jura-Neuchatelois, Kenntnis zu nehmen, gestatten wir uns, damit das weitere nachdrückliche Ersuchen zu verbinden, es möchten auch von Seiten des Kantons Neuenburg, welcher in der genannten Eigenschaft für Erfüllung der konzessionsmäßigen und gesetzlichen Verpflichtungen mitverantwortlich ist (zu vgl. Bundesbeschluß betreffend Genehmigung des Betriebsvertrages, vom 12. Dezember 1885), die erforderlichen Schritte eingeleitet werden, um die Betriebsgesellschaft zur ungesäumten Abstellung der zahlreichen im genannten Berichte signalisierten Mängel und Übelstände zu veranlassen.

Was insbesondere die strikte Erfüllung der gesetzliehen Vorschriften betreffend Arbeitszeit und Ruhetage der Angestellten und die zur Erreichung dieses Zieles als unumgänglich bezeichnete Vermehrung des Personals anbetrifft, so gestatten wir uns, in Bestätigung der im Berichte des Departements ausgesprochenen Ansicht, auch unserseits zu betonen, daß im Falle der Unzulänglichkeit der Mittel der Betriebsgesellschaft es als rechtliche
und moralische Pflicht des Kaulons erscheint, eventuell mit seinen Mitteln ergänzend einzutreten, damit den Anforderungen des Verkehrs und der Sicherheit des Betriebes ohne ungesetzliche Überanstrengung und Ausnutzung des

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Personals genügt werden kann, und die Kontrolle nicht immer und immer wieder zum Einschreiten, Rügen, Erinnern und Rechargieren wegen der nämlichen Mißbrauche gezwungen ist. Dem fügen auch wir, wie es schon von seiten des Departements geschah, ausdrücklich bei, daß in der genannten Beziehung in Zukunft so wenig als bisher unbilliges oder unmögliches verlangt werden wird und soll, sondern Ausnahmen für besondere Fälle und Verhältnisse vorbehalten bleiben, soweit dies mit den bestehenden Vorschriften vereinbar erscheint. Nur müssen wir des bestimmtesten verlangen, daß dann in der vorgeschriebenen Weise und rechtzeitig um solche Erleichterungen, beziehungsweise Ausnahmebewilligungen eingekommen werde, und nicht, wie dies bis jetzt meistens zu geschehen pflegte, die Gesellschaft zunächst von sich aus nach Belieben verfahre und erst h i n t e r h e r die vorgekommenen Gesetzesübertretungen zu entschuldigen gesucht werden.

Wir gewärtigen seinerzeit gerne Ihre Mitteilung über die Maßnahmen und Anordnungen, zu welchen sich Ihr Kanton in dieser Angelegenheit veranlaßt sehen wird."

(Vom 2. Oktober 1896.)

Der Bundesrat hat den Rekurs des Herrn Dr. E u g s t e r in Altstätten gegen einen Entscheid der Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen, durch welchen das Begehren um Eintragung der Anstalt ^zum guten Hirten" in Altstätten in das Handelsregister abgewiesen wurde, gestützt auf folgende Erwägungen als unbegründet erklärt: Die Anstalt ,,zum guten Hirten" in Altstätten ist dazu bestimmt, verwahrloste Mädchen zu nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft heranzuziehen ; sie verfolgt also einen rein wohlthätigen und nicht einen Zweck des wirtschaftlichen Verkehrs.

Der Bezug von Kostgeldern und der Betrieb der Landwirtschaft haben für die Leiter der Anstalt keineswegs die Bedeutung eines Erwerbszweiges, noch weniger sind sie ein nach kaufmännischer Art betriebenes Gewerbe. Die Ausführung von Handarbeiten für auswärtige Fabrikanten qualifiziert sich nicht als ein nach Artikel 865 O.-R. eintragspflichtiges Gewerbe, da sie lediglich zum Zweck der Beschäftigung der Zöglinge erfolgt und ihr keine Erwerbsabsicht im kaufmännischen Sinne zu Grunde liegt.

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Die südafrikanische Republik hat ihren Beitritt zur Genfer Konvention vom Roten Kreuz erklärt.

Das allgemeine Bauprojekt für die Linien a. Bruggen-Heiligkreuz, 6. Bahnhof-St. Fiden, c. Abzweigung nach dem Depot der elektrischen Straßenbahnen von St. Gallen wird unter einigen Bedingungen genehmigt.

(Vom 6. Oktober 1896.)

Dem schweizerischen Konsul in Hamburg, Herrn Paul Eduard Nölting wird die nachgesuchte Entlassung unter Verdankung seiner langjährigen guten Dienste auf Ende dieses Jahres erteilt.

"Wahlen.

(Vom 2. Oktober 1896.)

Militärdepartement.

Obermechaniker im Fort Savatan : Herr Capt, Charles, Feldweibel, zur Zeit Unteroffizier des Materiellen im Fort Savatan.

Unteroffizier des Materiellen : ,, Laurent, Emil, Fourier, Sicherheitswächter der Befestigungen von St. Maurice.

Finanz- und Zolldepartement.

Zollverwaltung.

Zollgehülfen :

Herr Müller, Albert, von Beringen.

,, Schmid, Emil, von Eglisau.

,, Willener, Emil, von Huttwyl.

85 Post- und Eisenbahndepartement.

Postverwaltung.

Kreispostcontroleur in Aarau:

Herr Fischer, Adolf, von und in Aarau.

Telegraphenverwaltung.

Telegraphist und Telephonist in Murten : Herr Zürcher, Emil, von Trüb.

Telegraphist in Astano (Tessin) : ,, Zanetti, Palmira, von und in Astano.

(Vom 6. Oktober 1896.)

Militär département.

FortverwalterinAndermatt: Herr Oberlieutenant Alexis Robert, zur Zeit Portverwalter in Airolo.

Kriegsdepotverwalter in St. Gallen: ,, Infanteriehauptmann F. Bruggmann in St. Gallen.

Finanz- und Zolldepartement.

Zollverwaltung.

Einnehmer des Nebenzollamtes in Seseglio: Herr Giulio Raimondi, von Pedrinate.

Post- und Eisenbahndepartement.

Postverwaltung.

Poatcommis in Basel: Herr Friedrich Döbeli, von Seon.

Posthalter in Wolfhalden: ,, August Tobler, von Lutzenberg.

Telegraphenverwaltung.

Telegraphist und Telephonchef in St. Immer: Herr Ernst Held, von Rüegsau.

Bandesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

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07.10.1896

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