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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrathes.

(Vom 4. März 1892.)

Der Bundesrath hat den Rekurs des S. L e h e in a n n in Walkringen (Bern), betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, gestützt auf folgende Erwägungen als unbegründet abgewiesen : Nach Art -t. 84 des Betreibungsgesetzes unterliegen die Streitigkeiten im P tsöffnungsverfahren der Beurtheilung des ,,Richters".

Der Gerichtspräsident von Escholzmatt und die Justizkommission des luzernischen Obergerichts, welche die vorliegende Streitsache erst- undzweitinstanzlichbeurtheilten, habendieselbee also nicht in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörden zur Ueberwachung der Betreibungs- und Konkursämter (Bundesgesetz Art. 13), sondern als richterliche Behörden erledigt. Eine Weiterziehung ihres Entscheides an den Bundesrath ist daher unzuläßig, da nach Bundesgesetz Art. 19 nur die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden, nicht aber die Entscheide der kantonalen Gerichtsbehörden an den Bundesrath weitergezogen werden können.

Da indessen die im Rechtsöffnungsverfahren zu beziehenden Gebühren vom Bundesrathe im Gebührentarif zum Betreibungsgesetze festgesetzt worden sind, so ist der Bundesrath immerhin berechtigt, zu untersuchen, ob die von den luzernischen Gerichtsbehörden dem Rekurrenten auferlegten Kosten dem Tarife entsprechen. Maßgebend sind hiebei nicht Art. 57 des Tarifs, auf den sich der Rekurrent beruft, sondern die Art. 5, 25, 28, 29, 30 und 58. Nach diesen Artikeln erscheinen die dem Rekurrenten auferlegten Kosten als gerechtfertigt.

(Vom 8. März 1892.)

Der Bundesrath hat den Rekurs des Hermann Haury Tuchhändler und Schneidermeister in Reinach (Aargau), gegen den Re-

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2. In dem vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ausgearbeiteten und vom Bundesrathe am 13. September 1889 genehmigten Berichte über die Kompetenz des Bundesrathes zur Behandlung von Rekurssaehen, welche die Ausübung des Wirthschaftsgewerbes betreffen (Bundesbl. 1891, I, 145 ff.), ist der Satz enthalten , daß eine Wirthschaftsbewilligung angesichts der positiven Fassung des Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung seit der Revision vom 25. Oktober, bezw. 22. Dezember 1885 nur gestützt auf die Bestimmung eines kantonalen Gesetzes verweigert werden dürfe.

3. Der Bundesrath ist in seinem vom aarganischen Regierungsrathe angerufenen Beschlüsse vom 13. Mai 1890 in Sachen K.-F.

in R. von diesem Satze nicht abgewichen ; er hat darauf abgestellt, daß die aargauischen Behörden in den Lokalverhältnissen des zur Ausübung der Wirthschaft bestimmten Gebäudes das wirthschaftspolizeiliche Motiv zur Verweigerung der Patenterteilung erblicken, in welcher Beziehung das aargauische Wirthschaftsgesetz von 1853 in den Paragraphen 13 und 16, litt, e, die Genehmigung der Kantonsbehörden vorbehält; daß ferner der Bundesrath den Kantonen von jeher die freie Würdigung solcher Verhältnisse anheimgestellt habe und nur dann, wenn eine aus denselben von den Kantonsbehörden gezogene Folgerung mit den Grundsätzen des Bundesrechts sich nicht vereinbaren ließ, zu einem vom kantonalbehördlichen Rechtsschlusse abweichenden Entscheid gelangt sei ; daß endlich im Rekursfalle ein Grund zu solcher Abweichung nicht vorliege, da in dem gleichzeitigen Betrieb einer Tuch-
und Spezereihandlung und einer Wirthschaft im gleichen Hause, w o b e i z u g e s t a n d e n e r m a ß e n die letztere n u r eröffnet werden will, um die erstere e r t r a g r e i c h e r zu m a c h e n , ein vom Standpunkt der Wirthschaftspolizei nicht zu billigendes, ungesundes Verhältniß zu erblicken sei.

908 Durch die angeführten Erwägungen hat der Buadesrath deutlich ·zu erkennen gegeben, daß er mit Rücksicht auf die Besonderh e i t e n des g e g e b e n e n F a l l e s die Verbindung des Tuch-und Spezereihandlungsgeschäftes mit dem Wirthschaftsgewerbe in dem nämlichen Hause als ein vom wirthschaftspolizeilichen Staudpunkte aus ungesundes Verhältniß betrachtete und daher die Verweigerung des Patentes durch die Eantonsbehörde auf Grund des kantonalen Gesetzes im Hinblick auf die Lage der zur Wirthschaft bestimmten Räumlichkeiten für zuläßig erachtete. Keineswegs aber liegt in dem citirten Bundesrathsbeschlusse die Anerkennung eines in der aargauischen Gesetzgebung nicht begründeten und übrigens auch von der aargauischen Regierung nicht ausgesprochenen allgemeinen Satzes, wonach eine Wirthschaft mit dem Betrieb eines andern Gewerbes durch eine und dieselbe Person schlechterdings nicht vereinbar wäre.

Am 29. Juli 1890, im Rekursfalle Muff (Bundesbl. 1890, III, 1141 ff.), wurde denn auch, entgegen der Anschauung einer Kantonsregierung, vom Bundesrathe erkannt, es sei in der Verbindung des Berufes eines Thierarztes mit dem Betrieb einer Wirthschaft keine die Aufhebung der Wirthschaft rechtfertigende soziale Gefahr zu erblicken.

Im vorliegenden Rekursfalle liegen wirthschaftspolizeiliche Rücksichten, wie sie für den Bundesrathsbeschluß vom 13. Mai 1890 maßgebend waren, nicht vor. Es kann nicht mit Grund gesagt werden, daß die Verbindung des Berufes eines Marchand-Tailleur mit dem Wirthschaftsgewerbe eine Gefahr für das Publikum biete, welcher von der Obrigkei1, vorgebeugt werden müsse.

Vorausgesetzt wird dabei freilich, daß die Wirthschaft ordentlich, dem Gesetze gemäß, geführt werde. Hiefür ist und bleibt der Patentinhaber verantwortlich, und es wird ihm das Patent auch nach dem aargauischen Gesetze (.§ 32, litt, e) sofort entzogen werden können, wenn er Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften sich zu Schulden kommen läßt oder eine die Sittlichkeit oder die Sicherheit des Publikums gefährdende Wirthschaft führt. Allein dieser Vorbehalt trifft die I n h a b e r von Wirthsehaften und kann daher nicht als Motiv der Wirthschaftsverweigerung gegenüber einem unbescholtenen Patentbewerber geltend gemacht werden.

4. Nach dem unter Ziffer 2 angeführten bundesrechtlichen Satze muß auch die Verweigerung eines
Wirthschaftspatentes wegen mangelnden Bedürfnisses oder aus andern Gründen des allgemeinen Wohls auf eine kantonalgesetzliche Vorschrift sich gründen.

Der Kanton Aargau hat allerdings in Paragraph 22 aeioes Wirthschaftsgesetzes von 1853 die Bestimmung aufgenommen, daß der Regierungsrath die Wirthschaftsbewilligungen ein/,ig nach Maßgabe des durch Bevölkerung und Verkehr des Ortes sich ergebenden

909 öffentlichen Bedürfnisses ertheile. Allein nachdem durch bundesgerichtliches Urtheil vom 2. Februar 1889 gegenüber dem Staate Aargau festgestellt worden ist, daß diese Gesetzesvorschrift seit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 außer Geltung sei und daß sie seit dem am 22. Dezember 1885 erfolgten Inkrafttreten der Revision von Art. 31 nur auf legislativem Wege, durch Erlaß einer neuen Gesetzesbestimmung, wieder ins Leben gerufen werden könne, kann sich die Kantonsbehörde auf die erwähnte Vorschrift des Gesetzes von 1853 nicht mehr berufen.

« 5. Die Aussetzung, welche nachträglich -- in der Bundesrekursinstauz -- mit Bezug auf die Eiafriedung des Kellerhalses gemacht wurde, ist von keinem Belang-, sie kann die Kantonsbehörde vielleicht veranlassen, einen diesbezüglichen Vorbehalt in dea Konzessionsakt aufzunehmen, zur Verweigerung der Wirthschaftsbewilligung aber bildet, sie kein hinreichendes Motiv.

(Vom 12. März 1892.)

Herrn Vicekonsul Weg m a n n in Chicago wird die nachgesuchte Entlassung ertheilt.

Herr Oberst B i n d s c h e d l e r in Luzern wird auf sein Gesuch als Landsturmkoinmändant des IV. Divisionskreises, unter Verdankung seiner Dienste, entlassen und als solcher Herr Oberstlieutenant J. Höltschi, von Altwis, bisher Kommandant des Landwehr-Infanterieregiments 15, unter gleichzeitiger Beförderung zum Obersten, ernannt.

Als Feldprediger werden ernannt: Für das Infanterieregiment Nr. 9 A : Herr Pfarrer Karl Wyß, in Messen ; für das Infanterieregiment Nr. 11 A : Herr Pfarrer Emil Blumenstein, in Schwarzenegg bei Thun.

Herr H. R o m i e u x , Adjunkt des eidgenössischen Finanzbüreau's, erhält unter Verdankung der geleisteten Dienste die nachgesuchte Entlassung.

In Anwendung des Art. 62 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, wonach im Falle einer Epidemie eine.

Kantonsregierung mit Zustimmung des Bundesrathes für ein beBnndesblatt. 44. Jahrg. Bd. I.

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stimmtes Gebiet oder für bestimmte Theile der Bevölkerung den Rechtsstillstand beschließen kann, wird der Regierungsrath von Solothurn ermächtigt, für die Gemeinde Meltingen, wo eine Blatternepidemie herrscht, den Rechtsstillstand auf drei bis vier Wochen anzuordnen.

(.Vom 14. März 1892.)

Der Buadesrath hat dem Großherzog Ernst Ludwig von Hessen beim Hinscheide seines Vaters, des Großherzogs Ludwig IV., telegraphisch sein Beileid bezeugt.

(Vom 15. März 1892.)

An die am 21. April nächsthin zu eröffnende 5. internationale jKonferenz des Rothen Kreuzes in Rom werden abgeordnet die Herren Minister B a v i e r in Rom und Oberfeldarzt Oberst Z i e g l e r in Bern.

In Begründeterklärung eingegangener Rekurse wird die Weisung des aargauischen Obergerichts aufgehoben, wonach es unzuläßig .sein soll, gegen einen Schuldner Zahlungsbefehle zuzustellen und die Pfändung zu vollziehen, über den vor dem 1. Januar 1892 nach altem Rechte der Geltstag erkannt, aber noch nicht veröffentlicht worden ist.

Herrn Jean Siméon V o r u z , schweizerischem Konsul in Nantes, wird die nachgesuchte Entlassung unter Verdankung der geleisteten Dienste ertheilt und das dortige Konsulat auf 1. April nächsthin aufgehoben. Von den zu diesem Konsularbezirk gehörenden Departementen werden Finistère, Côtes-du-Nord, lle-'et-Vilaine, Mayenne, Morbihan und Sarthe dem schweizerischen Konsulat bezirke Havre, Deux-Sèvres, Indre, Indre-et-Loire, untere Loire, Maine-et-Loire, Vendée und Vienne dem Konsularbezirke Bordeaux zugetheilt.

Ebenso wird das schweizerische Vizekonsulat in Cannes aufgehoben und es werden Herrn Vizekonsul G e i s e n d o r f seine geleisteten guten Dienste verdankt.

Für die Justizoffiziere wird ein Dienstreglement erfassen.

911 Dem schweizerischen Organisationskomite für den II. Artillerietag in Basel wird ein Bundesbeitrag von Fr. 500 gewährt.

"Wahlen.

(Vom 15. Mär/, 1892.)

Militärdepartement.

Instruktoren II. Klasse der Infanterie:

Herr Anton Schmid, von Baar, Infanteriehauptmann.

,, Gradino Soletti, von Locamo, Lifan teriehauptmann.

,, Ed. Daulte, in Bern, Infanteriehauptmann.

,, Heinrich Huber, von Islikon, Artillerieoberlieutenant.

o ,, Arthur Quinche, in Cornaux, Infanterieoberlieutenant.

,, Camille Röchelte, von Genf, Iufanterieoberlieutenant.

,, Karl Heinrich Egli, in Bern, Artillerieoberlieutenant.

,, Friedr. Wildi, von Gontenschwjl, Infanterieoberlieutenant.

Louis Bitterlin, in Colombier, fl Schützenlieuteuant.

,, Hans Kohler, von Unterbözberg, Infanterielieutenant.

,, Julius Häßig, von Aarau, Infanterielieutenant.

,, Hermann Grimm, in Thun, Infanterielieutenant.

(Die Herren Artillerieoberlieutenants Huber und Egli treten zur Infanterie über und werden behufs Eintheilung, Herr Huber dem Kanton Thurgau, Herr Egli dem Kanton Aargau zugewiesen.)

912 Post- und Eisenbahndepartement.

Postkommis in Herisau: Posthalterin in Erlen: Posthalter in Boltigen: Posthalter, Briefträger und Bote in Berschis: Gehülfe auf dem Materialbüreau der Telegraphendirektion : Telegraphist in Biel : Telegraphist in St. Gallen: Telegraphist in Chaux-deFonds : Telegraphist in Boltigen:

Herr E. Brenner, von Weinfeld en (Thurgau).

Frau Wittwe Bertha Nagel, in Erlen.

Herr Oberlehrer Gottfried Maurer, io Boltigen (Bern).

,, E. Hobi, in Berschis (St. Gallen).

,, Ed. Michel, von Unterseen (Bern).

,, Gotti. Breiter, von Flaach (Zürich).

,, Dir. Rechsteiner, von Speicher (Appenzell A.-Rh.).

,, Paul Randin, von Rance (Waadt).

^ Gottf. Maurer-Joneli, in Boltigen.

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