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Bundesblatt 115. Jahrgang
Bern, den 30. Mai 1963
Band I
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Botschaft des
Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Abschluss von Abkommen über den Schutz und die Förderung der Kapitalinvestitionen (Vom 24. Mai 1963) Herr Präsident !
Hochgeehrte Herren !
Wir beehren uns, Ihnen hiermit einen Entwurf zu einem Bundesbeschluss über den Abschluss von Abkommen über den Schutz und die Förderung der Kapitalinvestitionen zu unterbreiten.
1. Mit Botschaft vom 12. März 1962 (BB1 1962, I, 610) unterbreiteten wir Ihnen zur Genehmigung den am 2. Dezember 1961 mit der Tunesischen Republik abgeschlossenen Vertrag über den Schutz und die Förderung der Kapitalinvestitionen sowie das Abkommen gleichen Datums mit demselben Staat über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit. Zugleich legten wir Ihnen auch den Entwurf zu einem allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss betreffend den Abschluss von Vereinbarungen über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern vor. Diesen Beschlussesentwurf haben Sie am 20. Dezember 1962 angenommen; die Eeferendumsfrist ist am 10. April 1963 unbenutzt abgelaufen.
Bereits im Verlaufe der Kommissionsberatungen über den vorgenannten Bundesbeschluss haben wir in Aussicht gestellt, eine ähnliche Kompetenzdelegation mit Bezug auf Kapitalinvestitionsschutzabkommen zu beantragen (vgl.
die Ausführungen des Berichterstatters der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates; Stenographisches Bulletin 1962, IV, S.682, 683, zweite Spalte).
Seit Ende 1961 sind ausser mit Tunesien mit verschiedenen weiteren Staaten (Niger, Guinea, Elfenbeinküste, Senegal, Kongo-Brazzaville) InvestiBundesblatt 115. Jahrg. Bd. I.
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1194 tionsschutzabkommen abgeschlossen worden ; entsprochende Verhandlungen mit anderen Ländern sind noch im Gange. In den meisten Fällen handelt es sich um dreiteilige Verträge, die - anders als bei Tunesien, mit dem .drei getrennte Abkommen abgeschlossen wurden - gleichzeitig den Handelsverkehr, die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie den Investitionsschutz regeln.
2. Auf Grund des Bundesbeschlusses über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland vom 28. September 1956 - für zehn Jahre verlängert durch Bundesbeschluss vom 28. September 1962 - einerseits und des Bundesbeschlusses betreffend den Abschluss von Vereinbarungen über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern vom 20. Dezember 1962 anderseits bedürfen sowohl die handelsvertraglichen Bestimmungen als auch diejenigen über technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit, die in solchen dreiteiligen Verträgen enthalten sind, nicht mehr der parlamentarischen Genehmigung. Eine Kompetenzdelegation mit Bezug auf Investitionsschutzabkommen würde es dem Bundesrat ermöglichen, in abschliessender Zuständigkeit insbesondere auch dreiteilige Verträge der vorgenannten Art mit Entwicklungsländern abzuschliessen. Doch unabhängig von diesem besonderen Umstand lässt es die allgemeine Natur der Investitionsschutzabkommen - gleichgültig, ob es sich um solche mit Entwicklungsländern oder mit anderen Staaten handelt - als gerechtfertigt erscheinen, dass dem Bundesrat die Befugnis erteilt wird, sie in eigener Kompetenz abzuschliessen.
3. Der Abschluss derartiger Abkommen soll für Kapitalinvestitionen natürlicher oder juristischer Personen des einen der beiden Staaten auf dem Gebiete des anderen Staates möglichst günstige Voraussetzungen schaffen und auf diese Weise der privatwirtschaftlichen Initiative neue Impulse geben. Die Vereinbarungen dienen somit insbesondere auch der wirtschaftlichen Förderung der Entwicklungsländer und regen gleichzeitig ganz allgemein die schweizerische Wirtschaft zur Vornahme neuer Investitionen an.
Die bisher von der Schweiz abgeschlossenen Abkommen über den Investitionsschutz stimmen inhaltlich weitgehend überein. Wir verweisen ,auf die Angaben, die in den Botschaften über die Genehmigung der Vereinbarungen mit Tunesien, Niger und Guinea enthalten sind (BEI 1962, I,
610; 1962, II, 1489).
Diese Abkommen sollen auch für die weiteren Verhandlungen wegleifcend sein; auch inskünftig sollen nur Abkommen abgeschlossen werden, die den Investitionen sowie den Vermögenswerten, Hechten und Interessen von schweizerischen Staatsangehörigen, Stiftungen, Vereinigungen oder Gesellschaften auf dem Gebiet des Vertragspartners eine gerechte und billige Behandlung einräumen, welche mindestens derjenigen gleichkommen soll, die diese Vertragspartei den eigenen Staatsangehörigen gewährt, oder aber die den Staatsangehörigen, Stiftungen, Vereinigungen oder Gesellschaften der meistbegünstigten Nation gewährte Behandlung, wenn diese günstiger ist. Das bezieht sich sowohl auf den Transfer des Ertrages aus der auf dem Gebiet des Vertragspartners ausgeübten Arbeit oder geschäftlichen Tätigkeit sowie den Transfer von Zinsen, Dividenden
1195 und anderen Einkünften, als auch auf den Fall, dass der Vertragspartner schweij zerische Vermögenswerte, Eechte oder Interessen enteignet oder verstaatlicht oder sonstwie durch eine Massnahme direkt oder indirekt deren Besitz entzieht.
Ferner sollen die angestrebten Abkommen eine Schiedsklausel zum Schütze der Investitionen enthalten - es sei denn, die Schweiz sei mit den betreffenden Staaten durch einen allgemeinen Vergleichs- und Schiedsvertrag verbunden.
4. Die Frage der Verfassungmässigkeit einer Delegation von Kompetenzen an den Bundesrat bezüglich des Abschlusses von Staatsverträgen ist von den Berichterstattern der aussenpolitischen Kommissionen anlässlich der Behandlung der Vorlage betreffend die Kompetenzdelegation zum Abschluss von Abkommen über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern eingehend erörtert worden. Ihre Darlegungen (Stenographisches Bulletin des Nationalrates 1962, IV, S. 682, bzw. des Ständerates 1962, IV, S. 336) enthalten eine ausführliche Wiedergabe der Auffassung des Bundesrates. Danach ist eine Übertragung der Kompetenzen der Bundesversammlung auf den Bundesrat jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um Verträge handelt, deren Inhalt eng umschrieben und in den wesentlichen Punkten immer wieder derselbe ist, und wenn von der Kompetenzdelegation ein zurückhaltender Gebrauch gemacht und infolgedessen vermieden wird, dass das Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung zugrundeliegende Prinzip der Mitwirkung der Bundesversammlung beim Abschluss von Verträgen in seinem Kern berührt wird.
Diese Voraussetzungen sind bei den Verträgen über den Schutz der Investitionen erfüllt. Sie stellen im wesentlichen nichts anderes dar als eine Kodifikation von Prinzipien des Völkerrechts, welche die Schweiz schon bisher anerkannt hat. Neue völkerrechtliche Verpflichtungen können nur in der Schiedsklausel erblickt werden, doch entspricht die Aufnahme von Schiedsklauseln der von unserem Land ständig vertretenen Vertragspolitik auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit.
5. Da die vorgeschlagene Eegelung eine Änderung der Zuständigkeitsordnung bringt und somit rechtsetzende Normen verlangt, ist sie in die Form eines Bundesgesetzes oder eines allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses zu kleiden, wobei durch das Eeferendum das Mitspracherecht des Volkes
gewahrt wird.
Aus dem gleichen Grunde hat sich dieser Delegationserlass auf Artikel 85, Ziffer 2, BV zu stützen. Dies entspricht dem Vorgehen bezüglich des von Ihnen am 20. Dezember 1962 verabschiedeten Bundesbeschlusses betreffend den Abschluss von Vereinbarungen über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern (AS 1963, 371). Des weiteren hat sich die vorgesehene Regelung auf Artikel 8, BV, zu stützen, der die Kompetenz des Bundes zum Abschluss von Staatsverträgen festlegt.
6. Es erscheint angezeigt, die Kompetenzdelegation bezüglich des Abschlusses von Investitionsschutzabkommen zeitlich zu befristen. In Anlehnung an die für den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem
1196 Ausland getroffene Eegelung schlagen wir vor, die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses auf zehn Jahre festzusetzen.
7. Über den Abschluss von Abkommen, die unter diese Ermächtigung fallen, wird der Bundesrat jeweils in seinem Geschäftsbericht die Bundesversammlung orientieren. Es erübrigt sich deshalb, in den Bundesbeschluss eine besondere Bestimmung über die Berichterstattung aufzunehmen.
Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beantragen wir Ihnen die Annahme des Bundesbeschlusses, dessen Entwurf Sie beigelegt finden.
Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer ausgezeichneten Hochachtung.
Bern, den 24.Mai 1968.
ITTI Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spühler Der Bundeskanzler: Ch.Oser
1197 (Entwurf)
Bundesbeschluss betreffend
den Abschluss von Abkommen über den Schutz und die Förderung von Kapitalinvestitionen
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 8 und 85, Ziffer 2 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 1963, beschliesst : Art. l
Der Bundesrat wird ermächtigt, Abkommen über den Schutz und die Förderung von Kapitalinvestitionen abzuschliessen, die Bestimmungen über die Behandlung der Investitionen von Staatsangehörigen des einen Vertragsstaates im andern enthalten. Diese Abkommen können insbesondere die Behandlung der meistbegünstigten Nation wie auch den Transfer der Einkünfte und Amortisationen aus solchen Investitionen und ihres allfälligen Liquidationserlöses sowie den Transfer der im Falle von Enteignungen oder Nationalisierungen geschuldeten Entschädigungen vorsehen. Sie können ferner eine Schiedsklausel enthalten.
Art. 2 Für die Abkommen, die unter die Bestimmung des Artikels 89, Absatz 3 der Bundesverfassung fallen, wird die Zuständigkeit der Bundesversammlung vorbehalten.
Art. 3 1 Dieser Beschluss ist gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.
2 Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses fest, dessen Geltungsdauer auf zehn Jahre befristet ist.
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30.05.1963
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