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Bundesratsbeschluss über

die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindiustrie (Vom 26. März 1963)

Der Schweizerische B u n d e s r a t , gestützt auf Artikel 7, Absatz l des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst :

Art. l Die im Anhang wiedergegebenen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 1.November 1962 für die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindustrie werden allgemeinverbindlich erklärt.

2 Zwingende Vorschriften des Bundes und der Kantone sowie für den Arbeitnehmer günstigere vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

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Art. 2 Die Allgemeinverbindlicherklärung wird für das ganze Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft ausgesprochen.

2 Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages finden Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Betrieben der Reiseartikel- und Lederwarenindustrie und ihren Arbeitnehmern, die mit der Bearbeitung und Herstellung von Reiseartikeln und Lederwaren beschäftigt sind. Ausgenommen sind die Meister, das technische und kaufmännische Personal sowie die Lehrlinge im Sinne der Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung.

1

824 Art. 8 Dieser Beschluss tritt am 8. April 1963 in Kraft und gilt bis zum 81. Mai 1965.

Bern, den 26.März 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Spühler ' Der Bundeskanzler : Ch. Oser

825 ANHANG

Gesamtarbeitsvertrag für

die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindustrie abgeschlossen am I.November 1962 zwischen dem Verband schweizerischer Eeiseartikel- und Lederwaren-Fabrikanten, einerseits sowie dem Verband der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter der Schweiz, dem Christlichen Textil- und Bekleidungsarbeiter-Verband der Schweiz und dem Landesverband freier Schweizer Arbeiter, anderseits.

Allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen Art. 3 1

Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt 45 Stunden.

Der Samstagnachmittag ist frei.

3 Überzeit über die ordentliche Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche hinaus ist mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu bezahlen.

4 Hilfsarbeit im Sinne der Artikel 178 und 179 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz ist nicht zuschlagspflichtig. Auch für das Vor- und Nachholen ausfallender Arbeitszeit innerhalb des gesetzlich gestatteten Eahmens sind keine Zuschläge zu bezahlen.

5 Für die Arbeitszeitverkürzung von 48 auf 45 Stunden wird in die Minimallöhne ein Lohnausgleich von 6,6 Prozent eingebaut; dieser entfällt: a. für Arbeitnehmer, die auf ihr Verlangen weniger als 45 Stunden arbeiten ; b. für Arbeitnehmer, welche die Normalarbeitszeit von 45 Stunden oder weniger aus nicht entschuldbaren Gründen nicht einhalten.

ndesblatt. 115. Jahrg. Bd. I.

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Arbeitszeit

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Art. 4 Kündigung

1

· Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt während der vierzehntägigen Probezeit einen Tag; nach Ablauf der Probezeit beträgt sie 14 Tage, und zwar auch im überjährigen Dienstverhältnis.

2 Der Ablauf der 14tägigen Kündigungsfrist mu&s auf einen Samstag oder Zahltag fallen. Durch schriftliche Abmachung kann die Kündigungsfrist für Einzelfälle auch ausgedehnt werden; sie muss aber für beide Parteien gleich lang sein.

3 Die fristlose Auflösung gemäss Artikel 352 deü Obligationenrechts bleibt vorbehalten...

Art. 5 Schwarzarbeit Nach Beendigung der Arbeitszeit und während der bezahlten Ferientage darf keine Berufsarbeit zu Erworbszwecken für Drittpersonen verrichtet -werden.

2 Arbeitnehmer, welche diese Vorschrift missachten, verlieren die Entschädigung für die Ferien. Nach erfolgter fruchtloser Mahnung . . .

können sie ohne Einhaltung der Kündigungsfrist sofort entlassen werden und verlieren jeden Anspruch auf eine Entschädigung.

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Art. 6 ArbeitnehmerAls Berufsarbeiter im Sinne des Vertrages gilt der Arbeitnehmer, kategonon ^ ^e LehrabschlUSSprüfung als Eeiseartikelsattler, Sattler oder Portefeuiller bestanden hat. Beim Inkrafttreten dieses Vertrages gelten als Berufsarbeiter auch Arbeitnehmer, die sich über eine mehrjährige umfassende Tätigkeit als selbständige Eeiseartikelsattler, Sattler, Portefeuiller, Zuschneider, Mustermacher und Kantennäher ausweisen können.

Sie sind im Lohn dem gelernten Berufsarboiter gleichgestellt.

2 Als Angelernte gelten Arbeitnehmer, die sich in längerer Anlerntätigkeit die Fähigkeit zur einwandfreien und selbständigen Herstellung von einzelnen Artikeln oder zur Ausführung qualifizierter beruflicher Teilarbeit angeeignet haben. Die Anlernzeiten sind im einzelnen Betrieb mit der Arbeiterkommission und, wo keine solche besteht, mit den qualifizierten Arbeitnehmern festzulegen.

3 Als Hilfsarbeiter gelten Arbeiter und Arbeiterinnen, welche die umschriebenen Anforderungen für eine der hiervor genannten beiden Berufskategorien (Berufsarbeiter und Angelernte) nicht erfüllen.

1

Art. 7 Minimallohn .

i Für die Entlöhnung gelten pro Stunde folgende Minimallohnansätze, einschliesslich 6,6 Prozent Ausgleich für die Verkürzung dor Normalarbeitszeit auf 45 Stunden :

, ·

Kai. 1. Berufsarbeiter 1. Beschäftigungsjahr 2. Beschäftigungsjahr 3. Beschäftigungsjahr Kat. 2, Angelernte Facharbeiter 1. Beschäftigungshalbjahr nach der Anlernung 2. Beschäftigungshalbjahr nach der Anlernung 2. Beschäftigungsjahr nach der Anlernung . .

Kat. 3. Angelernte Facharbeiterinnen 1. Beschäftigungshalbjahr nach der Anlernung 2. Beschäftigungshalbjahr nach der Anlernung 2. Beschäftigungsjahr nach der Anlernling Kat. 4. Hilfsarbeiter über 18 Jahre 1. Beschäftigungshalbjahr 2. Beschäftigungshalbjahr Kat. 5. Hilfsarbeiterinnen über 18 Jahre 1. Beschäftigungshalbjahr 2. Beschäftigungshalbjahr z

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Franken 8.30 3.45 3.85 . . .

. . .

. . .

3.-- 3.10 3.25

. . .

. . .

2.45 2.55 2.70 2.90 3.-- 2.-- 2.15

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Die Minimallohnansätze der Kategorie 5 können für Betriebe in ländlichen Verhältnissen um 5 Rappen herabgesetzt werden.

4 Die Minimalansätze finden keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die nicht normal arbeits- und leistungsfähig sind.

5

Art. 8 Die Akkordansätze sind dem Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeit Akkordlohn bekanntzugeben. Sie sind so festzulegen, dass es durchschnittlich qualifizierten Arbeitnehmern bei entsprechender Leistung möglich ist, regelmässig Akkordprämien von mindestens 10 Prozent der Minimallöhne ihrer Kategorie zu erreichen.

2 Ausser den Akkordansätzen ist ein Garantielohn festzulegen, der als Ferien- und Feiertagsentschädigung gilt, oder auf den der Arbeitnehmer bei normaler Leistung Anspruch hat, wenn er zeitweilig nicht im Akkord arbeitet. .Der Garantielohn setzt sich zusammen aus dem Minimallohn und der Hälfte der Differenz zwischen diesem und dem durchschnittlichen Akkordverdienst der letzten sechs Monate.

1

Art. 9 Die Arbeitnehmer haben pro Kalenderjahr Anspruch auf bezahlte Ferien in folgendem Ausmass : -1

Ferien

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im im im ab

1. und 2. Dienstjahr je 9 Werktage (wovon l Samstag), 8. bis 10. Dienstjahr je 12 Werktage (wovon 2 Samstage), 11. bis 15. Dienstjahr je 15 Werktage (wovon 2 Samstage), 16. Dienstjahr je 18 Werktage (wovon 3 Samstage).

2

Die Dienstjahre müssen im gleichen Betrieb geleistet sein. Frühere im Betrieb geleistete Dienstjahre, ebenso die im gleichen Betrieb verbrachten Lehrjahre sind bei der Bemessung des Ferienanspruchs anzurechnen. Als Stichtag für die Bemessung des Ferionanspruchs gilt der l. Januar.

3 Erfolgt der Ein- oder Austritt während des Kalenderjahres, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ferien im Verhältnis zur anrechenbaren Dienstzeit. Bei normalem Austritt hat der Arbeitnehmer das Eecht, die Ferien während der Kündigungsfrist zu beziehen.

4 Die Entschädigung für einen Ferientag entspricht dem Verdienst von 7% Stunden, einschliesslich Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung. Für den im Akkord beschäftigten Arbeitnehmer gilt Artikel 8, Absatz 2. Eine Barentschädigung anstelle der Ferien ist nicht gestattet.

5 Beträgt der Arbeitsausfall infolge Krankheit oder Unfall pro Jahr weniger als 30 Tage, so erfolgt kein Abzug an den Ferien. Bei grösserem Arbeitsausfall erfolgt eine Herabsetzung des Ferienanspruchs nach Massgabe der Arbeitsunterbrechung.

6 Absenzen wegen Militärdienst und Arbeitslosigkeit werden in der Weise mit den Ferien verrechnet, dass für jeden Absenzmonat eine Kürzung der Feriendauer und Ferienvergütung von je einem Zwölftel vorgenommen wird. Von dieser Kürzung wird Umgang genommen, wenn es sich um die Eekrutenschule oder um einen ordentlichen Wiederholungskurs handelt, ebenso wenn die Kürzung weniger als einen vollen Ferientag betragen würde.

7 Der Ferienantritt wird durch den Arbeitgeber bestimmt, soweit als möglich unter Berücksichtigung gerechtfertigter Wünsche der Arbeitnehmer. Wird der Betrieb ferienhalber während mindestens 12 Tagen geschlossen (Betriebsferien), so gilt folgende Eegelung: a. Arbeitnehmer mit längerem Ferienanspruch können ihre weiteren Ferientage nur dann unmittelbar vorgängig der Betriebsferien oder daran anschliessend beziehen, wenn dies aus betrieblichen Gründen ohne Schwierigkeiten möglich ist ; fe. für Arbeitnehmer mit kürzerem Ferienanspruch darf der Arbeitgeber einen entsprechenden Ausgleich in Abweichung von der wöchentlichen Normalarbeitszeit anordnen. Soweit es die Umstände erlauben, können diese Arbeitnehmer auf Wunsch auch mit Eenovations-, Aufräumungs-, Eeinigungs-, Lager- und ähnlichen Arbeiten

829 beschäftigt werden. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber diesen Wunsch spätestens 14 Tage vor Beginn der Betriebsferien bekanntzugeben.

Art. 10 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entschädigung für jährlich sechs auf einen unbezahlten Werktag fallende Feiertage, wobei die Ausfallstunden zu vergüten sind. Für den im Akkord beschäftigten Arbeitnehmer gilt Artikel 8, Absatz 2.

2 Die Feiertagsentschädigung wird nicht ausgerichtet, wenn ein Arbeitnehmer während der ganzen Woche, auf die der Feiertag fällt, nicht gearbeitet hat oder an den Tagen vor oder nach dem Feiertag unentschuldigt von der Arbeit weggeblieben ist.

3 Ausserdem hat der Arbeitnehmer für nachstehende Fälle, sofern dadurch ein Lohnausfall entsteht, Anspruch auf folgende Urlaubstage, die gleich einem Ferientag gemäss Artikel 9, Absatz 4 zu vergüten sind : 1

Feiertage und Absenzen

a. bei Todesfall des Gatten und eigener Kinder 3 Tage b. bei Todesfall von Bitern, Schwiegereltern und Geschwistern sowie von weiteren in Hausgemeinschaft lebenden Familienangehörigen l Tag c. bei persönlicher Trauung l Tag d. bei Geburt eigener Kinder l Tag * Ferner hat der Arbeitnehmer bei militärischer Inspektion, sofern dadurch ein Lohnausfall entsteht, Anspruch auf den Lohn eines halben Arbeitstages (Stundenlohn einschliesslich Teuerungszulage oder Garantielohn).

Art. 11 Den vollbeschäftigten Arbeitnehmern wird für jedes Kind bis zum Kioderzuiagen vollendeten 16.Altersjahr eine monatliche Zulage von Fr. 15.- ausgerichtet. Bezugsberechtigt ist der Unterstützungspflichtige Familienvorstand.

Art. 12 In den nicht der Bundesgesetzgebung über die Kranken- und Unfallversicherung unterstellten Betrieben sind die Arbeitnehmer gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle zu versichern. Die Versicherung hat den Ersatz der Heilungskosten, die Leistung eines Taggeldes von mindestens 80 Prozent des Tagesverdienstes, des fünffachen Jahresverdienstes im Todesfall und des achtfachen Jahresverdienstes im Invaliditätsfall vorzusehen.

2 Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Prämien für die Nichtbetriebsunfallversicherung auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.

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Unfallversicherung

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Art. 13 Krankenversicherung

1

Jeder versicherungsfähige Arbeitnehmer ist verpflichtet, einer Krankentaggeldversicherung anzugehören. Die Wahl des Versicherungsträgers ist Sache der direkten Verständigung zwischen don einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

2 Die Krankengeldversicherung hat ein tägliches Krankengeld von 40 Prozent des Tagesverdienstes vorzusehen. Dio Genussrechtsdauer muss 360 Tage innerhalb von 540 aufeinanderfolgenden Tagen und boi Erkrankung an Tuberkulose 1800 Tage innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Jahren betragen. Die Karenzzeit darf nicht länger als 3 Monate und die Wartefrist nicht länger als 2 Tage dauern.

3 Für die Prämien dieser Krankentaggeldversicherung hat der Arbeitgeber aufzukommen. Dadurch ist die ihm gemäss Artikel 335 des Obligationenrechts obliegende Lohnzahlungspflicht im Krankheitsfalle dos Arbeitnehmers abgelöst. Soweit der Arbeitnehmer infolge Krankhoitsanlagen bei Vorsicherungseintritt von der Krankentaggeldversichorung ausgeschlossen wurde, gilt im Krankheitsfälle Artikel 335 des Obligationenrechts.

4 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die in Absatz 2 vorgesehene Krankentaggeldversicherung zu seinen Lasten auf 60 Prozent des Tagesverdienstes zu erhöhen.

Art. 14 Koalitionsfreiheit

Kontrolle

Die Koalitionsfreiheit wird gegenseitig anerkannt. Dem Arbeitnehmer dürfen aus der Zugehörigkeit odor Nichtzugehörigkeit zu einor Gewerkschaft oder wegen korrekter Ausübung gewerkschaftlicher Funktionen keinerlei Nachteile erwachsen.

Art. 19 Die Paritätische Kommission in der Eeiseartikel- und Lederwarenindustrie oder die von ihr bestellten Organe können Kontrollen über die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages in den einzelnen Betrieben vornehmen. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Kontrollorganen Einsicht in die in Betracht kommenden Unterlagen zu geben.

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Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindustrie (Vom 26. März 1963)

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Jahr

1963

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13

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04.04.1963

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