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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des Xaver Brunner und Mithafte in Rain für sich und namens des dortigen liberalen Komitees, betreffend die Gemeinderats- und Betreibungsbeamtenwahlen der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni 1895.

(Vom 26. März 1896.)

Der schweizerische Bundesrat hat über den Rekurs des Xaver Brunner und Mithafte in Rain für sich und namens des dortigen liberalen Komitees gegen die Schlußnahmen der Regierung des Kantons Luzern vom 31. Mai, 1., 7.

und 12. Juni 1895, betreffend die Gemeinderats- und Betreibungsbeamtenwahlen der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni 1895, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Auf Sonntag den 2. Juni 1895 waren in der luzernischen Gemeinde Rain die Heuwahlen der 3 Mitglieder und des Ersatzmannes des Gemeinderates, des Gemeinderatspräsidenten, des Gemeindeammanns, des Waisenvogtes, des Verwalters, des Betreibungsbeamten und des Stellvertreters des letzteren angeordnet.

839 Die Mehrheit des Wahlbureaus stellte folgendes Resultat fest: Gültige Stimmzettel 230 Absolutes Mehr 116 Stimmen erhielten : 1. Als Mitglieder des Gemeinderates: Kaspar Widmer, Otigen (konservativ) . 116 Jos. Rüttimann, Richter (liberal) . . . 115 X.*Bühlmann, Präsident (konservativ). . 114 Job. Wolfisberg, Waisenvogt (konservativ) 114Heinrich Gürber (liberal) 113 Josef Georg Jost, Löhli (konservativ) . . 110 2. Als Ersatzmann des Gemeinderates: Nikiaus Dahli (konservativ) 116 Job. Oswald Kleewald (liberal). . . . 113 3. Als Gemeinderatspräsident: Jos. Rüttimann, Richter 114 Xav. Bühlmann, Präsident 113 4. Als Gemeindeammann: Jos. Rüttimann, Richter 114 Xav. Bühlmann 113 5. Als Waisenvogt : Joh. Wolflsberg 113 Joh. Georg Jost, Löhli 110 6. Als Verwalter: Kaspar Widmer 116 Heinrich Gürber 114 7. Als Betreibungsbeamter: Xaver Bühlmann 116 Joh. Kaspar Brunner 112 8. Als Vertreter des Betreibungsbeamten : Jos. Estermann, Gundoldingen . . . . 116 Joh. Oswald Kleewald 112 und erklärte als gewählt die sub Ziffer l, 2, 6, 7 und 8 Erstgenannten.

In der Fortsetzungawahl vom 9. Juni 1895 ergab sich sodann bei 233 gültigen Wahlzetteln und einem absoluten Mehr von 117 folgendes Stimmenverhältnis :

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1. Als Mitglieder des Gemeinderates: Xaver Bühlmann 119 J. Rüttimann, Richter 116 Joh. Wolfisberg 115 Heinrich Gürber 115 2. Als Gemeinderatspräsident : Xav. Bühlmann 117 Jos. RUttimanu 115 3. Als Gemeindeammann : * ·Xaver Buhlmann 117 Jos. Rüttimann 115 4. Als Waisenvogt: Joh. Wolüsberg 116 Heinrich Gürber 114 worauf vom Wahlbureau die sub l, 2 und 3 Erstgenannten ebenfalls als gewählt erklärt wurden.

Der Regierungsrat des Kantons Luzeru hat sodann unterm 12. Juli 1895 auch die Wahl des Josef Rüttimann zum Mitglied des Gemeinderates als im I. Wahlgang zu stände gekommen erklärt und denselben als zum Waisenvogt von Raiu gewählt erklärt.

n.

Die Richtigkeit und Gültigkeit obiger Wahlen werden vom liberalen Komitee in Rain, vertreten durch Fürsprecher Dr. Weibel in Luzern, angefochten, sowohl mit Bezug auf die Führung des Stimmregisters, als auf die Wahlverhandlung selbst.

Mit Schriftsatz vom 16. Juli 1895 hat das genannte Komitee beim Bundesrat das Begehren gestellt, es seien die Bürger Bernhard Müller, Jakob Baumli, Johann Eggerschwyler und J. X. Meyer für die Wahl vom 2. Juni auf das Stimmregister aufzutragen; e» seien im fernem die Wahlen der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni bezüglich Gemeinderat und Betreibungsamt als ungültig aufzuheben, und es sei endlich bis zum Entscheid die Einsetzung der als gewählt Erklärten zu sistieren.

Hierauf hat der Bundesrat unterm 19. Juli sowohl dem Regierungsrat von Luzern, als den Rekurrenten mitgeteilt, daß er davon absehe, gemäß dem Begehren der letztem, den von der Regierung als gewählt anerkannten Beamten die Ausübung der einschlägigen Funktionen während der Dauer des Rekursstreites zu untersagen, dagegen die Amtsführung derselben während dieser

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Zeit als eine bloß provisorische betrachte und sictrselbstverständlich vorbehalte, das von der Regierung auerkannte Wahlergebnis, je nach Befinden, als nichtig zu erklären.

III.

Das liberale Komitee von Rain beschwert sich : 1. Über einzelne Entscheidungen der Regierung betreffend Streichungen oder Nichtauftragungen im S t i m m r e g i s t e r von Rain für die in Frage stehenden Wahlen.

Diese Entscheidungen betreffen : a. J a k o b F e l d e r . Mit Beschluß vom 31.. Mai 1895 hat die Regierung dessen Streichung vom Stimmregister verfügt, weil er laut Bescheinigung der Amtskanzlei von Hochdorf wegen Fundunterschlagung im Aktivbürgerreeht eingestellt sei.

Hiergegen machen die Rekurrenten in einem Nachtrag vom 28. Juli geltend, daß Felder allerdings abwandlungsweise nach Art. 43 der luzernischen Strafprozeßordnung wegen Fundunterschlagung verurteilt worden sei, daß er aber gegen eine Abwandlung beim Bundesgericht Beschwerde geführt habe und somit nicht rechtskräftig verurteilt sei.

b. los. X. M e y e r . Das Stimmrecht wurde demselben vom Gemeinderat Rain bestritten, weil er am 14. April 1895, um die Gemeinde Rain zu verlassen und in Eschenbach in einen Dienst zu treten, seinen in Rain deponierten Heimatschein erhoben, somit nicht den dreimonatlichen regulierten Wohnsitz habe. Die Regierung hat diese Ansicht des Gemeinderates mit Schlußnahme vom 31. Mai geschützt, weil das Requisit des ununterbrochenen dreimonatlichen Wohnsitzes strikte gefordert werden müsse, um allen Mißbräuchen in der Ausübung des Stimmrechtes vorzubeugen.

Vom liberalen Komitee wird nun behauptet, Jos. X. Meyer sei gar nicht von Rain fortgezogen, er habe am 15. April sein Heimatzeugnis wieder auf der Gemeindekanzlei Rain deponieren wollen, der Gemeindeschreiber Frey habe indessen die Annahme verweigert.

c. B e r n h a r d M ü l l e r . Die Regierung hat die Auftragung dieses Bürgers auf das Stimmregister von Rain mit Schlußnahmen vom 3. und 31. Mai verweigert, in der Annahme, daß derselbe seinen Wohnsitz bei seiner Familie in Emmen habe.

Die Rekurrenten verweisen diesfalls auf den von Bernhard Müller für sich an den Bundesrat gerichteten Rekurs. (Dieser ist am 18. Juli 1895 vom Bundesrat gutgeheißen worden.)

842 d. J a k o b B a u m l i ist gemäß Beschluß der Regierung vom 31. Mai nicht auf das Stimmregister von Rain aufgetragen worden -- trotz Vorweisung eines vom Gemeinderat seines Heimatortes Römerswyl vorn 25. Mai 1895 ausgestellten Stimmfähigkeitszeugnisses --, weil er Verlustscheine auf sich habe ausstellen lassen.

Nach Angabe der Rekurrenten sollen jedoch sämtliche Verlustscheine auf Baumli zu nützlicher Zeit getilgt gewesen sein.

e. J o h a n n E g g e r s c h w y l e r . Durch den Beschluß der Regierung vom 31. Mai ist die Nichtauftragung dieses Bürgers verfügt worden, weil er laut Erklärung des Gemeinderates keinen Heimatschein deponiert hatte und somit eine gesetzliche Regulierung des Wohnsitzes nicht erfolgt sei.

Das liberale Komitee erhebt hiergegen folgende Einwendungen : Eggerschwyler, der Familienvater ist, hat einen Heimatschein, der aber nur auf ihn als ledig lautete, eingelegt. Der Gemeindeschreiber nahm denselben an und sandte ihn am 7. März zur Ergänzung auf die Familie nach Ballwyl, dem Heimatorte Eggerschwylers. Hierauf ist Eggerschwyler vom Gemeinderat aus dem Stimmregister gestrichen worden, weil er den Wohnsitz nicht 3 Monate gesetzlich reguliert habe. In einem analogen Falle (Martin Kottrnann in Pfäffikon) wurde durch die Regierung entschieden, Kottmann sei trotzdem stimmberechtigt, indem er, was an ihm lag, gethan habe.

f. J a k o b K o c h von Romoos ist im Stimmregister von Rain aufgetragen und hat gestimmt. Die Bureauminderheit hat schon am 2. Juni gegen die Stimmabgabe dieses Bürgers protestiert und dessen Streichung verlangt, weil ein Jakob Koch gar nicht existiere und das betreffende Individuum Jakob Steiner heiße.

2. Über die Wahlverhandlungen selbst und die Stellungaahme der Regierung mit Bezug auf dieselben.

Entgegen der Proklamation der Bureaumehrheit hatte die Bureauminderheit im I. Wahlgang vom 2. Juni verlangt, daß das absolute Mehr auf 115 (statt 116) festgesetzt und Richter Rüttimann als mit 115 Stimmen zum zweiten Mitglied des Gemeinderates gewählt erklärt werde, indem ein Wahlzettel mit dem Namen ,,Heinrich Gürbera, welch letzterer in der unrichtigen Rubrik gestanden sei, als ungültig hätte erklärt werden sollen. Die Regierung hat das unterm 6. Juni von der Minderheit eingereichte bezügliche Begehren abgewiesen, weil es ihr ohne zwingende GrUnde nicht
zustehe, vor Vollendung der Wahlverhandlung Beschlüsse des Wahlbureaus aufzuheben oder abzuändern.

Nachdem am 9. Juni wiederum nur l Mitglied des Gemeinderates aus der Wahl hervorgegangen, ist vom Bureau, im Glauben,

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die Wahlen seien nicht vollendet, auf den 16. Juni ein III. Wahlgang eröffnet worden.

Anderseits wurde durch X. Brunner in Rain bei der Regierung die Kassation der zwei ersten Wahlgänge verlangt, weil das Stimmregister nicht gehörig bereinigt, das Resultat vom 2. Juni nicht richtig erwahrt und der II. Wahlgang unrichtig publiziert worden sei.

Am 12. Juni hat aber die Regierung die Wahlen als vollendet, den Josef Rilttimann als 3. Mitglied des Gemeinderates gewählt erklärt und letzteren zum Waisenvogt ernannt, wofür er am 9. Juni nur eine Stimme erhalten hatte.

Die Rekurrenten finden es sonderbar, daß die Regierung jetzt nach dem II. Wahlgang vor Vollendung der Wahlen die Beschlüsse des Bureaus aufzuheben sich befugt erachten und den II. Wahlgang als gültig erklären konnte, trotzdem letzterer für zwei Gemeinderatsmitglieder angeordnet war, statt nur für eines, und daß sie selber einen Waisenvogt wählte, der von keiner Partei vorgeschlagen war.

Im fernem machen die Rekurrenten darauf aufmerksam, daß bei dem Unterschiede von l--2 Stimmen zwischen den Kandidaten der beiden Parteien das Resultat durch die Teilnahme der liberalen Bürger, die um ihr Stimmrecht verkürzt worden seien, eine namhafte Änderung hätte erfahren müssen.

Rain wird als eine politische Schicksalsgemeinde bezeichnet, auf welche die ultramontanen Magnaten ringsum seit Jahren drückten.

Diese Gemeinde ultramontan zu machen, sei mit allerlei künstlichen Mitteln versucht worden; man habe geradezu Wähler auf- und abgetrieben.

So soll auch auf die letzten Wahlen hin ein Jakob Burkard in der Rüti bei Rain einem dortigen Bürger ein Darlehen von Fr. 200 angeboten haben, mit der Klausel, es werde die ganze Summe sofort geschenkt, wenn der Unterzeichner des Scheins da» gegebene Wort halte und bei der künftigen Wahl nach dem Willen des Burkard stimme.

Das Dokument, in Nr. 142 des ,,Luzerner Tagblatt" vom 19. Juni 1895 abgedruckt, stehe auf Wunsch im Original zur Verfügung.

IV.

Der Regierungsrat des Kantons Luzern sieht sich in seiner Vernehmlassung vom 30. August 1895 in erster Linie veranlaßt, die Behauptung der Rekurrenten, es sei die Gemeinde Rain immer liberal gewesen, richtig zu stellen, indem er die Resultate aus dieser

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Gemeinde Ober eine Reihe von Wahlen und Abstimmungen seit 1887 aufführt, wonach die liberalen Stimmen jeweilen um 5 bis sogar um 27 hinter den konservativen zurückgeblieben sind. Aus diesen Angaben könnte entnommen werden, daß der von den Rainer Liberalen erhobene Vorwurf der Vergewaltigung unbegründet sei.

Von Bestechungsversuchen, die keinen Erfolg hatten und darum das Ergebnis der Wahl auch nicht beeinflussen konnten, ist der Regierung nichts bekannt. Der Bundesbehörde gegenüber sei diesfalls ein ordentlicher Beweis nicht einmal versucht worden.

Auf die angefochtenen Stimmrechtsentscheide übergehend, macht die Regierung folgende Anbringen : a. J a k o b F e l d e r . ,,Eine Auftragung dieses Bürgers auf das Stimmregister von Rain wurde nie verlangt. Der Name begegnet uns heute zum erstenmal; es wurde uns nie Gelegenheit gegeben zur Entscheidung, ob Felder stimmberechtigt sei oder nicht.tt Ob derselbe durch Annahme eines Antrages des Strafrichters wegen Fundunterschlagung mit Recht oder Unrecht im Aktivbürgerrecht eingestellt worden sei, hat die Regierung nicht zu untersuchen, und ebensowenig fällt der Entscheid hierüber in die Kompetenz des Bundesrates. In einer Bescheinigung vom 24. Juli 1895 erklärt übrigens Jakob Felder, daß er für die konservative Liste gestimmt hätte, wenn er auf dem Stimmregister gestanden wäre.

b. Jos. X. M e y e r . ,,Von Bedeutung bei dieser ganzen Geschichte ist nur, daß Meyer seine Schriften behufs Wegzug aus der Gemeinde in förmlichster Weise zurückzog. Damit hat er den Wohnsitz in der Gemeinde Rain unterbrochen und gehörte daher am 2. Juni nicht mehr auf das dortige Stimmregister. An dem Grundsatz, daß der Rückzug des Heimatscheines den Wohnsitz in einer Gemeinde unterbreche, muß festgehalten werden, wenn man nicht einen eigentlichen Stimmenhandel züchten will."

c. B e r n h a r d M ü l l e r . fl Der Bundesrat hat infolge seines Entscheides vom 18. Juli abbin an uns die Einladung erlassen, die Einschreibung des Bernhard Müller in das Stimmregister der Gemeinde Rain zu veranlassen. Damit ist nun allerdings die Frage, ob Bernhard Müller in Zukunft in Rain stimmberechtigt sei, entschieden. Etwas anderes ist es aber, ob der Umstand, daß Müller am 2. und 9. Juni sein Stimmrecht nicht ausüben konnte, einen Kassationsgrund bilde.

,,Es besteht hierorts eine konstante
Praxis (vergi, unsere Vernehmlassung auf den Rekurs Vonesch und Konsorten betreffend die Gemeinderatswahlen in Zeli, wo wir die Sache weitläufig ausgeführt und durch eine Reihe von Entscheiden belegt haben), daß

845 auf Kassationsbegehren gegen Wahlen nicht eingetreten wird, wenn als Kassationsgrund bloß geltend gemacht wird, es seien nicht sämtliche stimmberechtigten Bürger auf dem Stimmregister gestanden, s o f e r n d i e s e r M a n g e l n i c h t s c h o n v o r d e r W a h l g e r ü g t w u r d e . Es ist diese Praxis eine durchaus notwendige, indem wohl kaum eine Wahl sich finden würde, deren Kassation am Ende gestutzt auf eine derartige Unvollständigkeit des Stimmregisters nicht verlangt werden könnte.

,,In analoger Weise müssen wir diesen Grundsatz da anwenden, wo die Auftragung eines Bürgers auf das Stimmregister zwar vor der Wahl verlangt wird, wo aber der Betretfende den Nachweis für seine Stimmberechtigung erst n a c h der Wahl leistet.

,,Eine gegenteilige Praxis würde, wie sich ohne weiteres ergiebt, zu ganz unleidlichen Konsequenzen führen.

,,Wir kommen daher bezüglich der Person des Bernhard Müller zum Schlüsse, derselbe habe allerdings für die Zukunft auf dem Stimmregister der Gemeinde Rain zu stehen. Dagegen können die ,,Wahlen vom 2. und 9. Juni nicht deswegen ungültig erklärt werden, weil es sich nachträglich herausstellte, daß Müller hierbei stimmberechtigt gewesen wäre."

d. J a k o b B a u m l i . Die Regierung verweist diesfalls auf die bei den Akten liegenden Verlustscheine zu gunsten von Hünerwadel & Cie. in Borgen und Geschäftsbureau Halter in Eschenbach und fügt bei: ,,Gemäß § 4, letzter Absatz, des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen erfolgt die Wiedereinsetzung eines Schuldners, der leere Pfandscheine ausgestellt hat, ins Stimmrecht durch den A u s w e i s über die Befriedigung der Gläubiger. Die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Ausweise sind durch den Betreibungsbeamten zu beglaubigen.

,,Gesetzt also, Baumli hätte unterm 2. Juni seine Gläubiger befriedigt gehabt, was, wie die Belege zeigen, nicht der Fall ist, so wäre damals doch ein Ausweis nicht geleistet gewesen, indem die Quittungen erst vom 21. Juni, 1. und 12. Juli datiert sind.

Baumli durfte daher laut gesetzlicher Bestimmung auf das Stimmregister vom 2. Juni nicht aufgetragen werden.tt e. J. E g g e r s c h w y l e r . ,,Die Auftragung des Eggerschvvyler auf das Stimmregister wurde verweigert, weil derselbe nie einen gültigen Heimatschein deponiert hatte, sodann, weil derselbe den eingelegten ungültigen Heimatschein unterm 7. März zurückzog und seither überhaupt keine Ausweisschriften mehr einlegte.

Bundesblatt. 48. Jahrg. Bd. U.

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,,Unser Gesetz über Wahlen und Abstimmungen hat bezüglich Schriftenregulierung scharfe Bestimmungen aufgestellt. Die Deposition von gültigen Ausweisschriften drei Monate vor der Wahl, die gesetzliche Regulierung des Wohnsitzes, ist die conditio sine qua non der Stimmberechtigung außerhalb der Heimatgemeinde. Es erhellt hieraus, daß der Begriff des gesetzlich regulierten Wohnsitzes, wie ihn unser Gesetz aufstellt, ein viel engerer ist, als der Begriff Wohnsitz im gemeinrechtlichen Sinne.

,,An dem Kequisit der gehörigen Schriftendeposition läßt sich nun einmal nicht markten. Bei Beratung des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen wurde ausdrücklich betont, daß man ein Hauptgewicht auf die äußerlichen Formalitäten der Schriftendeposition und Enthebung lege, weil nur dadurch unleidliche Zustände einigermaßen vermieden werden können.

,,Das Präjudiz Kottmann, auf welches die Beschwerdeführer sich berufen, trifft hier nicht zu. Dort hatte eine rechtzeitige Schriftenregulierung stattgefunden. Nur waren die Ausweisschriften irrtümlich beim Gemeindeammann statt bei der Gemeinderatskanzlei deponiert worden. tt f. J a k o b K o c h von R o m o o s . ,,Derselbe ist außerehelich geboren, und da ist freilich die Möglichkeit gegeben, daß er den Namen der Mutler ,,Steiner" zu führen hätte. Das zu untersuchen, ist indes nicht unsere Sache. Maßgebend im vorliegenden Falle ist nur, daß Koch bisher diesen Namen führte, daß derselbe das Requisit der Stimmberechtigung in der Gemeinde Rain besitzt und daß über die Identität der Person kein Zweifel walten kann."

Bezüglich der Art und Weise, wie die Wahlen vor sieh gegangen und wie sie genehmigt worden sind, führt die Regierung folgendes an : ,,Am 2. Juni erklärten die konservativen Mitglieder des Wahlbureaus, es sei nur eine Wahl zu stände gekommen. Dagegen behaupteten die liberalen Mitglieder, es sei neben Verwalter Widmer auch Richter Rüttimann gewählt.

,,Der Regierungsrat trat auf das in letzterem Sinne an ihn gestellte Gesuch materiell zur Zeit nicht ein, von der Ansicht ausgehend, daß eine Prüfung der Frage, wer gewählt sei, erst dann zweckmäßig sei, wenn das Wahlgeschäft vollendet erklärt werden könne.

,,Am 9. Juni kamen alle übrigen Wahlen zu stände mit Ausnahme einer einzigen. Jetzt mußte natürlich die Frage, ob Rutti mann gewählt sei, materiell entschieden werden, indem, wenn dies der Fall war, die Wahlen als vollendet erklärt werden konnten.

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Eine weitere Fortsetzungswahl war in diesem Falle unnötig. Es wurde unterm 12. Juni dem Begehren des Xaver Brunner, den Rüttimann als gewählt zu erklären, entsprochen.

,,Es ist nun höchst sonderbar, daß die Rekurrenten in diesem Vorgehen einen Kassationsgrund finden wollen, nachdem sie dasselbe selbst verlangt haben. Es soll ein Widerspruch darin liegen, daß hierorts nach dem II. Wahlgang Rüttimann als gewählt erklärt wurde, während nach dem 2. Juni eine Fortsetzungswahl angeordnet worden sei.

,,In Wirklichkeit liegt ein solcher Widerspruch nicht vor.

Man wollte hierorts auf die Prüfung der Frage, ob Rüttimann im I. Wahlgang gewählt sei, materiell nicht eintreten und verschob dies, bis das Wahlgeschäft ganz zu Ende geführt sei. Nach dem Wahlgang vom 9. Juni war dies der Fall ; die Wahl war vollendet, sofern Rüttimann im I. Wahlgang wirklich das absolute Mehr erhalten hatte. Die Genehmigung dieser Wahl nach dem 9. Juni war demnach ganz in der Ordnung.

,,Selbst wenn aber auch ein Widerspruch vorläge, so könnte dies keinen Kassationsgrund bilden, indem dieser Punkt hierorts innert nützlicher Frist nicht geltend gemacht und demnach von uns auch kein Entscheid in dieser Beziehung erlassen wurde. Wenn die Rekurrenten glauben, es laufe die Kassationsfrist nicht, bis das Bureau die Wahl vollendet erklärt habe, so sind sie im Irrtum.

Die Wahl ist hierorts unterm 12. Juni vollendet erklärt worden, und von da an läuft auch die Kassationsfrist.* Die Regierung kommt in allen Punkten zum Antrag auf Abweisung der Begehren der Beschwerdeführer.

V.

Durch eine Anzahl bei den Akten liegender Beschlüsse, Erklärungen, Bescheinigungen und Zeugnisse von Behörden, Beamten und Privaten sind die Ausführungen der Parteien mit Bezug auf die angeblich um ihr Stimmrecht verkürzten beziehungsweise rechtswidrig zur Stimmabgabe zugelassenen Bürger folgendermaßen ergänzt worden: a. J a k o b F e l d e r . Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat unterm 31. Mai 1895 in Sachen des Rekurses des Jakob Burkart in Rain vom 28. gleichen Monats verfügt, es seien vom Stimmregister von Rain abzutragen : Anton und Jakob Kauffmann, Xaver Himmelrich, J a k o b F e l d e r und August Affentranger. Die Aussagen der Regierung (siehe Seite 844 hiervor) stimmen mit dieser Thatsache nicht überein.

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b. J o s e f X. M e y e r befand sich am 14. April 1895, nachmittags, in der Wirtschaft ,,St. Josef* in Rain und soll dort seine Unzufriedenheit über Kost und Behandlung bei seinem Dienstherrn Alois Käppeli im Scheid bei Rain geäußert haben. Der ebenfalls anwesende Verwalter Kaspar Widmer in Otigen hatte zufällig von Jos. Lang in der Halden bei Esehenbach Auftrag, ihm für einen Landarbeiter zii sorgen. Sofort wurde Mayer für Laug engagiert und ihm Fr. 15 Handgeld gegeben. Ohne zu Käppeli zurückzukehren, begab sich Meyer noch am selben Nachmittag zu Gemeindeschreiber Cand. Frey, welcher ihm gegen Ausstellung einer Bescheinigung, daß er von Rain fortziehen wolle und den Schriftenempfangschein verloren habe, den Heimatschein aushändigte. Die folgende Nacht brachte Meyer bei den Gebrüdern Widmer in Niederotigen zu. Als tags darauf (15. April) Widmer mit Meyer zu Käppeli fuhr, um Meyers Effekten abzuholen, blieb dieser bei Käppeli zurück und ließ den Widmer allein zurückfahren. Widmer behauptet nun, Käppeli habe den Meyer mit Gewalt zurückbehalten, während Käppeli und Meyer dies bestreiten. Nach Aussage des Gemeinderates von Rain ist Meyer ein geistig sehr beschränkter Mann. Am 14. April unterzeichnete er dem Gemeindeschreiber Frey eine Bescheinigung, wonach er den Schriftenempfangschein verloren hätte, und in einer Erklärung vom 24. September bezeugt er, er habe diesen Schein nie verloren gehabt und habe überhaupt nie beabsichtigt, von Käppeli fortzugehen. Man habe ihn einfach ,,wegbuxierena wollen.

Der Schriftenempfangschein des Meyer befindet sich bei den Akten. Derselbe ist am 20. Mai 1895 mit ändern Beilagen zum Stimmrechtsrekurs Meyer bei der Regierung von Luzern eingelegt worden.

Der Gemeindeschreiber Cand. Frey in Rain bestreitet, daß Meyer am 15. April seinen Heimatschein wieder auf der Gemeindekanzlei habe deponieren wollen. Am 16. April allerdings seien vier liberale Rainer Bürger bei ihm erschienen und haben Annullierung des Schriftenrückzuges des Meyer und Einlage des Heimatzeugnisses desselben unter der früheren Nummer und Datum verlangt. Diesem Begehren sei aber nicht entsprochen worden.

e. B e r n h a r d M ü l l e r . Über die Frage des Wohnsitzes und des Stimmrechts dieses Bürgers hat der Bundesrat in einem besondern Rekursentscheid vom 18. J u l i 1895 erkannt, ,,es sei durch die
am 7. Juni 1895 von selten der Rekurrentschaft erfolgte Einlegung der der Kantonsregierung am 8. Juni zur Einsichtnahme übermittelten Bescheinigung des Gemeinderates von Emmen vom 4. Juni 1895, betreffend die Abmeldung des Bernhard Müller vom

849 Januar 1895, zu gunsten der Annahme des Wohnsitzes in Rain entschieden und es könne der entgegenstehende Regierungsbeschluß vom 3. Mai 1895, für den sich zur Zeit seiner Fassung gute Gründe anführen ließen, nun nicht mehr aufrecht erhalten werden".

d. J a k o b B a u m l i . Der Gemeinderatspräsident von Römerswyl hat unterm 31. Mai das für Baumli ausgestellte Stimmfähigkeitszeugnis ,,als verfrüht" 1 zurückgezogen, weil ihm zufolge einer Bescheinigung des Betreibungsbeamten von Rain der Ausweis über die Tilgung der Verlustscheine nicht als vollständig erbracht erschien. Der Gemeinderat bestätigte diese Verfügung seines Präsidenten noch am 23. Juni 1895.

Gegen Baumli hat das Betreibungsamt Rain folgende hier in Betracht fallende Verlustscheine ausgestellt: 1. am 1. Oktober 1894 ad Betreibung Nr. 61 des Geschäftsbureaus Halter in Eschenbach namens Jost Müller, Zimmermann, in Hochdorf für Fr. 49. 80; 2. am 20. Dezember 1894 ad Betreibung Nr. 237 des Geschäftsbureaus Huber & Ineichen in Luzern namens Hünerwadel & Cie.

in Horgen für Fr. 125. 95.

Baumli hat den Gläubiger Müller befriedigt, ohne daß, wie es scheint, das Geschäftsbureau Halter davon verständigt worden ist.

Am 24. Mai deponierte er für die Forderung Halter samt Kosten beim Gemeindeammann von Rain Fr. 55, indem er gleichzeitig die Forderung bestritt. Auf Verlangen deponierte er unterm 21. Juni noch weitere Fr. 3, weil das erste Depositum angeblich nicht genügte.

Hünerwadel & Cie. telegraphierten am 25. Mai an Baumli, daß sie gegen ihn keine Betreibung angehoben haben, und am 28. gleichen Monats erfolgte durch das Geschäftsbureau Huber & Ineichen der förmliche Rückzug der Betreibung Nr. 237.

Der erste Verlustschein ist von Halter unterm 1. Juli 1895, der zweite von Hünerwadel & Cie. atn 11. Juli 1895 quittiert worden.

e. J o h a n n E g g e r s c h w y l e r . In einem Bericht an das luzernische Justizdepartement vom 15. Juli 1895 erklärt der Amtsgehülfe Schmid in Hochdorf, er habe bei *Nachschlagung der Kontrolle in Rain gefunden, daß Eggerschwyler am 7. Januar 1895 wirklich einen auf ihn lautenden Heimatschein eingelegt habe. Dieser Schein sei am 8. März wieder enthoben und bis zum heutigen Tage nicht mehr abgegeben worden.

Anderseits ergiebt sich aus einer Aufforderung des Gemeindeschreibers Frey in Rain an Eggerschwyler zur Schrifteneinlage,

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vom 26. November 1895, daß er (Frey) den Heimatschein vor bereits fünf Monaten (?) dem Gemeinderat Ballwyl zur Erneuerung zugesandt, denselben aber nie zurückerhalten hat.

In Ballwyl will weder der Gemeinderatspräsident noch der Gemeindeschreiber über den Verbleib des Heimatscheines Eggerachwylers etwas wissen.

f. J a k o b K o c h . Die Regierung hat nach Einsicht eines Dienstbüchleins, eines Heimatscheines und eines Stimmfähigkeitszeugnibses, alles lautend auf .,,Jakob Koch, Sohn des Franz und der Maria Steiner, von Romeos", gefunden, es stehe dieser Mann mit seinem richtigen Namen auf dem Stimmregister.

Von Meyer, Bau m li und Müller liegt eine Erklärung vor, daß sie der freisinnigen Liste gestimmt hätten, wenn sie zur Stimmabgabe zugelassen worden wären.

Felder dagegen zur konservativen.

Eggerschwyler scheint sich nicht erklärt zu haben.

VI.

Aus der Replik der Rekurrenten vom 9. November, ergänzt am 3., 17. und 29. Dezember 1895, und der Duplik der Luzerner Regierung ohne Datum, ergänzt am 9. Dezember 1895, im Januar und am 11. Februar 1896, ist hervorzuheben: a. J a k o b F e l d e r . Sowohl die Rekurrenten als auch die Regierung halten an ihren bisherigen Ausführungen fest.

ö. Jos. X. M e y e r . Die RekurrL-nten konstatieren, daß Meyer thatsächlich nie von Rain fortgezogen ist und daß er den Schriftenempfangschein stets in Händen gehabt hat. ,,Wer den Schriftenempfangschein besitzt, der hat seinen Wohnsitz reguliert"1, hat es im Großen Rate geheißen.

Die Regierung erwidert: Meyer hat erklärt, daß er von Rain fortziehen wolle, daß er die Schriften zurückverlange und daß er den Schriftenempfangschein verloren habe. Der Heimatschein wurde ihm gegeben; er hat ihn angenommen und damit sein gesetzlich reguliertes Domizil in Rain unterbrochen. ,,Was gesetzlich reguliertes Domizil" ist, wie dasselbe unterbrochen wird, das bestimmt sich nach dem Gesetz über das Niederlassungswesen. Die Kognition über die richtige Anwendung dieser Gesetzes-, nicht Verfassnngsbestimmungen, steht nicht dem Bundesrate zu.

851 e. B e r n h a r d M ü l l e r . Nach der· Ansicht der Rekurrenten hätte Müller für alle Wahlen des Jahres 1895 auf das Stimmregister von Rain gehört, da er seinen Ausweis am 28. Januar geleistet habe, und da er nicht aufgetragen wurde, seien diese Wahlen zu kassieren.

Die Regierung bezeichnet es als unwahr, daß Müller sich über seine Stimmberechtigung in Rain schon den Eantonsbehörden gegenüber ausgewiesen habe. Das entscheidende Aktenstück ist erst dem Bundesrate vorgelegt worden und auch dort erst mit der Replik.

Der Bundesrat hat dies in seinem Entscheide selbst anerkannt und dem Rekurrenten wegen seines unlegalen Vorgehens einen Verweis erteilt.

d. J a k o b B a u m l i . Die Rekurrenten finden, Baumli habe sich am 25. Mai über die Bezahlung der zwei einzigen beanstandeten Posten Halter und Hünerwadel hinlänglich ausgewiesen, weshalb ihm auch vom Gemeinderat von Römerswyl unter genanntem Tage ein Stimmfähigkeitszeugnis ausgestellt worden ist.

Dem Gemeinderatspräsidenten von Römerswyl wird die Kompetenz bestritten, dieses von der Behörde als solcher ausgestellte Zeugnis von sich aus zu annullieren.

Die Regierung hat die Angelegenheit Baumli speciell durch den Amtsgehülfeu von Hochdorf untersuchen lassen. Diesem hat Geschäftsagent Halter in Eschenbach noch am 9. J u n i erklärt, daß er für seine Forderung noch nicht ganz befriedigt und daß der Verlustschein noch nicht getilgt sei. Baumli hatte beim Betreibungsamt Rain zu spät und zu wenig deponiert.

Der durch den Amtsgehülfen vorgenommenen Untersuchung wird von den Rekurrenten die Beweiskraft aberkannt, weil Baumli nicht einvernommen worden sei.

Bndlich macht die Regierung nochmals auf § 4, letzter Absatz, des luzernischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen aufmerksam, wonach die Wiedereinsetzung eines Schuldners in das Stimmrecht u. a. durch den Ausweis über die Befriedigung der Gläubiger erfolgt und wonach dieser Ausweis durch den Betreibungsbeamten zu beglaubigen ist.

Daß nun Baumli einen solchen beglaubigten Ausweis geleistet hätte, wird selbst von den Rekurrenten nicht behauptet. Es fehlten somit sowohl in formeller als auch in materieller Beziehung die Voraussetzungen für Wiedereinsetzung -des Baumli ins Stimmrecht.

e. J. E g g e r s c h w y l e r . Als weiteren Präcedenzfall citieren die Rekurrenten den Entscheid der Regierung in Sachen Johann Peter in Zeli. Gleich wie Peter in Zeli ist auch Eggerschwyler

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in Rain stimmberechtigt. Letzterer ist nicht schuld, wenn der Heimatschein von Ballwyl nicht zurückkam. Der Schein lag immer in amtlichen Händen.

Die Regierung erklärt: Der Fall Peter trifft hier nicht zu (siehe Protokollauszug). Peter besaß drei Monate vor der Wahl einen gültigen Heimatschein; er hatte denselben aber dem Militärdepartement einsenden müssen, zur Zeit als er ihn in Zeli hätte deponieren sollen.

Der Heimatschein eines Ledigen verliert seine Gültigkeit und muß erneuert werden, wenn der Inhaber sich verehelicht (§ 8 der Verordnung über Ausstellung von Ausweisschriften). Hätte Eggerschwyler denjenigen Heimatschein, den er besaß, in Rain deponiert gelassen, so hätte er am 2. Juni doch nicht stimmen können.

Ein Familienvater, der nicht einen Familienheimatschein deponiert hat, hat seinen Wohnsitz nicht reguliert.

Bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen sind die Bürger durch amtliches Cirkular und durch die Presse, unter Hinweis, auf die Folgen, genügend zur Regulierung des Wohnsitzes aufgefordert worden. Eggerschwyler ist durch eigene Schuld, durch Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften über Schriftendeposition, ums Stimmrecht gekommen.

Da es sich im vorliegenden Falle einzig um die Entscheidung der Frage handelt, ob ein Familienvater, der bloß einen auf ihn selbst lautenden Heimatschein deponiert hat und keinen Familienheimatschein, seine Niederlassung gesetzlich reguliert habe, so ist der Bundesrat zu einer Überprüfung dieses Falles nicht kompetent.

Denn es handelt sich bloß um die Auslegung von kantonalen Gesetzen und nicht um den Schutz von verfassungsmäßigen Rechten.

f. J a k o b K o c h . Von diesem Falle ist sowohl in der Replik als in der Duplik nicht mehr die Rede.

Was die Wahlverhandlungen selbst anbetrifft, wiederholen die Rekurrenten, daß der II. Wahlgang vom 9. Juni ganz falsch angeordnet worden sei. Es blieb sich nach ihrer Meinung nicht gleich, ob die Parteien nur noch um einen oder um zwei Sitze zu kämpfen hatten.

Um sich des Vorwurfs der Parteilichkeit zu erwehren, produziert die Regierung die von ihr während der letztjährigen Wahlperiode erlassenen Entscheide, welche sich auf Kassation von angefochtenen Wahlen beziehen und aus welchen es sich ergebe, daß die Behörde, wenn immer möglich, die getroffenen Wahlen genehmigte und es nicht zu Neuwahlen kommen ließ, und zwar ohne Unterschied, von welcher Partei das Kassationsbegehren gestellt

853 worden sei (siehe speciell in Sachen Portsetzungswahl der Korporationsverwaltung von Triengen).

Wenn bei den Rainer Wahlen der für die konservativen Kandidaten ungünstige Fall angenommen werden will, daß zwei liberale Bürger mehr zur Stimmabgabe berechtigt gewesen wären, als wirklich zugelassen wurden, so hätten nach Ansicht der Regierung bei der dann notwendigen Modifikation des Stimmregisters die im I. Wahlgang als gewählt erklärten konservativen Kandidaten das absolute Mehr dennoch erreicht. Bei der Fortsetzungswahl vom 9. Juni würden die konservativen Kandidaten das absolute Mehr erreicht haben, selbst wenn drei liberale Stimmen mehr abgegeben worden wären. Gewählt wäre vielleicht nur nicht der liberale Kandidat Richter Rüttimann, und es wäre die Ämterverteilung nicht ganz zu stände gekommen. Das Resultat der Wahl würde demnach durch eine allfällig vorzunehmende Modifikation des Stiintnregisters höchstens zu ungunsten des liberalen Kandidaten Rüttimann verändert.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Die Bundesrekursbehörde anerkennt vollständig die Einwendung des Luzerner Regierungsrates, daß sie zur materiellen Prüfung und Erledigung von Stimmrechis- und Wahlbeschwerden nicht zuständig ist, sofern der Streit sich bloß um die Auslegung und Anwendung kantonaler Gesetze und Verordnungen dreht. Die Feststellung des kantonalen Rechts ist Sache der Kantonsbehörden; nicht minder die Anwendung desselben.

Dieser Grundsatz ist von der Bundesbehörde wiederholt schon in Beschwerdesachen, die gegen die obersten Behörden des Kantons Luzern gerichtet waren, anerkannt und zur Geltung gebracht worden; u. a. durch Bundesratsbeschluß vom 17. November 1891 in Sachen Häfliger und Genossen (Bundesblatt 1891, V, 540).

Anderseits war aber die Bundesbehörde auch schon wiederholt im Falle, die Luzerner Behörden auf den engen Zusammenhang der Anwendung des Gesetzes und der Beobachtung des gesetzliehen Verfahrens mit der Anerkennung und dem Schütze des verfassungsmäßigen Grundrechtes des politischen Stimmrechts, sowie des Prinzips der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze aufmerksam zu machen und gestützt hierauf z. B. das Stimmrecht bedingende Wohnsitzfragen auf Grund des § 27 der luzernischen Staatsverfassung und im Hinblick auf Art. 4 der Bundesverfassung und auf § 4 der Kantonsverfassung zu untersuchen und zu erledigen (Bundes-

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blatt 1892, I, 417--441). In konsequenter Festhaltung dieser Praxis tritt der Bundesrat auch im vorliegenden Falle in eine materielle Untersuchung der vorgebrachten Stitnmrechtsbeschwerden ein, um an der Hand der sich ergebenden Resultate über das Kassationsbegehren der Rekurrenten bezüglich der Wahlverhandlungen der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni 1895 einen Entscheid zu fassen.

2. Es ist zu bemerken : a. J a k o b F e l d e r ist strafgerichtlich verurteilt. Es wäre Sache der Rekurreaten gewesen, darzuthun, daß die Vollziehung der kantonalen Strafverfügung, infolge welcher Felder nicht stimmberechtigt war. von der bundesgerichtlichen Instanz gehemmt worden ist. Dieser Nachweis fehlt; folglich ist der Stimmrechtsentzug als begründet anzusehen.

b. Jos. X. M e y e r hat seinen Heimatscheiu zurückgezogen, wobei er schriftlich erklärte, daß er den bezüglichen Empfangschein verloren habe; der Gemeindeschreiber bestreitet, daß Meyer selbst den Heimatschein wieder habe deponieren wollen. Ein Gegenbeweis ist nicht geleistet. Wenn nun auch nachträglieh sich herausstellt, daß Meyer den Schriftenempfangschein nicht verloren hatte, und wenn er auch thatsäclilich von Rain nicht fortgezogen ist, so ändert das alles nichts an der Thatsache, daß er seit 14. April 1895 in Rain keinen regulierten Wohnsitz hatte.

Seine Nichteintragung im Stimmregister ist daher begründet.

c. B e r n h a r d M ü l l e r hat es sich selbst zuzusehreiben, wenn er für die Wahltage vom 2. und 9. Juni nicht auf dem Rainer Stimmregister stand. Der Bundesratsbeschluß vom 18. Juli 1895 rechtfertigt die ablehnende Haltung der Regierung bis zu dem Momente, wo ihr die entscheidende Urkunde (Willenserklärung Müllers betreffend seinen Wegzug von Emmen und seine Wohnsitznahme in Rain) vom Bundesrat übersandt wurde. Dies traf zeitlich zusammen mit dem zweiten Wahlgang (9. Juni) in Rain und konnte bei demselben nicht mehr berücksichtigt werden.

Eine Eintragung Müllers im Stimmregister von Rain war nach Maßgabe des Bundesratsbeschlusses erst für künftige Wahlverhandlungeu vorzunehmen.

d. J a k o b B a u m l i ist nicht als stimmberechtigt betrachtet worden, weil die in § 4, letzter Absatz, des kantonalen Wahl- und Abstimmungsgesetzes vorgeschriebenen Ausweise über die Befriedigung der Gläubiger zur Zeit der Wahlverhandlungen in Rain nicht vorlagen.

Dagegen ist bundesrechtlich nichts zu bemerken.

855

e. J o h a n n E g g e r s c h w y l e r hatte, wie sich nachträglich herausstellte, am 7. Januar 1895 einen auf ihn persönlich lautenden richtigen Heimatschein in Rain eingelegt. Dieser Schein ist am 8. März n i c h t von ihm erhoben, sondern, wie angenommen werden muß, amtlich an seine Heimatgemeinde Ballwyl zur Umwandlung, beziehungsweise Ersetzung in einen solchen für einen verheirateten Mann gesandt worden. Sein seitheriges Schicksal ist unbekannt geblieben; aber dieses Dunkel darf nicht des Bürgers Rechte treuen und beeinträchtigen.

Die Regierung hat in ihrem Erkenntnis vom 31..Mai 1895, betreffend die Stimmrechtsfragen, festgestellt, daß die Praxis dahin gehe, daß die Enthebung eines Heimatscheines behufs der Ersetzung desselben durch einen ändern, familienrechtlich anders gefaßten Schein keine Unterbrechung des regulierten Wohnsitzes zur Folge habe. Die Behörde nahm aber an, daß Eggerschwyler niemals in Rain einen regulierten Wohnsitz hatte, was sich dann als ein thatsächlieher, durch den Getneinderat von Rain veranlaßter Irrtum erwies.

Die von der Regierung signalisierte Praxis ist unzweifelhaft sehr richtig und in der luzernischen Staatsverfassung (§ 27) und Gesetzgebung (Gesetz über Wahlen und Abstimmungen vom 29. November 1892, § 2, litt, ö, und Gesetz betreffend das Niederlassungsweaen vom 30. Mai 1894, § 3) begründet.

Der Bundesrat beschränkt sich darauf, aus dem kantonalen Rechte den Schluß zu ziehen, daß auch Johann Eggerschwyler den regulierten Wohnsitz in Rain nicht verloren hatte und demgemäß zur Stimmurne hätte zugelassen werden sollen.

f. J a k o b K o c h fällt für die Bundesinstanz ganz außer Betracht. Die Identität des Namens und seine Stimmberechtigung stehen außer Zweifel.

3. Nach dem unter Ziffer 2 Gesagten erscheint einzig das Begehren um Auftragung des'Johann Eggerschwyler als gerechtfertigt.

Wenn nun aber auch der Name Eggerschwylers, der sich bezüglich seiner eventuellen Stimrngebung nicht erklärt zu haben scheint, am 2. Juni und am 9. Juni 1895 auf dem Stimmregister von Rain gestanden wäre, so würde das doch eine Veränderung des Wahlresultates nicht zur Folge gehabt haben.

4. Daß die Kantonsregierung das Ergebnis des zweiten Wahlganges abgewartet hat, bevor sie über den Rekurs betreffend den ersten Wahlgang Beschluß faßte, kann in casu bundesrechtlich nicht in Betracht fallen, da unterlassen worden ist, gegen dieses Vorgehen innert nützlicher Frist bei der kantonalen Instanz eine Beschwerde einzulegen.

856 Demnach wird beschlossen: 1. Johann Eggerschwyler ist mit Unrecht für die Wahl Verhandlungen in der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni als nicht stimmberechtigt erklärt worden ; im übrigen sind die rekurrentischen Begehren betreffend Stimmberechtigung bei den genannten Wahlverhandlungen unbegründet.

2. Das auf Kassation der Wahl verhandlungen von Rain lautende Rekursbegehren wird abgewiesen.

3. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Luzern, sowie dem Vertreter der Rekurrenten, Herrn Fürsprecher Dr. Weibel in Luzern, schriftlich mitzuteilen.

B e r n , den 26. März 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des Xaver Brunner und Mithafte in Rain für sich und namens des dortigen liberalen Komitees, betreffend die Gemeinderats- und Betreibungsbeamtenwahlen der Gemeinde Rain vom 2. und 9. Juni 1895. (Vom 26. März 1896.)

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