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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Staatsverfassung des Kantons Zürich (Vom 9. September 1963)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

In der Volksabstimmung vom 7. Juli 1963 haben die Stimmberechtigten des Kantons Zürich mit 84 500 Ja gegen 38 477 Kein dem Verfassungsgesetz über die Ergänzung des Artikels 16 und mit 83 378 Ja gegen 39 366 Nein dem Verfassungsgesetz übei die Abänderung der Artikel 47, 52, 63 und 64 der Kantonsverfassung zugestimmt. Mit Schreiben vom 18. Juli 1963 ersucht der Begierungsrat des Kantons Zürich um die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und dio neuen Texte laiiten : Bisheriger Text

Art. 16 Die bürgerliche Handlungsfähigkeit, das Stimmrecht und die Wählbarkeit zu allen Ämtern beginnen gleichzeitig mit dem zurückgelegten zwanzigsten Altersjahr.

Die Gesetzgebung hat zu bestimmen, inwieweit bei der Besetzung öffentlicher Ämter das Stimmrecht und die Wählbarkeit auch Schweizerbürgerinnen verliehen werden können.

Neuer Text

Art. 16 Abs. l und 2 unverändert.

In kirchlichen Angelegenheiten kommen das Stimmrecht und die Wählbarkeit auch den Schweizerbürgerinnen zu.

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Bisheriger Text Art. 47, Abs. l Die regelmässige Gemeindeeinteilung ist diejenige in politische Gemeinden, Kirchgemeinden und Schulgemeinden (Primär- und Sekundarschulgemeinden).

Art. 52, Abs. l Die Kirchgemeindeversammlungen und die Kirchenpflegen haben sich mit den kirchlichen Gemeindeangelegenheiten und in der Eegel auch mit der Besorgung des Armenwesens zu befassen. Den Gemeinden ist es freigestellt, für die letztere eine besondere Behörde zu wählen.

Art. 63 Die Glaubens-, Kultus- und Lehrfreiheit ist gewährleistet. Die bürgerlichen Eechte und Pflichten sind unabhängig vom Glaubensbekenntnisse.

Jeder Zwang gegen Gemeinden, Genossenschaften und Einzelne ist ausDie evangelische Landeskirche und die übrigen kirchlichen Genossenschaften ordnen ihre Kultusverhältnisse selbständig unter Oberaufsicht des Staates.

Die Organisation der ersteren, mit Ausschluss jedes Gewissenszwanges, bestimmt das Gesetz.

Der Staat übernimmt im allgemeinen die bisherigen Leistungen für kirchliche Bedurfnisse.

Art. 64 Die Kirchgemeinden wählen ihre Geistlichen und die Schulgemeinden die Lehrer an ihren Schulen aus der Zahl der Wahlfähigen.

Neuer Text Art. 47, Abs. l Die regelmässige Gemeindeeinteilung ist diejenige in politische Gemeinden, Kirchgemeinden und Schulgemeinden (Primär- und Oberstufenschulgemeinden).

Art. 52, Abs. l Die Kirchgemeindeversammlungen und die Kirchenpflegen haben sich mit den kirchlichen Gemeindeangelegenheiten zu befassen.

Art. 63 Die Gemeinden wählen die Lehrer der Volksschule aus der Zahl der Wahlfähigen.

Die Lehrer der Volksschule unterliegen alle sechs Jahre einer Bestätigungswahl durch die Urne. Das Wahlverfahren wird durch die Gesetzgebung bestimmt.

Der Staat besoldet die Lehrer der Volksschule unter Mitbeteiligung der Gemeinden im Sinne möglichster Ausgleichung der Gehälter innerhalb des Kantonsgebietes.

Art. 64 Die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit ist nach Massgabe des Bundesrechtes gewährleistet.

489 Bisheriger Text

Neuer Text

Der Staat besoldet die Geistlichen und unter Mitbeteiligung der Gemeinden die Lehrer im Sinne möglichster Ausgleichung und zeitgernässer Erhöhung der Gehalte.

Die Lehrer an der Volksschule und die Geistlichen der vom Staate unterstützten kirchlichen Genossenschaften unterliegen alle sechs Jahre einer Bestätigungswahl. Wenn bei der diesfälligen Abstimmung die absolute Mehrheit der stimmenden Gemeindegenossen die Bestätigung ablehnt, so ist die Stelle neu zu besetzen. Die Abstimmung geschieht durch die Wahlurne und ist für die Stimmberechtigten obligatorisch.

Diese Bestimmungen finden auch Anwendung auf die Geistlichen der katholischen kirchlichen Gemeinden.

Die evangelisch-reformierte Landeskirche und ihre Kirchgemeinden, eingeschlossen die französischen Kirchgemeinschaften, die römisch-katholische Körperschaft und ihre Kirchgemeinden sowie die christkatholische Kirchgemeinde Zürich sind staatlich anerkannte Personen des öffentlichen Eechts.

Die staatlich anerkannten kirchlichen Verbände ordnen ihre innerkirchlichen Angelegenheiten selbständig, unterstehen im übrigen aber der Oberaufsicht des Staates. Ihre Organisation sowie ihr Verhältnis zum Staate werden durch die Gesetzgebung geregelt, die auch die staatlichen Leistungen für das Kirchenwesen ordnet. Die auf historischen Bechtstiteln beruhenden Verpflichtungen des Staates bleiben gewahrt.

Die von den Stimmberechtigten zu wählenden Pfarrer der staatlich anerkannten Kirchgemeinden unterliegen alle sechs Jahre einer Bestätigungswahl. Das Wahlverfahren wird durch die Gesetzgebung bestimmt.

Für die öffentlich-rechtlich nicht anerkannten religiösen Gemeinschaften gelten die Bestimmungen des Privatrechts.

Der neue Absatz 3 des Artikels 16 der Kantonsverfassung gewährt den Schweizerbürgerinnen das Stimmrecht und die Wählbarkeit in kirchlichen Angelegenheiten. Damit wird in diesem Bereiche, wie das in mehreren ändern Kantonen bereits der Fall ist, die politische Gleichberechtigung der Geschlechter verwirklicht.

Die bisherige Bezeichnung «Sekundarschulgemeinden» in Artikel 47, Absatz l wird neu durch « Oberstuf enschulgemeinden» ersetzt und damit dem revidierten Volksschulgesetz vom 24. Mai 1959 angepasst. Aufgehoben ist in Artikel 52, Absatz l die seit Inkrafttreten des Armengesetzes vom 23. Oktober 1926 überholte Bestimmung, dass die Kirchgemeinden in der Eegel auch das Armenwesen besorgen.

Bundesblatt. 115. Jahrg. Bd. II.

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490 Der neue Artikel 68 enthält die Grundsätze über die Wahlen und Besoldungen der Volksschullehrer. Wichtigste Neuerung in Artikel 64, der die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit sowie das Kirchenwesen beschlägt, ist die Verleihung der öffentlich-rechtlichen Persönlichkeit an die römisch-katholische Körperschaft und deren Kirchgemeinden sowie die christkatholische Kirchgemeinde Zürich. Damit werden den römisch-katholischen und christkatholischen Kirchgenossen die gleichen Möglichkeiten eingeräumt, wie sie bisher ausschliesslich den Protestanten zustanden.

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen das kantonale öffentliche Eecht und widersprechen dem Bundesrecht nicht. Wir beantragen Einen daher, den neuen Bestimmungen der Verfassung des Kantons Zürich durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. September 1963.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spühler Der Bundeskanzler : Ch. Oser

491 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährleistung der geänderten Staatsverfassung des Kantons Zürich

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 9. September 1963, in Erwägung, dass die neuen Verfassungsbestimmungen nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst :

Art. l Den in der Volksabstimmung vom 7. Juli 1963 beschlossenen Änderungen der Artikel 16, 47, 52, 63 und 64 der Staatsverfassung des Kantons Zürich wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Jahr

1963

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

8838

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.09.1963

Date Data Seite

487-491

Page Pagina Ref. No

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